welche von den Mahlzeiten der Eisbären übrig bleiben: ihre wichtigste Nahrung aber besteht, wie Martens ebenfalls angibt, in dem Kothe der Robben und Walrosse. Sie verweilen sehr lange bei den Löchern in dem festen Eise, durch welche die Robben aufzusteigen pflegen, um sich zu legen, in geduldiger Erwartung der Seehunde. Jhrer drei bis fünf sitzen hier zusammen, rund um jede Oeffnung, still und unbeweglich, mit dem Kopfe dem Loche zugewendet, durch welches die Robbe kommen soll. Es scheint dann wirklich, als ob sie, um einen runden Tisch sitzend, Rath hielten, und ohne Zweifel hat diese ihre Sitte Anlaß gegeben zu dem von Martens (1675) ihnen gegebenen sonderbaren Namen Rathsherr. Rund um das Loch im Eise sind die Ruheplätze der Robben vom Kothe derselben braun gefärbt, dieser aber ist größtentheils von den Vögeln verzehrt.
Ueber die Fortpflanzung der Elfenbeinmöve wußte man bis zu Malmgren's Reise nichts Sicheres. Letzterer fand am 7. Juli am nördlichen Strande der Murchisonsbay eine Menge von Elfenbeinmöven, seßhaft an einer hohen und scharfen Wand eines Kalkfelsens. Bürgermeister- oder Eis- und dreizehige Möven lebten unter ihnen und hatten den oberen Gürtel der Bergwand in Besitz genommen, während die Elfenbeinmöven sich niedriger in einer Höhe von funfzig bis hundertund- funfzig Fuß über dem Meere in Ritzen und Klüften aufhielten. Man konnte deutlich merken, daß die Weibchen auf ihren Nestern saßen; diese aber waren unzugänglich, und erst am 30. Juni gestatteten es die Umstände, einen Versuch zu machen, mit Hilfe eines langen Taues und nöthiger Unterstützung an die Niststelle zu kommen. Es wurden zwei von den am niedrigst stehenden Nestern erklommen und je ein Ei ausgehoben. Das Nest war kunstlos und ohne Zusammenhang; es bestand aus einer flachen, acht bis neun Zoll breiten Vertiefung in dem losen Boden des Gesimses und war innen nachlässig mit trockenen Pflanzen, Gras, Mos und einigen Federn bedeckt. Die Eier waren stark bebrütet. Beide Weibchen wurden auf den Nestern geschossen. Die Männchen, welche im Anfange sichtbar waren, verschwanden, als man in die Nähe ihrer Nester gelangte.
"Wer noch nie einen von dreizehigen Möven besetzten Vogelberg sah", sagt Holboell, "kann sich ebensowenig einen Begriff von der eigenthümlichen Schönheit als von der Menge dieser Vögel machen. Man könnte einen solchen Mövenberg vielleicht mit einem riesenhaften Taubenschlage, bewohnt von Millionen gleichgefärbter Tauben vergleichen. Der Berg Jnujuatuk ist eine Viertel- meile lang und der ganzen Länge nach mehr oder minder stark mit verschiedenen Mövenarten besetzt und Dies bis zu einer Höhe, daß man die obersten Vögel nur als kleine weiße Punkte erkennen kann...." "Jn Grimsös Vogelberge", so erzählt schon früher Faber, "nisten sie in solcher Menge, daß sie die Sonne verdunkeln, wenn sie auffliegen, die Schären bedecken, wenn sie sitzen, die Ohren betäuben, wenn sie schreien und den von Löffelkraut grünen Felsen weiß färben, wenn sie brüten."
Die übrigen Forscher, welche im hohen Norden beobachteten, sprechen sich in ähnlicher Weise aus; jeder verzweifelt an der Möglichkeit, das Schauspiel zu schildern, welches eine Ansiedelung dieser Möven bietet. Als ich mich zur Reise nach Lappland anschickte, hatte ich selbstverständlich ihre Schilderungen gelesen und die Wahrheit derselben auch nicht bezweifelt; das wahre Bild eines Mövenberges aber gewann ich doch erst an einem mir unvergeßlichen Tage, dem 22. Juli, welcher mich an dem Vorgebirge Svärholtt, unweit des Nordkaps, vorüberführte; ich gewann es erst, nachdem mein liebenswürdiger Freund, der Führer des Postdampfschiffes, welches mich trug, eines seiner Geschütze abgefeuert hatte, um die Möven aufzuscheuchen. Eine gewaltige Wand war mir erschienen wie eine riesenhafte Schiefertafel, welche mit Millionen kleiner weißer Pünktchen bedeckt ist: unmittelbar nach dem Donner des Schusses lösten sich diese Pünktchen theilweise ab vom dunklen Grunde, wurden lebendig, wurden zu Vögeln, zu blendenden Möven und senkten sich minutenlang auf das Meer hernieder, so dicht, in einer so ununterbrochenen Folge, daß ich meinte, ein unerwarteter
Elfenbeinmöve.
