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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Schwimmer. Seeflieger. Seeschwalben.
Gestalt kommen sie denen zahmer Enten ungefähr gleich; ihre Schale ist glatt, aber glanzlos, die
Grundfärbung eine schmuziggelbliche oder bräunlichweiße; die Zeichnung besteht aus aschgrauen und
schwarzgrauen Punkten und Flecken; Färbung und Zeichnung ändern aber vielfach ab. Erst in der
zweiten Hälfte des Mai fangen die Raubseeschwalben an zu legen. Man nimmt ihnen auf Sylt
mehrmals die Eier und läßt sie erst acht bis vierzehn Tage vor Johanni brüten. Wenn man sich
dem Nistplatze nähert, umfliegen Einen beide Gatten mit gräßlichem Geschrei, und das Männchen
zeigt sich dabei dreister als das Weibchen. Beim Legen oder Bebrüten der Eier hat eine wie die
andere ihr Gesicht dem Wasser zugekehrt. Sie brüten zwar mit vielen Unterbrechungen, sitzen jedoch
öfter über den Eiern als andere Gattungsverwandten; sind sie aber einmal aufgescheucht, so dauert
es lange, ehe sich einzelne wieder auf ihre Eier herablassen, da solche Störungen auf so scheue Vögel
einen anhaltenderen Eindruck machen als auf andere. Die Jungen, welche auf der Oberseite mit
graulichschwarz gefleckten, auf der Unterseite mit weißen Dunen bekleidet sind, laufen bald aus dem
Neste und werden von den Alten mit kleinen Fischen groß gefüttert, auch die brütenden Weibchen
vom Männchen oft mit dergleichen versorgt.

Es ist kaum anzunehmen, daß die Edelfalken auf Raubseeschwalben stoßen, weil diese, ange-
griffen, mit dem gewaltigen Schnabel sich wohl vertheidigen, fürchterlich um sich beißen und selbst
dem Jäger, welcher sie verwundete, Achtung einzuflößen wissen. Der Mensch behelligt sie nicht, weil
es ihm nur um die wohlschmeckenden Eier zu thun ist. Diese werden, wie bemerkt, anfangs regelrecht
weggenommen und bilden für den Besitzer der Ansiedelung eine gar nicht unbeträchtliche Einnahme-
quelle. Für die Gefangenschaft eignet sich auch diese Seeschwalbe nicht, weil sie, wenn man sie ihrer
Flugfähigkeit beraubt oder ihr das Fliegen, wie sie es gewöhnt ist, unmöglich macht, traurig kümmert,
auch nur mit Widerstreben an todte Fische geht.



Die Flußschwalbe, Rohrschwalbe, Spirer, Tänner etc. (Sterna hirundo) vertritt wegen
ihres dünnen, etwas bogenförmigen, ziemlich kurzen Schnabels, der sehr niedrigen, kurzzehigen
Füße und des tiefgegabelten Schwanzes eine besondere Sippe, welcher man den Namen Strom-
schwalben
gegeben hat. Der alte Vogel ähnelt in seiner Färbung der Raubmeerschwalbe, unter-
scheidet sich jedoch dadurch, daß die Unterseite graulich ist und auch die Füße roth aussehen. Bei
jungen Vögeln ist das Gefieder der Oberseite ebenfalls bräunlich quergefleckt, der Fuß aber gilblich.
Die Länge beträgt 16 bis 17 Zoll, wovon 61/2 auf den beinahe 4 Zoll tief gegabelten Schwanz
kommen, die Flugbreite 32 Zoll, wovon der Fittig 111/2 Zoll wegnimmt.

