Er bewohnt, wie der Fischreiher, Gewässer verschiedener Art, am liebsten jedoch ausgedehnte Sümpfe und in ihnen stets diejenigen Stellen, welche möglichst ruhig und von dem menschlichen Treiben abgelegen sind; denn er gehört überall zu den vorsichtigen und da, wo er Verfolgungen erfährt, zu den scheuesten Vögeln. Jn seinem Betragen unterscheidet er sich zu seinem Vortheile vom Fischreiher und den meisten Verwandten überhaupt. Er ist, wie Naumann sagt, ein durch Zierlichkeit und hohe Einfachheit seines Gefieders ausgezeichneter, die anderen weißen Reiher durch seine ansehnliche Größe überstrahlender herrlicher Vogel, und der Anblick vieler dieser weit in die Ferne leuchtenden hehren Gestalten unvergleichlich schön. Vom Fischreiher unterscheidet er sich im Stehen, Gehen und Fliegen. Er nimmt ebenfalls höchst sonderbare Stellungen an, verbirgt z. B. Kopf und Hals und eines seiner Beine derart im Gefieder, daß man von diesen Gliedern nicht das Geringste bemerkt, sondern nur einen umgestürzten Kegel zu sehen vermeint, welcher auf einer dünnen Stütze ruht. Aber so sonderbar auch diese Stellung sein mag, anmuthiger als die des Fischreihers erscheint sie immer noch. Der Gang ist, meines Erachtens nach, wenn auch nicht leichter, so doch würdevoller als der des Fischreihers, der Flug entschieden schöner, schon weil der Vogel fliegend viel schlanker und jede Bewegung kräftiger, rascher erscheint als bei jenem. An Sinnesschärfe und Verstand steht er wahrscheinlich auch obenan, und ebenso besitzt er, nach meinen Erfahrungen, keines- wegs die Tücke und Bosheit anderer Reiher, befreundet sich, gefangen, z. B. weit eher und inniger als diese mit seinem Pfleger, kurz, er ist wirklich der edelste seines Geschlechts.
Rücksichtlich der Nahrung und des Erwerbes derselben brauche ich nach dem bereits Mitge- theilten Nichts mehr zu sagen; doch glaube ich bemerken zu müssen, daß ich bei ihm niemals die tückische Mordsucht anderer Reiher beobachtet, beispielsweise von Gefangenen nie gesehen habe, daß sie auch auf Sperlinge Jagd machen.
Ueber die Fortpflanzung sind wir erst neuerdings durch Löbenstein, Baldamus und A. v. Homeyer unterrichtet worden. Der Edelreiher brütet in Ungarn regelmäßig in den unge- heueren Rohrwaldungen der Sümpfe, ohne jedoch Bäume so ängstlich zu meiden, wie Baldamus anzunehmen scheint. Glaubhafte Leute aus Semlin erzählten Naumann, daß der Vogel auf einer Jnsel in der Donau alljährlich niste, dort standesgemäß die höchsten Bäume besetzt halte, und seinen Horst hoch oben auf dem Wipfel gründe; Baldamus, welcher zur Brutzeit die Donautiefländer besuchte, erfuhr zwar Dasselbe, fand jedoch den Edelreiher nicht in den Ansiedelungen auf, sondern entdeckte seine Horste in dem Rohrwalde des weißen Morastes, neigte sich demgemäß zu der Ansicht, daß er überhaupt nicht auf Bäumen brüte, und es bedurfte erst der Beobachtungen Homeyer's, um die ausgesprochenen Zweifel zu beseitigen. Jch meinestheils habe zwar nicht den Edelreiher, wohl aber seine afrikanischen Verwandten so oft auf Bäumen gesehen, daß ich von vornherein über- zeugt war, jener werde unter Umständen auch hier seinen Horst errichten. Uebrigens lassen sich die scheinbaren Widersprüche, meiner Ansicht nach, leicht ausgleichen. Der kluge, vorsichtige und scheue Edelreiher wählt auch zur Anlage seines Horstes unter allen Umständen die sichersten Stellen und richtet sich demgemäß nach des Ortes Gelegenheit, d. h. bevorzugt da die Bäume, wo diese ihm die nöthige Sicherheit zu gewähren scheinen, oder horstet in dem Rohrwalde, wenn Dies nicht der Fall ist.
