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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Waldschnepfe. Bekassine.
stellend, schwankend und wankend, dahin, stoßen ein ängstliches "Dack, dack" aus, beschreiben nur
einen kleinen Kreis im Fluge und werfen sich wieder in der Nähe zum Boden herab. Währenddem
verbergen sich die Jungen zwischen Mos und Gras so vortrefflich, daß man sie ohne Hund selten auf-
findet. Mehrere Jäger, und unter ihnen sehr sorgfältige Beobachter, haben gesehen, daß alte Wald-
schnepfen ihre Jungen bei großer Gefahr wegschafften, indem sie dieselben mit den Krallen packten
oder mit Hals und Schnabel gegen die Brust drückten, um sie festzuhalten, sich erhoben und die
Küchlein so in Sicherheit brachten. Jn der dritten Woche ihres Lebens beginnen die Kleinen zu
flattern, und noch ehe sie ordentlich fliegen lernen, machen sie sich selbständig.

Bis jetzt hat man angenommen, daß die Waldschnepfe nur einmal im Jahre brüte und höchstens
dann, wenn ihr die erste Brut genommen wurde, zu einer zweiten schreite; neuerdings sind jedoch,
insbesondere von Hoffmann, Beobachtungen gesammelt worden, welche zu beweisen scheinen, daß
in günstigen Jahren alle oder doch die meisten Waldschnepfenpaare zweimal brüten und demzufolge
auch zweimal balzen oder streichen.

Leider scheint die Waldschnepfe mehr Feinde zu haben, als irgend ein anderer Waldvogel.
Edelfalken und Habichten wird sie zur sicheren Beute, wenn sie sich am Tage sehen läßt und nicht
dichte Gestrüppe in unmittelbarer Nähe zu ihrer Deckung findet; Habicht und Sperber erspähen sie
sogar in ihren Versteckplätzen und nehmen sie dann vom Boden auf; Elstern und Heher finden, wenn
sie das Dickicht durchschlüpfen, manches Ei und manches Küchlein. Sie werden der Brut vielleicht
noch gefährlicher als Reinecke, dessen unfehlbarer Nase so leicht keine am Boden niedergedrückte
Schnepfe entgeht, welcher das leckere Wildpret wohl zu schätzen weiß und alle Listen und Jagdkünste
anwendet, um sich desselben zu bemächtigen. Jn Waldungen, welche viele Füchse beherbergen, kommen
wenig Schnepfen vor. Außer diesen Hauptstrolchen gehen Marder und Wiesel, Wild- und Haus-
katze auf dieselbe Jagd aus. Der wahre Waidmann jagt die Schnepfen blos während ihres Zuges,
die Südländer aber, wie wir gesehen haben, auch in der Winterherberge, trotzdem daß ihr Wildpret
dann oft hart und zähe ist. Die oben gegebene, Lindermayer's "Vögeln Griechenlands" ent-
nommene Mittheilung über die Schlächterei, welche drei Engländer unter den Vögeln anrichteten,
beweist am besten, wie rücksichtslos den eingewanderten Schnepfen in der Winterherberge nachgestellt
wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das ausgezeichnete Wild von Jahr zu Jahr mehr abnimmt;
die Verminderung dürfte sich aber mit der Zeit noch weit fühlbarer machen, da die Südländer immer
besser mit dem Gewehre umzugehen lernen. Bei uns zu Lande wird die Schnepfenjagd in einer
Weise betrieben, welche man nur billigen kann. Der Anstand auf streichende Waldschnepfen gehört
zu den köstlichsten Vergnügungen eines jagdkundigen Mannes, und das Schnepfentreiben hat ebenfalls
seine großen Reize. Hier und da stellt man dem verfolgten Wilde auch wohl Kleb- oder Steckgarne,
Laufschlingen, Dohnen und andere Fangwerkzeuge: der Waidmann aber verschmäht hinterlistige
Mittel, sich seines Lieblings zu bemächtigen.



