Netze an, mit denen man die Tümpel oder Alligatorenlöcher ausfischt. Die Gefangenen werden dann auf das Ufer herausgezogen und mit Aexten todtgeschlagen. Einzelne Neger besitzen eine große Uebung darin, Kaimans mit Schlingen zu fangen. Sie werfen ihnen, wenn sie in der Nähe des Ufers schwimmen, ein Seil über den Kopf und ziehen sie daran ebenfalls aus dem Wasser heraus. Angeschossene Alligatoren bringen unter den übrigen Mitbewohnern eines Loches so große Aufregung und Furcht hervor, daß diese in der Regel auswandern oder sich doch mehrere Tage lang versteckt halten, während diejenigen, welche durch einen Kugelschuß augenblicklich getödtet werden, die Beachtung ihrer Gefährten in ungleich geringerem Grade auf sich ziehen. Am rothen Flusse wurden in früheren Jahren Tausende erlegt, weil Schuhe, Stiefel und Sättel von Alligator- haut Mode geworden waren. Wandernde Jndianer beschäftigten sich eine Zeit lang ausschließlich mit der Jagd dieser Thiere und würden sie ausgerottet haben, hätte man nicht in Erfahrung gebracht, daß die Häute nicht hinreichend stark und dick seien, um Feuchtigkeit genügend abzuhalten. Gegenwärtig benutzt man noch das Fett der Erlegten zum Einschmieren von Maschinen. An eine Verwerthung der Drüsen, welche ebenso stark nach Moschus duften wie die der Krokodile, scheint man bisher noch nicht gedacht zu haben.
Diese Art der Krokodilfamilie ist es, welche man in Thiergärten und Thierschaubuden sieht. Es kommen alljährlich mehre hundert Stück lebende Alligatoren auf den europäischen Thiermarkt, und sie alle finden willige Abnehmer, die kleinen, eben dem Eie entschlüpften solche in Liebhabern, welche sie ihrem Aquarium einverleiben und soweit zähmen, daß sie zuletzt das ihnen vorgehaltene Futter artig aus der Hand nehmen, die großen in den Thierschaubudenbesitzern, welche sie solange mit sich führen, bis sie der Mißhandlung, dem Hunger und der Kälte erliegen. Alt gefangene Kaimans verschmähen gewöhnlich das Futter, solche von fünf Fuß Länge hingegen fressen bald, vorausgesetzt, daß man ihnen einen größeren Raum, am besten einen kleinen Teich im Garten zur Wohnung anweist. Um sie ans Fressen zu gewöhnen, muß man anfänglich lebende Beute vorwerfen, zum Fliegen unfähige Sperlinge, welche man ihnen aufs Wasser schleudert, lebende Tauben, Hühner und dergleichen; später nehmen sie dann auch rohes Fleisch an, welches man mittels eines Bindfadens in Bewegung setzt, und schließlich sperren sie schon, wenn man ihnen Nahrung zeigt, den Rachen auf und lassen sich "die gebratenen Tauben ins Maul fliegen." Bei sorgfältiger Behandlung halten sie Jahre in der Gefangenschaft aus; dazu gehört aber, daß sie sich im Winter hinlänglich gegen Einwirkungen der Kälte schützen, wo möglich im Schlamme vergraben, und Winterschlaf halten können; im entgegen- gesetzten Falle überleben sie nicht einmal den ersten Winter. Uebrigens glaube ich kaum, Jemandem rathen zu dürfen, sich mit der Haltung von Alligatoren zu befassen. Die kleinen, jungen sind zwar recht niedlich; aber jede Eidechse bereitet ihrem Pfleger mehr Vergnügen als sie, und die älteren kühlen durch ihre Langweiligkeit auch den eifrigsten Liebhaber ab.