welche von den Mahlzeiten der Eisbären übrig bleiben: ihre wichtigſte Nahrung aber beſteht, wie Martens ebenfalls angibt, in dem Kothe der Robben und Walroſſe. Sie verweilen ſehr lange bei den Löchern in dem feſten Eiſe, durch welche die Robben aufzuſteigen pflegen, um ſich zu legen, in geduldiger Erwartung der Seehunde. Jhrer drei bis fünf ſitzen hier zuſammen, rund um jede Oeffnung, ſtill und unbeweglich, mit dem Kopfe dem Loche zugewendet, durch welches die Robbe kommen ſoll. Es ſcheint dann wirklich, als ob ſie, um einen runden Tiſch ſitzend, Rath hielten, und ohne Zweifel hat dieſe ihre Sitte Anlaß gegeben zu dem von Martens (1675) ihnen gegebenen ſonderbaren Namen Rathsherr. Rund um das Loch im Eiſe ſind die Ruheplätze der Robben vom Kothe derſelben braun gefärbt, dieſer aber iſt größtentheils von den Vögeln verzehrt.
Ueber die Fortpflanzung der Elfenbeinmöve wußte man bis zu Malmgren’s Reiſe nichts Sicheres. Letzterer fand am 7. Juli am nördlichen Strande der Murchiſonsbay eine Menge von Elfenbeinmöven, ſeßhaft an einer hohen und ſcharfen Wand eines Kalkfelſens. Bürgermeiſter- oder Eis- und dreizehige Möven lebten unter ihnen und hatten den oberen Gürtel der Bergwand in Beſitz genommen, während die Elfenbeinmöven ſich niedriger in einer Höhe von funfzig bis hundertund- funfzig Fuß über dem Meere in Ritzen und Klüften aufhielten. Man konnte deutlich merken, daß die Weibchen auf ihren Neſtern ſaßen; dieſe aber waren unzugänglich, und erſt am 30. Juni geſtatteten es die Umſtände, einen Verſuch zu machen, mit Hilfe eines langen Taues und nöthiger Unterſtützung an die Niſtſtelle zu kommen. Es wurden zwei von den am niedrigſt ſtehenden Neſtern erklommen und je ein Ei ausgehoben. Das Neſt war kunſtlos und ohne Zuſammenhang; es beſtand aus einer flachen, acht bis neun Zoll breiten Vertiefung in dem loſen Boden des Geſimſes und war innen nachläſſig mit trockenen Pflanzen, Gras, Mos und einigen Federn bedeckt. Die Eier waren ſtark bebrütet. Beide Weibchen wurden auf den Neſtern geſchoſſen. Die Männchen, welche im Anfange ſichtbar waren, verſchwanden, als man in die Nähe ihrer Neſter gelangte.
