solche bezeichnen; denn in ihr, bezüglich in den ausgedehnten Mooren des hohen Nordens, steht das Nest, in ihr wird er geboren. Außer ihr bindet er sich an keine Oertlichkeit. Von dem Wasser aus fliegt er auf das dürrste Land, von diesem auf Feld oder Wiese, vonhieraus wieder zum Wasser zurück, just, wie es ihm einfällt. Zeitweilig theilt er mit der Sumpfschnepfe, zeitweilig mit dem Dickfuß dasselbe Gebiet. Man begegnet ihm überall, aber nirgends eigentlich regelmäßig. Während seiner Wanderung, welche er ebensowohl bei Tage als bei Nacht ausführt, folgt er allerdings den allgemeinen Heerstraßen, aber nur im großen Ganzen; denn er verläßt die Ströme und Flüsse auf Meilen weit, wenn ihm dazu die Lust anwandelt, überfliegt auch ohne Bedenken mittelhohe Gebirge. Wie bei uns zu Lande treibt er es auch in der Winterherberge. Er gehört zu den regelmäßigen Erscheinungen an
[Abbildung]
Der Brachvogel (Numenius arquatus). 1/4 der nat. Größe.
den Seen; aber er fängt auch mit dem Jbis in der Steppe Heuschrecken oder sucht sich an den felsigen Ufern des Nils in Nubien sein Futter: er ist überall heimisch.
Jch habe den Brachvogel im hohen Norden auf seinen Brutplätzen gesehen und am weißen oder blauen Nile erlegt, in Egypten, Griechenland, Spanien und Deutschland beobachtet, unter den ver- schiedenartigsten Verhältnissen mit ihm verkehrt und ihn unter allen Umständen als denselben kennen gelernt. Scheu und vorsichtig, mißtrauisch, selbstbewußt und doch furchtsam zeigt er sich stets. Geselliger als viele andere Schnepfenvögel, bildet er gern kleine Vereine, und seine Wachsamkeit ver- sammelt stets eine Menge minder kluger Strandvögel um ihn; er aber gibt sich mit dem Gesindel nur soweit ab, als es ihm gerade gut dünkt. Dem Locktone seiner Art folgt er, beantwortet ihn wenigstens, um andere Stimmen bekümmert er sich nicht; die übrige Thierwelt läßt ihn entweder gleichgiltig oder flößt ihm Mißtrauen und Furcht ein. Den Menschen meidet er unter allen Umständen, selbst am
Die Läufer. Stelzvögel. Brachvögel.
ſolche bezeichnen; denn in ihr, bezüglich in den ausgedehnten Mooren des hohen Nordens, ſteht das Neſt, in ihr wird er geboren. Außer ihr bindet er ſich an keine Oertlichkeit. Von dem Waſſer aus fliegt er auf das dürrſte Land, von dieſem auf Feld oder Wieſe, vonhieraus wieder zum Waſſer zurück, juſt, wie es ihm einfällt. Zeitweilig theilt er mit der Sumpfſchnepfe, zeitweilig mit dem Dickfuß daſſelbe Gebiet. Man begegnet ihm überall, aber nirgends eigentlich regelmäßig. Während ſeiner Wanderung, welche er ebenſowohl bei Tage als bei Nacht ausführt, folgt er allerdings den allgemeinen Heerſtraßen, aber nur im großen Ganzen; denn er verläßt die Ströme und Flüſſe auf Meilen weit, wenn ihm dazu die Luſt anwandelt, überfliegt auch ohne Bedenken mittelhohe Gebirge. Wie bei uns zu Lande treibt er es auch in der Winterherberge. Er gehört zu den regelmäßigen Erſcheinungen an
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Der Brachvogel (Numenius arquatus). ¼ der nat. Größe.
den Seen; aber er fängt auch mit dem Jbis in der Steppe Heuſchrecken oder ſucht ſich an den felſigen Ufern des Nils in Nubien ſein Futter: er iſt überall heimiſch.