Wegen des verhältnißmäßig längeren Schnabels, der mittellangen, über der Ferse nackten Füße,
deren lange, dünne Zehen ganz getrennt sind, der sehr stark ausgeschnittenen Flügel und des kurzen
Schwanzes, welcher aus vierzehn bis sechsundzwanzig Steuerfedern gebildet wird, vereinigt man
gegenwärtig die Sumpfschnepfen (Gallinago) in einer besonderen Sippe.

Als bekannteste Art derselben gilt in ganz Europa mit Recht die Bekassine oder Heer-
schnepfe,
auch Mos-, Moor-, Bruch-, Ried-, Gras-, Haar-, Ketsch-, Herren- oder
Fürstenschnepfe genannt (Gallinago scolopacinus), ein Vogel dessen Gefieder den Sumpfboden
ebenso treu wiederspiegelt, wie das der Waldschnepfe den Waldboden. Die Oberseite desselben ist
auf braunschwarzem Grunde gezeichnet durch einen breiten, rostgelben Streifen, welcher längs der

Waldſchnepfe. Bekaſſine.
ſtellend, ſchwankend und wankend, dahin, ſtoßen ein ängſtliches „Dack, dack“ aus, beſchreiben nur
einen kleinen Kreis im Fluge und werfen ſich wieder in der Nähe zum Boden herab. Währenddem
verbergen ſich die Jungen zwiſchen Mos und Gras ſo vortrefflich, daß man ſie ohne Hund ſelten auf-
findet. Mehrere Jäger, und unter ihnen ſehr ſorgfältige Beobachter, haben geſehen, daß alte Wald-
ſchnepfen ihre Jungen bei großer Gefahr wegſchafften, indem ſie dieſelben mit den Krallen packten
oder mit Hals und Schnabel gegen die Bruſt drückten, um ſie feſtzuhalten, ſich erhoben und die
Küchlein ſo in Sicherheit brachten. Jn der dritten Woche ihres Lebens beginnen die Kleinen zu
flattern, und noch ehe ſie ordentlich fliegen lernen, machen ſie ſich ſelbſtändig.

Bis jetzt hat man angenommen, daß die Waldſchnepfe nur einmal im Jahre brüte und höchſtens
dann, wenn ihr die erſte Brut genommen wurde, zu einer zweiten ſchreite; neuerdings ſind jedoch,
insbeſondere von Hoffmann, Beobachtungen geſammelt worden, welche zu beweiſen ſcheinen, daß
in günſtigen Jahren alle oder doch die meiſten Waldſchnepfenpaare zweimal brüten und demzufolge
auch zweimal balzen oder ſtreichen.