„Wer noch nie einen von dreizehigen Möven beſetzten Vogelberg ſah“, ſagt Holboell, „kann ſich ebenſowenig einen Begriff von der eigenthümlichen Schönheit als von der Menge dieſer Vögel machen. Man könnte einen ſolchen Mövenberg vielleicht mit einem rieſenhaften Taubenſchlage, bewohnt von Millionen gleichgefärbter Tauben vergleichen. Der Berg Jnujuatuk iſt eine Viertel- meile lang und der ganzen Länge nach mehr oder minder ſtark mit verſchiedenen Mövenarten beſetzt und Dies bis zu einer Höhe, daß man die oberſten Vögel nur als kleine weiße Punkte erkennen kann....“ „Jn Grimſös Vogelberge“, ſo erzählt ſchon früher Faber, „niſten ſie in ſolcher Menge, daß ſie die Sonne verdunkeln, wenn ſie auffliegen, die Schären bedecken, wenn ſie ſitzen, die Ohren betäuben, wenn ſie ſchreien und den von Löffelkraut grünen Felſen weiß färben, wenn ſie brüten.“
Die übrigen Forſcher, welche im hohen Norden beobachteten, ſprechen ſich in ähnlicher Weiſe aus; jeder verzweifelt an der Möglichkeit, das Schauſpiel zu ſchildern, welches eine Anſiedelung dieſer Möven bietet. Als ich mich zur Reiſe nach Lappland anſchickte, hatte ich ſelbſtverſtändlich ihre Schilderungen geleſen und die Wahrheit derſelben auch nicht bezweifelt; das wahre Bild eines Mövenberges aber gewann ich doch erſt an einem mir unvergeßlichen Tage, dem 22. Juli, welcher mich an dem Vorgebirge Svärholtt, unweit des Nordkaps, vorüberführte; ich gewann es erſt, nachdem mein liebenswürdiger Freund, der Führer des Poſtdampfſchiffes, welches mich trug, eines ſeiner Geſchütze abgefeuert hatte, um die Möven aufzuſcheuchen. Eine gewaltige Wand war mir erſchienen wie eine rieſenhafte Schiefertafel, welche mit Millionen kleiner weißer Pünktchen bedeckt iſt: unmittelbar nach dem Donner des Schuſſes löſten ſich dieſe Pünktchen theilweiſe ab vom dunklen Grunde, wurden lebendig, wurden zu Vögeln, zu blendenden Möven und ſenkten ſich minutenlang auf das Meer hernieder, ſo dicht, in einer ſo ununterbrochenen Folge, daß ich meinte, ein unerwarteter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0925"n="873"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Elfenbeinmöve.</hi></fw><lb/>
welche von den Mahlzeiten der Eisbären übrig bleiben: ihre wichtigſte Nahrung aber beſteht, wie<lb/><hirendition="#g">Martens</hi> ebenfalls angibt, in dem Kothe der Robben und Walroſſe. Sie verweilen ſehr lange bei<lb/>
den Löchern in dem feſten Eiſe, durch welche die Robben aufzuſteigen pflegen, um ſich zu legen, in<lb/>
geduldiger Erwartung der Seehunde. Jhrer drei bis fünf ſitzen hier zuſammen, rund um jede<lb/>
Oeffnung, ſtill und unbeweglich, mit dem Kopfe dem Loche zugewendet, durch welches die Robbe<lb/>
kommen ſoll. Es ſcheint dann wirklich, als ob ſie, um einen runden Tiſch ſitzend, Rath hielten, und<lb/>
ohne Zweifel hat dieſe ihre Sitte Anlaß gegeben zu dem von <hirendition="#g">Martens</hi> (1675) ihnen gegebenen<lb/>ſonderbaren Namen <hirendition="#g">Rathsherr.</hi> Rund um das Loch im Eiſe ſind die Ruheplätze der Robben vom<lb/>
Kothe derſelben braun gefärbt, dieſer aber iſt größtentheils von den Vögeln verzehrt.</p><lb/><p>Ueber die Fortpflanzung der Elfenbeinmöve wußte man bis zu <hirendition="#g">Malmgren’s</hi> Reiſe nichts<lb/>
Sicheres. Letzterer fand am 7. Juli am nördlichen Strande der Murchiſonsbay eine Menge von<lb/>
Elfenbeinmöven, ſeßhaft an einer hohen und ſcharfen Wand eines Kalkfelſens. Bürgermeiſter- oder<lb/>
Eis- und dreizehige Möven lebten unter ihnen und hatten den oberen Gürtel der Bergwand in Beſitz<lb/>
genommen, während die Elfenbeinmöven ſich niedriger in einer Höhe von funfzig bis hundertund-<lb/>
funfzig Fuß über dem Meere in Ritzen und Klüften aufhielten. Man konnte deutlich merken, daß<lb/>
die Weibchen auf ihren Neſtern ſaßen; dieſe aber waren unzugänglich, und erſt am 30. Juni<lb/>
