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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.
sie sich sehr bald zu erwerben wissen, noch gar nicht genüge; denn nicht selten verfolgen sie andere
Schwimmvögel unablässig, greifen sie wüthend an und tödten sie ohne alle Ursache, gleichsam um
das Uebermaß ihrer Kraft an ihnen zu bethätigen. Um die Braut streiten die Männchen heftig
und zwar mit ebensoviel Muth als Ausdauer. Neben dieser hochmüthigen Herrschsucht machen sich
ein tadelnswerther Neid und eine gewisse Heimtücke bemerklich. Dagegen hängen die Gatten eines
Paares einander mit treuer Liebe an, und eine einmal geschlossene Ehe gilt für das ganze Leben.
Beide Gatten eines Paares lieben sich zärtlich, kosen oft mit einander, umschlingen sich gegenseitig
mit den Hälsen, schnäbeln sich, stehen sich bei Gefahren gemeinsam bei, legen überhaupt auf jede
Weise ihre gegenseitige Liebe an den Tag. Ebenso zärtlich zeigen sich die Eltern ihrer Brut gegen-
über; denn wenn auch das Männchen sich nicht am Ausbrüten der Eier selbst betheiligt, so behält
es doch das Weibchen fortwährend unter treuer Obhut und bleibt beständig in seiner Nähe, jeder
Gefahr gewärtig, oder begibt sich zu ihm auf das Nest, setzt sich hier, dicht neben ihm angeschmiegt,
nieder und unterhält es durch seine Gegenwart. Bei Erbauung des Nestes, welches das Weibchen
besorgt, hilft es wenigstens durch Herbeiführung der Niststoffe, welche es im Schnabel herbeischleppt
oder von ferner her haufenweise herbeiflößt. Das Nest selbst ist ein sehr großer, kunstloser Bau,
welcher aus allerlei Wasserpflanzen gegründet und mit trockenem Schilfe und dergleichen vollendet und
ausgekleidet wird. Da, wo kleine sichere Jnselchen sich finden, benutzt das Weibchen diese zur
Anlage des Nestes; außerdem schleppt es Pflanzen herbei, bis es einen Haufen gebildet hat, welcher
schwimmend sich und beide Gatten tragen kann. Sechs bis acht starkschalige Eier von schmuzigweißer
oder schmuzigblaßgrüner Färbung bilden das Gelege; aus ihnen schlüpfen nach fünf- bis sechswöchent-
licher Bebrütung die Jungen, höchst zierliche, in ein dichtes Dunenkleid gehüllte Geschöpfe, welche,
nachdem sie ungefähr einen Tag lang noch im Neste durchwärmt und abgetrocknet wurden, auf das
Wasser geführt, zum Aufsuchen der Nahrung angeleitet, oft von der Mutter auf den Rücken,
nachts unter die Flügel genommen, bei Gefahr muthig beschützt und überhaupt mit größter Zärtlich-
keit behandelt werden, bis sie vollständig ausgefiedert sind und aller Pflege und Leitung entbehren
können. Nunmehr trennen sie sich von den Eltern für das ganze Leben; denn wenn sie im nächsten
Jahre wieder auf dem Brutplatze erscheinen sollten, steht ihnen abseiten der Alten dieselbe Behandlung
bevor, wie allen anderen, welche es wagen sollten, das von einem Paare gewählte Gebiet zu
betreten.

Pflanzenstoffe der verschiedensten Art, welche im Wasser oder im Sumpfe wachsen, Wurzeln,
Blätter und Sämereien derselben, Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Muscheln, kleine Lurche
und Fische bilden die Nahrung der Schwäne. Sie sind nicht in so hohem Grade Pflanzenfresser, wie
die Gänse, und nicht so geschickte Thierfänger, wie die Enten, stehen also hinsichtlich der Nahrung
zwischen diesen Familien ungefähr in der Mitte. Jhre Nahrung erwerben sie sich durch Gründeln,
trotzdem sie den langen Hals in die Tiefe des Wassers hinabsenken, hier Pflanzen sich pflücken oder
den Schlamm durchschnattern und alle Nahrung abseihen. Jn tieferen Wässern können sie nur da,
wo kleinere Thiere in unendlicher Menge die oberen Schichten bevölkern, sich zeitweilig erhalten.
Gefangene gewöhnen sich an die verschiedensten Nahrungsmittel, ziehen aber auch jetzt Pflanzenstoffe
den thierischen entschieden vor.

