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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Zahnschnäbler. Gänse.

Australien bekundet sein eigenthümliches Gepräge auch durch die Gänse, insbesondere durch die
Hühner- oder Kappengans (Cereopsis Novae-Hollandiae), einen ausgezeichneten Zahnschnäbler,
welcher von einigen Forschern als Stelzvogel angesehen wurde. Die Kennzeichen der Sippe sind:
sehr kräftiger Leib, dicker, kurzer Hals, kleiner Kopf, sehr kurzer, starker, stumpfer, an der Wurzel
sehr hoher Schnabel, welcher bis gegen die Spitze hin mit einer Wachshaut bedeckt, an der Spitze
gebogen und gleichsam abgestutzt ist, sodaß er in der That mit dem Schnabel gewisser Hühnerarten
eine entfernte Aehnlichkeit zeigt, langläufige, aber kurzzehige Füße, mit tief ausgeschnittenen Schwimm-
häuten und großen, starken Nägeln, sehr breiten Flügeln mit entwickelten Schulterschwingen, kurzer,
abgerundeter Schwanz und ein reiches Kleingefieder, welches durch seine Zeichnung noch besonders
auffällt. Die Färbung ist ein schönes Aschgrau mit bräunlichem Schimmer, welches auf dem Ober-
kopfe in Lichtaschgrau übergeht und auf dem Rücken durch rundliche, schwarzbraune Flecken, nah der
Spitze der einzelnen Federn gezeichnet wird; die Spitzenhälfte der Armschwingen, die Steuer- und
Unterschwanzdeckfedern sind bräunlichschwarz. Das Auge ist scharlachroth, der Schnabel schwarz,
seine Wachshaut grünlichgelb, der Fuß schwärzlich. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch etwas
geringere Größe.

Die Hühner- oder Kappengans ist jetzt der einzig bekannte Vertreter ihrer Sippe, gehört zu
denjenigen Vögeln Australiens, welche die besondere Aufmerksamkeit aller Reisenden erregt haben und
schon vor vielen Jahren bekannt gemacht wurden. Am häufigsten scheint sie früher auf den Jnseln
der Baßstraße gewesen zu sein. Labillardiere erzählt, daß die ersten, welche er sah, sich von ihm
mit den Händen fangen ließen, die anderen aber doch scheu wurden und die Flucht ergriffen, und
Flinder theilt uns mit, daß eine beträchtliche Anzahl von der Bootsmannschaft mit Stöcken erlegt,
auch einige lebendig gefangen wurden. Bailly bestätigt diese Angabe und versichert, daß die
Hühnergänse, welche er beobachtete, ohne Weiteres beschlichen und gefangen werden konnten. Die
gedachten Reisenden rühmen das Wildpret als vorzüglich, schätzen es weit höher, als das der europäischen
Gans, halten deshalb auch die Verfolgungen für durchaus gerechtfertigt. Die späteren Beobachter
fanden, daß die Gänse nicht nur nicht häufig vorkamen, sondern auf vielen Jnseln bereits ausgerottet
waren. Gould schoß ein Paar auf der Jsabelleninsel, meint aber, daß der Vogel noch auf mehreren
nicht untersuchten Theilen der Südküste Australiens häufig sein könne. Der "alte Buschmann"
beobachtete sie im glücklichen Australien nur zweimal, einen kleinen Flug und zwei andere, welche sich
unter zahme Gänse gemischt hätten. Die übrigen Reisenden, deren Werke mir bekannt sind, berichten
nicht aus eigener Anschauung.

Die Hühnergans lebt, ihrer Begabung entsprechend, weit mehr auf dem Lande als auf dem
Wasser. Sie geht vorzüglich, schwimmt aber ziemlich schlecht, auch sehr ungern, wie die Gefangenen
beweisen. Jhr Flug soll schwerfällig sein. Die Stimme läßt sich mit Silben nicht ausdrücken;
denn sie ähnelt mehr einem dumpfen Brummen, als dem Geschrei anderer Gänse. Ausführliche
Beobachtungen über das Freileben scheinen zu fehlen; doch kennen wir glücklicherweise das Betragen
in der Gefangenschaft gut genug, um ein ziemlich richtiges Bild von ihrem Wesen zu gewinnen.

