aufschwingen, sondern immer nur von oben nach unten herablassen. Ob die hierher zählenden Riesen der Vorwelt, welche mit Flughäuten versehen waren, wirklich fliegen oder richtiger flattern konnten, wie unsere Fledermänse, dürfte bezweifelt werden müssen. Jene verdienen ihren Namen; denn selbst ihr Gehen und Laufen ist, streng genommen, nur ein Kriechen. Alle schleppen den Bauch am Boden, und gerade bei den schnellsten unter ihnen wird Dies am deutlichsten. Einige Schild- kröten sind im Stande, so zu gehen, daß sie mit dem Brustschilde den Boden nicht berühren; sie aber fördern sich mit einer Langsamkeit, daß man ihre Bewegung wahrhaftig kaum Laufen nennen darf. Schon die meisten Wasserschildkröten streifen bei ihren Bewegungen mit dem Brustschilde unten am Boden auf, und die Meerschildkröten kriechen noch unbehilflicher auf dem Lande fort als die Robben. Die Echsen rutschen zwar sehr rasch und auch behend dahin, tragen ihre Beine aber sehr nach auswärts gebogen, sodaß ihre Bewegung im Vergleiche zu der der Säugethiere ebenfalls als unbehilflich bezeichnet werden muß. Die Schlangen endlich, die eigentlichen Kriecher unter den Kriechthieren, bewegen sich mit Hilfe ihrer Rippen, welche sie gewissermaßen als Beine, jedenfalls als Stützen des Leibes gebrauchen und beim Fortrutschen wirklich in ähnlicher Weise wie die Beine als Hebel benutzen.
Das Schwimmen geschieht auf sehr verschiedene Weise. Ein Kriechthier, welches sich nicht im Wasser zu benehmen weiß, kennt man nicht. Viele scheuen dieses Element, kaum ein einziges aber dürfte in ihm umkommen: selbst die unbehilflichen Landschildkröten, welche wie Steine untergehen, wissen sich wieder auf das Land zu helfen, da sie nöthigenfalls auf dem Grunde des Gewässers fort- laufen, bis sie ihr Wohngebiet wieder erreicht haben. Die Flußschildkröten schwimmen mit ihren breitruderigen Füßen und die Seeschildkröten, Dank ihrer großen Flossen, ganz vorzüglich, die Krokodile hauptsächlich mittels ihres Schwanzes, welcher ein mächtiges Bewegungswerkzeug bildet und wie ein am Stern des Bootes eingelegtes Ruder gebraucht wird, die Schlangen und Eidechsen endlich, indem sie schlängelnde Bewegungen ausführen, welche sie überraschend schnell fördern. Bei den echten Seeschlangen ist der Hintertheil des Leibes zu einem Ruder geworden, befördert demgemäß die Bewegungen ungemein; aber auch Schlangen, welche dieses Hilfsmittels entbehren, gleiten sehr rasch durch die Wellen. Das geringe Athmenbedürfniß erleichtert selbst denen, welche dem Lande angehören, einen längeren Aufenthalt im Wasser.
Sehr geschickt zeigen sich viele Kriechthiere im Klettern. Gewisse Eidechsen und Verwandte rennen an den glättesten Bäumen ebenso schnell empor als andere auf dem Boden fort. Nicht wenige besitzen äußerst passende Werkzeuge zum Klettern in ihren langen, sichelartig gekrümmten Krallen, oder aber in den scheibenförmig verbreiterten, unten gefurchten Zehen, welche es ihnen sogar gestatten, sich wie Fliegen an der unteren Seite wagrechter Aeste oder Flächen überhaupt festzuhalten und hier mit aller Sicherheit umherzulaufen. Die Schlangen klettern genau in derselben Weise, in welcher sie gehen oder schwimmen: sie fördern sich durch ihre schlängelnden Bewegungen und klemmen sich beim Emporsteigen mit ihren beweglichen Rippen so fest in die Unebenheiten der Baumschale ein, daß sie gegen ein unwillkürliches Herabrutschen vollkommen gesichert sind.
