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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Nachtreiher. Zwergrohrdommel.
kennzeichnen die Zwergreiher (Ardetta), welche in Deutschland oder Europa überhaupt durch
die Zwergrohrdommel oder den Quartanreiher (Ardetta minuta) vertreten werden.

Dieser niedliche Vogel ist 14 bis 16 Zoll lang, 21 bis 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt
53/4, die Schwanzlänge 2 Zoll. Das Gefieder ist auf Oberkopf, Nacken, Rücken und Schultern
schwarzgrünlich, schillernd, auf dem Oberflügel und dem Unterkörper rostgelb, an den Seiten der
Brust schwarz gefleckt; die Schwingen und Steuerfedern sind ebenfalls schwarz, Augenstern und
Zügel gelb; der Schnabel ist auf der Firste braun, übrigens blaßgelb, der Fuß grüngelb. Beim
Weibchen sind die dunkleren Theile braunschwarz, die helleren blaßgelb; bei den Jungen Oberkopf
und Nacken rostrothbraun, dunkler in die Länge gefleckt, die Untertheile rostgelb und braun längs
gefleckt, Bauch und Hinterschwanzdeckfedern weiß.

Von Holland an, nach Süden hin, kommt die Zwergrohrdommel in ganz Europa als Brut-
und Zugvogel vor. Jn Holland, Ungarn, der Türkei und Griechenland ist sie gemein, in Deutsch-
land, Südfrankreich und Spanien wenigstens nicht selten. Sie erscheint im Norden Ende Aprils
und verschwindet bereits im September wieder, hält sich während ihres Zuges längere Zeit in
Griechenland auf und überwintert in Nordafrika, hier nach und nach bis in die Gleicherländer vor-
rückend. Zu ihrem Aufenthalte wählt sie rohrreiche oder doch mit Büschen und hohen Sumpfpflanzen
bestandene Brüche und Gewässer überhaupt, und demgemäß findet sie in Holland und Ungarn oder
in Griechenland ungleich günstigere Wohnorte als bei uns zu Lande. Jn Griechenland soll sie
überaus häufig sein. "Keinen Sumpf, kein stehendes Wasser, keinen Abzugsgraben mit Gebüsch an
seinen Rändern, ja selbst keine versumpfte Quelle, falls Schilf und Rohr dort wächst, gibt es, wo
man sie nicht anträfe." Dasselbe gilt für Ungarn; nicht viel anders ist es in Holland. Auch in
Deutschland kommt der niedliche Vogel viel öfter vor, als man glaubt; Aufenthaltsort und Lebens-
weise verbergen ihn aber den Blicken, und nur der laute Ruf des Männchens während der Paarungs-
zeit verräth ihn den Kundigen. Nicht selten bewohnt die Zwergrohrdommel kleine, dicht mit Röhricht
oder Gebüsch bewachsene Teiche in unmittelbarer Nähe der Dörfer, ohne daß man davon eine
Ahnung hat.

Sie ist ein vollendeter Nachtvogel. Uebertags sitzt sie möglichst verborgen im Röhricht oder
auf einem Baumzweige, immer versteckt und so regungslos, daß der Unkundige, auch wenn er sie
sieht, gewöhnlich getäuscht wird. Sie versteht es meisterhaft, stets solche Stellen auszusuchen, deren
Umgebung der Färbung ihres Kleides entspricht, und treibt dabei geflissentlich Versteckenspielen, indem
sie sonderbare Stellungen annimmt und sich dadurch unkenntlich zu machen sucht. Wenn sie ruhig
auf dem Boden steht, zieht sie den Hals tief herab und erscheint dann sehr niedrig. Jm Gehen legt
sie den Kopf etwas vor und schreitet nun zierlich und recht hurtig ihres Weges fort, dabei beständig
mit dem Schwanze wippend, also entfernt an eine Ralle erinnernd. Jhr Flug ist verhältnißmäßig
schnell, auch sehr gewandt, beim Auffliegen flatternd, beim Niederlassen entweder schwebend oder
herabstürzend. Eine außerordentliche Geschicklichkeit bekundet sie im Klettern; sie wetteifert darin
mit jedem anderen Vogel. Bei Gefahr steigt sie augenblicklich an den Rohrhalmen in die Höhe und
bewegt sich hier mit einer Fertigkeit, welche wahrhaft in Erstaunen setzt. Gloger hat mit Gezähmten
Versuche angestellt. Zuerst wählte er seine dünnen und vollständig glatten, feinpolirten Spazier-
stöcke, welche am oberen Ende nicht dicker als ein Rohrhalm waren. Selbst kleine Falkenarten konnten
sich auf diesen kaum halten, auch wenn der Stock wagerecht gehalten wurde; die Zwergrohrdommel
hingegen fand ihn ganz behaglich, gleichviel ob der Stock in wagerechter oder in schräger Lage gehalten
wurde. "Nun faßte ich den Stock mit der Rohrdommel darauf am oberen Ende, ließ ihn mehr und
mehr sinken und hielt ihn schließlich blos am Knopfe, so daß er völlig senkrecht niederhing: -- der
Rohrdommel blieb Das völlig gleich; selbst wenn ich den so hängenden, ganz dünnen Stock dann an
dem kugelförmigen, glatten Metallknopfe hin und herschwenkte, glitt der kleine, wunderliche Kletter-
meister nicht ab, sondern hielt sich immer noch fest genug. Jn solchem Falle stand der Vogel dann
auf seinen mehr oder weniger dicht aneinander gehaltenen Beinen noch vollkommen senkrecht, obgleich

