Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Skua
größere Mehrzahl verweilt jedoch auch während der kalten Jahreszeit im Norden, da, wo das Meer
offen bleibt, sich Nahrung suchend.

Von den großen Möven unterscheidet sich die Skua durch die Manchfaltigkeit, Behendigkeit und
Gewandtheit ihrer Bewegungen. Sie läuft rasch, schwimmt zierlich und anhaltend mit tief einge-
senkter Brust, erhebt sich leicht vom Wasser oder vom festen Lande und fliegt nach Art großer Möven,
aber nicht so gleichmäßig dahin, überrascht vielmehr durch ihre kühnen und unerwarteten Wendungen,
welche an die Flugbewegung der Raubvögel erinnern. Zuweilen schwebt sie ohne Flügelschlag,
zuweilen jagt sie in schiefer Richtung von oben nach unten mit reißender Schnelligkeit durch die Luft.
Jhre Stimme ist ein tiefes "Ach, ach" oder ein rauhes "Jia"; beim Angriff auf einen Feind stößt sie

[Abbildung] Die Skua (Lestris catarractes).
ein tiefes "Hoh" aus. An Muth, Raubgier, Neid und Ungeselligkeit überbietet sie zwar nicht ihre
Familienverwandten, wohl aber alle übrigen Seeflieger, so sehr auch die genannten Eigenschaften
ausgebildet sein mögen. Sie ist der gefürchtetste Vogel des Meeres, lebt mit keinem anderen im
freundschaftlichen Verhältniß, wird allgemein gehaßt und nur von den muthigsten angegriffen. Welchen
Eindruck ihre Kühnheit auf die anderen Vögel macht, geht am besten daraus hervor, daß ihr selbst die
größten und stärksten Seeflieger, welche ihr an Kraft weit überlegen zu sein scheinen, ängstlich aus-
weichen. Mit ihrer Regsamkeit steht ein beständiger Heißhunger im Einklange: solange sie fliegt, so-
lange liegt sie auch ihrer Jagd ob. Sieht sie keinen anderen Vogel in der Nähe, so läßt sie sich herbei,
selbst zu jagen, stößt auf Fische herab, läuft am Strande hin und sucht Das zusammen, was die Fluth

Brehm, Thierleben. IV. 56

Skua
größere Mehrzahl verweilt jedoch auch während der kalten Jahreszeit im Norden, da, wo das Meer
offen bleibt, ſich Nahrung ſuchend.

Von den großen Möven unterſcheidet ſich die Skua durch die Manchfaltigkeit, Behendigkeit und
Gewandtheit ihrer Bewegungen. Sie läuft raſch, ſchwimmt zierlich und anhaltend mit tief einge-
ſenkter Bruſt, erhebt ſich leicht vom Waſſer oder vom feſten Lande und fliegt nach Art großer Möven,
aber nicht ſo gleichmäßig dahin, überraſcht vielmehr durch ihre kühnen und unerwarteten Wendungen,
welche an die Flugbewegung der Raubvögel erinnern. Zuweilen ſchwebt ſie ohne Flügelſchlag,
zuweilen jagt ſie in ſchiefer Richtung von oben nach unten mit reißender Schnelligkeit durch die Luft.
Jhre Stimme iſt ein tiefes „Ach, ach“ oder ein rauhes „Jia“; beim Angriff auf einen Feind ſtößt ſie

[Abbildung] Die Skua (Lestris catarractes).
ein tiefes „Hoh“ aus. An Muth, Raubgier, Neid und Ungeſelligkeit überbietet ſie zwar nicht ihre
Familienverwandten, wohl aber alle übrigen Seeflieger, ſo ſehr auch die genannten Eigenſchaften
ausgebildet ſein mögen. Sie iſt der gefürchtetſte Vogel des Meeres, lebt mit keinem anderen im
freundſchaftlichen Verhältniß, wird allgemein gehaßt und nur von den muthigſten angegriffen. Welchen
Eindruck ihre Kühnheit auf die anderen Vögel macht, geht am beſten daraus hervor, daß ihr ſelbſt die
größten und ſtärkſten Seeflieger, welche ihr an Kraft weit überlegen zu ſein ſcheinen, ängſtlich aus-
weichen. Mit ihrer Regſamkeit ſteht ein beſtändiger Heißhunger im Einklange: ſolange ſie fliegt, ſo-
lange liegt ſie auch ihrer Jagd ob. Sieht ſie keinen anderen Vogel in der Nähe, ſo läßt ſie ſich herbei,
ſelbſt zu jagen, ſtößt auf Fiſche herab, läuft am Strande hin und ſucht Das zuſammen, was die Fluth

