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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
mit einer Flußmuschel ebenso schnell fertig wird. Wenn ihm Muscheln fehlen, frißt der Klaffschnabel
übrigens auch Fische, Frösche u. s. w., Muscheln aber sind seine eigentliche Nahrung, und jeder Ein-
geborne kennt seine Sitte.

Der indische Klaffschnabel brütet in Nord- und Mittelindien auf hohen Bäumen und zwar im
Juni oder Juli, niemals einzeln, sondern stets in größeren Gesellschaften, nicht selten mit anderen
Vögeln, beispielsweise Nachtreihern, schwarzen Jbissen und ähnlichen. Das Gelege zählt vier Eier
von schmuzigweißer Färbung. Beide Eltern vertheidigen ihr Nest wüthend.

Jn Jndien jagt man den Klaffschnabel mit Hilfe der Baizfalken, fängt ihn aber oft auch in
Schnellgalgen, welche durch Muscheln geködert werden. Jn Afrika wird der Verwandte von den
Eingebornen nie behelligt, und daher mag es wohl kommen, daß er verhältnißmäßig sehr wenig scheu
ist. Eine Gesellschaft dieser Vögel ließ meinen braunen Diener so nahe an sich herankommen, daß
dieser mit einem einzigen Schusse acht Stück erlegen konnte.



Hinter allen bis jetzt erwähnten Reihervögeln stehen diejenigen Glieder der Zunft, welche dieser
den Namen verliehen haben, in leiblicher, wie geistiger Begabung weit zurück. Die Reiher
(Ardeae) sind große, höchst eigenthümlich gestaltete, eigentlich unschöne Vögel. Jhr Leib ist auf-
fallend schwach, seitlich ungemein zusammengedrückt, der Hals sehr lang und dünn, der Kopf klein,
schmal und flach, der Schnabel in der Regel länger als der Kopf, mindestens ebenso lang, ziemlich
stark, gerade, seitlich sehr zusammengedrückt, auf Firste und Kiel schmal, an den etwas eingezogenen
Mundkanten schneidend scharf, nächst der Spitze gezähnelt, mit Ausnahme der Nasengegend mit
glatter, harter Hornmasse bekleidet, das Bein mittelhoch, der Fuß langzehig, die Kralle der mittleren
Zehe auf der Jnnenseite fein kammartig gezähnelt, der Flügel lang und breit, vorn aber stumpf, weil
die zweite, dritte und vierte Schwinge fast gleiche Länge haben, der aus zehn bis zwölf Federn
gebildete Schwanz kurz und abgerundet, das Kleingefieder sehr reich, weich und locker, am Scheitel,
auf dem Rücken und an der Oberbrust oft verlängert, theilweise auch zerschlissen, seine Färbung eine
sehr verschiedenartige und nicht selten ansprechende, obgleich eigentliche Prachtfarben nicht vor-
kommen. Ganz eigenthümlich sind zwei kissenartige, d. h. mit hellgelben, oder gelblichweißen,
seidigen, flockigen oder zottigen Flaumen bekleidete Stellen auf jeder Seite des Leibes, von denen eine
unter dem Flügelbuge neben der Brusthöhle, die andere neben dem Kreuzbeine an der Bauchseite liegt.
Die Geschlechter unterscheiden sich äußerlich höchstens durch die etwas verschiedene Größe; die
Jungen tragen ein von dem der Alten abweichendes, minder schönes Gefieder.

