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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Lagarta. Tapaya.

Die Krötenbäuche (Phrynosoma) sind einer Kröte wirklich nicht unähnlich und wohl die
plumpesten Mitglieder der Gruppe, häßlicher und auffallender noch als die Dornenschwänze. Jhr
Kopf ist sehr kurz, verschoben viereckig, fast ebenso hoch als breit, der Hals kurz, der Leib breit, platt,
beinah scheibenförmig, der Schwanz kurz, kegelig zugespitzt. Acht Stacheln von ziemlicher Länge
wassnen den Hinterkopf, eine einfache oder doppelte Reihe dreieckiger Hornspitzen die Leibesseiten; die
Schuppen der Oberseite sind ungleich, die der Unterseite gleichartig und ziegelförmig gelagert; der
Hals trägt unten eine Querfalte. Sechs kurze, einfache, gerade, kegelige und gleichartige Vorder-
zähne, achtzehn gleich große, gerade, zusammengedrückte, rundliche, an der Spitze stumpfe Backenzähne
auf jeder Seite bilden das Gebiß.

Schon der alte Hernandez erwähnt unter dem Namen Tapaya eine dieser Sippe zugehörige,
in Mejiko vorkommende Art (Phrynosoma orbiculare) und theilt auch Einiges über die Lebensweise
mit. Das Thier, welches etwa 6 Zoll lang, oben auf graulichem Grunde mit unbestimmten Flecken
marmorirt, unten auf gilblichem Grunde schwarz getüpfelt ist, findet sich auf höheren Bergen und in
kälteren Gegenden, ist ungemein träge, wird deshalb fast stets an einem und demselben Orte ange-
troffen, weicht dem Menschen kaum aus, läßt sich ohne Weiteres vom Boden aufnehmen und bleibt
dann auf freier Hand ruhig sitzen. Seine Nahrung besteht aus Kerfen und Schnecken, insbesondere
aus rothen Ameisen und Käfern. Jn der Gefangenschaft benimmt es sich überaus langweilig. Es
bewegt sich stundenlang nicht von demselben Platze, verändert nicht einmal seine Stellung, gleichviel,
ob man es den brennenden Strahlen der Sonne aussetzt oder mit Wasser bespritzt, ja, es läßt sich
kaum durch eine Berührung mit der Hand vorwärts treiben. Seine Gleichgiltigkeit und unver-
wüstliche Gutmüthigkeit steht im auffallendsten Gegensatze zu seinem fürchterlichen Aussehen. Nach
und nach gewinnt es einige Kenntniß von seiner veränderten Lage, lernt einsehen, daß der Mensch,
welcher es gefangen hält, ihm wohlwill und nimmt diesem vorgehaltene Kerbthiere oder Fleischstücke
aus der Hand.



Ueber wenige Kriechthiere ist soviel gefabelt worden, als über die Haftzeher oder Gekos
(Ascalabotae), eigenthümlich gestaltete, nächtlich lebende Schuppenechsen, welche in allen Erdtheilen
gefunden werden. Sie waren es, welche die Alten mit dem Namen Stellio bezeichneten und zwar,
wie Ovid uns mittheilt, wegen der kleinen, sternförmigen Flecken auf dem Rücken. Aristoteles
berichtet, daß der Stellio sich in Fenstern, Kammern und Gräbern aufhalte, an den Wänden umher-
klettere, oft auf den Tisch herab und ins Essen falle, in den Krippen schlafe, den Eseln in die Nase
krieche, sodaß sie nicht fressen könnten, und durch seinen Biß vergifte, während der vier kalten Monate
des Jahres verborgen läge und Nichts fresse, sich aber im Früh- und Spätjahre häute und dann die
Haut aufzehre, "auß verbunst", drückt sich Geßner aus, "damit sömliche herliche artzney für die
fallend sucht, den menschen entroubet werde, von dannen bey den Juristen jr nam Stellionat
genommen, so yenen einem etwas durch betrug vnd list entroubet vnd entzogen wirdt. Doch soll
dises thier ein nateürliche feyndtschafft haben wider den Scorpion, also daß sy zu schräcken vnd kalten
schweyß auch durch sein gesicht bewegt werden söllend. Auß vrsach man dise thier in öl beitzt,
welches ein bewärte artzney ist denen so von dem Scorpion sind gestochen worden." Möglicherweise
meint auch Plinius unseren Haftzeher, wenn er von dem Salamander spricht und behauptet, daß
dieser unter allen giftigen Thieren der schlimmste sei, weil er nicht, wie die anderen, nur Einzelne,
sondern Bevölkerungen umbringe, indem er auf Bäume steige und dort alle Aepfel vergifte oder,
wenn er in den Brunnen falle, das Wasser in ein höllisches Gift verwandele.

