und Würmer wohl die Hauptnahrung bilden mögen; mittags sieht man ihn, und gewöhnlich in großen Scharen, auf Sandinseln im Strome oder im seichten Wasser stehen, auch auf Bäumen ausruhen. Jn seinem Gange und Fluge ähnelt er unserem Storche so, daß ich einen eigentlichen Unterschied der Bewegung von beiden nicht anzugeben weiß. Doch nimmt sich der Nimmersatt fliegend schöner aus als der Storch, weil die prachtvolle Flügelfärbung dann zur Geltung kommt. Mit anderem Sumpfgeflügel gibt er sich wenig ab. Er treibt sich zwar unter demselben umher, bildet aber immer mehr oder weniger abgesonderte Gesellschaften inmitten des Gewimmels und behauptet, namentlich wenn er ruht, seinen eigenen Platz.
Ueber die Fortpflanzung habe ich leider keine Beobachtungen anstellen können; es sind mir auch keine Mittheilungen anderer Reisenden bekannt. Dagegen berichtet Jerdon von dem indischen Vertreter, welcher seinem afrikanischen Verwandten in der Lebensweise zu ähneln scheint, daß er regelmäßig in Gesellschaften auf hohen Bäumen nistet, einen großen Horst errichtet und drei bis vier, auf weißem Grunde schwachgilblich gefleckte Eier legt. Ein einziger Banianbaum soll zuweilen funfzig Nester dieser Vögel vereinigen.
Jn der Neuzeit sind mehrfach junge Nimmersatts von Westafrika her lebend nach Europa gekommen; ich habe solche in Köln, Antwerpen, Amsterdam und London gesehen. Jhre Haltung verursacht keine Mühe, da sie mit demselben Futter vorlieb nehmen, welches man dem Storche reicht.
An letzteren erinnert ihr Betragen. "Junge Nimmersatte", schreibt mir Bodinus, "betragen sich ganz wie junge Störche, wenn sie vor ihren Eltern niederknien, mit den Flügeln schlagen und gefüttert sein wollen. Sie thun Dies, wenn ältere Vögel ihrer Art und selbst Verwandte in ihre Nähe kommen, fast ein ganzes Jahr lang und stoßen dabei heisere Töne aus. Von dem Storche unter- scheiden sie sich, nach meiner Ansicht, durch ihr sanfteres Wesen und ihre außerordentliche Verträglich- keit. Das Merkwürdigste an dem Vogel ist, daß er den geöffneten Schnabel ins Wasser steckt, als ob er erwarte, daß seine Beute ihm ohne Weiteres in den Schlund hineinspazieren müsse. Dieses Benehmen paßt schlecht zu dem Namen "Nimmersatt"; unser Vogel verdient diesen Namen aber auch in anderer Hinsicht keineswegs. Er ist durchaus nicht gefräßiger als seine Verwandten; ich möchte ihn vielmehr mäßiger nennen. Sein Betragen bekundet Gemächlichkeit und Seelenruhe. Würdevoll schreitet er in seinem Raume umher, ruhig und bedachtsam betrachtet er sich die Vorübergehenden; mit scheinbarer Herablassung beschäftigt er sich mit anderen Vögeln; und wenn er im reiferen Alter sein prachtvolles Gefieder erhalten, gehört er wirklich zu den schönsten Thieren, welche man halten kann. Der deutsche Himmel sagt ihm aber nicht zu, und Frost kann er gar nicht vertragen. Bei geringer Kälte schon erfriert er die Zehen oder zieht sich eine Darmentzündung zu, an welcher er in der Regel zu Grunde geht. Hält man ihn in einem größeren, unbedeckten Gebauer, in welchem er seine Schwingen gebrauchen darf, so pflegt er den größten Theil des Tages auf Bäumen zuzubringen, und nur, wenn er Nahrung sucht, zum Boden herabzukommen."
