malmen oder zerkauen, sondern ganz hinabschlingen und zwischen dieser und jener Speise kaum einen Unterschied machen.
An Verstand stehen die Schuppenechsen schwerlich hinter einem Kriechthiere zurück. Sie sam- meln Erfahrungen und benehmen sich in Folge derselben verschiedenartig. Bei uns zu Lande sehen sie in jedem größeren Geschöpfe und insbesondere im Menschen einen gefährlichen Feind; in den süd- lichen Ländern leben sie mit letztgenanntem in traulichen Verhältnissen, kommen dreist bis in unmittel- bare Nähe desselben, bitten sich, sozusagen, in der menschlichen Wohnung zu Gaste und werden schließlich zu förmlichen Hausthieren, während ihnen auch dort ein anderer Feind sofort die größte Besorgniß einflößt. Alle Liebhaber, welche diese zierlichen Geschöpfe in Gefangenschaft halten, gewinnen die Ausicht, daß ihre Pfleglinge sie kennen lernen, und wenn damit auch nicht gesagt sein soll, daß sie ihren Pfleger von anderen Menschen unterscheiden, wird dadurch doch bewiesen, daß sie ihr früheres Betragen in Folge gesammelter Erfahrungen umändern, also eben diejenige Hirn- thätigkeit, welche wir Verstand nennen, zur Genüge darthun. Jhr Wesen spricht uns an. Sie erscheinen uns, größtentheils mit Recht, als Bilder unschuldiger Fröhlichkeit und Heiterkeit, sind lebendig, regsam, vorsichtig und im Verhältniß zu ihrer Größe außerordentlich muthig. Als Raub- thiere lassen sie sich zuweilen Dinge zu Schulden kommen, welche wir von unserem Gesichtspunkte aus einseitig verurtheilen, fressen beispielsweise ohne Bedenken ihre eigenen Jungen auf oder größere Arten kleinere Verwandten; trotzdem darf man bei ihnen noch immer eher als bei anderen von Geselligkeit reden; denn man findet oft viele von ihnen vereinigt und kann beobachten, wie solche Gesellschaften längere Zeit in einem gewissen Verbande bleiben.
Einige Schuppenechsen nähren sich von Pflanzenstoffen, ohne jedoch thierische Beute gänzlich zu verschmähen; alle übrigen sind, wie eben bemerkt, Raubthiere, denen verschiedene Klassen des Thier- reichs zollen müssen. Die größeren Arten stellen Wirbelthieren aller fünf Klassen nach, wagen sich an kleine Säugethiere und Vögel, sollen sogar größeren zuweilen gefährlich werden, rauben Nester aus, bedrohen andere Kriechthiere, Lurche und Fische und jagen außerdem auf alle niederen oder wirbellosen Thiere, deren sie habhaft werden können; die kleineren Arten nähren sich hauptsächlich von letztgenannten Geschöpfen, viele vorzugsweise von Kerbthieren, andere von Würmern und Schnecken. Aber wie bemerkt, kaum eine einzige Schuppenechse schent sich vor dem Morde ihrer Art- genossen; fast jede sieht in einem schwächeren Geschöpfe, gleichviel welcher Klasse oder Art es ange- hören mag, eine willkommene Beute. Jhre Verdauung ist lebhaft, insbesondere bei heißem Wetter; sie fressen dann auffallend viel und feisten sich bis zu einem gewissen Grade, können aber auch unter ungünstigen Umständen sehr lange und ohne ersichtlichen Schaden Hunger leiden. Die harten Theile ihrer Beute oder zufällig mit verschluckte Pflanzentheile geben sie mit ihrem Miste wieder von sich. Alle bekannten Arten trinken und zwar mit Hilfe ihrer Zunge, welche sie wiederholt in das Wasser tauchen und zurückziehen; den meisten genügt übrigens schon der Thau, welcher sich auf Blättern und Steinen sammelt, und einzelne scheinen das Wasser wirklich monatelang entbehren zu können.
