daß ich stets, so oft ich einen Elfenbeinschnabel von einem Baume zum andern fliegen sah, zu mir sagte: dort geht ein Van Dyck ...."
"Wohl möchte ich wünschen, daß ich fähig wäre, die bevorzugten Aufenthaltsorte des Elfenbein- schnabels zu beschreiben. Jch wünschte, daß ich zu schildern vermöchte die Ausdehnung jener tiefen Moräste, überschattet von Millionen riesenhafter, dunkler Cypressen, welche ihre starren, mosbedeckten Zweige ausstrecken, als ob sie den sich Nahenden mahnen wollten, still zu halten und im Voraus die Schwierigkeiten zu bedenken, welche er zu überwinden haben wird, wenn er tiefer in die meist unnah- baren Heimlichkeiten eindringt -- jener Sümpfe, welche sich meilenweit vor ihm ausdehnen, in denen der Weg unterbrochen wird durch vorgestreckte riesige Zweige, durch zu Boden gestürzte Baumstämme und Tausende von kletternden und sich verschlingenden Pflanzen der verschiedensten Art; ich wollte, daß ich verständlich machen könnte die Natur dieses gefährlichen Grundes: seine sumpfige und schlammige Beschaffenheit, die Schönheit des verrätherischen Teppichs, welcher aus den reichsten Mosen, Schwert- und Wasserlilien zusammengewebt ist, aber, sobald er den Druck des Fußes erleidet, nach dem Leben des Abenteurers verlangt, und die hier und da sich findenden Lichtungen, welche gewöhnlich von einem See dunklen schlammigen Wassers ausgefüllt sind; ich wollte, daß ich fähig wäre, meinen Lesern einen Begriff zu geben von der schwülen, pestigen Luft, welche den Eindringling fast zu ersticken droht, zumal in unsern Hundstagen: aber jeder Versuch, das Bild dieser glänzenden und entsetzlichen Moräste zu zeichnen, ist ein verfehlter; nur eigene Anschauung vermag sie kennen zu lernen. Und ich will zurückkehren zur Beschreibung des berühmten Spechts mit dem elfenbeinern Schnabel!"
"Der Flug dieses Vogels ist äußerst anmuthig, obgleich dieser selten mehr als wenige hundert Ellen ausgedehnt wird, es sei denn, daß er einen breiten Fluß zu überfliegen habe. Dann streicht er in tiefen Wellenlinien dahin, indem er die Schwingen bald voll ausbreitet, bald wieder flatternd bewegt, um sich von neuem weiter zu treiben. Der Uebergang von einem Baume zum andern und selbst, wenn die Entfernung mehrere hundert Ellen betragen sollte, wird vermöge eines einzigen Schwunges ausgeführt, während welches der von der höchsten Spitze herabkommende Vogel eine zierliche Bogenlinie beschreibt. Jn diesem Augenblick entfaltet er die volle Schönheit seines Gefieders und erfüllt jeden Beschauer mit Vergnügen. Niemals stößt er einen Laut aus, so lange er fliegt, es sei denn, daß die Zeit seiner Liebe gekommen; sobald er sich aber an den Untertheil des Stammes angehängt hat und während er zu den oberen Theilen emporsteigt, vernimmt man seine bemerkens- werthe, klare, laute und angenehme Stimme und zwar auf beträchtliche Entfernung, ungefähr eine halbe Meile weit. Diese Stimme oder der Lockton, welcher durch die Silbe "Pät" ausgedrückt werden kann, wird gewöhnlich dreimal wiederholt; aber der Vogel läßt sie so oft vernehmen, daß man sagen kann, er schreit während des ganzen Tages nur wenige Minuten nicht. Leider begünstigt solche Eigenheit seine Verfolgung ungemein, und zu dieser gibt die irrige Meinung, daß er ein Zerstörer der Bäume sei, nur zu viel Veranlassung. Dazu kommt, daß seine schönen Haubenfedern einen beliebten Kriegsschmuck der Jndianer bilden, und daß er deshalb auch von den Rothhäuten eifrig verfolgt wird. Die Reisenden aller Völker sind erpicht auf diesen Schmuck und kaufen von den Jägern zur Erinnerung die Köpfe des prächtigen Vogels. Jch traf Häuptlinge der Jndianer, deren ganzer Gürtel dicht mit den Schnäbeln und Hauben des Elfenbeinschnabels bedeckt war."