Ein kräftiger, breitbrüstiger Leib, mittellanger, starker Hals, mittelgroßer Kopf, ein langer, kegelförmiger, gerader, an den scharfen Schneiden stark eingezogener, mit plattem Hornüberzug bekleideter Schnabel, lange, weit über der Ferse nackte Füße, mit kurzen, unten breiten Zehen, deren äußere und mittlere bis zum ersten Gelenk durch eine Spannhaut verbunden sind, sehr lange, mäßig breite, ziemlich stumpfe Flügel, unter deren Schwingen die dritte, vierte, fünfte gleichlang und die längsten sind, ein aus zwölf kurzen Federn bestehender, abgerundeter Schwanz und ein reiches, wenig- farbiges, oft aber glänzendes Gefieder kennzeichnet die Störche im engeren Sinne (Ciconia).
Unter ihnen verdienen selbstverständlich der Hausstorch, Adebar, Ebeher, Honoter oder Klapperstorch (Ciconia alba) vorzugsweise berücksichtigt zu werden. Sein Gefieder ist
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Nimmerſatt. Storch.
und Würmer wohl die Hauptnahrung bilden mögen; mittags ſieht man ihn, und gewöhnlich in großen Scharen, auf Sandinſeln im Strome oder im ſeichten Waſſer ſtehen, auch auf Bäumen ausruhen. Jn ſeinem Gange und Fluge ähnelt er unſerem Storche ſo, daß ich einen eigentlichen Unterſchied der Bewegung von beiden nicht anzugeben weiß. Doch nimmt ſich der Nimmerſatt fliegend ſchöner aus als der Storch, weil die prachtvolle Flügelfärbung dann zur Geltung kommt. Mit anderem Sumpfgeflügel gibt er ſich wenig ab. Er treibt ſich zwar unter demſelben umher, bildet aber immer mehr oder weniger abgeſonderte Geſellſchaften inmitten des Gewimmels und behauptet, namentlich wenn er ruht, ſeinen eigenen Platz.
Ueber die Fortpflanzung habe ich leider keine Beobachtungen anſtellen können; es ſind mir auch keine Mittheilungen anderer Reiſenden bekannt. Dagegen berichtet Jerdon von dem indiſchen Vertreter, welcher ſeinem afrikaniſchen Verwandten in der Lebensweiſe zu ähneln ſcheint, daß er regelmäßig in Geſellſchaften auf hohen Bäumen niſtet, einen großen Horſt errichtet und drei bis vier, auf weißem Grunde ſchwachgilblich gefleckte Eier legt. Ein einziger Banianbaum ſoll zuweilen funfzig Neſter dieſer Vögel vereinigen.
Jn der Neuzeit ſind mehrfach junge Nimmerſatts von Weſtafrika her lebend nach Europa gekommen; ich habe ſolche in Köln, Antwerpen, Amſterdam und London geſehen. Jhre Haltung verurſacht keine Mühe, da ſie mit demſelben Futter vorlieb nehmen, welches man dem Storche reicht.