Noch ungünstiger für das Leben der Kriechthiere erscheinen uns die unwillkürlichen Bewegungen ihres Körpers. Die Thätigkeit des Athmens und der Kreislauf des Blutes ist bei ihnen höchst unregelmäßig und unvollkommen; der Blutumlauf steht zwar ebenfalls noch in Verbindung mit dem Athmen, ist aber doch von diesem viel unabhängiger als bei den höheren Wirbelthieren. Alle Kriech- thiere athmen langsam und können frische Luft sehr lange Zeit entbehren; ihr Athemholen geschieht auch mit größerer Willkür als bei den warmblütigen Thieren: sie pumpen sich die große Lunge gelegentlich voll und entleeren die eingeathmete Luft langsam wieder. Das Herz sendet, wie wir sahen, nur einen geringen Theil des Blutes zur Reinigung nach den Lungen, und das angesäuerte Blut vermischt sich vielfach mit dem kohlenstoffhaltigen, erhöht deshalb auch die Körperwärme nicht bedeutend über die das Thier umgebende Wärme. Hierzu kommt die verhältnißmäßig große Unab- hängigkeit der Nervenmasse von dem Gehirn und die darauf sich gründende Unempfindlichkeit, mit welcher außerordentliche Lebenszähigkeit im Einklange steht. Schildkröten, welche man in Oel
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
aufſchwingen, ſondern immer nur von oben nach unten herablaſſen. Ob die hierher zählenden Rieſen der Vorwelt, welche mit Flughäuten verſehen waren, wirklich fliegen oder richtiger flattern konnten, wie unſere Fledermänſe, dürfte bezweifelt werden müſſen. Jene verdienen ihren Namen; denn ſelbſt ihr Gehen und Laufen iſt, ſtreng genommen, nur ein Kriechen. Alle ſchleppen den Bauch am Boden, und gerade bei den ſchnellſten unter ihnen wird Dies am deutlichſten. Einige Schild- kröten ſind im Stande, ſo zu gehen, daß ſie mit dem Bruſtſchilde den Boden nicht berühren; ſie aber fördern ſich mit einer Langſamkeit, daß man ihre Bewegung wahrhaftig kaum Laufen nennen darf. Schon die meiſten Waſſerſchildkröten ſtreifen bei ihren Bewegungen mit dem Bruſtſchilde unten am Boden auf, und die Meerſchildkröten kriechen noch unbehilflicher auf dem Lande fort als die Robben. Die Echſen rutſchen zwar ſehr raſch und auch behend dahin, tragen ihre Beine aber ſehr nach auswärts gebogen, ſodaß ihre Bewegung im Vergleiche zu der der Säugethiere ebenfalls als unbehilflich bezeichnet werden muß. Die Schlangen endlich, die eigentlichen Kriecher unter den Kriechthieren, bewegen ſich mit Hilfe ihrer Rippen, welche ſie gewiſſermaßen als Beine, jedenfalls als Stützen des Leibes gebrauchen und beim Fortrutſchen wirklich in ähnlicher Weiſe wie die Beine als Hebel benutzen.
Das Schwimmen geſchieht auf ſehr verſchiedene Weiſe. Ein Kriechthier, welches ſich nicht im Waſſer zu benehmen weiß, kennt man nicht. Viele ſcheuen dieſes Element, kaum ein einziges aber dürfte in ihm umkommen: ſelbſt die unbehilflichen Landſchildkröten, welche wie Steine untergehen, wiſſen ſich wieder auf das Land zu helfen, da ſie nöthigenfalls auf dem Grunde des Gewäſſers fort- laufen, bis ſie ihr Wohngebiet wieder erreicht haben. Die Flußſchildkröten ſchwimmen mit ihren breitruderigen Füßen und die Seeſchildkröten, Dank ihrer großen Floſſen, ganz vorzüglich, die Krokodile hauptſächlich mittels ihres Schwanzes, welcher ein mächtiges Bewegungswerkzeug bildet und wie ein am Stern des Bootes eingelegtes Ruder gebraucht wird, die Schlangen und Eidechſen endlich, indem ſie ſchlängelnde Bewegungen ausführen, welche ſie überraſchend ſchnell fördern. Bei den echten Seeſchlangen iſt der Hintertheil des Leibes zu einem Ruder geworden, befördert demgemäß die Bewegungen ungemein; aber auch Schlangen, welche dieſes Hilfsmittels entbehren, gleiten ſehr raſch durch die Wellen. Das geringe Athmenbedürfniß erleichtert ſelbſt denen, welche dem Lande angehören, einen längeren Aufenthalt im Waſſer.
