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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Sattelstorch.
und wählte sich nun den Schuppen zu seiner Herberge, kehrte fortan auch regelmäßig dorthin zurück.
Bei Tage hielt er sich im Hofe, am liebsten auf den von der Sonne beschienenen Stellen auf und
kehrte unabänderlich sein Gesicht der Sonne entgegen. Die Hühner, welche sich im Hofe befanden,
schienen seine Aufmerksamkeit zu erregen; denn er lief auf sie zu und versetzte sie dadurch in großen
Schreck, obgleich er sich nicht den Anschein gab, als ob er sie belästigen wolle. Ein rauflustiger
Bantamhahn, welcher sich ihm gegenüberstellte und ihn zurückzuschrecken suchte, wurde anfänglich mit
großer Ruhe besichtigt, aber nicht weiter betrachtet, bis es dem Hahne einfiel, einen wirklichen Angriff
auf den Riesen zu machen. Da freilich trat ihn derselbe sofort zu Boden, und nunmehr wußte der
Hahn, wen er vor sich hatte. Jn wenigen Tagen hatten sich übrigens Riesenstorch und Hühner
an einander gewöhnt, und auch der kleine Hahn duldete, ohne Haß oder Zuneigung zu bekunden, die
Anwesenheit des Gastes. Letzterer schien sich überhaupt wenig um die Mitbewohnerschaft des
Gehöftes zu bekümmern. Die Pferde z. B., Thiere, welche er doch früher nie gesehen hatte, ließen
ihn vollständig gleichgültig. Nur einmal drückte er durch Aufsträuben seines Gefieders, Ausbreiten
der Schwingen und heftiges Schnabelgeklapper seinen Unwillen und Zorn aus, nämlich als die beiden
weiter oben schon erwähnten Moruks ihn durch ihre ewige Unruhe und Neugierde belästigten. Nach-
dem er einem der Kurzflügler einen Hieb versetzt hatte, war der Friede übrigens auch mit diesen
hergestellt; denn die Moruks ließen ihn fortan in Ruhe.

Der Riesenstorch schreitet mit gemessenen Schritten unhörbar dahin und trägt dabei den Hals
sanft gebogen und den Schnabel so nach abwärts gekehrt, daß die untere Lade fast auf den Federn
des Halses ruht. Zuweilen steht er hoch aufgerichtet auf einem Beine; oft ruht er auf den einge-
knickten Fersen aus; manchmal legt er sich auch mit doppelt zusammengebogenen Füßen platt auf die
Erde. Lustige oder tanzartige Sprünge, wie sie Kraniche ausführen, beobachtet man nicht; doch
rennt er gelegentlich einmal mit ausgebreiteten Flügeln im schnellen Laufe durch den Hof, gleichsam
zu seiner Uebung. Den ungeheuren Schnabel weiß er mit überraschendem Geschick zu handhaben; er
ist im Stande, den kleinsten Gegenstand mit der Spitze aufzunehmen, wiederholt hin- und herzudrehen,
und ihn dann, nachdem er ihn vorher aufgeworfen, zu verschlingen, ebenso beim Federputzen einen
kleinen Schmarotzer zu fangen und umzubringen. Außerdem benutzt er den Schnabel, wie der
Storch, um seine Gefühle auszudrücken; denn auch er besitzt keine eigentliche Stimme und kann sich
nur durch Klappern verständlich machen.

Die Verschiedenheit der Witterung schien ihn wenig anzufechten; ebenso ruhig, als er sich den
Sonnenstrahlen aussetzte, gab er sich auch dem Regen preis; ja, dieser schien ihm im Gegentheile sehr
angenehm zu sein. Bei heißem Winde sperrte er den Schnabel auf, als ob er nach Luft schnappen
müßte, wurde deshalb in den Schatten gebracht, kehrte aber sofort wieder in die Sonne zurück und
that wie vorher.

