Von den übrigen deutschen Enten unterscheidet sie sich durch ihr prachtvolles und auffallendes Gefieder schon aus weiter Ferne, nicht aber wesentlich durch ihre Sitten und Gewohnheiten. Sie geht wie die übrigen Schwimmenten gern und ziemlich behend, schwimmt leicht und rasch, gründelt oft, taucht aber nur im Nothfalle, fliegt rasch und behend, wenn auch nicht so schnell als die kleineren Arten und verursacht fliegend wenig Geräusch. Jhre Stimme klingt quakend, die des Männchens ungefähr "Woa", die des Weibchens tiefer "Wak". Sie gehört unter die zutraulichsten oder am wenigsten scheuen Arten ihrer Familie, läßt sich leicht beschleichen, und zeigt sich zuweilen geradezu einfältig, wird aber schließlich, wenn sie sich verfolgt sieht, doch auch vorsichtig und scheu. Naumann hat beobachtet, daß die Männchen im Frühjahre, wenn sie ihr Prachtkleid tragen, scheuer sind als im Spätsommer; wahrscheinlich weil sie wissen, daß die blendenden Farben desselben sie leichter verrathen als die unscheinbaren des Sommerkleides. Zu größeren Gesellschaften vereinigt sie sich selten oder
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Die Löffelente (Spatula clypeata). 1/4 der nat. Größe.
nie; denn auch in der Winterherberge habe ich sie immer nur in kleineren Familien gesehen, obwohl es vorkommen konnte, daß mehrere solcher Familien nahe neben einander sich beschäftigten.
Die Nahrung der Löffelente ist uns noch nicht genügend bekannt. Wir wissen, daß sie sich von allerlei Kleingewürm, Kerbthieren und Kerbthierlarven, Fisch- und Froschlaich, kleinerer Fischbrut, Süßwasserschnecken nährt und auch zarte Pflanzenstoffe nicht verschmäht; aber wir erfahren an den Gefangenen, daß sie sich schwerer halten als alle übrigen Enten und oft auch bei dem reichlichsten Futter verkümmern und zu Grunde gehen, ohne daß wir bis jetzt ergründen konnten, welcher Nahrungsstoff ihnen durch die Gefangenschaft entzogen wird. Daß es ihnen nur an einer Lieblings- nahrung, welche zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig sein muß, fehlen kann, unterliegt keinem Zweifel. Nach meinen Erfahrungen halten sich die Männchen besser als die Weibchen, von denen gewöhnlich mehr als die Hälfte bald nach ihrer Gefangenschaft erliegen. Wahrscheinlich sinden sie in der Freiheit eine Menge von kleinen zarten Geschöpfen so hinfälliger Art, daß wir sie in dem
Löffelente.
Von den übrigen deutſchen Enten unterſcheidet ſie ſich durch ihr prachtvolles und auffallendes Gefieder ſchon aus weiter Ferne, nicht aber weſentlich durch ihre Sitten und Gewohnheiten. Sie geht wie die übrigen Schwimmenten gern und ziemlich behend, ſchwimmt leicht und raſch, gründelt oft, taucht aber nur im Nothfalle, fliegt raſch und behend, wenn auch nicht ſo ſchnell als die kleineren Arten und verurſacht fliegend wenig Geräuſch. Jhre Stimme klingt quakend, die des Männchens ungefähr „Woa“, die des Weibchens tiefer „Wak“. Sie gehört unter die zutraulichſten oder am wenigſten ſcheuen Arten ihrer Familie, läßt ſich leicht beſchleichen, und zeigt ſich zuweilen geradezu einfältig, wird aber ſchließlich, wenn ſie ſich verfolgt ſieht, doch auch vorſichtig und ſcheu. Naumann hat beobachtet, daß die Männchen im Frühjahre, wenn ſie ihr Prachtkleid tragen, ſcheuer ſind als im Spätſommer; wahrſcheinlich weil ſie wiſſen, daß die blendenden Farben deſſelben ſie leichter verrathen als die unſcheinbaren des Sommerkleides. Zu größeren Geſellſchaften vereinigt ſie ſich ſelten oder
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Die Löffelente (Spatula clypeata). ¼ der nat. Größe.
nie; denn auch in der Winterherberge habe ich ſie immer nur in kleineren Familien geſehen, obwohl es vorkommen konnte, daß mehrere ſolcher Familien nahe neben einander ſich beſchäftigten.