Brehm, Thierleben. IV. 56
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0933" n="881"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Skua</hi></fw><lb/>
größere Mehrzahl verweilt jedoch auch während der kalten Jahreszeit im Norden, da, wo das Meer<lb/>
offen bleibt, &#x017F;ich Nahrung &#x017F;uchend.</p><lb/>
          <p>Von den großen Möven unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich die Skua durch die Manchfaltigkeit, Behendigkeit und<lb/>
Gewandtheit ihrer Bewegungen. Sie läuft ra&#x017F;ch, &#x017F;chwimmt zierlich und anhaltend mit tief einge-<lb/>
&#x017F;enkter Bru&#x017F;t, erhebt &#x017F;ich leicht vom Wa&#x017F;&#x017F;er oder vom fe&#x017F;ten Lande und fliegt nach Art großer Möven,<lb/>
aber nicht &#x017F;o gleichmäßig dahin, überra&#x017F;cht vielmehr durch ihre kühnen und unerwarteten Wendungen,<lb/>
welche an die Flugbewegung der Raubvögel erinnern. Zuweilen &#x017F;chwebt &#x017F;ie ohne Flügel&#x017F;chlag,<lb/>
zuweilen jagt &#x017F;ie in &#x017F;chiefer Richtung von oben nach unten mit reißender Schnelligkeit durch die Luft.<lb/>
Jhre Stimme i&#x017F;t ein tiefes &#x201E;Ach, ach&#x201C; oder ein rauhes &#x201E;Jia&#x201C;; beim Angriff auf einen Feind &#x017F;tößt &#x017F;ie<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Skua</hi> (<hi rendition="#aq">Lestris catarractes</hi>).</hi></head></figure><lb/>
ein tiefes &#x201E;Hoh&#x201C; aus. An Muth, Raubgier, Neid und Unge&#x017F;elligkeit überbietet &#x017F;ie zwar nicht ihre<lb/>
Familienverwandten, wohl aber alle übrigen Seeflieger, &#x017F;o &#x017F;ehr auch die genannten Eigen&#x017F;chaften<lb/>
ausgebildet &#x017F;ein mögen. Sie i&#x017F;t der gefürchtet&#x017F;te Vogel des Meeres, lebt mit keinem anderen im<lb/>
freund&#x017F;chaftlichen Verhältniß, wird allgemein gehaßt und nur von den muthig&#x017F;ten angegriffen. Welchen<lb/>
Eindruck ihre Kühnheit auf die anderen Vögel macht, geht am be&#x017F;ten daraus hervor, daß ihr &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
größten und &#x017F;tärk&#x017F;ten Seeflieger, welche ihr an Kraft weit überlegen zu &#x017F;ein &#x017F;cheinen, äng&#x017F;tlich aus-<lb/>
weichen. Mit ihrer Reg&#x017F;amkeit &#x017F;teht ein be&#x017F;tändiger Heißhunger im Einklange: &#x017F;olange &#x017F;ie fliegt, &#x017F;o-<lb/>
lange liegt &#x017F;ie auch ihrer Jagd ob. Sieht &#x017F;ie keinen anderen Vogel in der Nähe, &#x017F;o läßt &#x017F;ie &#x017F;ich herbei,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu jagen, &#x017F;tößt auf Fi&#x017F;che herab, läuft am Strande hin und &#x017F;ucht Das zu&#x017F;ammen, was die Fluth<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 56</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[881/0933] Skua größere Mehrzahl verweilt jedoch auch während der kalten Jahreszeit im Norden, da, wo das Meer offen bleibt, ſich Nahrung ſuchend. Von den großen Möven unterſcheidet ſich die Skua durch die Manchfaltigkeit, Behendigkeit und Gewandtheit ihrer Bewegungen. Sie läuft raſch, ſchwimmt zierlich und anhaltend mit tief einge- ſenkter Bruſt, erhebt ſich leicht vom Waſſer oder vom feſten Lande und fliegt nach Art großer Möven, aber nicht ſo gleichmäßig dahin, überraſcht vielmehr durch ihre kühnen und unerwarteten Wendungen, welche an die Flugbewegung der Raubvögel erinnern. Zuweilen ſchwebt ſie ohne Flügelſchlag, zuweilen jagt ſie in ſchiefer Richtung von oben nach unten mit reißender Schnelligkeit durch die Luft. Jhre Stimme iſt ein tiefes „Ach, ach“ oder ein rauhes „Jia“; beim Angriff auf einen Feind ſtößt ſie [Abbildung Die Skua (Lestris catarractes).] ein tiefes „Hoh“ aus. An Muth, Raubgier, Neid und Ungeſelligkeit überbietet ſie zwar nicht ihre Familienverwandten, wohl aber alle übrigen Seeflieger, ſo ſehr auch die genannten Eigenſchaften ausgebildet ſein mögen. Sie iſt der gefürchtetſte Vogel des Meeres, lebt mit keinem anderen im freundſchaftlichen Verhältniß, wird allgemein gehaßt und nur von den muthigſten angegriffen. Welchen Eindruck ihre Kühnheit auf die anderen Vögel macht, geht am beſten daraus hervor, daß ihr ſelbſt die größten und ſtärkſten Seeflieger, welche ihr an Kraft weit überlegen zu ſein ſcheinen, ängſtlich aus- weichen. Mit ihrer Regſamkeit ſteht ein beſtändiger Heißhunger im Einklange: ſolange ſie fliegt, ſo- lange liegt ſie auch ihrer Jagd ob. Sieht ſie keinen anderen Vogel in der Nähe, ſo läßt ſie ſich herbei, ſelbſt zu jagen, ſtößt auf Fiſche herab, läuft am Strande hin und ſucht Das zuſammen, was die Fluth Brehm, Thierleben. IV. 56

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/933
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 881. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/933>, abgerufen am 22.11.2024.