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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Klettervögel. Kukuksspechte.
überhaupt die größte Mühe, der Erkorenen die Stärke und die Jnnigkeit ihrer Liebe zu beweisen.
Das Weibchen fliegt zu einem andern Baum, aber immer verfolgt von einem, zwei und selbst einem
halben Dutzend der verliebten Männchen, welche dort dieselben Liebesbewerbungen erneuern. Sie
kämpfen nicht mit einander, scheinen auch nicht eifersüchtig zu sein, sondern verlassen, wenn das
Weibchen den Einen von ihnen bevorzugt, ohne Umstände das glückliche Paar und suchen sich eine
andere Schöne auf. So geschieht es, daß alle Goldspechte bald glücklich verehelicht sind. Jedes
Paar beginnt nun sofort einen Baumstamm auszuhöhlen, um eine Wohnung zu erbauen, welche ihnen
und den Jungen genügt. Beide arbeiten mit größtem Eifer und, wie es scheint, mit größtem Ver-
gnügen. Wenn das Männchen beschäftigt ist, hängt sich das Weibchen dicht daneben und beglück-
wünscht es über jeden Span, welchen sein Schnabel durch die Luft sendet. Wenn er ausruht,
scheint er mit ihr auf das Zierlichste zu sprechen, und wenn er ermüdet ist, wird er von ihr unterstützt.
Jn dieser Weise, und Dank der beiderseitigen Anstrengung, wird die Höhle bald ausgemeiselt und
vollendet. Nun liebkosen sie sich auf den Zweigen, klettern mit wahrem Vergnügen an den Stämmen
der Bäume empor oder um sie herum, trommeln mit dem Schnabel an abgestorbene Zweige, verjagen
ihre Vettern, die Rothköpfe, vertheidigen das Nest gegen die Purpurstaaren, kichern und lachen
dazwischen, und ehe zwei Wochen verstrichen sind, hat das Weibchen seine vier oder sechs Eier gelegt
und erfreut sich ohne Zweifel an ihrer Weiße und Durchsichtigkeit. Wenn es glücklich macht, eine
zahlreiche Nachkommenschaft zu erzeugen, muß der Goldspecht in dieser Hinsicht zufrieden sein; denn er
brütet zweimal im Jahre."

"Der Flug dieses Spechtes ist schnell und ausdauernd, im Vergleich zu dem anderer der Familie
knapp und kurzbogig. Wenn er von einem Baum zum andern fliegt, durcheilt er eine gerade Linie,
senkt sich wenige Ellen vor dem erwählten Baume nieder, hängt sich unten an und klettert nun wie
andere Spechte rasch empor. Läßt er sich, wie es oft geschieht, auf einen Zweig nieder, so senkt er
seinen Kopf und läßt die wohlbekannten Laute "Flicker" aus, jedoch nur dann, wenn er sich vollkommen
sicher weiß. Er klettert vortrefflich in allen Stellungen, welche Spechte annehmen können. Auf dem
Boden, zu dem er öfter herabkommt, hüpft er mit großer Gewandtheit umher; doch geschieht Dies
gewöhnlich nur, um eine Beere, eine Heuschrecke oder einen Kern aufzunehmen, oder um die abge-
storbenen Baumwurzeln nach Ameisen und anderen kleinen Kerfen zu untersuchen. Er liebt Früchte und
Beeren mancher Art; namentlich scheinen ihm Aepfel, Birnen, Pfirsiche und verschiedene Waldbeeren
höchst angenehm zu sein. Ebenso wenig verschmäht er das junge Getreide auf dem Felde; im Winter
pflegt er die Kornfeimen zu besuchen. Viele bleiben jahraus jahrein in den Vereinigten Staaten,
andere wandern nach Süden. Jhre Reisen geschehen des Nachts: man erkennt die fliegenden an dem
eigenthümlichen Geräusch, welches sie mit ihren Schwingen hervorbringen, sowie an den bezeichnenden
Stimmlauten, welche sie zuweilen hören lassen."