Bis in die neueste Zeit hinein werden ähnliche Geschichten erzählt und wieder erzählt, hier und
da heutigentages noch den Gläubigen aufgetischt. Von einem indischen Haftzeher berichtet der alte
Bontius, dem wir übrigens manche gute Mittheilung verdanken, entsetzliche Dinge. "Sein Biß

Brehm, Thierleben. V. 10
Lagarta. Tapaya.

Die Krötenbäuche (Phrynosoma) ſind einer Kröte wirklich nicht unähnlich und wohl die
plumpeſten Mitglieder der Gruppe, häßlicher und auffallender noch als die Dornenſchwänze. Jhr
Kopf iſt ſehr kurz, verſchoben viereckig, faſt ebenſo hoch als breit, der Hals kurz, der Leib breit, platt,
beinah ſcheibenförmig, der Schwanz kurz, kegelig zugeſpitzt. Acht Stacheln von ziemlicher Länge
waſſnen den Hinterkopf, eine einfache oder doppelte Reihe dreieckiger Hornſpitzen die Leibesſeiten; die
Schuppen der Oberſeite ſind ungleich, die der Unterſeite gleichartig und ziegelförmig gelagert; der
Hals trägt unten eine Querfalte. Sechs kurze, einfache, gerade, kegelige und gleichartige Vorder-
zähne, achtzehn gleich große, gerade, zuſammengedrückte, rundliche, an der Spitze ſtumpfe Backenzähne
auf jeder Seite bilden das Gebiß.

Schon der alte Hernandez erwähnt unter dem Namen Tapaya eine dieſer Sippe zugehörige,
in Mejiko vorkommende Art (Phrynosoma orbiculare) und theilt auch Einiges über die Lebensweiſe
mit. Das Thier, welches etwa 6 Zoll lang, oben auf graulichem Grunde mit unbeſtimmten Flecken
marmorirt, unten auf gilblichem Grunde ſchwarz getüpfelt iſt, findet ſich auf höheren Bergen und in
kälteren Gegenden, iſt ungemein träge, wird deshalb faſt ſtets an einem und demſelben Orte ange-
troffen, weicht dem Menſchen kaum aus, läßt ſich ohne Weiteres vom Boden aufnehmen und bleibt
dann auf freier Hand ruhig ſitzen. Seine Nahrung beſteht aus Kerfen und Schnecken, insbeſondere
aus rothen Ameiſen und Käfern. Jn der Gefangenſchaft benimmt es ſich überaus langweilig. Es
bewegt ſich ſtundenlang nicht von demſelben Platze, verändert nicht einmal ſeine Stellung, gleichviel,
ob man es den brennenden Strahlen der Sonne ausſetzt oder mit Waſſer beſpritzt, ja, es läßt ſich
kaum durch eine Berührung mit der Hand vorwärts treiben. Seine Gleichgiltigkeit und unver-
wüſtliche Gutmüthigkeit ſteht im auffallendſten Gegenſatze zu ſeinem fürchterlichen Ausſehen. Nach
und nach gewinnt es einige Kenntniß von ſeiner veränderten Lage, lernt einſehen, daß der Menſch,
welcher es gefangen hält, ihm wohlwill und nimmt dieſem vorgehaltene Kerbthiere oder Fleiſchſtücke
aus der Hand.



