Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwergsäger. Gänsesäger.

Mit vollstem Rechte gilt der Gänsesäger als einer der schönsten und anziehendsten Schwimm-
vögel. Das prachtvolle Gefieder, dessen Hauptfarben lebhaft von einander abstechen, wendet die
Aufmerksamkeit des Forschers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und
Beweglichkeit, welche er fast jederzeit bekundet, steigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der
Mittagsstunden, welche er gern auf einer sandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, sieht man ihn
fast beständig auf dem Wasser, seinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watschelt er ziemlich
schwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich rasch, aber doch nur mit Anstrengung,
während er auf und unter dem Wasser mit gleicher Leichtigkeit sich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen
rudert er mit kräftigen, jedoch langsam sich folgenden Stößen seiner breiten Füße gleichmäßig und
ziemlich rasch seines Weges fort; wenn er aber einen anderen seiner Art, der eben Beute gemacht hat
und diese verschlingen will, neidisch verfolgt, jagt er so heftig auf der Oberfläche des Wassers fort,

[Abbildung] Der Gänsesäger (Morgus merganser).
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein starkes Rauschen der Wellen
hervorbringt. Sein Eintauchen ins Wasser geschieht mit größter Leichtigkeit, fast ohne Geräusch, und
sein Schwimmen zwischen der Oberfläche und dem Grunde des Gewässers so schnell, daß man eher
einen Fisch als einen Vogel dahin schießen zu sehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten
unter Wasser, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieser Zeit hat er fischend, also unter
Umständen Kreuz- und Querzüge ausführend, meistens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine
Stimme ist ein sonderbares Knarren, welches meiner Ansicht nach am besten mit dem Getöne einer
Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie "Karr" und "Korr", werden
aber in so sonderbarer Weise verschmolzen und, wenn ihrer viele sind, zu einem so eigenthümlichen
Zusammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert
wird. Ueber seine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt sich

Brehm, Thierleben. IV. 54
Zwergſäger. Gänſeſäger.

Mit vollſtem Rechte gilt der Gänſeſäger als einer der ſchönſten und anziehendſten Schwimm-
vögel. Das prachtvolle Gefieder, deſſen Hauptfarben lebhaft von einander abſtechen, wendet die
Aufmerkſamkeit des Forſchers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und
Beweglichkeit, welche er faſt jederzeit bekundet, ſteigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der
Mittagsſtunden, welche er gern auf einer ſandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, ſieht man ihn
faſt beſtändig auf dem Waſſer, ſeinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watſchelt er ziemlich
ſchwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich raſch, aber doch nur mit Anſtrengung,
während er auf und unter dem Waſſer mit gleicher Leichtigkeit ſich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen
rudert er mit kräftigen, jedoch langſam ſich folgenden Stößen ſeiner breiten Füße gleichmäßig und
ziemlich raſch ſeines Weges fort; wenn er aber einen anderen ſeiner Art, der eben Beute gemacht hat
und dieſe verſchlingen will, neidiſch verfolgt, jagt er ſo heftig auf der Oberfläche des Waſſers fort,

[Abbildung] Der Gänſeſäger (Morgus merganser).
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein ſtarkes Rauſchen der Wellen
hervorbringt. Sein Eintauchen ins Waſſer geſchieht mit größter Leichtigkeit, faſt ohne Geräuſch, und
ſein Schwimmen zwiſchen der Oberfläche und dem Grunde des Gewäſſers ſo ſchnell, daß man eher
einen Fiſch als einen Vogel dahin ſchießen zu ſehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten
unter Waſſer, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieſer Zeit hat er fiſchend, alſo unter
Umſtänden Kreuz- und Querzüge ausführend, meiſtens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine
Stimme iſt ein ſonderbares Knarren, welches meiner Anſicht nach am beſten mit dem Getöne einer
Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie „Karr“ und „Korr“, werden
aber in ſo ſonderbarer Weiſe verſchmolzen und, wenn ihrer viele ſind, zu einem ſo eigenthümlichen
Zuſammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert
wird. Ueber ſeine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt ſich