Der gemeinste Alligator Südamerikas ist der Brillenkaiman oder Jakare, sprich Schakare (Champsa sclerops), eine der kleineren Arten der Familie, welcher in den meisten Gegenden eine Länge von höchstens 9 bis 10 Fuß erreicht und sich kennzeichnet durch eine vorspringende Quer- leiste der Haut vor den Augenhöhlen, das in eine Kegelspitze verlängerte obere Augenlid und vier knöcherne Nackenbinden, von denen die erste zwei, die zweite vier, die dritte drei und die vierte wiederum zwei Längskiele zeigt. Die Oberseite ist auf dunkelolivengrauem Grunde mit vier, der Schwanz mit neun bis zehn undeutlichen, schwärzlichen Querbinden gezeichnet; die Unterseite sieht grüngelblich aus und erscheint unter dem Kopfe und an den Seiten grau marmorirt.
Azara und Prinz von Wied haben uns den Schakare mit genügender Ausführlichkeit beschrieben. Er lebt in allen Flüssen und Seen Südamerikas bis zum 31. Grade südlicher Breite, nach Norden hin bis Guyana oder Surinam hinauf. Jn den Gegenden, welche der Prinz bereiste, hörte er zwar von zwei verschiedenen Kaimans reden, fand aber nur diese eine Art auf; in dem nördlicheren Brasilien hingegen scheint neben dem Schakare noch ein anderer Alligator vorzukommen,
Kaiman. Schalare.
Netze an, mit denen man die Tümpel oder Alligatorenlöcher ausfiſcht. Die Gefangenen werden dann auf das Ufer herausgezogen und mit Aexten todtgeſchlagen. Einzelne Neger beſitzen eine große Uebung darin, Kaimans mit Schlingen zu fangen. Sie werfen ihnen, wenn ſie in der Nähe des Ufers ſchwimmen, ein Seil über den Kopf und ziehen ſie daran ebenfalls aus dem Waſſer heraus. Angeſchoſſene Alligatoren bringen unter den übrigen Mitbewohnern eines Loches ſo große Aufregung und Furcht hervor, daß dieſe in der Regel auswandern oder ſich doch mehrere Tage lang verſteckt halten, während diejenigen, welche durch einen Kugelſchuß augenblicklich getödtet werden, die Beachtung ihrer Gefährten in ungleich geringerem Grade auf ſich ziehen. Am rothen Fluſſe wurden in früheren Jahren Tauſende erlegt, weil Schuhe, Stiefel und Sättel von Alligator- haut Mode geworden waren. Wandernde Jndianer beſchäftigten ſich eine Zeit lang ausſchließlich mit der Jagd dieſer Thiere und würden ſie ausgerottet haben, hätte man nicht in Erfahrung gebracht, daß die Häute nicht hinreichend ſtark und dick ſeien, um Feuchtigkeit genügend abzuhalten. Gegenwärtig benutzt man noch das Fett der Erlegten zum Einſchmieren von Maſchinen. An eine Verwerthung der Drüſen, welche ebenſo ſtark nach Moſchus duften wie die der Krokodile, ſcheint man bisher noch nicht gedacht zu haben.