Sehr geſchickt zeigen ſich viele Kriechthiere im Klettern. Gewiſſe Eidechſen und Verwandte rennen an den glätteſten Bäumen ebenſo ſchnell empor als andere auf dem Boden fort. Nicht wenige beſitzen äußerſt paſſende Werkzeuge zum Klettern in ihren langen, ſichelartig gekrümmten Krallen, oder aber in den ſcheibenförmig verbreiterten, unten gefurchten Zehen, welche es ihnen ſogar geſtatten, ſich wie Fliegen an der unteren Seite wagrechter Aeſte oder Flächen überhaupt feſtzuhalten und hier mit aller Sicherheit umherzulaufen. Die Schlangen klettern genau in derſelben Weiſe, in welcher ſie gehen oder ſchwimmen: ſie fördern ſich durch ihre ſchlängelnden Bewegungen und klemmen ſich beim Emporſteigen mit ihren beweglichen Rippen ſo feſt in die Unebenheiten der Baumſchale ein, daß ſie gegen ein unwillkürliches Herabrutſchen vollkommen geſichert ſind.
Noch ungünſtiger für das Leben der Kriechthiere erſcheinen uns die unwillkürlichen Bewegungen ihres Körpers. Die Thätigkeit des Athmens und der Kreislauf des Blutes iſt bei ihnen höchſt unregelmäßig und unvollkommen; der Blutumlauf ſteht zwar ebenfalls noch in Verbindung mit dem Athmen, iſt aber doch von dieſem viel unabhängiger als bei den höheren Wirbelthieren. Alle Kriech- thiere athmen langſam und können friſche Luft ſehr lange Zeit entbehren; ihr Athemholen geſchieht auch mit größerer Willkür als bei den warmblütigen Thieren: ſie pumpen ſich die große Lunge gelegentlich voll und entleeren die eingeathmete Luft langſam wieder. Das Herz ſendet, wie wir ſahen, nur einen geringen Theil des Blutes zur Reinigung nach den Lungen, und das angeſäuerte Blut vermiſcht ſich vielfach mit dem kohlenſtoffhaltigen, erhöht deshalb auch die Körperwärme nicht bedeutend über die das Thier umgebende Wärme. Hierzu kommt die verhältnißmäßig große Unab- hängigkeit der Nervenmaſſe von dem Gehirn und die darauf ſich gründende Unempfindlichkeit, mit welcher außerordentliche Lebenszähigkeit im Einklange ſteht. Schildkröten, welche man in Oel
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[8/0020]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
aufſchwingen, ſondern immer nur von oben nach unten herablaſſen. Ob die hierher zählenden Rieſen
der Vorwelt, welche mit Flughäuten verſehen waren, wirklich fliegen oder richtiger flattern konnten,
wie unſere Fledermänſe, dürfte bezweifelt werden müſſen. Jene verdienen ihren Namen; denn
ſelbſt ihr Gehen und Laufen iſt, ſtreng genommen, nur ein Kriechen. Alle ſchleppen den Bauch
am Boden, und gerade bei den ſchnellſten unter ihnen wird Dies am deutlichſten. Einige Schild-
kröten ſind im Stande, ſo zu gehen, daß ſie mit dem Bruſtſchilde den Boden nicht berühren; ſie aber
fördern ſich mit einer Langſamkeit, daß man ihre Bewegung wahrhaftig kaum Laufen nennen darf.
Schon die meiſten Waſſerſchildkröten ſtreifen bei ihren Bewegungen mit dem Bruſtſchilde unten am
Boden auf, und die Meerſchildkröten kriechen noch unbehilflicher auf dem Lande fort als die Robben.