Der Bericht, welchen Baldamus über seine Entdeckungsreisen im weißen Moraste gegeben hat, ist sehr anziehend. Nachdem unser Forscher vergeblich nach den Nestern des Edelreihers gesucht, jeden Jäger und Fischer befragt hat, nimmt er endlich zu Drohungen seine Zuflucht und erfährt von Fischern, daß einige Edelreiher im Rohrwalde nisten sollen. "Jch stieg auf eine ihrer mitten im Moraste liegenden Hütten, feuerte nach der bezeichneten Gegend einen Schuß ab, und siehe, es erhoben sich aus dem urwäldlichen Rohrdickichte eine Anzahl von zwölf bis dreizehn Edelreihern, die sich alsbald an demselben Orte wieder niederließen. Die Richtung wurde nun bezeichnet und die nöthige Zubereitung zum Eindringen getroffen. Zwei ziemlich große Schinakel wurden mit je drei Mann besetzt, Nahrungsmittel für zwei Tage eingepackt, und, nachdem die beiden wallachischen Führer vom Leben Abschied genommen, setzten wir uns anderen Tags früh vier Uhr in Bewegung.
Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
Er bewohnt, wie der Fiſchreiher, Gewäſſer verſchiedener Art, am liebſten jedoch ausgedehnte Sümpfe und in ihnen ſtets diejenigen Stellen, welche möglichſt ruhig und von dem menſchlichen Treiben abgelegen ſind; denn er gehört überall zu den vorſichtigen und da, wo er Verfolgungen erfährt, zu den ſcheueſten Vögeln. Jn ſeinem Betragen unterſcheidet er ſich zu ſeinem Vortheile vom Fiſchreiher und den meiſten Verwandten überhaupt. Er iſt, wie Naumann ſagt, ein durch Zierlichkeit und hohe Einfachheit ſeines Gefieders ausgezeichneter, die anderen weißen Reiher durch ſeine anſehnliche Größe überſtrahlender herrlicher Vogel, und der Anblick vieler dieſer weit in die Ferne leuchtenden hehren Geſtalten unvergleichlich ſchön. Vom Fiſchreiher unterſcheidet er ſich im Stehen, Gehen und Fliegen. Er nimmt ebenfalls höchſt ſonderbare Stellungen an, verbirgt z. B. Kopf und Hals und eines ſeiner Beine derart im Gefieder, daß man von dieſen Gliedern nicht das Geringſte bemerkt, ſondern nur einen umgeſtürzten Kegel zu ſehen vermeint, welcher auf einer dünnen Stütze ruht. Aber ſo ſonderbar auch dieſe Stellung ſein mag, anmuthiger als die des Fiſchreihers erſcheint ſie immer noch. Der Gang iſt, meines Erachtens nach, wenn auch nicht leichter, ſo doch würdevoller als der des Fiſchreihers, der Flug entſchieden ſchöner, ſchon weil der Vogel fliegend viel ſchlanker und jede Bewegung kräftiger, raſcher erſcheint als bei jenem. An Sinnesſchärfe und Verſtand ſteht er wahrſcheinlich auch obenan, und ebenſo beſitzt er, nach meinen Erfahrungen, keines- wegs die Tücke und Bosheit anderer Reiher, befreundet ſich, gefangen, z. B. weit eher und inniger als dieſe mit ſeinem Pfleger, kurz, er iſt wirklich der edelſte ſeines Geſchlechts.
Rückſichtlich der Nahrung und des Erwerbes derſelben brauche ich nach dem bereits Mitge- theilten Nichts mehr zu ſagen; doch glaube ich bemerken zu müſſen, daß ich bei ihm niemals die tückiſche Mordſucht anderer Reiher beobachtet, beiſpielsweiſe von Gefangenen nie geſehen habe, daß ſie auch auf Sperlinge Jagd machen.