Das tägliche Leben dieser Thiere ist wechselreicher als das anderer Angehörigen der Klasse, im ganzen jedoch ebenfalls sehr eintönig. Am regsamsten zeigen sie sich in den heißen Län- dern unter den Wendekreisen, insbesondere da, wo alle Jahreszeiten im wesentlichen gleichartig verlaufen, und sie nicht genöthigt werden, zeitweilig Schutz gegen die Einflüsse der Witterung zu suchen. Hier beginnen sie schon in den frühen Morgenstunden ihr Tagwerk und treiben sich bis gegen Sonnenuntergang munter umher, ihren nächtlich lebenden Genossen von jetzt an bis zum frühen Morgen das Feld überlassend. Die ersten und letzten Stunden des Tages werden der Jagd, die Vormittags- und Nachmittagsstunden dem Vergnügen, d. h. geselligem Beisammensein gewidmet, die heißesten in einem Halbschlummer verbracht; denn übergroße Sonnenhitze scheuen sie ebenso sehr als Kühle. Jn den gemäßigten Strichen sieht man sie während der Mittagszeit behaglich hingestreckt auf Steinen oder den Sonnenstrahlen zugänglichen Plätzen liegen; in den Gleicherländern wählen sie sich während dieser Zeit regelmäßig schattige Stellen. Jede einzelne Schuppenechse erwählt sich
Allgemeines.
malmen oder zerkauen, ſondern ganz hinabſchlingen und zwiſchen dieſer und jener Speiſe kaum einen Unterſchied machen.
An Verſtand ſtehen die Schuppenechſen ſchwerlich hinter einem Kriechthiere zurück. Sie ſam- meln Erfahrungen und benehmen ſich in Folge derſelben verſchiedenartig. Bei uns zu Lande ſehen ſie in jedem größeren Geſchöpfe und insbeſondere im Menſchen einen gefährlichen Feind; in den ſüd- lichen Ländern leben ſie mit letztgenanntem in traulichen Verhältniſſen, kommen dreiſt bis in unmittel- bare Nähe deſſelben, bitten ſich, ſozuſagen, in der menſchlichen Wohnung zu Gaſte und werden ſchließlich zu förmlichen Hausthieren, während ihnen auch dort ein anderer Feind ſofort die größte Beſorgniß einflößt. Alle Liebhaber, welche dieſe zierlichen Geſchöpfe in Gefangenſchaft halten, gewinnen die Auſicht, daß ihre Pfleglinge ſie kennen lernen, und wenn damit auch nicht geſagt ſein ſoll, daß ſie ihren Pfleger von anderen Menſchen unterſcheiden, wird dadurch doch bewieſen, daß ſie ihr früheres Betragen in Folge geſammelter Erfahrungen umändern, alſo eben diejenige Hirn- thätigkeit, welche wir Verſtand nennen, zur Genüge darthun. Jhr Weſen ſpricht uns an. Sie erſcheinen uns, größtentheils mit Recht, als Bilder unſchuldiger Fröhlichkeit und Heiterkeit, ſind lebendig, regſam, vorſichtig und im Verhältniß zu ihrer Größe außerordentlich muthig. Als Raub- thiere laſſen ſie ſich zuweilen Dinge zu Schulden kommen, welche wir von unſerem Geſichtspunkte aus einſeitig verurtheilen, freſſen beiſpielsweiſe ohne Bedenken ihre eigenen Jungen auf oder größere Arten kleinere Verwandten; trotzdem darf man bei ihnen noch immer eher als bei anderen von Geſelligkeit reden; denn man findet oft viele von ihnen vereinigt und kann beobachten, wie ſolche Geſellſchaften längere Zeit in einem gewiſſen Verbande bleiben.