"Wie andere seiner Familie lebt auch dieser Specht gewöhnlich paarweise, wenigstens dann, wenn die Jungen selbständig geworden sind, und wahrscheinlich währt seine Ehe die ganze Lebenszeit. Man sieht beide Gatten stets zusammen. Das Weibchen erkennt man daran, daß es schreilustiger und vorsichtiger als das Männchen ist. Die Fortpflanzung beginnt früher, als bei andern Spechten, schon im März. Das Nest wird, wie ich glaube, immer in dem Stamm eines lebenden Baumes angelegt, am liebsten in einer Esche, regelmäßig in bedeutender Höhe. Die Vögel sind sehr vorsichtig in der Wahl des Baumes und des Anlagepunktes der Höhle, weil sie Zurückgezogenheit lieben und ihre Nester vor dem Regen geschützt wissen wollen. Deshalb ist der Eingang gewöhnlich unmittelbar
Die Späher. Klettervögel. Spechte.
daß ich ſtets, ſo oft ich einen Elfenbeinſchnabel von einem Baume zum andern fliegen ſah, zu mir ſagte: dort geht ein Van Dyck ....“
„Wohl möchte ich wünſchen, daß ich fähig wäre, die bevorzugten Aufenthaltsorte des Elfenbein- ſchnabels zu beſchreiben. Jch wünſchte, daß ich zu ſchildern vermöchte die Ausdehnung jener tiefen Moräſte, überſchattet von Millionen rieſenhafter, dunkler Cypreſſen, welche ihre ſtarren, mosbedeckten Zweige ausſtrecken, als ob ſie den ſich Nahenden mahnen wollten, ſtill zu halten und im Voraus die Schwierigkeiten zu bedenken, welche er zu überwinden haben wird, wenn er tiefer in die meiſt unnah- baren Heimlichkeiten eindringt — jener Sümpfe, welche ſich meilenweit vor ihm ausdehnen, in denen der Weg unterbrochen wird durch vorgeſtreckte rieſige Zweige, durch zu Boden geſtürzte Baumſtämme und Tauſende von kletternden und ſich verſchlingenden Pflanzen der verſchiedenſten Art; ich wollte, daß ich verſtändlich machen könnte die Natur dieſes gefährlichen Grundes: ſeine ſumpfige und ſchlammige Beſchaffenheit, die Schönheit des verrätheriſchen Teppichs, welcher aus den reichſten Moſen, Schwert- und Waſſerlilien zuſammengewebt iſt, aber, ſobald er den Druck des Fußes erleidet, nach dem Leben des Abenteurers verlangt, und die hier und da ſich findenden Lichtungen, welche gewöhnlich von einem See dunklen ſchlammigen Waſſers ausgefüllt ſind; ich wollte, daß ich fähig wäre, meinen Leſern einen Begriff zu geben von der ſchwülen, peſtigen Luft, welche den Eindringling faſt zu erſticken droht, zumal in unſern Hundstagen: aber jeder Verſuch, das Bild dieſer glänzenden und entſetzlichen Moräſte zu zeichnen, iſt ein verfehlter; nur eigene Anſchauung vermag ſie kennen zu lernen. Und ich will zurückkehren zur Beſchreibung des berühmten Spechts mit dem elfenbeinern Schnabel!“