Ueber die Fortpflanzung ſind wir erſt neuerdings durch Löbenſtein, Baldamus und A. v. Homeyer unterrichtet worden. Der Edelreiher brütet in Ungarn regelmäßig in den unge- heueren Rohrwaldungen der Sümpfe, ohne jedoch Bäume ſo ängſtlich zu meiden, wie Baldamus anzunehmen ſcheint. Glaubhafte Leute aus Semlin erzählten Naumann, daß der Vogel auf einer Jnſel in der Donau alljährlich niſte, dort ſtandesgemäß die höchſten Bäume beſetzt halte, und ſeinen Horſt hoch oben auf dem Wipfel gründe; Baldamus, welcher zur Brutzeit die Donautiefländer beſuchte, erfuhr zwar Daſſelbe, fand jedoch den Edelreiher nicht in den Anſiedelungen auf, ſondern entdeckte ſeine Horſte in dem Rohrwalde des weißen Moraſtes, neigte ſich demgemäß zu der Anſicht, daß er überhaupt nicht auf Bäumen brüte, und es bedurfte erſt der Beobachtungen Homeyer’s, um die ausgeſprochenen Zweifel zu beſeitigen. Jch meinestheils habe zwar nicht den Edelreiher, wohl aber ſeine afrikaniſchen Verwandten ſo oft auf Bäumen geſehen, daß ich von vornherein über- zeugt war, jener werde unter Umſtänden auch hier ſeinen Horſt errichten. Uebrigens laſſen ſich die ſcheinbaren Widerſprüche, meiner Anſicht nach, leicht ausgleichen. Der kluge, vorſichtige und ſcheue Edelreiher wählt auch zur Anlage ſeines Horſtes unter allen Umſtänden die ſicherſten Stellen und richtet ſich demgemäß nach des Ortes Gelegenheit, d. h. bevorzugt da die Bäume, wo dieſe ihm die nöthige Sicherheit zu gewähren ſcheinen, oder horſtet in dem Rohrwalde, wenn Dies nicht der Fall iſt.
Der Bericht, welchen Baldamus über ſeine Entdeckungsreiſen im weißen Moraſte gegeben hat, iſt ſehr anziehend. Nachdem unſer Forſcher vergeblich nach den Neſtern des Edelreihers geſucht, jeden Jäger und Fiſcher befragt hat, nimmt er endlich zu Drohungen ſeine Zuflucht und erfährt von Fiſchern, daß einige Edelreiher im Rohrwalde niſten ſollen. „Jch ſtieg auf eine ihrer mitten im Moraſte liegenden Hütten, feuerte nach der bezeichneten Gegend einen Schuß ab, und ſiehe, es erhoben ſich aus dem urwäldlichen Rohrdickichte eine Anzahl von zwölf bis dreizehn Edelreihern, die ſich alsbald an demſelben Orte wieder niederließen. Die Richtung wurde nun bezeichnet und die nöthige Zubereitung zum Eindringen getroffen. Zwei ziemlich große Schinakel wurden mit je drei Mann beſetzt, Nahrungsmittel für zwei Tage eingepackt, und, nachdem die beiden wallachiſchen Führer vom Leben Abſchied genommen, ſetzten wir uns anderen Tags früh vier Uhr in Bewegung.
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[702/0744]
Die Läufer. Stelzvögel. Reiher.
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Sümpfe und in ihnen ſtets diejenigen Stellen, welche möglichſt ruhig und von dem menſchlichen
Treiben abgelegen ſind; denn er gehört überall zu den vorſichtigen und da, wo er Verfolgungen
erfährt, zu den ſcheueſten Vögeln. Jn ſeinem Betragen unterſcheidet er ſich zu ſeinem Vortheile vom
Fiſchreiher und den meiſten Verwandten überhaupt. Er iſt, wie Naumann ſagt, ein durch
Zierlichkeit und hohe Einfachheit ſeines Gefieders ausgezeichneter, die anderen weißen Reiher durch
ſeine anſehnliche Größe überſtrahlender herrlicher Vogel, und der Anblick vieler dieſer weit in die
Ferne leuchtenden hehren Geſtalten unvergleichlich ſchön. Vom Fiſchreiher unterſcheidet er ſich im
Stehen, Gehen und Fliegen. Er nimmt ebenfalls höchſt ſonderbare Stellungen an, verbirgt z. B.
Kopf und Hals und eines ſeiner Beine derart im Gefieder, daß man von dieſen Gliedern nicht das
Geringſte bemerkt, ſondern nur einen umgeſtürzten Kegel zu ſehen vermeint, welcher auf einer dünnen
Stütze ruht. Aber ſo ſonderbar auch dieſe Stellung ſein mag, anmuthiger als die des Fiſchreihers
erſcheint ſie immer noch. Der Gang iſt, meines Erachtens nach, wenn auch nicht leichter, ſo doch
würdevoller als der des Fiſchreihers, der Flug entſchieden ſchöner, ſchon weil der Vogel fliegend viel
ſchlanker und jede Bewegung kräftiger, raſcher erſcheint als bei jenem. An Sinnesſchärfe und
Verſtand ſteht er wahrſcheinlich auch obenan, und ebenſo beſitzt er, nach meinen Erfahrungen, keines-
wegs die Tücke und Bosheit anderer Reiher, befreundet ſich, gefangen, z. B. weit eher und inniger
als dieſe mit ſeinem Pfleger, kurz, er iſt wirklich der edelſte ſeines Geſchlechts.