Am Knochengerüst fällt die Schlankheit des Halses, der Rippen und Hinterglieder auf; das sehr
gestreckte Schädelgerüst erinnert an das eines Lappentauchers, oder Eisvogels; die Hirnschale ist
niedrig, flach gewölbt, die Hinterhauptsleiste scharf, das Hinterhauptsloch groß, die Scheidewand der
Augenhöhle durchbrochen, das Riechbein klein, das Thränenbein dagegen sehr groß, das Quadratbein
durch vier zur Verbindung mit dem Unterkiefer dienende Gelenkköpfe ausgezeichnet. Die Wirbel-
säule besteht aus sechszehn bis neunzehn schlanken, schmal gedrückten Halswirbeln, acht bis neun,
nicht mit einander verschmolzenen Rückenwirbeln, deren letztere jedoch mit den Beckenwirbeln zu einem
Stücke verwächst, und sieben bis neun kleinen, schwachen Schwanzwirbeln; von den acht bis neun
Rippenpaaren sind die ersten drei falsch, fünf oder sechs haben den Rippenknochen; das Brustbein ist
schwach, viereckig, sehr lang, sein Kiel hoch, sein Rand sehr bogenförmig, der kleine schmale Mittelgriff
deutlich vom Kiel geschieden. Die beiden Schlüsselbeine stehen mit ihren unteren und inneren Theilen
hinter einander; der dünne, wenig gespreizte Gabelknochen erscheint merkwürdig wegen eines längeren
unpaaren Fortsatzes, welcher von dem Vereinigungswinkel der beiden Seitentheile aus ebenso zwischen
denselben nach oben aufsteht; die Schulterblätter sind schmal, spitz und wenig gebogen; im Gerüst der

Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
mit einer Flußmuſchel ebenſo ſchnell fertig wird. Wenn ihm Muſcheln fehlen, frißt der Klaffſchnabel
übrigens auch Fiſche, Fröſche u. ſ. w., Muſcheln aber ſind ſeine eigentliche Nahrung, und jeder Ein-
geborne kennt ſeine Sitte.

Der indiſche Klaffſchnabel brütet in Nord- und Mittelindien auf hohen Bäumen und zwar im
Juni oder Juli, niemals einzeln, ſondern ſtets in größeren Geſellſchaften, nicht ſelten mit anderen
Vögeln, beiſpielsweiſe Nachtreihern, ſchwarzen Jbiſſen und ähnlichen. Das Gelege zählt vier Eier
von ſchmuzigweißer Färbung. Beide Eltern vertheidigen ihr Neſt wüthend.

Jn Jndien jagt man den Klaffſchnabel mit Hilfe der Baizfalken, fängt ihn aber oft auch in
Schnellgalgen, welche durch Muſcheln geködert werden. Jn Afrika wird der Verwandte von den
Eingebornen nie behelligt, und daher mag es wohl kommen, daß er verhältnißmäßig ſehr wenig ſcheu
iſt. Eine Geſellſchaft dieſer Vögel ließ meinen braunen Diener ſo nahe an ſich herankommen, daß
dieſer mit einem einzigen Schuſſe acht Stück erlegen konnte.



Hinter allen bis jetzt erwähnten Reihervögeln ſtehen diejenigen Glieder der Zunft, welche dieſer
den Namen verliehen haben, in leiblicher, wie geiſtiger Begabung weit zurück. Die Reiher
(Ardeae) ſind große, höchſt eigenthümlich geſtaltete, eigentlich unſchöne Vögel. Jhr Leib iſt auf-
fallend ſchwach, ſeitlich ungemein zuſammengedrückt, der Hals ſehr lang und dünn, der Kopf klein,
ſchmal und flach, der Schnabel in der Regel länger als der Kopf, mindeſtens ebenſo lang, ziemlich
ſtark, gerade, ſeitlich ſehr zuſammengedrückt, auf Firſte und Kiel ſchmal, an den etwas eingezogenen
Mundkanten ſchneidend ſcharf, nächſt der Spitze gezähnelt, mit Ausnahme der Naſengegend mit
glatter, harter Hornmaſſe bekleidet, das Bein mittelhoch, der Fuß langzehig, die Kralle der mittleren
Zehe auf der Jnnenſeite fein kammartig gezähnelt, der Flügel lang und breit, vorn aber ſtumpf, weil
die zweite, dritte und vierte Schwinge faſt gleiche Länge haben, der aus zehn bis zwölf Federn
gebildete Schwanz kurz und abgerundet, das Kleingefieder ſehr reich, weich und locker, am Scheitel,
auf dem Rücken und an der Oberbruſt oft verlängert, theilweiſe auch zerſchliſſen, ſeine Färbung eine
ſehr verſchiedenartige und nicht ſelten anſprechende, obgleich eigentliche Prachtfarben nicht vor-
kommen. Ganz eigenthümlich ſind zwei kiſſenartige, d. h. mit hellgelben, oder gelblichweißen,
ſeidigen, flockigen oder zottigen Flaumen bekleidete Stellen auf jeder Seite des Leibes, von denen eine
unter dem Flügelbuge neben der Bruſthöhle, die andere neben dem Kreuzbeine an der Bauchſeite liegt.
Die Geſchlechter unterſcheiden ſich äußerlich höchſtens durch die etwas verſchiedene Größe; die
Jungen tragen ein von dem der Alten abweichendes, minder ſchönes Gefieder.