Jm Verhältniß zu seiner Größe frißt der Riesenstorch nicht sehr viel, bedarf aber doch anderthalb
Pfund Fleisch täglich oder das entsprechende Gewicht an Fischen und Lurchen. Das Futter faßt er
mit der Spitze des Schnabels, wirft es in die Luft und fängt es wieder auf, wenn es aber hart und
knorpelig ist, quetscht er es erst solange, als ihm nothwendig scheint. Angegangenes Fleisch mag er
nicht: was er verzehrt, muß gut und frisch sein. Hatte er einen zu großen Bissen verschluckt, so
stellte er sich ganz aufrecht, bis derselbe die Speiseröhre durchlaufen hatte, hierauf fraß er weiter.
Fische wurden gewöhnlich entzwei gebissen, längere, aalartige ganz verschlungen. Er fraß in der
Regel nur des Morgens und Abends, hielt aber an der einmal gewohnten Futterzeit so fest, daß er
sich stets zur rechten Zeit am Freßnapfe einstellte und hier verweilte, bis ihm Nahrung gereicht wurde.
Jn der Zwischenzeit beschäftigte er sich wohl auch zuweilen mit Kerbthierfang, schnappte Fliegen
geschickt aus der Luft weg, las Cicaden und Käfer, welche von den Bäumen herabfielen, eifrig auf
und achtete auch sorgfältig auf die leiseste Bewegung am Boden, nachdem er aus ihm mehrere Mal in
der Erde lebende Larven erbeutet hatte. Wasser trank er täglich mehrere Male.

Sattelſtorch.
und wählte ſich nun den Schuppen zu ſeiner Herberge, kehrte fortan auch regelmäßig dorthin zurück.
Bei Tage hielt er ſich im Hofe, am liebſten auf den von der Sonne beſchienenen Stellen auf und
kehrte unabänderlich ſein Geſicht der Sonne entgegen. Die Hühner, welche ſich im Hofe befanden,
ſchienen ſeine Aufmerkſamkeit zu erregen; denn er lief auf ſie zu und verſetzte ſie dadurch in großen
Schreck, obgleich er ſich nicht den Anſchein gab, als ob er ſie beläſtigen wolle. Ein raufluſtiger
Bantamhahn, welcher ſich ihm gegenüberſtellte und ihn zurückzuſchrecken ſuchte, wurde anfänglich mit
großer Ruhe beſichtigt, aber nicht weiter betrachtet, bis es dem Hahne einfiel, einen wirklichen Angriff
auf den Rieſen zu machen. Da freilich trat ihn derſelbe ſofort zu Boden, und nunmehr wußte der
Hahn, wen er vor ſich hatte. Jn wenigen Tagen hatten ſich übrigens Rieſenſtorch und Hühner
an einander gewöhnt, und auch der kleine Hahn duldete, ohne Haß oder Zuneigung zu bekunden, die
Anweſenheit des Gaſtes. Letzterer ſchien ſich überhaupt wenig um die Mitbewohnerſchaft des
Gehöftes zu bekümmern. Die Pferde z. B., Thiere, welche er doch früher nie geſehen hatte, ließen
ihn vollſtändig gleichgültig. Nur einmal drückte er durch Aufſträuben ſeines Gefieders, Ausbreiten
der Schwingen und heftiges Schnabelgeklapper ſeinen Unwillen und Zorn aus, nämlich als die beiden
weiter oben ſchon erwähnten Moruks ihn durch ihre ewige Unruhe und Neugierde beläſtigten. Nach-
dem er einem der Kurzflügler einen Hieb verſetzt hatte, war der Friede übrigens auch mit dieſen
hergeſtellt; denn die Moruks ließen ihn fortan in Ruhe.

Der Rieſenſtorch ſchreitet mit gemeſſenen Schritten unhörbar dahin und trägt dabei den Hals
ſanft gebogen und den Schnabel ſo nach abwärts gekehrt, daß die untere Lade faſt auf den Federn
des Halſes ruht. Zuweilen ſteht er hoch aufgerichtet auf einem Beine; oft ruht er auf den einge-
knickten Ferſen aus; manchmal legt er ſich auch mit doppelt zuſammengebogenen Füßen platt auf die
Erde. Luſtige oder tanzartige Sprünge, wie ſie Kraniche ausführen, beobachtet man nicht; doch
rennt er gelegentlich einmal mit ausgebreiteten Flügeln im ſchnellen Laufe durch den Hof, gleichſam
zu ſeiner Uebung. Den ungeheuren Schnabel weiß er mit überraſchendem Geſchick zu handhaben; er
iſt im Stande, den kleinſten Gegenſtand mit der Spitze aufzunehmen, wiederholt hin- und herzudrehen,
und ihn dann, nachdem er ihn vorher aufgeworfen, zu verſchlingen, ebenſo beim Federputzen einen
kleinen Schmarotzer zu fangen und umzubringen. Außerdem benutzt er den Schnabel, wie der
Storch, um ſeine Gefühle auszudrücken; denn auch er beſitzt keine eigentliche Stimme und kann ſich
nur durch Klappern verſtändlich machen.