"Waschbären und schwarze Schlangen sind gefährliche Feinde des Goldspechts. Der erstere
steckt oft genug eine seiner Vorderhände in die Nesthöhle, und wenn sie nicht allzutief ist, holt er die
Eier gewiß herauf und saugt sie aus; ja, häufig genug nimmt er auch den brütenden Vogel selbst in
Beschlag. Die schwarze Schlange begnügt sich mit den Eiern oder Jungen. Verschiedene Falken-
arten verfolgen ihn im Fluge; ihnen aber entrinnt er in den meisten Fällen, indem er sich der nächsten
Höhlung zuwendet. Es ist höchst lustig, das Erstaunen eines Falken zu sehen, wenn der gejagte
Vogel, den er eben zu ergreifen vermeinte, vor seinen Augen verschwindet. Sollte der Specht einen
derartigen Zufluchtsort nicht erreichen können, so hängt er sich an einen Baum an und klettert in
Schraubenlinien mit solcher Schnelligkeit um ihn rundum, daß er den Raubvogel gewöhnlich eben-
falls prellt."

"Das Fleisch wird von vielen Jägern hoch geschätzt und oft gegessen, namentlich in den mittleren
Staaten. Dann und wann sieht man den Goldspecht auch auf den Märkten von New-York und
Philadelphia ausgestellt; ich meinestheils aber muß sagen, daß das Fleisch wegen seines Ameisengeruchs
mir höchst unangenehm war."

Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte.
überhaupt die größte Mühe, der Erkorenen die Stärke und die Jnnigkeit ihrer Liebe zu beweiſen.
Das Weibchen fliegt zu einem andern Baum, aber immer verfolgt von einem, zwei und ſelbſt einem
halben Dutzend der verliebten Männchen, welche dort dieſelben Liebesbewerbungen erneuern. Sie
kämpfen nicht mit einander, ſcheinen auch nicht eiferſüchtig zu ſein, ſondern verlaſſen, wenn das
Weibchen den Einen von ihnen bevorzugt, ohne Umſtände das glückliche Paar und ſuchen ſich eine
andere Schöne auf. So geſchieht es, daß alle Goldſpechte bald glücklich verehelicht ſind. Jedes
Paar beginnt nun ſofort einen Baumſtamm auszuhöhlen, um eine Wohnung zu erbauen, welche ihnen
und den Jungen genügt. Beide arbeiten mit größtem Eifer und, wie es ſcheint, mit größtem Ver-
gnügen. Wenn das Männchen beſchäftigt iſt, hängt ſich das Weibchen dicht daneben und beglück-
wünſcht es über jeden Span, welchen ſein Schnabel durch die Luft ſendet. Wenn er ausruht,
ſcheint er mit ihr auf das Zierlichſte zu ſprechen, und wenn er ermüdet iſt, wird er von ihr unterſtützt.
Jn dieſer Weiſe, und Dank der beiderſeitigen Anſtrengung, wird die Höhle bald ausgemeiſelt und
vollendet. Nun liebkoſen ſie ſich auf den Zweigen, klettern mit wahrem Vergnügen an den Stämmen
der Bäume empor oder um ſie herum, trommeln mit dem Schnabel an abgeſtorbene Zweige, verjagen
ihre Vettern, die Rothköpfe, vertheidigen das Neſt gegen die Purpurſtaaren, kichern und lachen
dazwiſchen, und ehe zwei Wochen verſtrichen ſind, hat das Weibchen ſeine vier oder ſechs Eier gelegt
und erfreut ſich ohne Zweifel an ihrer Weiße und Durchſichtigkeit. Wenn es glücklich macht, eine
zahlreiche Nachkommenſchaft zu erzeugen, muß der Goldſpecht in dieſer Hinſicht zufrieden ſein; denn er
brütet zweimal im Jahre.“