Nachtreiher. Zwergrohrdommel.
kennzeichnen die Zwergreiher (Ardetta), welche in Deutſchland oder Europa überhaupt durch
die Zwergrohrdommel oder den Quartanreiher (Ardetta minuta) vertreten werden.

Dieſer niedliche Vogel iſt 14 bis 16 Zoll lang, 21 bis 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt
5¾, die Schwanzlänge 2 Zoll. Das Gefieder iſt auf Oberkopf, Nacken, Rücken und Schultern
ſchwarzgrünlich, ſchillernd, auf dem Oberflügel und dem Unterkörper roſtgelb, an den Seiten der
Bruſt ſchwarz gefleckt; die Schwingen und Steuerfedern ſind ebenfalls ſchwarz, Augenſtern und
Zügel gelb; der Schnabel iſt auf der Firſte braun, übrigens blaßgelb, der Fuß grüngelb. Beim
Weibchen ſind die dunkleren Theile braunſchwarz, die helleren blaßgelb; bei den Jungen Oberkopf
und Nacken roſtrothbraun, dunkler in die Länge gefleckt, die Untertheile roſtgelb und braun längs
gefleckt, Bauch und Hinterſchwanzdeckfedern weiß.

Von Holland an, nach Süden hin, kommt die Zwergrohrdommel in ganz Europa als Brut-
und Zugvogel vor. Jn Holland, Ungarn, der Türkei und Griechenland iſt ſie gemein, in Deutſch-
land, Südfrankreich und Spanien wenigſtens nicht ſelten. Sie erſcheint im Norden Ende Aprils
und verſchwindet bereits im September wieder, hält ſich während ihres Zuges längere Zeit in
Griechenland auf und überwintert in Nordafrika, hier nach und nach bis in die Gleicherländer vor-
rückend. Zu ihrem Aufenthalte wählt ſie rohrreiche oder doch mit Büſchen und hohen Sumpfpflanzen
beſtandene Brüche und Gewäſſer überhaupt, und demgemäß findet ſie in Holland und Ungarn oder
in Griechenland ungleich günſtigere Wohnorte als bei uns zu Lande. Jn Griechenland ſoll ſie
überaus häufig ſein. „Keinen Sumpf, kein ſtehendes Waſſer, keinen Abzugsgraben mit Gebüſch an
ſeinen Rändern, ja ſelbſt keine verſumpfte Quelle, falls Schilf und Rohr dort wächſt, gibt es, wo
man ſie nicht anträfe.“ Daſſelbe gilt für Ungarn; nicht viel anders iſt es in Holland. Auch in
Deutſchland kommt der niedliche Vogel viel öfter vor, als man glaubt; Aufenthaltsort und Lebens-
weiſe verbergen ihn aber den Blicken, und nur der laute Ruf des Männchens während der Paarungs-
zeit verräth ihn den Kundigen. Nicht ſelten bewohnt die Zwergrohrdommel kleine, dicht mit Röhricht
oder Gebüſch bewachſene Teiche in unmittelbarer Nähe der Dörfer, ohne daß man davon eine
Ahnung hat.