Die Seeadler und die großen Edeladler vergreifen sich zuweilen an alten, öfterer an jungen
Schwänen; im übrigen haben die stolzen Geschöpfe von dem Raubzeuge wenig zu leiden. Angegriffene
vertheidigen sich muthig, im Bewußtsein ihrer Stärke, welche sie kleineren Räubern gewachsen macht.
Der Mensch verfolgt sie des Wildprets und der Federn, insbesondere der Dunen wegen, überall, wo
letztere Werth haben. Die Jagd erfordert, der großen Vorsicht und Scheu der Schwäne halber, einen
tüchtigen Jäger. Jm Norden betreibt man sie vom Boote aus, indem man bei scharfem Winde gegen
die schwimmenden Vögel an- oder ihnen den Wind absegelt, d. h. das Fahrzeug so steuert, daß es
mit dem Winde auf sie zuläuft. Der Schütz darf dann hoffen, daß die sich erhebenden Schwäne, welche
am liebsten gegen den Wind fliegen, sich ihm zuwenden müssen und ihm Gelegenheit zum Schusse

Allgemeines.
ſie ſich ſehr bald zu erwerben wiſſen, noch gar nicht genüge; denn nicht ſelten verfolgen ſie andere
Schwimmvögel unabläſſig, greifen ſie wüthend an und tödten ſie ohne alle Urſache, gleichſam um
das Uebermaß ihrer Kraft an ihnen zu bethätigen. Um die Braut ſtreiten die Männchen heftig
und zwar mit ebenſoviel Muth als Ausdauer. Neben dieſer hochmüthigen Herrſchſucht machen ſich
ein tadelnswerther Neid und eine gewiſſe Heimtücke bemerklich. Dagegen hängen die Gatten eines
Paares einander mit treuer Liebe an, und eine einmal geſchloſſene Ehe gilt für das ganze Leben.
Beide Gatten eines Paares lieben ſich zärtlich, koſen oft mit einander, umſchlingen ſich gegenſeitig
mit den Hälſen, ſchnäbeln ſich, ſtehen ſich bei Gefahren gemeinſam bei, legen überhaupt auf jede
Weiſe ihre gegenſeitige Liebe an den Tag. Ebenſo zärtlich zeigen ſich die Eltern ihrer Brut gegen-
über; denn wenn auch das Männchen ſich nicht am Ausbrüten der Eier ſelbſt betheiligt, ſo behält
es doch das Weibchen fortwährend unter treuer Obhut und bleibt beſtändig in ſeiner Nähe, jeder
Gefahr gewärtig, oder begibt ſich zu ihm auf das Neſt, ſetzt ſich hier, dicht neben ihm angeſchmiegt,
nieder und unterhält es durch ſeine Gegenwart. Bei Erbauung des Neſtes, welches das Weibchen
beſorgt, hilft es wenigſtens durch Herbeiführung der Niſtſtoffe, welche es im Schnabel herbeiſchleppt
oder von ferner her haufenweiſe herbeiflößt. Das Neſt ſelbſt iſt ein ſehr großer, kunſtloſer Bau,
welcher aus allerlei Waſſerpflanzen gegründet und mit trockenem Schilfe und dergleichen vollendet und
ausgekleidet wird. Da, wo kleine ſichere Jnſelchen ſich finden, benutzt das Weibchen dieſe zur
Anlage des Neſtes; außerdem ſchleppt es Pflanzen herbei, bis es einen Haufen gebildet hat, welcher
ſchwimmend ſich und beide Gatten tragen kann. Sechs bis acht ſtarkſchalige Eier von ſchmuzigweißer
oder ſchmuzigblaßgrüner Färbung bilden das Gelege; aus ihnen ſchlüpfen nach fünf- bis ſechswöchent-
licher Bebrütung die Jungen, höchſt zierliche, in ein dichtes Dunenkleid gehüllte Geſchöpfe, welche,
nachdem ſie ungefähr einen Tag lang noch im Neſte durchwärmt und abgetrocknet wurden, auf das
Waſſer geführt, zum Aufſuchen der Nahrung angeleitet, oft von der Mutter auf den Rücken,
nachts unter die Flügel genommen, bei Gefahr muthig beſchützt und überhaupt mit größter Zärtlich-
keit behandelt werden, bis ſie vollſtändig ausgefiedert ſind und aller Pflege und Leitung entbehren
können. Nunmehr trennen ſie ſich von den Eltern für das ganze Leben; denn wenn ſie im nächſten
Jahre wieder auf dem Brutplatze erſcheinen ſollten, ſteht ihnen abſeiten der Alten dieſelbe Behandlung
bevor, wie allen anderen, welche es wagen ſollten, das von einem Paare gewählte Gebiet zu
betreten.