„Der Flug dieſes Vogels iſt äußerſt anmuthig, obgleich dieſer ſelten mehr als wenige hundert Ellen ausgedehnt wird, es ſei denn, daß er einen breiten Fluß zu überfliegen habe. Dann ſtreicht er in tiefen Wellenlinien dahin, indem er die Schwingen bald voll ausbreitet, bald wieder flatternd bewegt, um ſich von neuem weiter zu treiben. Der Uebergang von einem Baume zum andern und ſelbſt, wenn die Entfernung mehrere hundert Ellen betragen ſollte, wird vermöge eines einzigen Schwunges ausgeführt, während welches der von der höchſten Spitze herabkommende Vogel eine zierliche Bogenlinie beſchreibt. Jn dieſem Augenblick entfaltet er die volle Schönheit ſeines Gefieders und erfüllt jeden Beſchauer mit Vergnügen. Niemals ſtößt er einen Laut aus, ſo lange er fliegt, es ſei denn, daß die Zeit ſeiner Liebe gekommen; ſobald er ſich aber an den Untertheil des Stammes angehängt hat und während er zu den oberen Theilen emporſteigt, vernimmt man ſeine bemerkens- werthe, klare, laute und angenehme Stimme und zwar auf beträchtliche Entfernung, ungefähr eine halbe Meile weit. Dieſe Stimme oder der Lockton, welcher durch die Silbe „Pät“ ausgedrückt werden kann, wird gewöhnlich dreimal wiederholt; aber der Vogel läßt ſie ſo oft vernehmen, daß man ſagen kann, er ſchreit während des ganzen Tages nur wenige Minuten nicht. Leider begünſtigt ſolche Eigenheit ſeine Verfolgung ungemein, und zu dieſer gibt die irrige Meinung, daß er ein Zerſtörer der Bäume ſei, nur zu viel Veranlaſſung. Dazu kommt, daß ſeine ſchönen Haubenfedern einen beliebten Kriegsſchmuck der Jndianer bilden, und daß er deshalb auch von den Rothhäuten eifrig verfolgt wird. Die Reiſenden aller Völker ſind erpicht auf dieſen Schmuck und kaufen von den Jägern zur Erinnerung die Köpfe des prächtigen Vogels. Jch traf Häuptlinge der Jndianer, deren ganzer Gürtel dicht mit den Schnäbeln und Hauben des Elfenbeinſchnabels bedeckt war.“
„Wie andere ſeiner Familie lebt auch dieſer Specht gewöhnlich paarweiſe, wenigſtens dann, wenn die Jungen ſelbſtändig geworden ſind, und wahrſcheinlich währt ſeine Ehe die ganze Lebenszeit. Man ſieht beide Gatten ſtets zuſammen. Das Weibchen erkennt man daran, daß es ſchreiluſtiger und vorſichtiger als das Männchen iſt. Die Fortpflanzung beginnt früher, als bei andern Spechten, ſchon im März. Das Neſt wird, wie ich glaube, immer in dem Stamm eines lebenden Baumes angelegt, am liebſten in einer Eſche, regelmäßig in bedeutender Höhe. Die Vögel ſind ſehr vorſichtig in der Wahl des Baumes und des Anlagepunktes der Höhle, weil ſie Zurückgezogenheit lieben und ihre Neſter vor dem Regen geſchützt wiſſen wollen. Deshalb iſt der Eingang gewöhnlich unmittelbar
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0080"n="66"/><fwplace="top"type="header">Die Späher. Klettervögel. Spechte.</fw><lb/>
daß ich ſtets, ſo oft ich einen Elfenbeinſchnabel von einem Baume zum andern fliegen ſah, zu mir<lb/>ſagte: dort geht ein Van Dyck ....“</p><lb/><p>„Wohl möchte ich wünſchen, daß ich fähig wäre, die bevorzugten Aufenthaltsorte des Elfenbein-<lb/>ſchnabels zu beſchreiben. Jch wünſchte, daß ich zu ſchildern vermöchte die Ausdehnung jener tiefen<lb/>
Moräſte, überſchattet von Millionen rieſenhafter, dunkler Cypreſſen, welche ihre ſtarren, mosbedeckten<lb/>
Zweige ausſtrecken, als ob ſie den ſich Nahenden mahnen wollten, ſtill zu halten und im Voraus die<lb/>