Sie iſt ein vollendeter Nachtvogel. Uebertags ſitzt ſie möglichſt verborgen im Röhricht oder
auf einem Baumzweige, immer verſteckt und ſo regungslos, daß der Unkundige, auch wenn er ſie
ſieht, gewöhnlich getäuſcht wird. Sie verſteht es meiſterhaft, ſtets ſolche Stellen auszuſuchen, deren
Umgebung der Färbung ihres Kleides entſpricht, und treibt dabei gefliſſentlich Verſteckenſpielen, indem
ſie ſonderbare Stellungen annimmt und ſich dadurch unkenntlich zu machen ſucht. Wenn ſie ruhig
auf dem Boden ſteht, zieht ſie den Hals tief herab und erſcheint dann ſehr niedrig. Jm Gehen legt
ſie den Kopf etwas vor und ſchreitet nun zierlich und recht hurtig ihres Weges fort, dabei beſtändig
mit dem Schwanze wippend, alſo entfernt an eine Ralle erinnernd. Jhr Flug iſt verhältnißmäßig
ſchnell, auch ſehr gewandt, beim Auffliegen flatternd, beim Niederlaſſen entweder ſchwebend oder
herabſtürzend. Eine außerordentliche Geſchicklichkeit bekundet ſie im Klettern; ſie wetteifert darin
mit jedem anderen Vogel. Bei Gefahr ſteigt ſie augenblicklich an den Rohrhalmen in die Höhe und
bewegt ſich hier mit einer Fertigkeit, welche wahrhaft in Erſtaunen ſetzt. Gloger hat mit Gezähmten
Verſuche angeſtellt. Zuerſt wählte er ſeine dünnen und vollſtändig glatten, feinpolirten Spazier-
ſtöcke, welche am oberen Ende nicht dicker als ein Rohrhalm waren. Selbſt kleine Falkenarten konnten
ſich auf dieſen kaum halten, auch wenn der Stock wagerecht gehalten wurde; die Zwergrohrdommel
hingegen fand ihn ganz behaglich, gleichviel ob der Stock in wagerechter oder in ſchräger Lage gehalten
wurde. „Nun faßte ich den Stock mit der Rohrdommel darauf am oberen Ende, ließ ihn mehr und
mehr ſinken und hielt ihn ſchließlich blos am Knopfe, ſo daß er völlig ſenkrecht niederhing: — der
Rohrdommel blieb Das völlig gleich; ſelbſt wenn ich den ſo hängenden, ganz dünnen Stock dann an
dem kugelförmigen, glatten Metallknopfe hin und herſchwenkte, glitt der kleine, wunderliche Kletter-
meiſter nicht ab, ſondern hielt ſich immer noch feſt genug. Jn ſolchem Falle ſtand der Vogel dann
auf ſeinen mehr oder weniger dicht aneinander gehaltenen Beinen noch vollkommen ſenkrecht, obgleich