Durch ihre Scheu vor dem Wasser, denn so darf man sagen, unterscheidet sich die Kappengans
von allen übrigen Arten ihrer Familie. Ungezwungen schickt sie sich nur höchst selten zum Schwimmen
an, verweilt vielmehr bei Tag und Nacht auf dem Festlande, in den Morgen- und Abendstunden
weidend, in den Mittags- und Nachtstunden ruhend. Mit anderen Vögeln hält sie keine Freund-
schaft; denn an Zanksucht und Rauflust übertrifft sie vielleicht noch die Nilgans. Ein Paar, welches
unter anderes Wassergeflügel gebracht wird, erwirbt sich binnen Kurzem die unbedingteste Oberherr-
schaft und weiß diese unter allen Umständen zu behaupten, wird der Mitbewohnerschaft eines Teiches
jedoch nur während der Paarungszeit wirklich beschwerlich. An die Gefangenschaft gewöhnt sie sich
sehr leicht, und ihren Pfleger lernt sie schon in den ersten Tagen von anderen Menschen unterscheiden,
gewinnt auch eine große Anhänglichkeit für ihn. Jn Neuholland soll man sie früher fast in allen
größeren Gehöften zahm gehalten haben, gegenwärtig aber von ihrer Zucht zurückgekommen sein, weil

Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe.

Auſtralien bekundet ſein eigenthümliches Gepräge auch durch die Gänſe, insbeſondere durch die
Hühner- oder Kappengans (Cereopsis Novae-Hollandiae), einen ausgezeichneten Zahnſchnäbler,
welcher von einigen Forſchern als Stelzvogel angeſehen wurde. Die Kennzeichen der Sippe ſind:
ſehr kräftiger Leib, dicker, kurzer Hals, kleiner Kopf, ſehr kurzer, ſtarker, ſtumpfer, an der Wurzel
ſehr hoher Schnabel, welcher bis gegen die Spitze hin mit einer Wachshaut bedeckt, an der Spitze
gebogen und gleichſam abgeſtutzt iſt, ſodaß er in der That mit dem Schnabel gewiſſer Hühnerarten
eine entfernte Aehnlichkeit zeigt, langläufige, aber kurzzehige Füße, mit tief ausgeſchnittenen Schwimm-
häuten und großen, ſtarken Nägeln, ſehr breiten Flügeln mit entwickelten Schulterſchwingen, kurzer,
abgerundeter Schwanz und ein reiches Kleingefieder, welches durch ſeine Zeichnung noch beſonders
auffällt. Die Färbung iſt ein ſchönes Aſchgrau mit bräunlichem Schimmer, welches auf dem Ober-
kopfe in Lichtaſchgrau übergeht und auf dem Rücken durch rundliche, ſchwarzbraune Flecken, nah der
Spitze der einzelnen Federn gezeichnet wird; die Spitzenhälfte der Armſchwingen, die Steuer- und
Unterſchwanzdeckfedern ſind bräunlichſchwarz. Das Auge iſt ſcharlachroth, der Schnabel ſchwarz,
ſeine Wachshaut grünlichgelb, der Fuß ſchwärzlich. Das Weibchen unterſcheidet ſich nur durch etwas
geringere Größe.

Die Hühner- oder Kappengans iſt jetzt der einzig bekannte Vertreter ihrer Sippe, gehört zu
denjenigen Vögeln Auſtraliens, welche die beſondere Aufmerkſamkeit aller Reiſenden erregt haben und
ſchon vor vielen Jahren bekannt gemacht wurden. Am häufigſten ſcheint ſie früher auf den Jnſeln
der Baßſtraße geweſen zu ſein. Labillardière erzählt, daß die erſten, welche er ſah, ſich von ihm
mit den Händen fangen ließen, die anderen aber doch ſcheu wurden und die Flucht ergriffen, und
Flinder theilt uns mit, daß eine beträchtliche Anzahl von der Bootsmannſchaft mit Stöcken erlegt,
auch einige lebendig gefangen wurden. Bailly beſtätigt dieſe Angabe und verſichert, daß die
Hühnergänſe, welche er beobachtete, ohne Weiteres beſchlichen und gefangen werden konnten. Die
gedachten Reiſenden rühmen das Wildpret als vorzüglich, ſchätzen es weit höher, als das der europäiſchen
Gans, halten deshalb auch die Verfolgungen für durchaus gerechtfertigt. Die ſpäteren Beobachter
fanden, daß die Gänſe nicht nur nicht häufig vorkamen, ſondern auf vielen Jnſeln bereits ausgerottet
waren. Gould ſchoß ein Paar auf der Jſabelleninſel, meint aber, daß der Vogel noch auf mehreren
nicht unterſuchten Theilen der Südküſte Auſtraliens häufig ſein könne. Der „alte Buſchmann“
beobachtete ſie im glücklichen Auſtralien nur zweimal, einen kleinen Flug und zwei andere, welche ſich
unter zahme Gänſe gemiſcht hätten. Die übrigen Reiſenden, deren Werke mir bekannt ſind, berichten
nicht aus eigener Anſchauung.