geſtatteten es die Umſtände, einen Verſuch zu machen, mit Hilfe eines langen Taues und nöthiger<lb/>
Unterſtützung an die Niſtſtelle zu kommen. Es wurden zwei von den am niedrigſt ſtehenden Neſtern<lb/>
erklommen und je ein Ei ausgehoben. Das Neſt war kunſtlos und ohne Zuſammenhang; es<lb/>
beſtand aus einer flachen, acht bis neun Zoll breiten Vertiefung in dem loſen Boden des Geſimſes<lb/>
und war innen nachläſſig mit trockenen Pflanzen, Gras, Mos und einigen Federn bedeckt. Die Eier<lb/>
waren ſtark bebrütet. Beide Weibchen wurden auf den Neſtern geſchoſſen. Die Männchen, welche<lb/>
im Anfange ſichtbar waren, verſchwanden, als man in die Nähe ihrer Neſter gelangte.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>„Wer noch nie einen von dreizehigen Möven beſetzten Vogelberg ſah“, ſagt <hirendition="#g">Holboell,</hi>„kann<lb/>ſich ebenſowenig einen Begriff von der eigenthümlichen Schönheit als von der Menge dieſer Vögel<lb/>
machen. Man könnte einen ſolchen Mövenberg vielleicht mit einem rieſenhaften Taubenſchlage,<lb/>
bewohnt von Millionen gleichgefärbter Tauben vergleichen. Der Berg Jnujuatuk iſt eine Viertel-<lb/>
meile lang und der ganzen Länge nach mehr oder minder ſtark mit verſchiedenen Mövenarten beſetzt<lb/>
und Dies bis zu einer Höhe, daß man die oberſten Vögel nur als kleine weiße Punkte erkennen<lb/>
kann....“„Jn Grimſös Vogelberge“, ſo erzählt ſchon früher <hirendition="#g">Faber,</hi>„niſten ſie in ſolcher Menge,<lb/>
daß ſie die Sonne verdunkeln, wenn ſie auffliegen, die Schären bedecken, wenn ſie ſitzen, die Ohren<lb/>
betäuben, wenn ſie ſchreien und den von Löffelkraut grünen Felſen weiß färben, wenn ſie brüten.“</p><lb/><p>Die übrigen Forſcher, welche im hohen Norden beobachteten, ſprechen ſich in ähnlicher Weiſe<lb/>
aus; jeder verzweifelt an der Möglichkeit, das Schauſpiel zu ſchildern, welches eine Anſiedelung<lb/>
dieſer Möven bietet. Als ich mich zur Reiſe nach Lappland anſchickte, hatte ich ſelbſtverſtändlich ihre<lb/>
Schilderungen geleſen und die Wahrheit derſelben auch nicht bezweifelt; das wahre Bild eines<lb/>
Mövenberges aber gewann ich doch erſt an einem mir unvergeßlichen Tage, dem 22. Juli, welcher mich<lb/>
an dem Vorgebirge Svärholtt, unweit des Nordkaps, vorüberführte; ich gewann es erſt, nachdem<lb/>
mein liebenswürdiger Freund, der Führer des Poſtdampfſchiffes, welches mich trug, eines ſeiner<lb/>
Geſchütze abgefeuert hatte, um die Möven aufzuſcheuchen. Eine gewaltige Wand war mir erſchienen<lb/>
wie eine rieſenhafte Schiefertafel, welche mit Millionen kleiner weißer Pünktchen bedeckt iſt:<lb/>
unmittelbar nach dem Donner des Schuſſes löſten ſich dieſe Pünktchen theilweiſe ab vom dunklen<lb/>
Grunde, wurden lebendig, wurden zu Vögeln, zu blendenden Möven und ſenkten ſich minutenlang<lb/>
auf das Meer hernieder, ſo dicht, in einer ſo ununterbrochenen Folge, daß ich meinte, ein unerwarteter<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[873/0925]
Elfenbeinmöve.
welche von den Mahlzeiten der Eisbären übrig bleiben: ihre wichtigſte Nahrung aber beſteht, wie
Martens ebenfalls angibt, in dem Kothe der Robben und Walroſſe. Sie verweilen ſehr lange bei
den Löchern in dem feſten Eiſe, durch welche die Robben aufzuſteigen pflegen, um ſich zu legen, in
geduldiger Erwartung der Seehunde. Jhrer drei bis fünf ſitzen hier zuſammen, rund um jede
Oeffnung, ſtill und unbeweglich, mit dem Kopfe dem Loche zugewendet, durch welches die Robbe
kommen ſoll. Es ſcheint dann wirklich, als ob ſie, um einen runden Tiſch ſitzend, Rath hielten, und
ohne Zweifel hat dieſe ihre Sitte Anlaß gegeben zu dem von Martens (1675) ihnen gegebenen
ſonderbaren Namen Rathsherr. Rund um das Loch im Eiſe ſind die Ruheplätze der Robben vom
Kothe derſelben braun gefärbt, dieſer aber iſt größtentheils von den Vögeln verzehrt.