Schwierigkeiten zu bedenken, welche er zu überwinden haben wird, wenn er tiefer in die meiſt unnah-<lb/>
baren Heimlichkeiten eindringt — jener Sümpfe, welche ſich meilenweit vor ihm ausdehnen, in denen<lb/>
der Weg unterbrochen wird durch vorgeſtreckte rieſige Zweige, durch zu Boden geſtürzte Baumſtämme<lb/>
und Tauſende von kletternden und ſich verſchlingenden Pflanzen der verſchiedenſten Art; ich wollte,<lb/>
daß ich verſtändlich machen könnte die Natur dieſes gefährlichen Grundes: ſeine ſumpfige und<lb/>ſchlammige Beſchaffenheit, die Schönheit des verrätheriſchen Teppichs, welcher aus den reichſten Moſen,<lb/>
Schwert- und Waſſerlilien zuſammengewebt iſt, aber, ſobald er den Druck des Fußes erleidet, nach<lb/>
dem Leben des Abenteurers verlangt, und die hier und da ſich findenden Lichtungen, welche<lb/>
gewöhnlich von einem See dunklen ſchlammigen Waſſers ausgefüllt ſind; ich wollte, daß ich fähig wäre,<lb/>
meinen Leſern einen Begriff zu geben von der ſchwülen, peſtigen Luft, welche den Eindringling faſt zu<lb/>
erſticken droht, zumal in unſern Hundstagen: aber jeder Verſuch, das Bild dieſer glänzenden und<lb/>
entſetzlichen Moräſte zu zeichnen, iſt ein verfehlter; nur eigene Anſchauung vermag ſie kennen zu<lb/>
lernen. Und ich will zurückkehren zur Beſchreibung des berühmten Spechts mit dem elfenbeinern<lb/>
Schnabel!“</p><lb/><p>„Der Flug dieſes Vogels iſt äußerſt anmuthig, obgleich dieſer ſelten mehr als wenige hundert<lb/>
Ellen ausgedehnt wird, es ſei denn, daß er einen breiten Fluß zu überfliegen habe. Dann ſtreicht<lb/>
er in tiefen Wellenlinien dahin, indem er die Schwingen bald voll ausbreitet, bald wieder flatternd<lb/>
bewegt, um ſich von neuem weiter zu treiben. Der Uebergang von einem Baume zum andern und<lb/>ſelbſt, wenn die Entfernung mehrere hundert Ellen betragen ſollte, wird vermöge eines einzigen<lb/>
Schwunges ausgeführt, während welches der von der höchſten Spitze herabkommende Vogel eine<lb/>
zierliche Bogenlinie beſchreibt. Jn dieſem Augenblick entfaltet er die volle Schönheit ſeines Gefieders<lb/>
und erfüllt jeden Beſchauer mit Vergnügen. Niemals ſtößt er einen Laut aus, ſo lange er fliegt, es<lb/>ſei denn, daß die Zeit ſeiner Liebe gekommen; ſobald er ſich aber an den Untertheil des Stammes<lb/>
angehängt hat und während er zu den oberen Theilen emporſteigt, vernimmt man ſeine bemerkens-<lb/>
werthe, klare, laute und angenehme Stimme und zwar auf beträchtliche Entfernung, ungefähr eine<lb/>
halbe Meile weit. Dieſe Stimme oder der Lockton, welcher durch die Silbe „Pät“ ausgedrückt werden<lb/>
kann, wird gewöhnlich dreimal wiederholt; aber der Vogel läßt ſie ſo oft vernehmen, daß man ſagen<lb/>
kann, er ſchreit während des ganzen Tages nur wenige Minuten nicht. Leider begünſtigt ſolche<lb/>
Eigenheit ſeine Verfolgung ungemein, und zu dieſer gibt die irrige Meinung, daß er ein Zerſtörer der<lb/>