Einige Schuppenechſen nähren ſich von Pflanzenſtoffen, ohne jedoch thieriſche Beute gänzlich zu verſchmähen; alle übrigen ſind, wie eben bemerkt, Raubthiere, denen verſchiedene Klaſſen des Thier- reichs zollen müſſen. Die größeren Arten ſtellen Wirbelthieren aller fünf Klaſſen nach, wagen ſich an kleine Säugethiere und Vögel, ſollen ſogar größeren zuweilen gefährlich werden, rauben Neſter aus, bedrohen andere Kriechthiere, Lurche und Fiſche und jagen außerdem auf alle niederen oder wirbelloſen Thiere, deren ſie habhaft werden können; die kleineren Arten nähren ſich hauptſächlich von letztgenannten Geſchöpfen, viele vorzugsweiſe von Kerbthieren, andere von Würmern und Schnecken. Aber wie bemerkt, kaum eine einzige Schuppenechſe ſchent ſich vor dem Morde ihrer Art- genoſſen; faſt jede ſieht in einem ſchwächeren Geſchöpfe, gleichviel welcher Klaſſe oder Art es ange- hören mag, eine willkommene Beute. Jhre Verdauung iſt lebhaft, insbeſondere bei heißem Wetter; ſie freſſen dann auffallend viel und feiſten ſich bis zu einem gewiſſen Grade, können aber auch unter ungünſtigen Umſtänden ſehr lange und ohne erſichtlichen Schaden Hunger leiden. Die harten Theile ihrer Beute oder zufällig mit verſchluckte Pflanzentheile geben ſie mit ihrem Miſte wieder von ſich. Alle bekannten Arten trinken und zwar mit Hilfe ihrer Zunge, welche ſie wiederholt in das Waſſer tauchen und zurückziehen; den meiſten genügt übrigens ſchon der Thau, welcher ſich auf Blättern und Steinen ſammelt, und einzelne ſcheinen das Waſſer wirklich monatelang entbehren zu können.
Das tägliche Leben dieſer Thiere iſt wechſelreicher als das anderer Angehörigen der Klaſſe, im ganzen jedoch ebenfalls ſehr eintönig. Am regſamſten zeigen ſie ſich in den heißen Län- dern unter den Wendekreiſen, insbeſondere da, wo alle Jahreszeiten im weſentlichen gleichartig verlaufen, und ſie nicht genöthigt werden, zeitweilig Schutz gegen die Einflüſſe der Witterung zu ſuchen. Hier beginnen ſie ſchon in den frühen Morgenſtunden ihr Tagwerk und treiben ſich bis gegen Sonnenuntergang munter umher, ihren nächtlich lebenden Genoſſen von jetzt an bis zum frühen Morgen das Feld überlaſſend. Die erſten und letzten Stunden des Tages werden der Jagd, die Vormittags- und Nachmittagsſtunden dem Vergnügen, d. h. geſelligem Beiſammenſein gewidmet, die heißeſten in einem Halbſchlummer verbracht; denn übergroße Sonnenhitze ſcheuen ſie ebenſo ſehr als Kühle. Jn den gemäßigten Strichen ſieht man ſie während der Mittagszeit behaglich hingeſtreckt auf Steinen oder den Sonnenſtrahlen zugänglichen Plätzen liegen; in den Gleicherländern wählen ſie ſich während dieſer Zeit regelmäßig ſchattige Stellen. Jede einzelne Schuppenechſe erwählt ſich
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[95/0111]
Allgemeines.
malmen oder zerkauen, ſondern ganz hinabſchlingen und zwiſchen dieſer und jener Speiſe kaum einen
Unterſchied machen.
An Verſtand ſtehen die Schuppenechſen ſchwerlich hinter einem Kriechthiere zurück. Sie ſam-
meln Erfahrungen und benehmen ſich in Folge derſelben verſchiedenartig. Bei uns zu Lande ſehen
ſie in jedem größeren Geſchöpfe und insbeſondere im Menſchen einen gefährlichen Feind; in den ſüd-
lichen Ländern leben ſie mit letztgenanntem in traulichen Verhältniſſen, kommen dreiſt bis in unmittel-
bare Nähe deſſelben, bitten ſich, ſozuſagen, in der menſchlichen Wohnung zu Gaſte und werden
ſchließlich zu förmlichen Hausthieren, während ihnen auch dort ein anderer Feind ſofort die größte
Beſorgniß einflößt. Alle Liebhaber, welche dieſe zierlichen Geſchöpfe in Gefangenſchaft halten,
gewinnen die Auſicht, daß ihre Pfleglinge ſie kennen lernen, und wenn damit auch nicht geſagt ſein
ſoll, daß ſie ihren Pfleger von anderen Menſchen unterſcheiden, wird dadurch doch bewieſen, daß ſie
ihr früheres Betragen in Folge geſammelter Erfahrungen umändern, alſo eben diejenige Hirn-
thätigkeit, welche wir Verſtand nennen, zur Genüge darthun. Jhr Weſen ſpricht uns an. Sie
erſcheinen uns, größtentheils mit Recht, als Bilder unſchuldiger Fröhlichkeit und Heiterkeit, ſind
lebendig, regſam, vorſichtig und im Verhältniß zu ihrer Größe außerordentlich muthig. Als Raub-
thiere laſſen ſie ſich zuweilen Dinge zu Schulden kommen, welche wir von unſerem Geſichtspunkte
aus einſeitig verurtheilen, freſſen beiſpielsweiſe ohne Bedenken ihre eigenen Jungen auf oder größere
Arten kleinere Verwandten; trotzdem darf man bei ihnen noch immer eher als bei anderen von
Geſelligkeit reden; denn man findet oft viele von ihnen vereinigt und kann beobachten, wie ſolche
Geſellſchaften längere Zeit in einem gewiſſen Verbande bleiben.