Die Nahrung der Löffelente iſt uns noch nicht genügend bekannt. Wir wiſſen, daß ſie ſich von allerlei Kleingewürm, Kerbthieren und Kerbthierlarven, Fiſch- und Froſchlaich, kleinerer Fiſchbrut, Süßwaſſerſchnecken nährt und auch zarte Pflanzenſtoffe nicht verſchmäht; aber wir erfahren an den Gefangenen, daß ſie ſich ſchwerer halten als alle übrigen Enten und oft auch bei dem reichlichſten Futter verkümmern und zu Grunde gehen, ohne daß wir bis jetzt ergründen konnten, welcher Nahrungsſtoff ihnen durch die Gefangenſchaft entzogen wird. Daß es ihnen nur an einer Lieblings- nahrung, welche zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig ſein muß, fehlen kann, unterliegt keinem Zweifel. Nach meinen Erfahrungen halten ſich die Männchen beſſer als die Weibchen, von denen gewöhnlich mehr als die Hälfte bald nach ihrer Gefangenſchaft erliegen. Wahrſcheinlich ſinden ſie in der Freiheit eine Menge von kleinen zarten Geſchöpfen ſo hinfälliger Art, daß wir ſie in dem
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Löffelente.
Von den übrigen deutſchen Enten unterſcheidet ſie ſich durch ihr prachtvolles und auffallendes
Gefieder ſchon aus weiter Ferne, nicht aber weſentlich durch ihre Sitten und Gewohnheiten. Sie
geht wie die übrigen Schwimmenten gern und ziemlich behend, ſchwimmt leicht und raſch, gründelt
oft, taucht aber nur im Nothfalle, fliegt raſch und behend, wenn auch nicht ſo ſchnell als die kleineren
Arten und verurſacht fliegend wenig Geräuſch. Jhre Stimme klingt quakend, die des Männchens
ungefähr „Woa“, die des Weibchens tiefer „Wak“. Sie gehört unter die zutraulichſten oder am
wenigſten ſcheuen Arten ihrer Familie, läßt ſich leicht beſchleichen, und zeigt ſich zuweilen geradezu
einfältig, wird aber ſchließlich, wenn ſie ſich verfolgt ſieht, doch auch vorſichtig und ſcheu. Naumann
hat beobachtet, daß die Männchen im Frühjahre, wenn ſie ihr Prachtkleid tragen, ſcheuer ſind als im
Spätſommer; wahrſcheinlich weil ſie wiſſen, daß die blendenden Farben deſſelben ſie leichter verrathen
als die unſcheinbaren des Sommerkleides. Zu größeren Geſellſchaften vereinigt ſie ſich ſelten oder
[Abbildung Die Löffelente (Spatula clypeata). ¼ der nat. Größe.]
nie; denn auch in der Winterherberge habe ich ſie immer nur in kleineren Familien geſehen, obwohl
es vorkommen konnte, daß mehrere ſolcher Familien nahe neben einander ſich beſchäftigten.
Die Nahrung der Löffelente iſt uns noch nicht genügend bekannt. Wir wiſſen, daß ſie ſich von
allerlei Kleingewürm, Kerbthieren und Kerbthierlarven, Fiſch- und Froſchlaich, kleinerer Fiſchbrut,
Süßwaſſerſchnecken nährt und auch zarte Pflanzenſtoffe nicht verſchmäht; aber wir erfahren an den
Gefangenen, daß ſie ſich ſchwerer halten als alle übrigen Enten und oft auch bei dem reichlichſten
Futter verkümmern und zu Grunde gehen, ohne daß wir bis jetzt ergründen konnten, welcher
Nahrungsſtoff ihnen durch die Gefangenſchaft entzogen wird. Daß es ihnen nur an einer Lieblings-
nahrung, welche zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig ſein muß, fehlen kann, unterliegt
keinem Zweifel. Nach meinen Erfahrungen halten ſich die Männchen beſſer als die Weibchen, von
denen gewöhnlich mehr als die Hälfte bald nach ihrer Gefangenſchaft erliegen. Wahrſcheinlich ſinden
ſie in der Freiheit eine Menge von kleinen zarten Geſchöpfen ſo hinfälliger Art, daß wir ſie in dem
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 831. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/881>, abgerufen am 22.11.2024.
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