Die Hühnergans lebt, ihrer Begabung entſprechend, weit mehr auf dem Lande als auf dem
Waſſer. Sie geht vorzüglich, ſchwimmt aber ziemlich ſchlecht, auch ſehr ungern, wie die Gefangenen
beweiſen. Jhr Flug ſoll ſchwerfällig ſein. Die Stimme läßt ſich mit Silben nicht ausdrücken;
denn ſie ähnelt mehr einem dumpfen Brummen, als dem Geſchrei anderer Gänſe. Ausführliche
Beobachtungen über das Freileben ſcheinen zu fehlen; doch kennen wir glücklicherweiſe das Betragen
in der Gefangenſchaft gut genug, um ein ziemlich richtiges Bild von ihrem Weſen zu gewinnen.

Durch ihre Scheu vor dem Waſſer, denn ſo darf man ſagen, unterſcheidet ſich die Kappengans
von allen übrigen Arten ihrer Familie. Ungezwungen ſchickt ſie ſich nur höchſt ſelten zum Schwimmen
an, verweilt vielmehr bei Tag und Nacht auf dem Feſtlande, in den Morgen- und Abendſtunden
weidend, in den Mittags- und Nachtſtunden ruhend. Mit anderen Vögeln hält ſie keine Freund-
ſchaft; denn an Zankſucht und Raufluſt übertrifft ſie vielleicht noch die Nilgans. Ein Paar, welches
unter anderes Waſſergeflügel gebracht wird, erwirbt ſich binnen Kurzem die unbedingteſte Oberherr-
ſchaft und weiß dieſe unter allen Umſtänden zu behaupten, wird der Mitbewohnerſchaft eines Teiches
jedoch nur während der Paarungszeit wirklich beſchwerlich. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſie ſich
ſehr leicht, und ihren Pfleger lernt ſie ſchon in den erſten Tagen von anderen Menſchen unterſcheiden,
gewinnt auch eine große Anhänglichkeit für ihn. Jn Neuholland ſoll man ſie früher faſt in allen
größeren Gehöften zahm gehalten haben, gegenwärtig aber von ihrer Zucht zurückgekommen ſein, weil