Ueber wenige Kriechthiere iſt ſoviel gefabelt worden, als über die Haftzeher oder Gekos
(Ascalabotae), eigenthümlich geſtaltete, nächtlich lebende Schuppenechſen, welche in allen Erdtheilen
gefunden werden. Sie waren es, welche die Alten mit dem Namen Stellio bezeichneten und zwar,
wie Ovid uns mittheilt, wegen der kleinen, ſternförmigen Flecken auf dem Rücken. Ariſtoteles
berichtet, daß der Stellio ſich in Fenſtern, Kammern und Gräbern aufhalte, an den Wänden umher-
klettere, oft auf den Tiſch herab und ins Eſſen falle, in den Krippen ſchlafe, den Eſeln in die Naſe
krieche, ſodaß ſie nicht freſſen könnten, und durch ſeinen Biß vergifte, während der vier kalten Monate
des Jahres verborgen läge und Nichts freſſe, ſich aber im Früh- und Spätjahre häute und dann die
Haut aufzehre, „auß verbunſt“, drückt ſich Geßner aus, „damit ſömliche herliche artzney für die
fallend ſucht, den menſchen entroubet werde, von dannen bey den Juriſten jr nam Stellionat
genommen, ſo yenen einem etwas durch betrug vnd liſt entroubet vnd entzogen wirdt. Doch ſoll
diſes thier ein nateürliche feyndtſchafft haben wider den Scorpion, alſo daß ſy zu ſchräcken vnd kalten
ſchweyß auch durch ſein geſicht bewegt werden ſöllend. Auß vrſach man diſe thier in öl beitzt,
welches ein bewärte artzney iſt denen ſo von dem Scorpion ſind geſtochen worden.“ Möglicherweiſe
meint auch Plinius unſeren Haftzeher, wenn er von dem Salamander ſpricht und behauptet, daß
dieſer unter allen giftigen Thieren der ſchlimmſte ſei, weil er nicht, wie die anderen, nur Einzelne,
ſondern Bevölkerungen umbringe, indem er auf Bäume ſteige und dort alle Aepfel vergifte oder,
wenn er in den Brunnen falle, das Waſſer in ein hölliſches Gift verwandele.

Bis in die neueſte Zeit hinein werden ähnliche Geſchichten erzählt und wieder erzählt, hier und
da heutigentages noch den Gläubigen aufgetiſcht. Von einem indiſchen Haftzeher berichtet der alte
Bontius, dem wir übrigens manche gute Mittheilung verdanken, entſetzliche Dinge. „Sein Biß

