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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Gäuse.
Lockstimme ist ein lautes "Gahkahkakgak", welches oft rasch nach einander wiederholt wird und in
"Gihkick" übergeht, wenn sich die Geschlechter gegenseitig antworten; die Unterhaltungslaute klingen
wie "Tattattattattat", die Ausrufe hoher Freude "Tähng"; im Schreck hört man entweder das lang-
gezogene "Kähkahkak, kahkak, kakakakahkak"; im Zorne zischen beide genau ebenso wie unsere
Hausgänse. Das geistige Wesen entspricht dem von der Familie im allgemeinen und von der
Schwanengans im besonderen Gesagten. Vorsichtig und mißtrauisch zeigt sich die Graugans stets,
im hohen Norden ebensowohl wie bei uns in Deutschland oder in Südeuropa. Am Brutplatze hält
sie bei Ankunft eines Menschen länger aus als sonst, und die Liebe zur Brut läßt sie selbst augen-
scheinliche Gefahren vergessen; in der Regel aber unterscheidet sie den Schützen doch sehr wohl von
dem Hirten oder Bauer, oder den gefährlichen Mann von dem ungefährlichen Weibe. Verfolgung
macht sie bald ungemein vorsichtig, und eine böse Erfahrung wird nie wieder vergessen. Eigentlich
gesellig kann man sie nicht nennen, sie ist es mindestens in geringerem Grade als Verwandte.
"Niemals", sagt Naumann, "ist uns ein Beispiel vorgekommen, daß eine Graugans mit anderen
Gänsearten geflogen wäre, ja der Saatgans scheint sie ganz besonders abhold; denn wenn diese im
September in der Gegend anlangen, wo Graugänse brüten, machen ihnen letztere sogleich Platz und
verschwinden dann von da. Nur die Hausgänse dürfen sich ihrer Zuneigung erfreuen, indem sie auf
den Weideplätzen sich diesen oft nähern, ja einzeln sich nicht selten unter sie mischen. Von solchen
ist manchmal vorgekommen, daß sie sich mit der zahmen Herde nach dem Dorfe treiben ließen und erst
entflohen, als sie eben in dasselbe eintreten sollten, und da sie immer wieder kamen, das Eintreiben,
zwar ohne Erfolg, doch mehrere Tage nach einander wiederholt versucht werden konnte. Ebenso
hatte es sich ereignet, daß ein einziges Männchen der wilden in der Herde der zahmen eine Liebelei
anknüpfte, Gehör fand, seine Geliebte öfter besuchte und endlich sich mit ihr begattete." So wenig
nun die Graugans sich mit fremdem Geflügel zu schaffen macht, so treu halten die Familien zusammen;
deshalb kommt es auch äußerst selten vor, daß man eine vereinzelte Graugans findet. Bis zum
Frühjahre trennen sich die Familien nicht; sie wandern zuweilen noch auf dem Rückzuge zusammen,
und die vorigen Jungen werden dann erst, wenn die Alten von neuem zur Brut Anstalt machen,
weggetrieben.

Sogleich nach der Ankunft im Frühjahre wählen sich die einzelnen Paare, welche sich bereits
fanden, passende Stellen zur Anlage ihres Nestes, und die zweijährigen Jungen beginnen ihre
Werbungen um die Gattin, während die noch nicht Fortpflanzungsfähigen sich gesellschaftlich an
anderen Stellen des Sumpfes umhertreiben. Die Wahl des Nistplatzes zeugt für den hohen Verstand
der Graugans. Wer Nester suchen will, darf von vornherein überzeugt sein, daß er sie nur auf den
unzugänglichsten, abgelegensten und verborgensten Stellen des Sumpfes finden wird. Ein Paar
brütet in nicht allzu großer Entfernung von dem anderen, behält aber doch ein gewisses Gebiet inne
und duldet keine Ueberschreitung desselben. Der Gansert macht der Gans eifrig den Hof, umgeht sie
in stolzer Haltung, schreit, nickt mit dem Kopfe und folgt ihr überall auf dem Fuße nach. Eifersüchtig
scheint er ihre Schritte zu bewachen, muthig bekämpft er jedes unbeweibte Männchen, welches eine
Tändelei mit der rechtmäßigen Gattin versucht, und sorgsam ist er bedacht für die Sicherheit der-
selben. Die Kämpfe werden oft recht heftig: beide Gegner packen sich mit den Schnäbeln an den
Hälsen und schlagen mit den Flügeln so heftig auf einander los, daß man die Schläge auf weithin
vernimmt. "Die Weibchen stehen gewöhnlich dicht daneben und schwatzen unter Verneigung des
ausgestreckten Halses eifrig drein, wobei sich jedoch nicht deuten läßt, ob ihr hastiges und wiederholtes
"Taahtahtat, tahtat, tatatat" die Kämpfer zureden oder abmahnen oder beschwichtigen soll." Nachdem
die Paarung wiederholt vollzogen worden, beschäftigt sich die Gans eifrig mit Herbeitragen verschiedener
Reststoffe und wird dabei auf Schritt und Tritt von dem Gansert begleitet. Letzterer hilft am Nestbau
nicht selbst mit, sorgt aber für beider Sicherheit und läßt seine Augen ohne Unterbrechung in die
Runde schweifen. Zuerst werden die zunächst liegenden Stoffe zusammengelesen, später zum oberen
Ausbau sorgsam gewählt und oft von fernher zugetragen. Dicke Stengel, Halme, Blätter von