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[808/0856] Die Schwimmer. Zahnſchnäbler. Gänſe. Auſtralien bekundet ſein eigenthümliches Gepräge auch durch die Gänſe, insbeſondere durch die Hühner- oder Kappengans (Cereopsis Novae-Hollandiae), einen ausgezeichneten Zahnſchnäbler, welcher von einigen Forſchern als Stelzvogel angeſehen wurde. Die Kennzeichen der Sippe ſind: ſehr kräftiger Leib, dicker, kurzer Hals, kleiner Kopf, ſehr kurzer, ſtarker, ſtumpfer, an der Wurzel ſehr hoher Schnabel, welcher bis gegen die Spitze hin mit einer Wachshaut bedeckt, an der Spitze gebogen und gleichſam abgeſtutzt iſt, ſodaß er in der That mit dem Schnabel gewiſſer Hühnerarten eine entfernte Aehnlichkeit zeigt, langläufige, aber kurzzehige Füße, mit tief ausgeſchnittenen Schwimm- häuten und großen, ſtarken Nägeln, ſehr breiten Flügeln mit entwickelten Schulterſchwingen, kurzer, abgerundeter Schwanz und ein reiches Kleingefieder, welches durch ſeine Zeichnung noch beſonders auffällt. Die Färbung iſt ein ſchönes Aſchgrau mit bräunlichem Schimmer, welches auf dem Ober- kopfe in Lichtaſchgrau übergeht und auf dem Rücken durch rundliche, ſchwarzbraune Flecken, nah der Spitze der einzelnen Federn gezeichnet wird; die Spitzenhälfte der Armſchwingen, die Steuer- und Unterſchwanzdeckfedern ſind bräunlichſchwarz. Das Auge iſt ſcharlachroth, der Schnabel ſchwarz, ſeine Wachshaut grünlichgelb, der Fuß ſchwärzlich. Das Weibchen unterſcheidet ſich nur durch etwas geringere Größe. Die Hühner- oder Kappengans iſt jetzt der einzig bekannte Vertreter ihrer Sippe, gehört zu denjenigen Vögeln Auſtraliens, welche die beſondere Aufmerkſamkeit aller Reiſenden erregt haben und ſchon vor vielen Jahren bekannt gemacht wurden. Am häufigſten ſcheint ſie früher auf den Jnſeln der Baßſtraße geweſen zu ſein. Labillardière erzählt, daß die erſten, welche er ſah, ſich von ihm mit den Händen fangen ließen, die anderen aber doch ſcheu wurden und die Flucht ergriffen, und Flinder theilt uns mit, daß eine beträchtliche Anzahl von der Bootsmannſchaft mit Stöcken erlegt, auch einige lebendig gefangen wurden. Bailly beſtätigt dieſe Angabe und verſichert, daß die Hühnergänſe, welche er beobachtete, ohne Weiteres beſchlichen und gefangen werden konnten. Die gedachten Reiſenden rühmen das Wildpret als vorzüglich, ſchätzen es weit höher, als das der europäiſchen Gans, halten deshalb auch die Verfolgungen für durchaus gerechtfertigt. Die ſpäteren Beobachter fanden, daß die Gänſe nicht nur nicht häufig vorkamen, ſondern auf vielen Jnſeln bereits ausgerottet waren. Gould ſchoß ein Paar auf der Jſabelleninſel, meint aber, daß der Vogel noch auf mehreren nicht unterſuchten Theilen der Südküſte Auſtraliens häufig ſein könne. Der „alte Buſchmann“ beobachtete ſie im glücklichen Auſtralien nur zweimal, einen kleinen Flug und zwei andere, welche ſich unter zahme Gänſe gemiſcht hätten. Die übrigen Reiſenden, deren Werke mir bekannt ſind, berichten nicht aus eigener Anſchauung. Die Hühnergans lebt, ihrer Begabung entſprechend, weit mehr auf dem Lande als auf dem Waſſer. Sie geht vorzüglich, ſchwimmt aber ziemlich ſchlecht, auch ſehr ungern, wie die Gefangenen beweiſen. Jhr Flug ſoll ſchwerfällig ſein. Die Stimme läßt ſich mit Silben nicht ausdrücken; denn ſie ähnelt mehr einem dumpfen Brummen, als dem Geſchrei anderer Gänſe. Ausführliche Beobachtungen über das Freileben ſcheinen zu fehlen; doch kennen wir glücklicherweiſe das Betragen in der Gefangenſchaft gut genug, um ein ziemlich richtiges Bild von ihrem Weſen zu gewinnen. Durch ihre Scheu vor dem Waſſer, denn ſo darf man ſagen, unterſcheidet ſich die Kappengans von allen übrigen Arten ihrer Familie. Ungezwungen ſchickt ſie ſich nur höchſt ſelten zum Schwimmen an, verweilt vielmehr bei Tag und Nacht auf dem Feſtlande, in den Morgen- und Abendſtunden weidend, in den Mittags- und Nachtſtunden ruhend. Mit anderen Vögeln hält ſie keine Freund- ſchaft; denn an Zankſucht und Raufluſt übertrifft ſie vielleicht noch die Nilgans. Ein Paar, welches unter anderes Waſſergeflügel gebracht wird, erwirbt ſich binnen Kurzem die unbedingteſte Oberherr- ſchaft und weiß dieſe unter allen Umſtänden zu behaupten, wird der Mitbewohnerſchaft eines Teiches jedoch nur während der Paarungszeit wirklich beſchwerlich. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſie ſich ſehr leicht, und ihren Pfleger lernt ſie ſchon in den erſten Tagen von anderen Menſchen unterſcheiden, gewinnt auch eine große Anhänglichkeit für ihn. Jn Neuholland ſoll man ſie früher faſt in allen größeren Gehöften zahm gehalten haben, gegenwärtig aber von ihrer Zucht zurückgekommen ſein, weil

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/856>, abgerufen am 22.11.2024.