Bäume ſei, nur zu viel Veranlaſſung. Dazu kommt, daß ſeine ſchönen Haubenfedern einen beliebten<lb/>
Kriegsſchmuck der Jndianer bilden, und daß er deshalb auch von den Rothhäuten eifrig verfolgt wird.<lb/>
Die Reiſenden aller Völker ſind erpicht auf dieſen Schmuck und kaufen von den Jägern zur<lb/>
Erinnerung die Köpfe des prächtigen Vogels. Jch traf Häuptlinge der Jndianer, deren ganzer<lb/>
Gürtel dicht mit den Schnäbeln und Hauben des Elfenbeinſchnabels bedeckt war.“</p><lb/><p>„Wie andere ſeiner Familie lebt auch dieſer Specht gewöhnlich paarweiſe, wenigſtens dann, wenn<lb/>
die Jungen ſelbſtändig geworden ſind, und wahrſcheinlich währt ſeine Ehe die ganze Lebenszeit. Man<lb/>ſieht beide Gatten ſtets zuſammen. Das Weibchen erkennt man daran, daß es ſchreiluſtiger und<lb/>
vorſichtiger als das Männchen iſt. Die Fortpflanzung beginnt früher, als bei andern Spechten,<lb/>ſchon im März. Das Neſt wird, wie ich glaube, immer in dem Stamm eines lebenden Baumes<lb/>
angelegt, am liebſten in einer Eſche, regelmäßig in bedeutender Höhe. Die Vögel ſind ſehr vorſichtig<lb/>
in der Wahl des Baumes und des Anlagepunktes der Höhle, weil ſie Zurückgezogenheit lieben und<lb/>
ihre Neſter vor dem Regen geſchützt wiſſen wollen. Deshalb iſt der Eingang gewöhnlich unmittelbar<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0080]
Die Späher. Klettervögel. Spechte.
daß ich ſtets, ſo oft ich einen Elfenbeinſchnabel von einem Baume zum andern fliegen ſah, zu mir
ſagte: dort geht ein Van Dyck ....“
„Wohl möchte ich wünſchen, daß ich fähig wäre, die bevorzugten Aufenthaltsorte des Elfenbein-
ſchnabels zu beſchreiben. Jch wünſchte, daß ich zu ſchildern vermöchte die Ausdehnung jener tiefen
Moräſte, überſchattet von Millionen rieſenhafter, dunkler Cypreſſen, welche ihre ſtarren, mosbedeckten
Zweige ausſtrecken, als ob ſie den ſich Nahenden mahnen wollten, ſtill zu halten und im Voraus die
Schwierigkeiten zu bedenken, welche er zu überwinden haben wird, wenn er tiefer in die meiſt unnah-
baren Heimlichkeiten eindringt — jener Sümpfe, welche ſich meilenweit vor ihm ausdehnen, in denen
der Weg unterbrochen wird durch vorgeſtreckte rieſige Zweige, durch zu Boden geſtürzte Baumſtämme
und Tauſende von kletternden und ſich verſchlingenden Pflanzen der verſchiedenſten Art; ich wollte,
daß ich verſtändlich machen könnte die Natur dieſes gefährlichen Grundes: ſeine ſumpfige und
ſchlammige Beſchaffenheit, die Schönheit des verrätheriſchen Teppichs, welcher aus den reichſten Moſen,
Schwert- und Waſſerlilien zuſammengewebt iſt, aber, ſobald er den Druck des Fußes erleidet, nach
dem Leben des Abenteurers verlangt, und die hier und da ſich findenden Lichtungen, welche
gewöhnlich von einem See dunklen ſchlammigen Waſſers ausgefüllt ſind; ich wollte, daß ich fähig wäre,
meinen Leſern einen Begriff zu geben von der ſchwülen, peſtigen Luft, welche den Eindringling faſt zu
erſticken droht, zumal in unſern Hundstagen: aber jeder Verſuch, das Bild dieſer glänzenden und