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[711/0755] Nachtreiher. Zwergrohrdommel. kennzeichnen die Zwergreiher (Ardetta), welche in Deutſchland oder Europa überhaupt durch die Zwergrohrdommel oder den Quartanreiher (Ardetta minuta) vertreten werden. Dieſer niedliche Vogel iſt 14 bis 16 Zoll lang, 21 bis 23 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 5¾, die Schwanzlänge 2 Zoll. Das Gefieder iſt auf Oberkopf, Nacken, Rücken und Schultern ſchwarzgrünlich, ſchillernd, auf dem Oberflügel und dem Unterkörper roſtgelb, an den Seiten der Bruſt ſchwarz gefleckt; die Schwingen und Steuerfedern ſind ebenfalls ſchwarz, Augenſtern und Zügel gelb; der Schnabel iſt auf der Firſte braun, übrigens blaßgelb, der Fuß grüngelb. Beim Weibchen ſind die dunkleren Theile braunſchwarz, die helleren blaßgelb; bei den Jungen Oberkopf und Nacken roſtrothbraun, dunkler in die Länge gefleckt, die Untertheile roſtgelb und braun längs gefleckt, Bauch und Hinterſchwanzdeckfedern weiß. Von Holland an, nach Süden hin, kommt die Zwergrohrdommel in ganz Europa als Brut- und Zugvogel vor. Jn Holland, Ungarn, der Türkei und Griechenland iſt ſie gemein, in Deutſch- land, Südfrankreich und Spanien wenigſtens nicht ſelten. Sie erſcheint im Norden Ende Aprils und verſchwindet bereits im September wieder, hält ſich während ihres Zuges längere Zeit in Griechenland auf und überwintert in Nordafrika, hier nach und nach bis in die Gleicherländer vor- rückend. Zu ihrem Aufenthalte wählt ſie rohrreiche oder doch mit Büſchen und hohen Sumpfpflanzen beſtandene Brüche und Gewäſſer überhaupt, und demgemäß findet ſie in Holland und Ungarn oder in Griechenland ungleich günſtigere Wohnorte als bei uns zu Lande. Jn Griechenland ſoll ſie überaus häufig ſein. „Keinen Sumpf, kein ſtehendes Waſſer, keinen Abzugsgraben mit Gebüſch an ſeinen Rändern, ja ſelbſt keine verſumpfte Quelle, falls Schilf und Rohr dort wächſt, gibt es, wo man ſie nicht anträfe.“ Daſſelbe gilt für Ungarn; nicht viel anders iſt es in Holland. Auch in Deutſchland kommt der niedliche Vogel viel öfter vor, als man glaubt; Aufenthaltsort und Lebens- weiſe verbergen ihn aber den Blicken, und nur der laute Ruf des Männchens während der Paarungs- zeit verräth ihn den Kundigen. Nicht ſelten bewohnt die Zwergrohrdommel kleine, dicht mit Röhricht oder Gebüſch bewachſene Teiche in unmittelbarer Nähe der Dörfer, ohne daß man davon eine Ahnung hat. Sie iſt ein vollendeter Nachtvogel. Uebertags ſitzt ſie möglichſt verborgen im Röhricht oder auf einem Baumzweige, immer verſteckt und ſo regungslos, daß der Unkundige, auch wenn er ſie ſieht, gewöhnlich getäuſcht wird. Sie verſteht es meiſterhaft, ſtets ſolche Stellen auszuſuchen, deren Umgebung der Färbung ihres Kleides entſpricht, und treibt dabei gefliſſentlich Verſteckenſpielen, indem ſie ſonderbare Stellungen annimmt und ſich dadurch unkenntlich zu machen ſucht. Wenn ſie ruhig auf dem Boden ſteht, zieht ſie den Hals tief herab und erſcheint dann ſehr niedrig. Jm Gehen legt ſie den Kopf etwas vor und ſchreitet nun zierlich und recht hurtig ihres Weges fort, dabei beſtändig mit dem Schwanze wippend, alſo entfernt an eine Ralle erinnernd. Jhr Flug iſt verhältnißmäßig ſchnell, auch ſehr gewandt, beim Auffliegen flatternd, beim Niederlaſſen entweder ſchwebend oder herabſtürzend. Eine außerordentliche Geſchicklichkeit bekundet ſie im Klettern; ſie wetteifert darin mit jedem anderen Vogel. Bei Gefahr ſteigt ſie augenblicklich an den Rohrhalmen in die Höhe und bewegt ſich hier mit einer Fertigkeit, welche wahrhaft in Erſtaunen ſetzt. Gloger hat mit Gezähmten Verſuche angeſtellt. Zuerſt wählte er ſeine dünnen und vollſtändig glatten, feinpolirten Spazier- ſtöcke, welche am oberen Ende nicht dicker als ein Rohrhalm waren. Selbſt kleine Falkenarten konnten ſich auf dieſen kaum halten, auch wenn der Stock wagerecht gehalten wurde; die Zwergrohrdommel hingegen fand ihn ganz behaglich, gleichviel ob der Stock in wagerechter oder in ſchräger Lage gehalten wurde. „Nun faßte ich den Stock mit der Rohrdommel darauf am oberen Ende, ließ ihn mehr und mehr ſinken und hielt ihn ſchließlich blos am Knopfe, ſo daß er völlig ſenkrecht niederhing: — der Rohrdommel blieb Das völlig gleich; ſelbſt wenn ich den ſo hängenden, ganz dünnen Stock dann an dem kugelförmigen, glatten Metallknopfe hin und herſchwenkte, glitt der kleine, wunderliche Kletter- meiſter nicht ab, ſondern hielt ſich immer noch feſt genug. Jn ſolchem Falle ſtand der Vogel dann auf ſeinen mehr oder weniger dicht aneinander gehaltenen Beinen noch vollkommen ſenkrecht, obgleich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/755>, abgerufen am 22.11.2024.