An letzteren erinnert ihr Betragen. „Junge Nimmerſatte“, ſchreibt mir Bodinus, „betragen ſich ganz wie junge Störche, wenn ſie vor ihren Eltern niederknien, mit den Flügeln ſchlagen und gefüttert ſein wollen. Sie thun Dies, wenn ältere Vögel ihrer Art und ſelbſt Verwandte in ihre Nähe kommen, faſt ein ganzes Jahr lang und ſtoßen dabei heiſere Töne aus. Von dem Storche unter- ſcheiden ſie ſich, nach meiner Anſicht, durch ihr ſanfteres Weſen und ihre außerordentliche Verträglich- keit. Das Merkwürdigſte an dem Vogel iſt, daß er den geöffneten Schnabel ins Waſſer ſteckt, als ob er erwarte, daß ſeine Beute ihm ohne Weiteres in den Schlund hineinſpazieren müſſe. Dieſes Benehmen paßt ſchlecht zu dem Namen „Nimmerſatt“; unſer Vogel verdient dieſen Namen aber auch in anderer Hinſicht keineswegs. Er iſt durchaus nicht gefräßiger als ſeine Verwandten; ich möchte ihn vielmehr mäßiger nennen. Sein Betragen bekundet Gemächlichkeit und Seelenruhe. Würdevoll ſchreitet er in ſeinem Raume umher, ruhig und bedachtſam betrachtet er ſich die Vorübergehenden; mit ſcheinbarer Herablaſſung beſchäftigt er ſich mit anderen Vögeln; und wenn er im reiferen Alter ſein prachtvolles Gefieder erhalten, gehört er wirklich zu den ſchönſten Thieren, welche man halten kann. Der deutſche Himmel ſagt ihm aber nicht zu, und Froſt kann er gar nicht vertragen. Bei geringer Kälte ſchon erfriert er die Zehen oder zieht ſich eine Darmentzündung zu, an welcher er in der Regel zu Grunde geht. Hält man ihn in einem größeren, unbedeckten Gebauer, in welchem er ſeine Schwingen gebrauchen darf, ſo pflegt er den größten Theil des Tages auf Bäumen zuzubringen, und nur, wenn er Nahrung ſucht, zum Boden herabzukommen.“
Ein kräftiger, breitbrüſtiger Leib, mittellanger, ſtarker Hals, mittelgroßer Kopf, ein langer, kegelförmiger, gerader, an den ſcharfen Schneiden ſtark eingezogener, mit plattem Hornüberzug bekleideter Schnabel, lange, weit über der Ferſe nackte Füße, mit kurzen, unten breiten Zehen, deren äußere und mittlere bis zum erſten Gelenk durch eine Spannhaut verbunden ſind, ſehr lange, mäßig breite, ziemlich ſtumpfe Flügel, unter deren Schwingen die dritte, vierte, fünfte gleichlang und die längſten ſind, ein aus zwölf kurzen Federn beſtehender, abgerundeter Schwanz und ein reiches, wenig- farbiges, oft aber glänzendes Gefieder kennzeichnet die Störche im engeren Sinne (Ciconia).
Unter ihnen verdienen ſelbſtverſtändlich der Hausſtorch, Adebar, Ebeher, Honoter oder Klapperſtorch (Ciconia alba) vorzugsweiſe berückſichtigt zu werden. Sein Gefieder iſt
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Nimmerſatt. Storch.
und Würmer wohl die Hauptnahrung bilden mögen; mittags ſieht man ihn, und gewöhnlich in
großen Scharen, auf Sandinſeln im Strome oder im ſeichten Waſſer ſtehen, auch auf Bäumen
ausruhen. Jn ſeinem Gange und Fluge ähnelt er unſerem Storche ſo, daß ich einen eigentlichen
Unterſchied der Bewegung von beiden nicht anzugeben weiß. Doch nimmt ſich der Nimmerſatt
fliegend ſchöner aus als der Storch, weil die prachtvolle Flügelfärbung dann zur Geltung kommt.
Mit anderem Sumpfgeflügel gibt er ſich wenig ab. Er treibt ſich zwar unter demſelben umher, bildet
aber immer mehr oder weniger abgeſonderte Geſellſchaften inmitten des Gewimmels und behauptet,
namentlich wenn er ruht, ſeinen eigenen Platz.
Ueber die Fortpflanzung habe ich leider keine Beobachtungen anſtellen können; es ſind mir auch
keine Mittheilungen anderer Reiſenden bekannt. Dagegen berichtet Jerdon von dem indiſchen
Vertreter, welcher ſeinem afrikaniſchen Verwandten in der Lebensweiſe zu ähneln ſcheint, daß er
regelmäßig in Geſellſchaften auf hohen Bäumen niſtet, einen großen Horſt errichtet und drei bis vier,
auf weißem Grunde ſchwachgilblich gefleckte Eier legt. Ein einziger Banianbaum ſoll zuweilen
funfzig Neſter dieſer Vögel vereinigen.