Am Knochengerüſt fällt die Schlankheit des Halſes, der Rippen und Hinterglieder auf; das ſehr
geſtreckte Schädelgerüſt erinnert an das eines Lappentauchers, oder Eisvogels; die Hirnſchale iſt
niedrig, flach gewölbt, die Hinterhauptsleiſte ſcharf, das Hinterhauptsloch groß, die Scheidewand der
Augenhöhle durchbrochen, das Riechbein klein, das Thränenbein dagegen ſehr groß, das Quadratbein
durch vier zur Verbindung mit dem Unterkiefer dienende Gelenkköpfe ausgezeichnet. Die Wirbel-
ſäule beſteht aus ſechszehn bis neunzehn ſchlanken, ſchmal gedrückten Halswirbeln, acht bis neun,
nicht mit einander verſchmolzenen Rückenwirbeln, deren letztere jedoch mit den Beckenwirbeln zu einem
Stücke verwächſt, und ſieben bis neun kleinen, ſchwachen Schwanzwirbeln; von den acht bis neun
Rippenpaaren ſind die erſten drei falſch, fünf oder ſechs haben den Rippenknochen; das Bruſtbein iſt
ſchwach, viereckig, ſehr lang, ſein Kiel hoch, ſein Rand ſehr bogenförmig, der kleine ſchmale Mittelgriff
deutlich vom Kiel geſchieden. Die beiden Schlüſſelbeine ſtehen mit ihren unteren und inneren Theilen
hinter einander; der dünne, wenig geſpreizte Gabelknochen erſcheint merkwürdig wegen eines längeren
unpaaren Fortſatzes, welcher von dem Vereinigungswinkel der beiden Seitentheile aus ebenſo zwiſchen
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[694/0736] Die Läufer. Stelzvögel. Reiher. mit einer Flußmuſchel ebenſo ſchnell fertig wird. Wenn ihm Muſcheln fehlen, frißt der Klaffſchnabel übrigens auch Fiſche, Fröſche u. ſ. w., Muſcheln aber ſind ſeine eigentliche Nahrung, und jeder Ein- geborne kennt ſeine Sitte. Der indiſche Klaffſchnabel brütet in Nord- und Mittelindien auf hohen Bäumen und zwar im Juni oder Juli, niemals einzeln, ſondern ſtets in größeren Geſellſchaften, nicht ſelten mit anderen Vögeln, beiſpielsweiſe Nachtreihern, ſchwarzen Jbiſſen und ähnlichen. Das Gelege zählt vier Eier von ſchmuzigweißer Färbung. Beide Eltern vertheidigen ihr Neſt wüthend. Jn Jndien jagt man den Klaffſchnabel mit Hilfe der Baizfalken, fängt ihn aber oft auch in Schnellgalgen, welche durch Muſcheln geködert werden. Jn Afrika wird der Verwandte von den Eingebornen nie behelligt, und daher mag es wohl kommen, daß er verhältnißmäßig ſehr wenig ſcheu iſt. Eine Geſellſchaft dieſer Vögel ließ meinen braunen Diener ſo nahe an ſich herankommen, daß dieſer mit einem einzigen Schuſſe acht Stück erlegen konnte. Hinter allen bis jetzt erwähnten Reihervögeln ſtehen diejenigen Glieder der Zunft, welche dieſer den Namen verliehen haben, in leiblicher, wie geiſtiger Begabung weit zurück. Die Reiher (Ardeae) ſind große, höchſt eigenthümlich geſtaltete, eigentlich unſchöne Vögel. Jhr Leib iſt auf- fallend ſchwach, ſeitlich ungemein zuſammengedrückt, der Hals ſehr lang und dünn, der Kopf klein, ſchmal und flach, der Schnabel