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gäuſe.
Lockſtimme iſt ein lautes „Gahkahkakgak“, welches oft raſch nach einander wiederholt wird und in
„Gihkick“ übergeht, wenn ſich die Geſchlechter gegenſeitig antworten; die Unterhaltungslaute klingen
wie „Tattattattattat“, die Ausrufe hoher Freude „Tähng“; im Schreck hört man entweder das lang-
gezogene „Kähkahkak, kahkak, kakakakahkak“; im Zorne ziſchen beide genau ebenſo wie unſere
Hausgänſe. Das geiſtige Weſen entſpricht dem von der Familie im allgemeinen und von der
Schwanengans im beſonderen Geſagten. Vorſichtig und mißtrauiſch zeigt ſich die Graugans ſtets,
im hohen Norden ebenſowohl wie bei uns in Deutſchland oder in Südeuropa. Am Brutplatze hält
ſie bei Ankunft eines Menſchen länger aus als ſonſt, und die Liebe zur Brut läßt ſie ſelbſt augen-
ſcheinliche Gefahren vergeſſen; in der Regel aber unterſcheidet ſie den Schützen doch ſehr wohl von
dem Hirten oder Bauer, oder den gefährlichen Mann von dem ungefährlichen Weibe. Verfolgung
macht ſie bald ungemein vorſichtig, und eine böſe Erfahrung wird nie wieder vergeſſen. Eigentlich
geſellig kann man ſie nicht nennen, ſie iſt es mindeſtens in geringerem Grade als Verwandte.
„Niemals“, ſagt Naumann, „iſt uns ein Beiſpiel vorgekommen, daß eine Graugans mit anderen
Gänſearten geflogen wäre, ja der Saatgans ſcheint ſie ganz beſonders abhold; denn wenn dieſe im
September in der Gegend anlangen, wo Graugänſe brüten, machen ihnen letztere ſogleich Platz und
verſchwinden dann von da. Nur die Hausgänſe dürfen ſich ihrer Zuneigung erfreuen, indem ſie auf
den Weideplätzen ſich dieſen oft nähern, ja einzeln ſich nicht ſelten unter ſie miſchen. Von ſolchen
iſt manchmal vorgekommen, daß ſie ſich mit der zahmen Herde nach dem Dorfe treiben ließen und erſt
entflohen, als ſie eben in daſſelbe eintreten ſollten, und da ſie immer wieder kamen, das Eintreiben,
zwar ohne Erfolg, doch mehrere Tage nach einander wiederholt verſucht werden konnte. Ebenſo
hatte es ſich ereignet, daß ein einziges Männchen der wilden in der Herde der zahmen eine Liebelei
anknüpfte, Gehör fand, ſeine Geliebte öfter beſuchte und endlich ſich mit ihr begattete.“ So wenig
nun die Graugans ſich mit fremdem Geflügel zu ſchaffen macht, ſo treu halten die Familien zuſammen;
deshalb kommt es auch äußerſt ſelten vor, daß man eine vereinzelte Graugans findet. Bis zum
Frühjahre trennen ſich die Familien nicht; ſie wandern zuweilen noch auf dem Rückzuge zuſammen,
und die vorigen Jungen werden dann erſt, wenn die Alten von neuem zur Brut Anſtalt machen,
weggetrieben.

Sogleich nach der Ankunft im Frühjahre wählen ſich die einzelnen Paare, welche ſich bereits
fanden, paſſende Stellen zur Anlage ihres Neſtes, und die zweijährigen Jungen beginnen ihre
Werbungen um die Gattin, während die noch nicht Fortpflanzungsfähigen ſich geſellſchaftlich an
anderen Stellen des Sumpfes umhertreiben. Die Wahl des Niſtplatzes zeugt für den hohen Verſtand
der Graugans. Wer Neſter ſuchen will, darf von vornherein überzeugt ſein, daß er ſie nur auf den
unzugänglichſten, abgelegenſten und verborgenſten Stellen des Sumpfes finden wird. Ein Paar
brütet in nicht allzu großer Entfernung von dem anderen, behält aber doch ein gewiſſes Gebiet inne
und duldet keine Ueberſchreitung deſſelben. Der Ganſert macht der Gans eifrig den Hof, umgeht ſie
in ſtolzer Haltung, ſchreit, nickt mit dem Kopfe und folgt ihr überall auf dem Fuße nach. Eiferſüchtig
ſcheint er ihre Schritte zu bewachen, muthig bekämpft er jedes unbeweibte Männchen, welches eine
Tändelei mit der rechtmäßigen Gattin verſucht, und ſorgſam iſt er bedacht für die Sicherheit der-
ſelben. Die Kämpfe werden oft recht heftig: beide Gegner packen ſich mit den Schnäbeln an den
Hälſen und ſchlagen mit den Flügeln ſo heftig auf einander los, daß man die Schläge auf weithin
vernimmt. „Die Weibchen ſtehen gewöhnlich dicht daneben und ſchwatzen unter Verneigung des
ausgeſtreckten Halſes eifrig drein, wobei ſich jedoch nicht deuten läßt, ob ihr haſtiges und wiederholtes
„Taahtahtat, tahtat, tatatat“ die Kämpfer zureden oder abmahnen oder beſchwichtigen ſoll.“ Nachdem
die Paarung wiederholt vollzogen worden, beſchäftigt ſich die Gans eifrig mit Herbeitragen verſchiedener
Reſtſtoffe und wird dabei auf Schritt und Tritt von dem Ganſert begleitet. Letzterer hilft am Neſtbau
nicht ſelbſt mit, ſorgt aber für beider Sicherheit und läßt ſeine Augen ohne Unterbrechung in die
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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 796. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/842>, abgerufen am 16.07.2024.