Ueber die Fortpflanzung der Elfenbeinmöve wußte man bis zu Malmgren’s Reiſe nichts
Sicheres. Letzterer fand am 7. Juli am nördlichen Strande der Murchiſonsbay eine Menge von
Elfenbeinmöven, ſeßhaft an einer hohen und ſcharfen Wand eines Kalkfelſens. Bürgermeiſter- oder
Eis- und dreizehige Möven lebten unter ihnen und hatten den oberen Gürtel der Bergwand in Beſitz
genommen, während die Elfenbeinmöven ſich niedriger in einer Höhe von funfzig bis hundertund-
funfzig Fuß über dem Meere in Ritzen und Klüften aufhielten. Man konnte deutlich merken, daß
die Weibchen auf ihren Neſtern ſaßen; dieſe aber waren unzugänglich, und erſt am 30. Juni
geſtatteten es die Umſtände, einen Verſuch zu machen, mit Hilfe eines langen Taues und nöthiger
Unterſtützung an die Niſtſtelle zu kommen. Es wurden zwei von den am niedrigſt ſtehenden Neſtern
erklommen und je ein Ei ausgehoben. Das Neſt war kunſtlos und ohne Zuſammenhang; es
beſtand aus einer flachen, acht bis neun Zoll breiten Vertiefung in dem loſen Boden des Geſimſes
und war innen nachläſſig mit trockenen Pflanzen, Gras, Mos und einigen Federn bedeckt. Die Eier
waren ſtark bebrütet. Beide Weibchen wurden auf den Neſtern geſchoſſen. Die Männchen, welche
im Anfange ſichtbar waren, verſchwanden, als man in die Nähe ihrer Neſter gelangte.
„Wer noch nie einen von dreizehigen Möven beſetzten Vogelberg ſah“, ſagt Holboell, „kann
ſich ebenſowenig einen Begriff von der eigenthümlichen Schönheit als von der Menge dieſer Vögel
machen. Man könnte einen ſolchen Mövenberg vielleicht mit einem rieſenhaften Taubenſchlage,
bewohnt von Millionen gleichgefärbter Tauben vergleichen. Der Berg Jnujuatuk iſt eine Viertel-
meile lang und der ganzen Länge nach mehr oder minder ſtark mit verſchiedenen Mövenarten beſetzt
und Dies bis zu einer Höhe, daß man die oberſten Vögel nur als kleine weiße Punkte erkennen
kann....“ „Jn Grimſös Vogelberge“, ſo erzählt ſchon früher Faber, „niſten ſie in ſolcher Menge,
daß ſie die Sonne verdunkeln, wenn ſie auffliegen, die Schären bedecken, wenn ſie ſitzen, die Ohren
betäuben, wenn ſie ſchreien und den von Löffelkraut grünen Felſen weiß färben, wenn ſie brüten.“
Die übrigen Forſcher, welche im hohen Norden beobachteten, ſprechen ſich in ähnlicher Weiſe
aus; jeder verzweifelt an der Möglichkeit, das Schauſpiel zu ſchildern, welches eine Anſiedelung
dieſer Möven bietet. Als ich mich zur Reiſe nach Lappland anſchickte, hatte ich ſelbſtverſtändlich ihre
Schilderungen geleſen und die Wahrheit derſelben auch nicht bezweifelt; das wahre Bild eines
Mövenberges aber gewann ich doch erſt an einem mir unvergeßlichen Tage, dem 22. Juli, welcher mich
an dem Vorgebirge Svärholtt, unweit des Nordkaps, vorüberführte; ich gewann es erſt, nachdem
mein liebenswürdiger Freund, der Führer des Poſtdampfſchiffes, welches mich trug, eines ſeiner
Geſchütze abgefeuert hatte, um die Möven aufzuſcheuchen. Eine gewaltige Wand war mir erſchienen
wie eine rieſenhafte Schiefertafel, welche mit Millionen kleiner weißer Pünktchen bedeckt iſt:
unmittelbar nach dem Donner des Schuſſes löſten ſich dieſe Pünktchen theilweiſe ab vom dunklen
Grunde, wurden lebendig, wurden zu Vögeln, zu blendenden Möven und ſenkten ſich minutenlang
auf das Meer hernieder, ſo dicht, in einer ſo ununterbrochenen Folge, daß ich meinte, ein unerwarteter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/925>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.