Pflanzenſtoffe der verſchiedenſten Art, welche im Waſſer oder im Sumpfe wachſen, Wurzeln,
Blätter und Sämereien derſelben, Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Muſcheln, kleine Lurche
und Fiſche bilden die Nahrung der Schwäne. Sie ſind nicht in ſo hohem Grade Pflanzenfreſſer, wie
die Gänſe, und nicht ſo geſchickte Thierfänger, wie die Enten, ſtehen alſo hinſichtlich der Nahrung
zwiſchen dieſen Familien ungefähr in der Mitte. Jhre Nahrung erwerben ſie ſich durch Gründeln,
trotzdem ſie den langen Hals in die Tiefe des Waſſers hinabſenken, hier Pflanzen ſich pflücken oder
den Schlamm durchſchnattern und alle Nahrung abſeihen. Jn tieferen Wäſſern können ſie nur da,
wo kleinere Thiere in unendlicher Menge die oberen Schichten bevölkern, ſich zeitweilig erhalten.
Gefangene gewöhnen ſich an die verſchiedenſten Nahrungsmittel, ziehen aber auch jetzt Pflanzenſtoffe
den thieriſchen entſchieden vor.

Die Seeadler und die großen Edeladler vergreifen ſich zuweilen an alten, öfterer an jungen
Schwänen; im übrigen haben die ſtolzen Geſchöpfe von dem Raubzeuge wenig zu leiden. Angegriffene
vertheidigen ſich muthig, im Bewußtſein ihrer Stärke, welche ſie kleineren Räubern gewachſen macht.
Der Menſch verfolgt ſie des Wildprets und der Federn, insbeſondere der Dunen wegen, überall, wo
letztere Werth haben. Die Jagd erfordert, der großen Vorſicht und Scheu der Schwäne halber, einen
tüchtigen Jäger. Jm Norden betreibt man ſie vom Boote aus, indem man bei ſcharfem Winde gegen
die ſchwimmenden Vögel an- oder ihnen den Wind abſegelt, d. h. das Fahrzeug ſo ſteuert, daß es
mit dem Winde auf ſie zuläuft. Der Schütz darf dann hoffen, daß die ſich erhebenden Schwäne, welche
am liebſten gegen den Wind fliegen, ſich ihm zuwenden müſſen und ihm Gelegenheit zum Schuſſe

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[779/0825] Allgemeines. ſie ſich ſehr bald zu erwerben wiſſen, noch gar nicht genüge; denn nicht ſelten verfolgen ſie andere Schwimmvögel unabläſſig, greifen ſie wüthend an und tödten ſie ohne alle Urſache, gleichſam um das Uebermaß ihrer Kraft an ihnen zu bethätigen. Um die Braut ſtreiten die Männchen heftig und zwar mit ebenſoviel Muth als Ausdauer. Neben dieſer hochmüthigen Herrſchſucht machen ſich ein tadelnswerther Neid und eine gewiſſe Heimtücke bemerklich. Dagegen hängen die Gatten eines Paares einander mit treuer Liebe an, und eine einmal geſchloſſene Ehe gilt für das ganze Leben. Beide Gatten eines Paares lieben ſich zärtlich, koſen oft mit einander, umſchlingen ſich gegenſeitig mit den Hälſen, ſchnäbeln ſich, ſtehen ſich bei Gefahren gemeinſam bei, legen überhaupt auf jede Weiſe ihre gegenſeitige Liebe an den Tag. Ebenſo zärtlich zeigen ſich die Eltern ihrer Brut gegen- über; denn wenn auch das Männchen ſich nicht am Ausbrüten der Eier ſelbſt betheiligt, ſo behält es doch das Weibchen fortwährend unter treuer Obhut und bleibt beſtändig in ſeiner Nähe, jeder Gefahr gewärtig, oder begibt ſich zu ihm auf das Neſt, ſetzt ſich hier, dicht neben ihm angeſchmiegt, nieder und unterhält es durch ſeine Gegenwart. Bei Erbauung des Neſtes, welches das Weibchen beſorgt, hilft es wenigſtens durch Herbeiführung der Niſtſtoffe, welche es im Schnabel herbeiſchleppt oder von