Jch habe den Brachvogel im hohen Norden auf ſeinen Brutplätzen geſehen und am weißen oder blauen Nile erlegt, in Egypten, Griechenland, Spanien und Deutſchland beobachtet, unter den ver- ſchiedenartigſten Verhältniſſen mit ihm verkehrt und ihn unter allen Umſtänden als denſelben kennen gelernt. Scheu und vorſichtig, mißtrauiſch, ſelbſtbewußt und doch furchtſam zeigt er ſich ſtets. Geſelliger als viele andere Schnepfenvögel, bildet er gern kleine Vereine, und ſeine Wachſamkeit ver- ſammelt ſtets eine Menge minder kluger Strandvögel um ihn; er aber gibt ſich mit dem Geſindel nur ſoweit ab, als es ihm gerade gut dünkt. Dem Locktone ſeiner Art folgt er, beantwortet ihn wenigſtens, um andere Stimmen bekümmert er ſich nicht; die übrige Thierwelt läßt ihn entweder gleichgiltig oder flößt ihm Mißtrauen und Furcht ein. Den Menſchen meidet er unter allen Umſtänden, ſelbſt am
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Die Läufer. Stelzvögel. Brachvögel.
ſolche bezeichnen; denn in ihr, bezüglich in den ausgedehnten Mooren des hohen Nordens, ſteht das
Neſt, in ihr wird er geboren. Außer ihr bindet er ſich an keine Oertlichkeit. Von dem Waſſer aus
fliegt er auf das dürrſte Land, von dieſem auf Feld oder Wieſe, vonhieraus wieder zum Waſſer zurück,
juſt, wie es ihm einfällt. Zeitweilig theilt er mit der Sumpfſchnepfe, zeitweilig mit dem Dickfuß
daſſelbe Gebiet. Man begegnet ihm überall, aber nirgends eigentlich regelmäßig. Während ſeiner
Wanderung, welche er ebenſowohl bei Tage als bei Nacht ausführt, folgt er allerdings den allgemeinen
Heerſtraßen, aber nur im großen Ganzen; denn er verläßt die Ströme und Flüſſe auf Meilen weit,
wenn ihm dazu die Luſt anwandelt, überfliegt auch ohne Bedenken mittelhohe Gebirge. Wie bei uns
zu Lande treibt er es auch in der Winterherberge. Er gehört zu den regelmäßigen Erſcheinungen an
[Abbildung Der Brachvogel (Numenius arquatus). ¼ der nat. Größe.]
den Seen; aber er fängt auch mit dem Jbis in der Steppe Heuſchrecken oder ſucht ſich an den felſigen
Ufern des Nils in Nubien ſein Futter: er iſt überall heimiſch.
Jch habe den Brachvogel im hohen Norden auf ſeinen Brutplätzen geſehen und am weißen oder
blauen Nile erlegt, in Egypten, Griechenland, Spanien und Deutſchland beobachtet, unter den ver-
ſchiedenartigſten Verhältniſſen mit ihm verkehrt und ihn unter allen Umſtänden als denſelben kennen
gelernt. Scheu und vorſichtig, mißtrauiſch, ſelbſtbewußt und doch furchtſam zeigt er ſich ſtets.
Geſelliger als viele andere Schnepfenvögel, bildet er gern kleine Vereine, und ſeine Wachſamkeit ver-
ſammelt ſtets eine Menge minder kluger Strandvögel um ihn; er aber gibt ſich mit dem Geſindel nur
ſoweit ab, als es ihm gerade gut dünkt. Dem Locktone ſeiner Art folgt er, beantwortet ihn wenigſtens,
um andere Stimmen bekümmert er ſich nicht; die übrige Thierwelt läßt ihn entweder gleichgiltig oder
flößt ihm Mißtrauen und Furcht ein. Den Menſchen meidet er unter allen Umſtänden, ſelbſt am
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/690>, abgerufen am 22.11.2024.
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