„Der Flug dieſes Spechtes iſt ſchnell und ausdauernd, im Vergleich zu dem anderer der Familie
knapp und kurzbogig. Wenn er von einem Baum zum andern fliegt, durcheilt er eine gerade Linie,
ſenkt ſich wenige Ellen vor dem erwählten Baume nieder, hängt ſich unten an und klettert nun wie
andere Spechte raſch empor. Läßt er ſich, wie es oft geſchieht, auf einen Zweig nieder, ſo ſenkt er
ſeinen Kopf und läßt die wohlbekannten Laute „Flicker“ aus, jedoch nur dann, wenn er ſich vollkommen
ſicher weiß. Er klettert vortrefflich in allen Stellungen, welche Spechte annehmen können. Auf dem
Boden, zu dem er öfter herabkommt, hüpft er mit großer Gewandtheit umher; doch geſchieht Dies
gewöhnlich nur, um eine Beere, eine Heuſchrecke oder einen Kern aufzunehmen, oder um die abge-
ſtorbenen Baumwurzeln nach Ameiſen und anderen kleinen Kerfen zu unterſuchen. Er liebt Früchte und
Beeren mancher Art; namentlich ſcheinen ihm Aepfel, Birnen, Pfirſiche und verſchiedene Waldbeeren
höchſt angenehm zu ſein. Ebenſo wenig verſchmäht er das junge Getreide auf dem Felde; im Winter
pflegt er die Kornfeimen zu beſuchen. Viele bleiben jahraus jahrein in den Vereinigten Staaten,
andere wandern nach Süden. Jhre Reiſen geſchehen des Nachts: man erkennt die fliegenden an dem
eigenthümlichen Geräuſch, welches ſie mit ihren Schwingen hervorbringen, ſowie an den bezeichnenden
Stimmlauten, welche ſie zuweilen hören laſſen.“

„Waſchbären und ſchwarze Schlangen ſind gefährliche Feinde des Goldſpechts. Der erſtere
ſteckt oft genug eine ſeiner Vorderhände in die Neſthöhle, und wenn ſie nicht allzutief iſt, holt er die
Eier gewiß herauf und ſaugt ſie aus; ja, häufig genug nimmt er auch den brütenden Vogel ſelbſt in
Beſchlag. Die ſchwarze Schlange begnügt ſich mit den Eiern oder Jungen. Verſchiedene Falken-
arten verfolgen ihn im Fluge; ihnen aber entrinnt er in den meiſten Fällen, indem er ſich der nächſten
Höhlung zuwendet. Es iſt höchſt luſtig, das Erſtaunen eines Falken zu ſehen, wenn der gejagte
Vogel, den er eben zu ergreifen vermeinte, vor ſeinen Augen verſchwindet. Sollte der Specht einen
derartigen Zufluchtsort nicht erreichen können, ſo hängt er ſich an einen Baum an und klettert in
Schraubenlinien mit ſolcher Schnelligkeit um ihn rundum, daß er den Raubvogel gewöhnlich eben-
falls prellt.“

„Das Fleiſch wird von vielen Jägern hoch geſchätzt und oft gegeſſen, namentlich in den mittleren
Staaten. Dann und wann ſieht man den Goldſpecht auch auf den Märkten von New-York und
Philadelphia ausgeſtellt; ich meinestheils aber muß ſagen, daß das Fleiſch wegen ſeines Ameiſengeruchs
mir höchſt unangenehm war.“