Einige Schuppenechſen nähren ſich von Pflanzenſtoffen, ohne jedoch thieriſche Beute gänzlich zu
verſchmähen; alle übrigen ſind, wie eben bemerkt, Raubthiere, denen verſchiedene Klaſſen des Thier-
reichs zollen müſſen. Die größeren Arten ſtellen Wirbelthieren aller fünf Klaſſen nach, wagen ſich
an kleine Säugethiere und Vögel, ſollen ſogar größeren zuweilen gefährlich werden, rauben Neſter
aus, bedrohen andere Kriechthiere, Lurche und Fiſche und jagen außerdem auf alle niederen oder
wirbelloſen Thiere, deren ſie habhaft werden können; die kleineren Arten nähren ſich hauptſächlich
von letztgenannten Geſchöpfen, viele vorzugsweiſe von Kerbthieren, andere von Würmern und
Schnecken. Aber wie bemerkt, kaum eine einzige Schuppenechſe ſchent ſich vor dem Morde ihrer Art-
genoſſen; faſt jede ſieht in einem ſchwächeren Geſchöpfe, gleichviel welcher Klaſſe oder Art es ange-
hören mag, eine willkommene Beute. Jhre Verdauung iſt lebhaft, insbeſondere bei heißem Wetter;
ſie freſſen dann auffallend viel und feiſten ſich bis zu einem gewiſſen Grade, können aber auch unter
ungünſtigen Umſtänden ſehr lange und ohne erſichtlichen Schaden Hunger leiden. Die harten Theile
ihrer Beute oder zufällig mit verſchluckte Pflanzentheile geben ſie mit ihrem Miſte wieder von ſich.
Alle bekannten Arten trinken und zwar mit Hilfe ihrer Zunge, welche ſie wiederholt in das Waſſer
tauchen und zurückziehen; den meiſten genügt übrigens ſchon der Thau, welcher ſich auf Blättern und
Steinen ſammelt, und einzelne ſcheinen das Waſſer wirklich monatelang entbehren zu können.
Das tägliche Leben dieſer Thiere iſt wechſelreicher als das anderer Angehörigen der Klaſſe,
im ganzen jedoch ebenfalls ſehr eintönig. Am regſamſten zeigen ſie ſich in den heißen Län-
dern unter den Wendekreiſen, insbeſondere da, wo alle Jahreszeiten im weſentlichen gleichartig
verlaufen, und ſie nicht genöthigt werden, zeitweilig Schutz gegen die Einflüſſe der Witterung zu
ſuchen. Hier beginnen ſie ſchon in den frühen Morgenſtunden ihr Tagwerk und treiben ſich bis
gegen Sonnenuntergang munter umher, ihren nächtlich lebenden Genoſſen von jetzt an bis zum
frühen Morgen das Feld überlaſſend. Die erſten und letzten Stunden des Tages werden der Jagd,
die Vormittags- und Nachmittagsſtunden dem Vergnügen, d. h. geſelligem Beiſammenſein gewidmet,
die heißeſten in einem Halbſchlummer verbracht; denn übergroße Sonnenhitze ſcheuen ſie ebenſo ſehr
als Kühle. Jn den gemäßigten Strichen ſieht man ſie während der Mittagszeit behaglich hingeſtreckt
auf Steinen oder den Sonnenſtrahlen zugänglichen Plätzen liegen; in den Gleicherländern wählen
ſie ſich während dieſer Zeit regelmäßig ſchattige Stellen. Jede einzelne Schuppenechſe erwählt ſich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/111>, abgerufen am 22.12.2024.
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