in der Regel länger als der Kopf, mindeſtens ebenſo lang, ziemlich ſtark, gerade, ſeitlich ſehr zuſammengedrückt, auf Firſte und Kiel ſchmal, an den etwas eingezogenen Mundkanten ſchneidend ſcharf, nächſt der Spitze gezähnelt, mit Ausnahme der Naſengegend mit glatter, harter Hornmaſſe bekleidet, das Bein mittelhoch, der Fuß langzehig, die Kralle der mittleren Zehe auf der Jnnenſeite fein kammartig gezähnelt, der Flügel lang und breit, vorn aber ſtumpf, weil die zweite, dritte und vierte Schwinge faſt gleiche Länge haben, der aus zehn bis zwölf Federn gebildete Schwanz kurz und abgerundet, das Kleingefieder ſehr reich, weich und locker, am Scheitel, auf dem Rücken und an der Oberbruſt oft verlängert, theilweiſe auch zerſchliſſen, ſeine Färbung eine ſehr verſchiedenartige und nicht ſelten anſprechende, obgleich eigentliche Prachtfarben nicht vor- kommen. Ganz eigenthümlich ſind zwei kiſſenartige, d. h. mit hellgelben, oder gelblichweißen, ſeidigen, flockigen oder zottigen Flaumen bekleidete Stellen auf jeder Seite des Leibes, von denen eine unter dem Flügelbuge neben der Bruſthöhle, die andere neben dem Kreuzbeine an der Bauchſeite liegt. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich äußerlich höchſtens durch die etwas verſchiedene Größe; die Jungen tragen ein von dem der Alten abweichendes, minder ſchönes Gefieder. Am Knochengerüſt fällt die Schlankheit des Halſes, der Rippen und Hinterglieder auf; das ſehr geſtreckte Schädelgerüſt erinnert an das eines Lappentauchers, oder Eisvogels; die Hirnſchale iſt niedrig, flach gewölbt, die Hinterhauptsleiſte ſcharf, das Hinterhauptsloch groß, die Scheidewand der Augenhöhle durchbrochen, das Riechbein klein, das Thränenbein dagegen ſehr groß, das Quadratbein durch vier zur Verbindung mit dem Unterkiefer dienende Gelenkköpfe ausgezeichnet. Die Wirbel- ſäule beſteht aus ſechszehn bis neunzehn ſchlanken, ſchmal gedrückten Halswirbeln, acht bis neun, nicht mit einander verſchmolzenen Rückenwirbeln, deren letztere jedoch mit den Beckenwirbeln zu einem Stücke verwächſt, und ſieben bis neun kleinen, ſchwachen Schwanzwirbeln; von den acht bis neun Rippenpaaren ſind die erſten drei falſch, fünf oder ſechs haben den Rippenknochen; das Bruſtbein iſt ſchwach, viereckig, ſehr lang, ſein Kiel hoch, ſein Rand ſehr bogenförmig, der kleine ſchmale Mittelgriff deutlich vom Kiel geſchieden. Die beiden Schlüſſelbeine ſtehen mit ihren unteren und inneren Theilen hinter einander; der dünne, wenig geſpreizte Gabelknochen erſcheint merkwürdig wegen eines längeren unpaaren Fortſatzes, welcher von dem Vereinigungswinkel der beiden Seitentheile aus ebenſo zwiſchen denſelben nach oben aufſteht; die Schulterblätter ſind ſchmal, ſpitz und wenig gebogen; im Gerüſt der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/736>, abgerufen am 22.11.2024.