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[82/0096] Die Späher. Klettervögel. Kukuksſpechte. überhaupt die größte Mühe, der Erkorenen die Stärke und die Jnnigkeit ihrer Liebe zu beweiſen. Das Weibchen fliegt zu einem andern Baum, aber immer verfolgt von einem, zwei und ſelbſt einem halben Dutzend der verliebten Männchen, welche dort dieſelben Liebesbewerbungen erneuern. Sie kämpfen nicht mit einander, ſcheinen auch nicht eiferſüchtig zu ſein, ſondern verlaſſen, wenn das Weibchen den Einen von ihnen bevorzugt, ohne Umſtände das glückliche Paar und ſuchen ſich eine andere Schöne auf. So geſchieht es, daß alle Goldſpechte bald glücklich verehelicht ſind. Jedes Paar beginnt nun ſofort einen Baumſtamm auszuhöhlen, um eine Wohnung zu erbauen, welche ihnen und den Jungen genügt. Beide arbeiten mit größtem Eifer und, wie es ſcheint, mit größtem Ver- gnügen. Wenn das Männchen beſchäftigt iſt, hängt ſich das Weibchen dicht daneben und beglück- wünſcht es über jeden Span, welchen ſein Schnabel durch die Luft ſendet. Wenn er ausruht, ſcheint er mit ihr auf das Zierlichſte zu ſprechen, und wenn er ermüdet iſt, wird er von ihr unterſtützt. Jn dieſer Weiſe, und Dank der beiderſeitigen Anſtrengung, wird die Höhle bald ausgemeiſelt und vollendet. Nun liebkoſen ſie ſich auf den Zweigen, klettern mit wahrem Vergnügen an den Stämmen der Bäume empor oder um ſie herum, trommeln mit dem Schnabel an abgeſtorbene Zweige, verjagen ihre Vettern, die Rothköpfe, vertheidigen das Neſt gegen die Purpurſtaaren, kichern und lachen dazwiſchen, und ehe zwei Wochen verſtrichen ſind, hat das Weibchen ſeine vier oder ſechs Eier gelegt und erfreut ſich ohne Zweifel an ihrer Weiße und Durchſichtigkeit. Wenn es glücklich macht, eine zahlreiche Nachkommenſchaft zu erzeugen, muß der Goldſpecht in dieſer Hinſicht zufrieden ſein; denn er brütet zweimal im Jahre.“ „Der Flug dieſes Spechtes iſt ſchnell und ausdauernd, im Vergleich zu dem anderer der Familie knapp und kurzbogig. Wenn er von einem Baum zum andern fliegt, durcheilt er eine gerade Linie, ſenkt ſich wenige Ellen vor dem erwählten Baume nieder, hängt ſich unten an und klettert nun wie andere Spechte raſch empor. Läßt er ſich, wie es oft geſchieht, auf einen Zweig nieder, ſo ſenkt er ſeinen Kopf und läßt die wohlbekannten Laute „Flicker“ aus, jedoch nur dann, wenn er ſich vollkommen ſicher weiß. Er klettert vortrefflich in allen Stellungen, welche Spechte annehmen können. Auf dem Boden, zu dem er öfter herabkommt, hüpft er mit großer Gewandtheit umher; doch geſchieht Dies gewöhnlich nur, um eine Beere, eine Heuſchrecke oder einen Kern aufzunehmen, oder um die abge- ſtorbenen Baumwurzeln nach Ameiſen und anderen kleinen Kerfen zu unterſuchen. Er liebt Früchte und Beeren mancher Art; namentlich ſcheinen ihm Aepfel, Birnen, Pfirſiche und verſchiedene Waldbeeren höchſt angenehm zu ſein. Ebenſo wenig verſchmäht er das junge Getreide auf dem Felde; im Winter pflegt er die Kornfeimen zu beſuchen. Viele bleiben jahraus jahrein in den Vereinigten Staaten, andere wandern nach Süden. Jhre Reiſen geſchehen des Nachts: man erkennt die fliegenden an dem eigenthümlichen Geräuſch, welches ſie mit ihren Schwingen hervorbringen, ſowie an den bezeichnenden Stimmlauten, welche ſie zuweilen hören laſſen.“ „Waſchbären und ſchwarze Schlangen ſind gefährliche Feinde des Goldſpechts. Der erſtere ſteckt oft genug eine ſeiner Vorderhände in die Neſthöhle, und wenn ſie nicht allzutief iſt, holt er die Eier gewiß herauf und ſaugt ſie aus; ja, häufig genug nimmt er auch den brütenden Vogel ſelbſt in Beſchlag. Die ſchwarze Schlange begnügt ſich mit den Eiern oder Jungen. Verſchiedene Falken- arten verfolgen ihn im Fluge; ihnen aber entrinnt er in den meiſten Fällen, indem er ſich der nächſten Höhlung zuwendet. Es iſt höchſt luſtig, das Erſtaunen eines Falken zu ſehen, wenn der gejagte Vogel, den er eben zu ergreifen vermeinte, vor ſeinen Augen verſchwindet. Sollte der Specht einen derartigen Zufluchtsort nicht erreichen können, ſo hängt er ſich an einen Baum an und klettert in Schraubenlinien mit ſolcher Schnelligkeit um ihn rundum, daß er den Raubvogel gewöhnlich eben- falls prellt.“ „Das Fleiſch wird von vielen Jägern hoch geſchätzt und oft gegeſſen, namentlich in den mittleren Staaten. Dann und wann ſieht man den Goldſpecht auch auf den Märkten von New-York und Philadelphia ausgeſtellt; ich meinestheils aber muß ſagen, daß das Fleiſch wegen ſeines Ameiſengeruchs mir höchſt unangenehm war.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/96>, abgerufen am 24.11.2024.