Brehm, Thierleben. IV. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0899" n="849"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Zwerg&#x017F;äger. Gän&#x017F;e&#x017F;äger.</hi> </fw><lb/>
          <p>Mit voll&#x017F;tem Rechte gilt der Gän&#x017F;e&#x017F;äger als einer der &#x017F;chön&#x017F;ten und anziehend&#x017F;ten Schwimm-<lb/>
vögel. Das prachtvolle Gefieder, de&#x017F;&#x017F;en Hauptfarben lebhaft von einander ab&#x017F;techen, wendet die<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit des For&#x017F;chers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und<lb/>
Beweglichkeit, welche er fa&#x017F;t jederzeit bekundet, &#x017F;teigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der<lb/>
Mittags&#x017F;tunden, welche er gern auf einer &#x017F;andigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, &#x017F;ieht man ihn<lb/>
fa&#x017F;t be&#x017F;tändig auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;einem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande wat&#x017F;chelt er ziemlich<lb/>
&#x017F;chwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich ra&#x017F;ch, aber doch nur mit An&#x017F;trengung,<lb/>
während er auf und unter dem Wa&#x017F;&#x017F;er mit gleicher Leichtigkeit &#x017F;ich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen<lb/>
rudert er mit kräftigen, jedoch lang&#x017F;am &#x017F;ich folgenden Stößen &#x017F;einer breiten Füße gleichmäßig und<lb/>
ziemlich ra&#x017F;ch &#x017F;eines Weges fort; wenn er aber einen anderen &#x017F;einer Art, der eben Beute gemacht hat<lb/>
und die&#x017F;e ver&#x017F;chlingen will, neidi&#x017F;ch verfolgt, jagt er &#x017F;o heftig auf der Oberfläche des Wa&#x017F;&#x017F;ers fort,<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Gän&#x017F;e&#x017F;äger</hi> (<hi rendition="#aq">Morgus merganser</hi>).</hi></head></figure><lb/>
daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein &#x017F;tarkes Rau&#x017F;chen der Wellen<lb/>
hervorbringt. Sein Eintauchen ins Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;chieht mit größter Leichtigkeit, fa&#x017F;t ohne Geräu&#x017F;ch, und<lb/>
&#x017F;ein Schwimmen zwi&#x017F;chen der Oberfläche und dem Grunde des Gewä&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;o &#x017F;chnell, daß man eher<lb/>
einen Fi&#x017F;ch als einen Vogel dahin &#x017F;chießen zu &#x017F;ehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten<lb/>
unter Wa&#x017F;&#x017F;er, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn die&#x017F;er Zeit hat er fi&#x017F;chend, al&#x017F;o unter<lb/>
Um&#x017F;tänden Kreuz- und Querzüge ausführend, mei&#x017F;tens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine<lb/>
Stimme i&#x017F;t ein &#x017F;onderbares Knarren, welches meiner An&#x017F;icht nach am be&#x017F;ten mit dem Getöne einer<lb/>
Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie &#x201E;Karr&#x201C; und &#x201E;Korr&#x201C;, werden<lb/>
aber in &#x017F;o &#x017F;onderbarer Wei&#x017F;e ver&#x017F;chmolzen und, wenn ihrer viele &#x017F;ind, zu einem &#x017F;o eigenthümlichen<lb/>
Zu&#x017F;ammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert<lb/>
wird. Ueber &#x017F;eine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 54</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[849/0899] Zwergſäger. Gänſeſäger. Mit vollſtem Rechte gilt der Gänſeſäger als einer der ſchönſten und anziehendſten Schwimm- vögel. Das prachtvolle Gefieder, deſſen Hauptfarben lebhaft von einander abſtechen, wendet die Aufmerkſamkeit des Forſchers wie des Laien ihm zu, und die außerordentliche Lebendigkeit und Beweglichkeit, welche er faſt jederzeit bekundet, ſteigert die Theilnahme für ihn. Mit Ausnahme der Mittagsſtunden, welche er gern auf einer ſandigen Stelle des Ufers ruhend verbringt, ſieht man ihn faſt beſtändig auf dem Waſſer, ſeinem eigentlichen Wohngebiete. Auf dem Lande watſchelt er ziemlich ſchwerfällig, und durch die Luft fliegt er zwar ziemlich raſch, aber doch nur mit Anſtrengung, während er auf und unter dem Waſſer mit gleicher Leichtigkeit ſich bewegt. Bei ruhigem Schwimmen rudert er mit kräftigen, jedoch langſam ſich folgenden Stößen ſeiner breiten Füße gleichmäßig und ziemlich raſch ſeines Weges fort; wenn er aber einen anderen ſeiner Art, der eben Beute gemacht hat und dieſe verſchlingen will, neidiſch verfolgt, jagt er ſo heftig auf der Oberfläche des Waſſers fort, [Abbildung Der Gänſeſäger (Morgus merganser).] daß er jeden anderen mir bekannten Schwimmvogel überbietet und ein ſtarkes Rauſchen der Wellen hervorbringt. Sein Eintauchen ins Waſſer geſchieht mit größter Leichtigkeit, faſt ohne Geräuſch, und ſein Schwimmen zwiſchen der Oberfläche und dem Grunde des Gewäſſers ſo ſchnell, daß man eher einen Fiſch als einen Vogel dahin ſchießen zu ſehen wähnt. Zuweilen bleibt er gegen zwei Minuten unter Waſſer, gewöhnlich etwas über eine Minute. Jn dieſer Zeit hat er fiſchend, alſo unter Umſtänden Kreuz- und Querzüge ausführend, meiſtens gegen hundert Schritt zurückgelegt. Seine Stimme iſt ein ſonderbares Knarren, welches meiner Anſicht nach am beſten mit dem Getöne einer Mundtrommel verglichen werden mag. Die einzelnen Laute klingen wie „Karr“ und „Korr“, werden aber in ſo ſonderbarer Weiſe verſchmolzen und, wenn ihrer viele ſind, zu einem ſo eigenthümlichen Zuſammenklingen verbunden, daß man immer und immer wieder an jenes einfache Werkzeug erinnert wird. Ueber ſeine höheren Fähigkeiten bleibt man nicht lange im Zweifel. Der Jäger überzeugt ſich Brehm, Thierleben. IV. 54

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/899
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/899>, abgerufen am 22.11.2024.