Jn der Neuzeit ſind mehrfach junge Nimmerſatts von Weſtafrika her lebend nach Europa
gekommen; ich habe ſolche in Köln, Antwerpen, Amſterdam und London geſehen. Jhre Haltung
verurſacht keine Mühe, da ſie mit demſelben Futter vorlieb nehmen, welches man dem Storche reicht.
An letzteren erinnert ihr Betragen. „Junge Nimmerſatte“, ſchreibt mir Bodinus, „betragen
ſich ganz wie junge Störche, wenn ſie vor ihren Eltern niederknien, mit den Flügeln ſchlagen und
gefüttert ſein wollen. Sie thun Dies, wenn ältere Vögel ihrer Art und ſelbſt Verwandte in ihre
Nähe kommen, faſt ein ganzes Jahr lang und ſtoßen dabei heiſere Töne aus. Von dem Storche unter-
ſcheiden ſie ſich, nach meiner Anſicht, durch ihr ſanfteres Weſen und ihre außerordentliche Verträglich-
keit. Das Merkwürdigſte an dem Vogel iſt, daß er den geöffneten Schnabel ins Waſſer ſteckt, als ob
er erwarte, daß ſeine Beute ihm ohne Weiteres in den Schlund hineinſpazieren müſſe. Dieſes
Benehmen paßt ſchlecht zu dem Namen „Nimmerſatt“; unſer Vogel verdient dieſen Namen aber auch
in anderer Hinſicht keineswegs. Er iſt durchaus nicht gefräßiger als ſeine Verwandten; ich möchte
ihn vielmehr mäßiger nennen. Sein Betragen bekundet Gemächlichkeit und Seelenruhe. Würdevoll
ſchreitet er in ſeinem Raume umher, ruhig und bedachtſam betrachtet er ſich die Vorübergehenden; mit
ſcheinbarer Herablaſſung beſchäftigt er ſich mit anderen Vögeln; und wenn er im reiferen Alter ſein
prachtvolles Gefieder erhalten, gehört er wirklich zu den ſchönſten Thieren, welche man halten kann.
Der deutſche Himmel ſagt ihm aber nicht zu, und Froſt kann er gar nicht vertragen. Bei geringer
Kälte ſchon erfriert er die Zehen oder zieht ſich eine Darmentzündung zu, an welcher er in der Regel
zu Grunde geht. Hält man ihn in einem größeren, unbedeckten Gebauer, in welchem er ſeine
Schwingen gebrauchen darf, ſo pflegt er den größten Theil des Tages auf Bäumen zuzubringen, und
nur, wenn er Nahrung ſucht, zum Boden herabzukommen.“
Ein kräftiger, breitbrüſtiger Leib, mittellanger, ſtarker Hals, mittelgroßer Kopf, ein langer,
kegelförmiger, gerader, an den ſcharfen Schneiden ſtark eingezogener, mit plattem Hornüberzug
bekleideter Schnabel, lange, weit über der Ferſe nackte Füße, mit kurzen, unten breiten Zehen, deren
äußere und mittlere bis zum erſten Gelenk durch eine Spannhaut verbunden ſind, ſehr lange, mäßig
breite, ziemlich ſtumpfe Flügel, unter deren Schwingen die dritte, vierte, fünfte gleichlang und die
längſten ſind, ein aus zwölf kurzen Federn beſtehender, abgerundeter Schwanz und ein reiches, wenig-
farbiges, oft aber glänzendes Gefieder kennzeichnet die Störche im engeren Sinne (Ciconia).
Unter ihnen verdienen ſelbſtverſtändlich der Hausſtorch, Adebar, Ebeher, Honoter
oder Klapperſtorch (Ciconia alba) vorzugsweiſe berückſichtigt zu werden. Sein Gefieder iſt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/717>, abgerufen am 22.11.2024.
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