Bis jetzt ist es noch nicht mit genügender Sicherheit festgestellt, ob alle Flußschwalben, welche
man beobachtet hat, wirklich unserer oder einer verwandten Art zugezählt werden müssen. Jm
ersteren Falle würde sich der Verbreitungskreis der Flußschwalbe über den nördlichen gemäßigten
Gürtel erstrecken, sie also ebensowohl in der alten wie in der neuen Welt zu Hause sein. Mehr als
andere Arten bewohnt sie Flüsse und Süßwasserseen, gehört demnach auch im Jnneren unseres Vater-
landes nicht zu den Seltenheiten und belebt einzelne Flüsse, beispielsweise die Elbe, in großer
Anzahl. Da sie regelmäßig wandert, sieht man sie hier nur während des Sommers. Sie erscheint
in den letzten Tagen des April oder erst Anfangs Mai und macht sich bereits im Juli oder Anfangs
August wieder auf die Wanderschaft. Schon in Südeuropa findet sie eine ihr zusagende Herberge
für den Winter; aber auch im Norden Afrikas ist sie während der kalten Jahreszeit überall gemein.
Auf ihren Reisen wandert sie, in hoher Luft dahin fliegend, langsam von einem Gewässer zum
anderen, soviel als möglich Strömen und Flüssen folgend, und, wenn sie Hunger verspürt, auf diesen
oder jenen Teich sich herabsenkend, um hier zu jagen und ein wenig zu ruhen. Jn der Winterherberge

Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben.
Geſtalt kommen ſie denen zahmer Enten ungefähr gleich; ihre Schale iſt glatt, aber glanzlos, die
Grundfärbung eine ſchmuziggelbliche oder bräunlichweiße; die Zeichnung beſteht aus aſchgrauen und
ſchwarzgrauen Punkten und Flecken; Färbung und Zeichnung ändern aber vielfach ab. Erſt in der
zweiten Hälfte des Mai fangen die Raubſeeſchwalben an zu legen. Man nimmt ihnen auf Sylt
mehrmals die Eier und läßt ſie erſt acht bis vierzehn Tage vor Johanni brüten. Wenn man ſich
dem Niſtplatze nähert, umfliegen Einen beide Gatten mit gräßlichem Geſchrei, und das Männchen
zeigt ſich dabei dreiſter als das Weibchen. Beim Legen oder Bebrüten der Eier hat eine wie die
andere ihr Geſicht dem Waſſer zugekehrt. Sie brüten zwar mit vielen Unterbrechungen, ſitzen jedoch
öfter über den Eiern als andere Gattungsverwandten; ſind ſie aber einmal aufgeſcheucht, ſo dauert
es lange, ehe ſich einzelne wieder auf ihre Eier herablaſſen, da ſolche Störungen auf ſo ſcheue Vögel
einen anhaltenderen Eindruck machen als auf andere. Die Jungen, welche auf der Oberſeite mit
graulichſchwarz gefleckten, auf der Unterſeite mit weißen Dunen bekleidet ſind, laufen bald aus dem
Neſte und werden von den Alten mit kleinen Fiſchen groß gefüttert, auch die brütenden Weibchen
vom Männchen oft mit dergleichen verſorgt.

Es iſt kaum anzunehmen, daß die Edelfalken auf Raubſeeſchwalben ſtoßen, weil dieſe, ange-
griffen, mit dem gewaltigen Schnabel ſich wohl vertheidigen, fürchterlich um ſich beißen und ſelbſt
dem Jäger, welcher ſie verwundete, Achtung einzuflößen wiſſen. Der Menſch behelligt ſie nicht, weil
es ihm nur um die wohlſchmeckenden Eier zu thun iſt. Dieſe werden, wie bemerkt, anfangs regelrecht
weggenommen und bilden für den Beſitzer der Anſiedelung eine gar nicht unbeträchtliche Einnahme-
quelle. Für die Gefangenſchaft eignet ſich auch dieſe Seeſchwalbe nicht, weil ſie, wenn man ſie ihrer
Flugfähigkeit beraubt oder ihr das Fliegen, wie ſie es gewöhnt iſt, unmöglich macht, traurig kümmert,
auch nur mit Widerſtreben an todte Fiſche geht.