Rückſichtlich der Nahrung und des Erwerbes derſelben brauche ich nach dem bereits Mitge-
theilten Nichts mehr zu ſagen; doch glaube ich bemerken zu müſſen, daß ich bei ihm niemals die
tückiſche Mordſucht anderer Reiher beobachtet, beiſpielsweiſe von Gefangenen nie geſehen habe, daß
ſie auch auf Sperlinge Jagd machen.
Ueber die Fortpflanzung ſind wir erſt neuerdings durch Löbenſtein, Baldamus und
A. v. Homeyer unterrichtet worden. Der Edelreiher brütet in Ungarn regelmäßig in den unge-
heueren Rohrwaldungen der Sümpfe, ohne jedoch Bäume ſo ängſtlich zu meiden, wie Baldamus
anzunehmen ſcheint. Glaubhafte Leute aus Semlin erzählten Naumann, daß der Vogel auf einer
Jnſel in der Donau alljährlich niſte, dort ſtandesgemäß die höchſten Bäume beſetzt halte, und ſeinen
Horſt hoch oben auf dem Wipfel gründe; Baldamus, welcher zur Brutzeit die Donautiefländer
beſuchte, erfuhr zwar Daſſelbe, fand jedoch den Edelreiher nicht in den Anſiedelungen auf, ſondern
entdeckte ſeine Horſte in dem Rohrwalde des weißen Moraſtes, neigte ſich demgemäß zu der Anſicht,
daß er überhaupt nicht auf Bäumen brüte, und es bedurfte erſt der Beobachtungen Homeyer’s,
um die ausgeſprochenen Zweifel zu beſeitigen. Jch meinestheils habe zwar nicht den Edelreiher,
wohl aber ſeine afrikaniſchen Verwandten ſo oft auf Bäumen geſehen, daß ich von vornherein über-
zeugt war, jener werde unter Umſtänden auch hier ſeinen Horſt errichten. Uebrigens laſſen ſich die
ſcheinbaren Widerſprüche, meiner Anſicht nach, leicht ausgleichen. Der kluge, vorſichtige und ſcheue
Edelreiher wählt auch zur Anlage ſeines Horſtes unter allen Umſtänden die ſicherſten Stellen und
richtet ſich demgemäß nach des Ortes Gelegenheit, d. h. bevorzugt da die Bäume, wo dieſe ihm die
nöthige Sicherheit zu gewähren ſcheinen, oder horſtet in dem Rohrwalde, wenn Dies nicht der Fall iſt.
Der Bericht, welchen Baldamus über ſeine Entdeckungsreiſen im weißen Moraſte gegeben
hat, iſt ſehr anziehend. Nachdem unſer Forſcher vergeblich nach den Neſtern des Edelreihers geſucht,
jeden Jäger und Fiſcher befragt hat, nimmt er endlich zu Drohungen ſeine Zuflucht und erfährt von
Fiſchern, daß einige Edelreiher im Rohrwalde niſten ſollen. „Jch ſtieg auf eine ihrer mitten
im Moraſte liegenden Hütten, feuerte nach der bezeichneten Gegend einen Schuß ab, und ſiehe, es
erhoben ſich aus dem urwäldlichen Rohrdickichte eine Anzahl von zwölf bis dreizehn Edelreihern, die
ſich alsbald an demſelben Orte wieder niederließen. Die Richtung wurde nun bezeichnet und die
nöthige Zubereitung zum Eindringen getroffen. Zwei ziemlich große Schinakel wurden mit je drei
Mann beſetzt, Nahrungsmittel für zwei Tage eingepackt, und, nachdem die beiden wallachiſchen
Führer vom Leben Abſchied genommen, ſetzten wir uns anderen Tags früh vier Uhr in Bewegung.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 702. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/744>, abgerufen am 22.11.2024.
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