Die Verſchiedenheit der Witterung ſchien ihn wenig anzufechten; ebenſo ruhig, als er ſich den
Sonnenſtrahlen ausſetzte, gab er ſich auch dem Regen preis; ja, dieſer ſchien ihm im Gegentheile ſehr
angenehm zu ſein. Bei heißem Winde ſperrte er den Schnabel auf, als ob er nach Luft ſchnappen
müßte, wurde deshalb in den Schatten gebracht, kehrte aber ſofort wieder in die Sonne zurück und
that wie vorher.

Jm Verhältniß zu ſeiner Größe frißt der Rieſenſtorch nicht ſehr viel, bedarf aber doch anderthalb
Pfund Fleiſch täglich oder das entſprechende Gewicht an Fiſchen und Lurchen. Das Futter faßt er
mit der Spitze des Schnabels, wirft es in die Luft und fängt es wieder auf, wenn es aber hart und
knorpelig iſt, quetſcht er es erſt ſolange, als ihm nothwendig ſcheint. Angegangenes Fleiſch mag er
nicht: was er verzehrt, muß gut und friſch ſein. Hatte er einen zu großen Biſſen verſchluckt, ſo
ſtellte er ſich ganz aufrecht, bis derſelbe die Speiſeröhre durchlaufen hatte, hierauf fraß er weiter.
Fiſche wurden gewöhnlich entzwei gebiſſen, längere, aalartige ganz verſchlungen. Er fraß in der
Regel nur des Morgens und Abends, hielt aber an der einmal gewohnten Futterzeit ſo feſt, daß er
ſich ſtets zur rechten Zeit am Freßnapfe einſtellte und hier verweilte, bis ihm Nahrung gereicht wurde.
Jn der Zwiſchenzeit beſchäftigte er ſich wohl auch zuweilen mit Kerbthierfang, ſchnappte Fliegen
geſchickt aus der Luft weg, las Cicaden und Käfer, welche von den Bäumen herabfielen, eifrig auf
und achtete auch ſorgfältig auf die leiſeſte Bewegung am Boden, nachdem er aus ihm mehrere Mal in
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[687/0729] Sattelſtorch. und wählte ſich nun den Schuppen zu ſeiner Herberge, kehrte fortan auch regelmäßig dorthin zurück. Bei Tage hielt er ſich im Hofe, am liebſten auf den von der Sonne beſchienenen Stellen auf und kehrte unabänderlich ſein Geſicht der Sonne entgegen. Die Hühner, welche ſich im Hofe befanden, ſchienen ſeine Aufmerkſamkeit zu erregen; denn er lief auf ſie zu und verſetzte ſie dadurch in großen Schreck, obgleich er ſich nicht den Anſchein gab, als ob er ſie beläſtigen wolle. Ein raufluſtiger Bantamhahn, welcher ſich ihm gegenüberſtellte und ihn zurückzuſchrecken ſuchte, wurde anfänglich mit großer Ruhe beſichtigt, aber nicht weiter betrachtet, bis es dem Hahne einfiel, einen wirklichen Angriff auf den Rieſen zu machen. Da freilich trat ihn derſelbe ſofort zu Boden, und nunmehr wußte der Hahn, wen er vor ſich hatte. Jn wenigen Tagen hatten ſich übrigens Rieſenſtorch und Hühner an einander gewöhnt, und auch der kleine Hahn duldete, ohne Haß oder Zuneigung zu bekunden, die Anweſenheit des Gaſtes. Letzterer ſchien ſich überhaupt wenig um die Mitbewohnerſchaft des Gehöftes zu bekümmern. Die Pferde z. B., Thiere, welche er doch früher nie geſehen hatte, ließen ihn vollſtändig gleichgültig. Nur einmal drückte er durch Aufſträuben ſeines Gefieders, Ausbreiten der Schwingen und heftiges Schnabelgeklapper ſeinen Unwillen und Zorn aus, nämlich als die beiden weiter oben ſchon erwähnten