ferner her haufenweiſe herbeiflößt. Das Neſt ſelbſt iſt ein ſehr großer, kunſtloſer Bau, welcher aus allerlei Waſſerpflanzen gegründet und mit trockenem Schilfe und dergleichen vollendet und ausgekleidet wird. Da, wo kleine ſichere Jnſelchen ſich finden, benutzt das Weibchen dieſe zur Anlage des Neſtes; außerdem ſchleppt es Pflanzen herbei, bis es einen Haufen gebildet hat, welcher ſchwimmend ſich und beide Gatten tragen kann. Sechs bis acht ſtarkſchalige Eier von ſchmuzigweißer oder ſchmuzigblaßgrüner Färbung bilden das Gelege; aus ihnen ſchlüpfen nach fünf- bis ſechswöchent- licher Bebrütung die Jungen, höchſt zierliche, in ein dichtes Dunenkleid gehüllte Geſchöpfe, welche, nachdem ſie ungefähr einen Tag lang noch im Neſte durchwärmt und abgetrocknet wurden, auf das Waſſer geführt, zum Aufſuchen der Nahrung angeleitet, oft von der Mutter auf den Rücken, nachts unter die Flügel genommen, bei Gefahr muthig beſchützt und überhaupt mit größter Zärtlich- keit behandelt werden, bis ſie vollſtändig ausgefiedert ſind und aller Pflege und Leitung entbehren können. Nunmehr trennen ſie ſich von den Eltern für das ganze Leben; denn wenn ſie im nächſten Jahre wieder auf dem Brutplatze erſcheinen ſollten, ſteht ihnen abſeiten der Alten dieſelbe Behandlung bevor, wie allen anderen, welche es wagen ſollten, das von einem Paare gewählte Gebiet zu betreten. Pflanzenſtoffe der verſchiedenſten Art, welche im Waſſer oder im Sumpfe wachſen, Wurzeln, Blätter und Sämereien derſelben, Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Muſcheln, kleine Lurche und Fiſche bilden die Nahrung der Schwäne. Sie ſind nicht in ſo hohem Grade Pflanzenfreſſer, wie die Gänſe, und nicht ſo geſchickte Thierfänger, wie die Enten, ſtehen alſo hinſichtlich der Nahrung zwiſchen dieſen Familien ungefähr in der Mitte. Jhre Nahrung erwerben ſie ſich durch Gründeln, trotzdem ſie den langen Hals in die Tiefe des Waſſers hinabſenken, hier Pflanzen ſich pflücken oder den Schlamm durchſchnattern und alle Nahrung abſeihen. Jn tieferen Wäſſern können ſie nur da, wo kleinere Thiere in unendlicher Menge die oberen Schichten bevölkern, ſich zeitweilig erhalten. Gefangene gewöhnen ſich an die verſchiedenſten Nahrungsmittel, ziehen aber auch jetzt Pflanzenſtoffe den thieriſchen entſchieden vor. Die Seeadler und die großen Edeladler vergreifen ſich zuweilen an alten, öfterer an jungen Schwänen; im übrigen haben die ſtolzen Geſchöpfe von dem Raubzeuge wenig zu leiden. Angegriffene vertheidigen ſich muthig, im Bewußtſein ihrer Stärke, welche ſie kleineren Räubern gewachſen macht. Der Menſch verfolgt ſie des Wildprets und der Federn, insbeſondere der Dunen wegen, überall, wo letztere Werth haben. Die Jagd erfordert, der großen Vorſicht und Scheu der Schwäne halber, einen tüchtigen Jäger. Jm Norden betreibt man ſie vom Boote aus, indem man bei ſcharfem Winde gegen die ſchwimmenden Vögel an- oder ihnen den Wind abſegelt, d. h. das Fahrzeug ſo ſteuert, daß es mit dem Winde auf ſie zuläuft. Der Schütz darf dann hoffen, daß die ſich erhebenden Schwäne, welche am liebſten gegen den Wind fliegen, ſich ihm zuwenden müſſen und ihm Gelegenheit zum Schuſſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/825>, abgerufen am 22.11.2024.