Brehm, Thierleben. V. 10
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[145/0165] Lagarta. Tapaya. Die Krötenbäuche (Phrynosoma) ſind einer Kröte wirklich nicht unähnlich und wohl die plumpeſten Mitglieder der Gruppe, häßlicher und auffallender noch als die Dornenſchwänze. Jhr Kopf iſt ſehr kurz, verſchoben viereckig, faſt ebenſo hoch als breit, der Hals kurz, der Leib breit, platt, beinah ſcheibenförmig, der Schwanz kurz, kegelig zugeſpitzt. Acht Stacheln von ziemlicher Länge waſſnen den Hinterkopf, eine einfache oder doppelte Reihe dreieckiger Hornſpitzen die Leibesſeiten; die Schuppen der Oberſeite ſind ungleich, die der Unterſeite gleichartig und ziegelförmig gelagert; der Hals trägt unten eine Querfalte. Sechs kurze, einfache, gerade, kegelige und gleichartige Vorder- zähne, achtzehn gleich große, gerade, zuſammengedrückte, rundliche, an der Spitze ſtumpfe Backenzähne auf jeder Seite bilden das Gebiß. Schon der alte Hernandez erwähnt unter dem Namen Tapaya eine dieſer Sippe zugehörige, in Mejiko vorkommende Art (Phrynosoma orbiculare) und theilt auch Einiges über die Lebensweiſe mit. Das Thier, welches etwa 6 Zoll lang, oben auf graulichem Grunde mit unbeſtimmten Flecken marmorirt, unten auf gilblichem Grunde ſchwarz getüpfelt iſt, findet ſich auf höheren Bergen und in kälteren Gegenden, iſt ungemein träge, wird deshalb faſt ſtets an einem und demſelben Orte ange- troffen, weicht dem Menſchen kaum aus, läßt ſich ohne Weiteres vom Boden aufnehmen und bleibt dann auf freier Hand ruhig ſitzen. Seine Nahrung beſteht aus Kerfen und Schnecken, insbeſondere aus rothen Ameiſen und Käfern. Jn der Gefangenſchaft benimmt es ſich überaus langweilig. Es bewegt ſich ſtundenlang nicht von demſelben Platze, verändert nicht einmal ſeine Stellung, gleichviel, ob man es den brennenden Strahlen der Sonne ausſetzt oder mit Waſſer beſpritzt, ja, es läßt ſich kaum durch eine Berührung mit der Hand vorwärts treiben. Seine Gleichgiltigkeit und unver- wüſtliche Gutmüthigkeit ſteht im auffallendſten Gegenſatze zu ſeinem fürchterlichen Ausſehen. Nach und nach gewinnt es einige Kenntniß von ſeiner veränderten Lage, lernt einſehen, daß der Menſch, welcher es gefangen hält, ihm wohlwill und nimmt dieſem vorgehaltene Kerbthiere oder Fleiſchſtücke aus der Hand. Ueber wenige Kriechthiere iſt ſoviel gefabelt worden, als über die Haftzeher oder Gekos (Ascalabotae), eigenthümlich geſtaltete, nächtlich lebende Schuppenechſen, welche in allen Erdtheilen gefunden werden. Sie waren es, welche die Alten mit dem Namen Stellio bezeichneten und zwar, wie Ovid uns mittheilt, wegen der kleinen, ſternförmigen Flecken auf dem Rücken. Ariſtoteles berichtet, daß der Stellio ſich in Fenſtern, Kammern und Gräbern aufhalte, an den Wänden umher- klettere, oft auf den Tiſch herab und ins Eſſen falle, in den Krippen ſchlafe, den Eſeln in die Naſe krieche, ſodaß ſie nicht freſſen könnten, und durch ſeinen Biß vergifte, während der vier kalten Monate des Jahres verborgen läge und Nichts freſſe, ſich aber im Früh- und Spätjahre häute und dann die Haut aufzehre, „auß verbunſt“, drückt ſich Geßner aus, „damit ſömliche herliche artzney für die fallend ſucht, den menſchen entroubet werde, von dannen bey den Juriſten jr nam Stellionat genommen, ſo yenen einem etwas durch betrug vnd liſt entroubet vnd entzogen wirdt. Doch ſoll diſes thier ein nateürliche feyndtſchafft haben wider den Scorpion, alſo daß ſy zu ſchräcken vnd kalten ſchweyß auch durch ſein geſicht bewegt werden ſöllend. Auß vrſach man diſe thier in öl beitzt, welches ein bewärte artzney iſt denen ſo von dem Scorpion ſind geſtochen worden.“ Möglicherweiſe meint auch Plinius unſeren Haftzeher, wenn er von dem Salamander ſpricht und behauptet, daß dieſer unter allen giftigen Thieren der ſchlimmſte ſei, weil er nicht, wie die anderen, nur Einzelne, ſondern Bevölkerungen umbringe, indem er auf Bäume ſteige und dort alle Aepfel vergifte oder, wenn er in den Brunnen falle, das Waſſer in ein hölliſches Gift verwandele. Bis in die neueſte Zeit hinein werden ähnliche Geſchichten erzählt und wieder erzählt, hier und da heutigentages noch den Gläubigen aufgetiſcht. Von einem indiſchen Haftzeher berichtet der alte Bontius, dem wir übrigens manche gute Mittheilung verdanken, entſetzliche Dinge. „Sein Biß Brehm, Thierleben. V. 10

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/165>, abgerufen am 22.12.2024.