Moruks ihn durch ihre ewige Unruhe und Neugierde beläſtigten. Nach- dem er einem der Kurzflügler einen Hieb verſetzt hatte, war der Friede übrigens auch mit dieſen hergeſtellt; denn die Moruks ließen ihn fortan in Ruhe. Der Rieſenſtorch ſchreitet mit gemeſſenen Schritten unhörbar dahin und trägt dabei den Hals ſanft gebogen und den Schnabel ſo nach abwärts gekehrt, daß die untere Lade faſt auf den Federn des Halſes ruht. Zuweilen ſteht er hoch aufgerichtet auf einem Beine; oft ruht er auf den einge- knickten Ferſen aus; manchmal legt er ſich auch mit doppelt zuſammengebogenen Füßen platt auf die Erde. Luſtige oder tanzartige Sprünge, wie ſie Kraniche ausführen, beobachtet man nicht; doch rennt er gelegentlich einmal mit ausgebreiteten Flügeln im ſchnellen Laufe durch den Hof, gleichſam zu ſeiner Uebung. Den ungeheuren Schnabel weiß er mit überraſchendem Geſchick zu handhaben; er iſt im Stande, den kleinſten Gegenſtand mit der Spitze aufzunehmen, wiederholt hin- und herzudrehen, und ihn dann, nachdem er ihn vorher aufgeworfen, zu verſchlingen, ebenſo beim Federputzen einen kleinen Schmarotzer zu fangen und umzubringen. Außerdem benutzt er den Schnabel, wie der Storch, um ſeine Gefühle auszudrücken; denn auch er beſitzt keine eigentliche Stimme und kann ſich nur durch Klappern verſtändlich machen. Die Verſchiedenheit der Witterung ſchien ihn wenig anzufechten; ebenſo ruhig, als er ſich den Sonnenſtrahlen ausſetzte, gab er ſich auch dem Regen preis; ja, dieſer ſchien ihm im Gegentheile ſehr angenehm zu ſein. Bei heißem Winde ſperrte er den Schnabel auf, als ob er nach Luft ſchnappen müßte, wurde deshalb in den Schatten gebracht, kehrte aber ſofort wieder in die Sonne zurück und that wie vorher. Jm Verhältniß zu ſeiner Größe frißt der Rieſenſtorch nicht ſehr viel, bedarf aber doch anderthalb Pfund Fleiſch täglich oder das entſprechende Gewicht an Fiſchen und Lurchen. Das Futter faßt er mit der Spitze des Schnabels, wirft es in die Luft und fängt es wieder auf, wenn es aber hart und knorpelig iſt, quetſcht er es erſt ſolange, als ihm nothwendig ſcheint. Angegangenes Fleiſch mag er nicht: was er verzehrt, muß gut und friſch ſein. Hatte er einen zu großen Biſſen verſchluckt, ſo ſtellte er ſich ganz aufrecht, bis derſelbe die Speiſeröhre durchlaufen hatte, hierauf fraß er weiter. Fiſche wurden gewöhnlich entzwei gebiſſen, längere, aalartige ganz verſchlungen. Er fraß in der Regel nur des Morgens und Abends, hielt aber an der einmal gewohnten Futterzeit ſo feſt, daß er ſich ſtets zur rechten Zeit am Freßnapfe einſtellte und hier verweilte, bis ihm Nahrung gereicht wurde. Jn der Zwiſchenzeit beſchäftigte er ſich wohl auch zuweilen mit Kerbthierfang, ſchnappte Fliegen geſchickt aus der Luft weg, las Cicaden und Käfer, welche von den Bäumen herabfielen, eifrig auf und achtete auch ſorgfältig auf die leiſeſte Bewegung am Boden, nachdem er aus ihm mehrere Mal in der Erde lebende Larven erbeutet hatte. Waſſer trank er täglich mehrere Male.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/729>, abgerufen am 22.11.2024.