entſetzlichen Moräſte zu zeichnen, iſt ein verfehlter; nur eigene Anſchauung vermag ſie kennen zu
lernen. Und ich will zurückkehren zur Beſchreibung des berühmten Spechts mit dem elfenbeinern
Schnabel!“
„Der Flug dieſes Vogels iſt äußerſt anmuthig, obgleich dieſer ſelten mehr als wenige hundert
Ellen ausgedehnt wird, es ſei denn, daß er einen breiten Fluß zu überfliegen habe. Dann ſtreicht
er in tiefen Wellenlinien dahin, indem er die Schwingen bald voll ausbreitet, bald wieder flatternd
bewegt, um ſich von neuem weiter zu treiben. Der Uebergang von einem Baume zum andern und
ſelbſt, wenn die Entfernung mehrere hundert Ellen betragen ſollte, wird vermöge eines einzigen
Schwunges ausgeführt, während welches der von der höchſten Spitze herabkommende Vogel eine
zierliche Bogenlinie beſchreibt. Jn dieſem Augenblick entfaltet er die volle Schönheit ſeines Gefieders
und erfüllt jeden Beſchauer mit Vergnügen. Niemals ſtößt er einen Laut aus, ſo lange er fliegt, es
ſei denn, daß die Zeit ſeiner Liebe gekommen; ſobald er ſich aber an den Untertheil des Stammes
angehängt hat und während er zu den oberen Theilen emporſteigt, vernimmt man ſeine bemerkens-
werthe, klare, laute und angenehme Stimme und zwar auf beträchtliche Entfernung, ungefähr eine
halbe Meile weit. Dieſe Stimme oder der Lockton, welcher durch die Silbe „Pät“ ausgedrückt werden
kann, wird gewöhnlich dreimal wiederholt; aber der Vogel läßt ſie ſo oft vernehmen, daß man ſagen
kann, er ſchreit während des ganzen Tages nur wenige Minuten nicht. Leider begünſtigt ſolche
Eigenheit ſeine Verfolgung ungemein, und zu dieſer gibt die irrige Meinung, daß er ein Zerſtörer der
Bäume ſei, nur zu viel Veranlaſſung. Dazu kommt, daß ſeine ſchönen Haubenfedern einen beliebten
Kriegsſchmuck der Jndianer bilden, und daß er deshalb auch von den Rothhäuten eifrig verfolgt wird.
Die Reiſenden aller Völker ſind erpicht auf dieſen Schmuck und kaufen von den Jägern zur
Erinnerung die Köpfe des prächtigen Vogels. Jch traf Häuptlinge der Jndianer, deren ganzer
Gürtel dicht mit den Schnäbeln und Hauben des Elfenbeinſchnabels bedeckt war.“
„Wie andere ſeiner Familie lebt auch dieſer Specht gewöhnlich paarweiſe, wenigſtens dann, wenn
die Jungen ſelbſtändig geworden ſind, und wahrſcheinlich währt ſeine Ehe die ganze Lebenszeit. Man
ſieht beide Gatten ſtets zuſammen. Das Weibchen erkennt man daran, daß es ſchreiluſtiger und
vorſichtiger als das Männchen iſt. Die Fortpflanzung beginnt früher, als bei andern Spechten,
ſchon im März. Das Neſt wird, wie ich glaube, immer in dem Stamm eines lebenden Baumes
angelegt, am liebſten in einer Eſche, regelmäßig in bedeutender Höhe. Die Vögel ſind ſehr vorſichtig
in der Wahl des Baumes und des Anlagepunktes der Höhle, weil ſie Zurückgezogenheit lieben und
ihre Neſter vor dem Regen geſchützt wiſſen wollen. Deshalb iſt der Eingang gewöhnlich unmittelbar
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/80>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.