Leider ſcheint die Waldſchnepfe mehr Feinde zu haben, als irgend ein anderer Waldvogel.
Edelfalken und Habichten wird ſie zur ſicheren Beute, wenn ſie ſich am Tage ſehen läßt und nicht
dichte Geſtrüppe in unmittelbarer Nähe zu ihrer Deckung findet; Habicht und Sperber erſpähen ſie
ſogar in ihren Verſteckplätzen und nehmen ſie dann vom Boden auf; Elſtern und Heher finden, wenn
ſie das Dickicht durchſchlüpfen, manches Ei und manches Küchlein. Sie werden der Brut vielleicht
noch gefährlicher als Reinecke, deſſen unfehlbarer Naſe ſo leicht keine am Boden niedergedrückte
Schnepfe entgeht, welcher das leckere Wildpret wohl zu ſchätzen weiß und alle Liſten und Jagdkünſte
anwendet, um ſich deſſelben zu bemächtigen. Jn Waldungen, welche viele Füchſe beherbergen, kommen
wenig Schnepfen vor. Außer dieſen Hauptſtrolchen gehen Marder und Wieſel, Wild- und Haus-
katze auf dieſelbe Jagd aus. Der wahre Waidmann jagt die Schnepfen blos während ihres Zuges,
die Südländer aber, wie wir geſehen haben, auch in der Winterherberge, trotzdem daß ihr Wildpret
dann oft hart und zähe iſt. Die oben gegebene, Lindermayer’s „Vögeln Griechenlands“ ent-
nommene Mittheilung über die Schlächterei, welche drei Engländer unter den Vögeln anrichteten,
beweiſt am beſten, wie rückſichtslos den eingewanderten Schnepfen in der Winterherberge nachgeſtellt
wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das ausgezeichnete Wild von Jahr zu Jahr mehr abnimmt;
die Verminderung dürfte ſich aber mit der Zeit noch weit fühlbarer machen, da die Südländer immer
beſſer mit dem Gewehre umzugehen lernen. Bei uns zu Lande wird die Schnepfenjagd in einer
Weiſe betrieben, welche man nur billigen kann. Der Anſtand auf ſtreichende Waldſchnepfen gehört
zu den köſtlichſten Vergnügungen eines jagdkundigen Mannes, und das Schnepfentreiben hat ebenfalls
ſeine großen Reize. Hier und da ſtellt man dem verfolgten Wilde auch wohl Kleb- oder Steckgarne,
Laufſchlingen, Dohnen und andere Fangwerkzeuge: der Waidmann aber verſchmäht hinterliſtige
Mittel, ſich ſeines Lieblings zu bemächtigen.



Wegen des verhältnißmäßig längeren Schnabels, der mittellangen, über der Ferſe nackten Füße,
deren lange, dünne Zehen ganz getrennt ſind, der ſehr ſtark ausgeſchnittenen Flügel und des kurzen
Schwanzes, welcher aus vierzehn bis ſechsundzwanzig Steuerfedern gebildet wird, vereinigt man
gegenwärtig die Sumpfſchnepfen (Gallinago) in einer beſonderen Sippe.