Dieſe Art der Krokodilfamilie iſt es, welche man in Thiergärten und Thierſchaubuden ſieht. Es kommen alljährlich mehre hundert Stück lebende Alligatoren auf den europäiſchen Thiermarkt, und ſie alle finden willige Abnehmer, die kleinen, eben dem Eie entſchlüpften ſolche in Liebhabern, welche ſie ihrem Aquarium einverleiben und ſoweit zähmen, daß ſie zuletzt das ihnen vorgehaltene Futter artig aus der Hand nehmen, die großen in den Thierſchaubudenbeſitzern, welche ſie ſolange mit ſich führen, bis ſie der Mißhandlung, dem Hunger und der Kälte erliegen. Alt gefangene Kaimans verſchmähen gewöhnlich das Futter, ſolche von fünf Fuß Länge hingegen freſſen bald, vorausgeſetzt, daß man ihnen einen größeren Raum, am beſten einen kleinen Teich im Garten zur Wohnung anweiſt. Um ſie ans Freſſen zu gewöhnen, muß man anfänglich lebende Beute vorwerfen, zum Fliegen unfähige Sperlinge, welche man ihnen aufs Waſſer ſchleudert, lebende Tauben, Hühner und dergleichen; ſpäter nehmen ſie dann auch rohes Fleiſch an, welches man mittels eines Bindfadens in Bewegung ſetzt, und ſchließlich ſperren ſie ſchon, wenn man ihnen Nahrung zeigt, den Rachen auf und laſſen ſich „die gebratenen Tauben ins Maul fliegen.“ Bei ſorgfältiger Behandlung halten ſie Jahre in der Gefangenſchaft aus; dazu gehört aber, daß ſie ſich im Winter hinlänglich gegen Einwirkungen der Kälte ſchützen, wo möglich im Schlamme vergraben, und Winterſchlaf halten können; im entgegen- geſetzten Falle überleben ſie nicht einmal den erſten Winter. Uebrigens glaube ich kaum, Jemandem rathen zu dürfen, ſich mit der Haltung von Alligatoren zu befaſſen. Die kleinen, jungen ſind zwar recht niedlich; aber jede Eidechſe bereitet ihrem Pfleger mehr Vergnügen als ſie, und die älteren kühlen durch ihre Langweiligkeit auch den eifrigſten Liebhaber ab.
Der gemeinſte Alligator Südamerikas iſt der Brillenkaiman oder Jakaré, ſprich Schakare (Champsa sclerops), eine der kleineren Arten der Familie, welcher in den meiſten Gegenden eine Länge von höchſtens 9 bis 10 Fuß erreicht und ſich kennzeichnet durch eine vorſpringende Quer- leiſte der Haut vor den Augenhöhlen, das in eine Kegelſpitze verlängerte obere Augenlid und vier knöcherne Nackenbinden, von denen die erſte zwei, die zweite vier, die dritte drei und die vierte wiederum zwei Längskiele zeigt. Die Oberſeite iſt auf dunkelolivengrauem Grunde mit vier, der Schwanz mit neun bis zehn undeutlichen, ſchwärzlichen Querbinden gezeichnet; die Unterſeite ſieht grüngelblich aus und erſcheint unter dem Kopfe und an den Seiten grau marmorirt.
Azara und Prinz von Wied haben uns den Schakare mit genügender Ausführlichkeit beſchrieben. Er lebt in allen Flüſſen und Seen Südamerikas bis zum 31. Grade ſüdlicher Breite, nach Norden hin bis Guyana oder Surinam hinauf. Jn den Gegenden, welche der Prinz bereiſte, hörte er zwar von zwei verſchiedenen Kaimans reden, fand aber nur dieſe eine Art auf; in dem nördlicheren Braſilien hingegen ſcheint neben dem Schakare noch ein anderer Alligator vorzukommen,
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[87/0103]
Kaiman. Schalare.
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Nähe des Ufers ſchwimmen, ein Seil über den Kopf und ziehen ſie daran ebenfalls aus dem
Waſſer heraus. Angeſchoſſene Alligatoren bringen unter den übrigen Mitbewohnern eines Loches
ſo große Aufregung und Furcht hervor, daß dieſe in der Regel auswandern oder ſich doch mehrere
Tage lang verſteckt halten, während diejenigen, welche durch einen Kugelſchuß augenblicklich getödtet
werden, die Beachtung ihrer Gefährten in ungleich geringerem Grade auf ſich ziehen. Am rothen
Fluſſe wurden in früheren Jahren Tauſende erlegt, weil Schuhe, Stiefel und Sättel von Alligator-
haut Mode geworden waren. Wandernde Jndianer beſchäftigten ſich eine Zeit lang ausſchließlich
mit der Jagd dieſer Thiere und würden ſie ausgerottet haben, hätte man nicht in Erfahrung
gebracht, daß die Häute nicht hinreichend ſtark und dick ſeien, um Feuchtigkeit genügend abzuhalten.
Gegenwärtig benutzt man noch das Fett der Erlegten zum Einſchmieren von Maſchinen. An eine
Verwerthung der Drüſen, welche ebenſo ſtark nach Moſchus duften wie die der Krokodile, ſcheint man
bisher noch nicht gedacht zu haben.