Die Flußſchwalbe, Rohrſchwalbe, Spirer, Tänner ꝛc. (Sterna hirundo) vertritt wegen
ihres dünnen, etwas bogenförmigen, ziemlich kurzen Schnabels, der ſehr niedrigen, kurzzehigen
Füße und des tiefgegabelten Schwanzes eine beſondere Sippe, welcher man den Namen Strom-
ſchwalben
gegeben hat. Der alte Vogel ähnelt in ſeiner Färbung der Raubmeerſchwalbe, unter-
ſcheidet ſich jedoch dadurch, daß die Unterſeite graulich iſt und auch die Füße roth ausſehen. Bei
jungen Vögeln iſt das Gefieder der Oberſeite ebenfalls bräunlich quergefleckt, der Fuß aber gilblich.
Die Länge beträgt 16 bis 17 Zoll, wovon 6½ auf den beinahe 4 Zoll tief gegabelten Schwanz
kommen, die Flugbreite 32 Zoll, wovon der Fittig 11½ Zoll wegnimmt.

Bis jetzt iſt es noch nicht mit genügender Sicherheit feſtgeſtellt, ob alle Flußſchwalben, welche
man beobachtet hat, wirklich unſerer oder einer verwandten Art zugezählt werden müſſen. Jm
erſteren Falle würde ſich der Verbreitungskreis der Flußſchwalbe über den nördlichen gemäßigten
Gürtel erſtrecken, ſie alſo ebenſowohl in der alten wie in der neuen Welt zu Hauſe ſein. Mehr als
andere Arten bewohnt ſie Flüſſe und Süßwaſſerſeen, gehört demnach auch im Jnneren unſeres Vater-
landes nicht zu den Seltenheiten und belebt einzelne Flüſſe, beiſpielsweiſe die Elbe, in großer
Anzahl. Da ſie regelmäßig wandert, ſieht man ſie hier nur während des Sommers. Sie erſcheint
in den letzten Tagen des April oder erſt Anfangs Mai und macht ſich bereits im Juli oder Anfangs
Auguſt wieder auf die Wanderſchaft. Schon in Südeuropa findet ſie eine ihr zuſagende Herberge
für den Winter; aber auch im Norden Afrikas iſt ſie während der kalten Jahreszeit überall gemein.
Auf ihren Reiſen wandert ſie, in hoher Luft dahin fliegend, langſam von einem Gewäſſer zum
anderen, ſoviel als möglich Strömen und Flüſſen folgend, und, wenn ſie Hunger verſpürt, auf dieſen
oder jenen Teich ſich herabſenkend, um hier zu jagen und ein wenig zu ruhen. Jn der Winterherberge