Als bekannteſte Art derſelben gilt in ganz Europa mit Recht die Bekaſſine oder Heer-
ſchnepfe,
auch Mos-, Moor-, Bruch-, Ried-, Gras-, Haar-, Ketſch-, Herren- oder
Fürſtenſchnepfe genannt (Gallinago scolopacinus), ein Vogel deſſen Gefieder den Sumpfboden
ebenſo treu wiederſpiegelt, wie das der Waldſchnepfe den Waldboden. Die Oberſeite deſſelben iſt
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[613/0653] Waldſchnepfe. Bekaſſine. ſtellend, ſchwankend und wankend, dahin, ſtoßen ein ängſtliches „Dack, dack“ aus, beſchreiben nur einen kleinen Kreis im Fluge und werfen ſich wieder in der Nähe zum Boden herab. Währenddem verbergen ſich die Jungen zwiſchen Mos und Gras ſo vortrefflich, daß man ſie ohne Hund ſelten auf- findet. Mehrere Jäger, und unter ihnen ſehr ſorgfältige Beobachter, haben geſehen, daß alte Wald- ſchnepfen ihre Jungen bei großer Gefahr wegſchafften, indem ſie dieſelben mit den Krallen packten oder mit Hals und Schnabel gegen die Bruſt drückten, um ſie feſtzuhalten, ſich erhoben und die Küchlein ſo in Sicherheit brachten. Jn der dritten Woche ihres Lebens beginnen die Kleinen zu flattern, und noch ehe ſie ordentlich fliegen lernen, machen ſie ſich ſelbſtändig. Bis jetzt hat man angenommen, daß die Waldſchnepfe nur einmal im Jahre brüte und höchſtens dann, wenn ihr die erſte Brut genommen wurde, zu einer zweiten ſchreite; neuerdings ſind jedoch, insbeſondere von Hoffmann, Beobachtungen geſammelt worden, welche zu beweiſen ſcheinen, daß in günſtigen Jahren alle oder doch die meiſten Waldſchnepfenpaare zweimal brüten und demzufolge auch zweimal balzen oder ſtreichen. Leider ſcheint die Waldſchnepfe mehr Feinde zu haben, als irgend ein anderer Waldvogel. Edelfalken und Habichten wird ſie zur ſicheren Beute, wenn ſie ſich am Tage ſehen läßt und nicht dichte Geſtrüppe in unmittelbarer Nähe zu ihrer Deckung findet; Habicht und Sperber erſpähen ſie ſogar in ihren Verſteckplätzen und nehmen ſie dann vom Boden auf; Elſtern und Heher finden, wenn ſie das Dickicht durchſchlüpfen, manches Ei und manches Küchlein. Sie werden der Brut vielleicht noch gefährlicher als Reinecke, deſſen unfehlbarer Naſe ſo leicht keine am Boden niedergedrückte Schnepfe entgeht, welcher das leckere Wildpret wohl zu ſchätzen weiß und alle Liſten und Jagdkünſte anwendet, um ſich deſſelben zu bemächtigen. Jn Waldungen, welche viele Füchſe beherbergen, kommen wenig Schnepfen vor. Außer dieſen Hauptſtrolchen gehen Marder und Wieſel, Wild- und Haus- katze auf dieſelbe Jagd aus. Der wahre Waidmann jagt die Schnepfen blos während ihres Zuges, die Südländer aber, wie wir geſehen haben, auch in der Winterherberge, trotzdem daß ihr Wildpret dann oft hart und zähe iſt. Die oben gegebene, Lindermayer’s „Vögeln Griechenlands“ ent- nommene Mittheilung über die Schlächterei, welche drei Engländer unter den Vögeln anrichteten, beweiſt am beſten, wie rückſichtslos den eingewanderten Schnepfen in der Winterherberge nachgeſtellt wird. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das ausgezeichnete Wild von Jahr zu Jahr mehr abnimmt; die Verminderung dürfte ſich aber mit der Zeit noch weit fühlbarer machen, da die Südländer immer beſſer mit dem Gewehre umzugehen lernen. Bei uns zu Lande wird die Schnepfenjagd in einer Weiſe betrieben, welche man nur billigen kann. Der Anſtand auf ſtreichende Waldſchnepfen gehört zu den köſtlichſten Vergnügungen eines jagdkundigen Mannes, und das Schnepfentreiben hat ebenfalls ſeine großen Reize. Hier und da ſtellt man dem verfolgten Wilde auch wohl Kleb- oder Steckgarne, Laufſchlingen, Dohnen und andere Fangwerkzeuge: der Waidmann aber verſchmäht hinterliſtige Mittel, ſich ſeines Lieblings zu bemächtigen. Wegen des verhältnißmäßig längeren Schnabels, der mittellangen, über der Ferſe nackten Füße, deren lange, dünne Zehen ganz getrennt ſind, der ſehr ſtark ausgeſchnittenen Flügel und des kurzen Schwanzes, welcher aus vierzehn bis ſechsundzwanzig Steuerfedern gebildet wird, vereinigt man gegenwärtig die Sumpfſchnepfen (Gallinago) in einer beſonderen Sippe. Als bekannteſte Art derſelben gilt in ganz Europa mit Recht die Bekaſſine oder Heer- ſchnepfe, auch Mos-, Moor-, Bruch-, Ried-, Gras-, Haar-, Ketſch-, Herren- oder Fürſtenſchnepfe genannt (Gallinago scolopacinus), ein Vogel deſſen Gefieder den Sumpfboden ebenſo treu wiederſpiegelt, wie das der Waldſchnepfe den Waldboden. Die Oberſeite deſſelben iſt auf braunſchwarzem Grunde gezeichnet durch einen breiten, roſtgelben Streifen, welcher längs der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/653>, abgerufen am 16.07.2024.