Dieſe Art der Krokodilfamilie iſt es, welche man in Thiergärten und Thierſchaubuden ſieht.
Es kommen alljährlich mehre hundert Stück lebende Alligatoren auf den europäiſchen Thiermarkt,
und ſie alle finden willige Abnehmer, die kleinen, eben dem Eie entſchlüpften ſolche in Liebhabern,
welche ſie ihrem Aquarium einverleiben und ſoweit zähmen, daß ſie zuletzt das ihnen vorgehaltene
Futter artig aus der Hand nehmen, die großen in den Thierſchaubudenbeſitzern, welche ſie ſolange mit
ſich führen, bis ſie der Mißhandlung, dem Hunger und der Kälte erliegen. Alt gefangene Kaimans
verſchmähen gewöhnlich das Futter, ſolche von fünf Fuß Länge hingegen freſſen bald, vorausgeſetzt, daß
man ihnen einen größeren Raum, am beſten einen kleinen Teich im Garten zur Wohnung anweiſt. Um
ſie ans Freſſen zu gewöhnen, muß man anfänglich lebende Beute vorwerfen, zum Fliegen unfähige
Sperlinge, welche man ihnen aufs Waſſer ſchleudert, lebende Tauben, Hühner und dergleichen;
ſpäter nehmen ſie dann auch rohes Fleiſch an, welches man mittels eines Bindfadens in Bewegung
ſetzt, und ſchließlich ſperren ſie ſchon, wenn man ihnen Nahrung zeigt, den Rachen auf und laſſen ſich
„die gebratenen Tauben ins Maul fliegen.“ Bei ſorgfältiger Behandlung halten ſie Jahre in der
Gefangenſchaft aus; dazu gehört aber, daß ſie ſich im Winter hinlänglich gegen Einwirkungen der
Kälte ſchützen, wo möglich im Schlamme vergraben, und Winterſchlaf halten können; im entgegen-
geſetzten Falle überleben ſie nicht einmal den erſten Winter. Uebrigens glaube ich kaum, Jemandem
rathen zu dürfen, ſich mit der Haltung von Alligatoren zu befaſſen. Die kleinen, jungen ſind zwar
recht niedlich; aber jede Eidechſe bereitet ihrem Pfleger mehr Vergnügen als ſie, und die älteren
kühlen durch ihre Langweiligkeit auch den eifrigſten Liebhaber ab.
Der gemeinſte Alligator Südamerikas iſt der Brillenkaiman oder Jakaré, ſprich
Schakare (Champsa sclerops), eine der kleineren Arten der Familie, welcher in den meiſten Gegenden
eine Länge von höchſtens 9 bis 10 Fuß erreicht und ſich kennzeichnet durch eine vorſpringende Quer-
leiſte der Haut vor den Augenhöhlen, das in eine Kegelſpitze verlängerte obere Augenlid und vier
knöcherne Nackenbinden, von denen die erſte zwei, die zweite vier, die dritte drei und die vierte
wiederum zwei Längskiele zeigt. Die Oberſeite iſt auf dunkelolivengrauem Grunde mit vier, der
Schwanz mit neun bis zehn undeutlichen, ſchwärzlichen Querbinden gezeichnet; die Unterſeite ſieht
grüngelblich aus und erſcheint unter dem Kopfe und an den Seiten grau marmorirt.
Azara und Prinz von Wied haben uns den Schakare mit genügender Ausführlichkeit
beſchrieben. Er lebt in allen Flüſſen und Seen Südamerikas bis zum 31. Grade ſüdlicher Breite,
nach Norden hin bis Guyana oder Surinam hinauf. Jn den Gegenden, welche der Prinz bereiſte,
hörte er zwar von zwei verſchiedenen Kaimans reden, fand aber nur dieſe eine Art auf; in dem
nördlicheren Braſilien hingegen ſcheint neben dem Schakare noch ein anderer Alligator vorzukommen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/103>, abgerufen am 16.07.2024.
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