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[858/0908] Die Schwimmer. Seeflieger. Seeſchwalben. Geſtalt kommen ſie denen zahmer Enten ungefähr gleich; ihre Schale iſt glatt, aber glanzlos, die Grundfärbung eine ſchmuziggelbliche oder bräunlichweiße; die Zeichnung beſteht aus aſchgrauen und ſchwarzgrauen Punkten und Flecken; Färbung und Zeichnung ändern aber vielfach ab. Erſt in der zweiten Hälfte des Mai fangen die Raubſeeſchwalben an zu legen. Man nimmt ihnen auf Sylt mehrmals die Eier und läßt ſie erſt acht bis vierzehn Tage vor Johanni brüten. Wenn man ſich dem Niſtplatze nähert, umfliegen Einen beide Gatten mit gräßlichem Geſchrei, und das Männchen zeigt ſich dabei dreiſter als das Weibchen. Beim Legen oder Bebrüten der Eier hat eine wie die andere ihr Geſicht dem Waſſer zugekehrt. Sie brüten zwar mit vielen Unterbrechungen, ſitzen jedoch öfter über den Eiern als andere Gattungsverwandten; ſind ſie aber einmal aufgeſcheucht, ſo dauert es lange, ehe ſich einzelne wieder auf ihre Eier herablaſſen, da ſolche Störungen auf ſo ſcheue Vögel einen anhaltenderen Eindruck machen als auf andere. Die Jungen, welche auf der Oberſeite mit graulichſchwarz gefleckten, auf der Unterſeite mit weißen Dunen bekleidet ſind, laufen bald aus dem Neſte und werden von den Alten mit kleinen Fiſchen groß gefüttert, auch die brütenden Weibchen vom Männchen oft mit dergleichen verſorgt. Es iſt kaum anzunehmen, daß die Edelfalken auf Raubſeeſchwalben ſtoßen, weil dieſe, ange- griffen, mit dem gewaltigen Schnabel ſich wohl vertheidigen, fürchterlich um ſich beißen und ſelbſt dem Jäger, welcher ſie verwundete, Achtung einzuflößen wiſſen. Der Menſch behelligt ſie nicht, weil es ihm nur um die wohlſchmeckenden Eier zu thun iſt. Dieſe werden, wie bemerkt, anfangs regelrecht weggenommen und bilden für den Beſitzer der Anſiedelung eine gar nicht unbeträchtliche Einnahme- quelle. Für die Gefangenſchaft eignet ſich auch dieſe Seeſchwalbe nicht, weil ſie, wenn man ſie ihrer Flugfähigkeit beraubt oder ihr das Fliegen, wie ſie es gewöhnt iſt, unmöglich macht, traurig kümmert, auch nur mit Widerſtreben an todte Fiſche geht. Die Flußſchwalbe, Rohrſchwalbe, Spirer, Tänner ꝛc. (Sterna hirundo) vertritt wegen ihres dünnen, etwas bogenförmigen, ziemlich kurzen Schnabels, der ſehr niedrigen, kurzzehigen Füße und des tiefgegabelten Schwanzes eine beſondere Sippe, welcher man den Namen Strom- ſchwalben gegeben hat. Der alte Vogel ähnelt in ſeiner Färbung der Raubmeerſchwalbe, unter- ſcheidet ſich jedoch dadurch, daß die Unterſeite graulich iſt und auch die Füße roth ausſehen. Bei jungen Vögeln iſt das Gefieder der Oberſeite ebenfalls bräunlich quergefleckt, der Fuß aber gilblich. Die Länge beträgt 16 bis 17 Zoll, wovon 6½ auf den beinahe 4 Zoll tief gegabelten Schwanz kommen, die Flugbreite 32 Zoll, wovon der Fittig 11½ Zoll wegnimmt. Bis jetzt iſt es noch nicht mit genügender Sicherheit feſtgeſtellt, ob alle Flußſchwalben, welche man beobachtet hat, wirklich unſerer oder einer verwandten Art zugezählt werden müſſen. Jm erſteren Falle würde ſich der Verbreitungskreis der Flußſchwalbe über den nördlichen gemäßigten Gürtel erſtrecken, ſie alſo ebenſowohl in der alten wie in der neuen Welt zu Hauſe ſein. Mehr als andere Arten bewohnt ſie Flüſſe und Süßwaſſerſeen, gehört demnach auch im Jnneren unſeres Vater- landes nicht zu den Seltenheiten und belebt einzelne Flüſſe, beiſpielsweiſe die Elbe, in großer Anzahl. Da ſie regelmäßig wandert, ſieht man ſie hier nur während des Sommers. Sie erſcheint in den letzten Tagen des April oder erſt Anfangs Mai und macht ſich bereits im Juli oder Anfangs Auguſt wieder auf die Wanderſchaft. Schon in Südeuropa findet ſie eine ihr zuſagende Herberge für den Winter; aber auch im Norden Afrikas iſt ſie während der kalten Jahreszeit überall gemein. Auf ihren Reiſen wandert ſie, in hoher Luft dahin fliegend, langſam von einem Gewäſſer zum anderen, ſoviel als möglich Strömen und Flüſſen folgend, und, wenn ſie Hunger verſpürt, auf dieſen oder jenen Teich ſich herabſenkend, um hier zu jagen und ein wenig zu ruhen. Jn der Winterherberge

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 858. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/908>, abgerufen am 22.11.2024.