Die Echſen rutſchen zwar ſehr raſch und auch behend dahin, tragen ihre Beine aber ſehr nach auswärts
gebogen, ſodaß ihre Bewegung im Vergleiche zu der der Säugethiere ebenfalls als unbehilflich
bezeichnet werden muß. Die Schlangen endlich, die eigentlichen Kriecher unter den Kriechthieren,
bewegen ſich mit Hilfe ihrer Rippen, welche ſie gewiſſermaßen als Beine, jedenfalls als Stützen des
Leibes gebrauchen und beim Fortrutſchen wirklich in ähnlicher Weiſe wie die Beine als Hebel benutzen.
Das Schwimmen geſchieht auf ſehr verſchiedene Weiſe. Ein Kriechthier, welches ſich nicht im
Waſſer zu benehmen weiß, kennt man nicht. Viele ſcheuen dieſes Element, kaum ein einziges aber
dürfte in ihm umkommen: ſelbſt die unbehilflichen Landſchildkröten, welche wie Steine untergehen,
wiſſen ſich wieder auf das Land zu helfen, da ſie nöthigenfalls auf dem Grunde des Gewäſſers fort-
laufen, bis ſie ihr Wohngebiet wieder erreicht haben. Die Flußſchildkröten ſchwimmen mit ihren
breitruderigen Füßen und die Seeſchildkröten, Dank ihrer großen Floſſen, ganz vorzüglich, die
Krokodile hauptſächlich mittels ihres Schwanzes, welcher ein mächtiges Bewegungswerkzeug bildet
und wie ein am Stern des Bootes eingelegtes Ruder gebraucht wird, die Schlangen und Eidechſen
endlich, indem ſie ſchlängelnde Bewegungen ausführen, welche ſie überraſchend ſchnell fördern. Bei
den echten Seeſchlangen iſt der Hintertheil des Leibes zu einem Ruder geworden, befördert demgemäß
die Bewegungen ungemein; aber auch Schlangen, welche dieſes Hilfsmittels entbehren, gleiten ſehr
raſch durch die Wellen. Das geringe Athmenbedürfniß erleichtert ſelbſt denen, welche dem Lande
angehören, einen längeren Aufenthalt im Waſſer.
Sehr geſchickt zeigen ſich viele Kriechthiere im Klettern. Gewiſſe Eidechſen und Verwandte
rennen an den glätteſten Bäumen ebenſo ſchnell empor als andere auf dem Boden fort. Nicht wenige
beſitzen äußerſt paſſende Werkzeuge zum Klettern in ihren langen, ſichelartig gekrümmten Krallen,
oder aber in den ſcheibenförmig verbreiterten, unten gefurchten Zehen, welche es ihnen ſogar geſtatten,
ſich wie Fliegen an der unteren Seite wagrechter Aeſte oder Flächen überhaupt feſtzuhalten und hier
mit aller Sicherheit umherzulaufen. Die Schlangen klettern genau in derſelben Weiſe, in welcher ſie
gehen oder ſchwimmen: ſie fördern ſich durch ihre ſchlängelnden Bewegungen und klemmen ſich beim
Emporſteigen mit ihren beweglichen Rippen ſo feſt in die Unebenheiten der Baumſchale ein, daß ſie
gegen ein unwillkürliches Herabrutſchen vollkommen geſichert ſind.
Noch ungünſtiger für das Leben der Kriechthiere erſcheinen uns die unwillkürlichen Bewegungen
ihres Körpers. Die Thätigkeit des Athmens und der Kreislauf des Blutes iſt bei ihnen höchſt
unregelmäßig und unvollkommen; der Blutumlauf ſteht zwar ebenfalls noch in Verbindung mit dem
Athmen, iſt aber doch von dieſem viel unabhängiger als bei den höheren Wirbelthieren. Alle Kriech-
thiere athmen langſam und können friſche Luft ſehr lange Zeit entbehren; ihr Athemholen geſchieht
auch mit größerer Willkür als bei den warmblütigen Thieren: ſie pumpen ſich die große Lunge
gelegentlich voll und entleeren die eingeathmete Luft langſam wieder. Das Herz ſendet, wie wir
ſahen, nur einen geringen Theil des Blutes zur Reinigung nach den Lungen, und das angeſäuerte
Blut vermiſcht ſich vielfach mit dem kohlenſtoffhaltigen, erhöht deshalb auch die Körperwärme nicht
bedeutend über die das Thier umgebende Wärme. Hierzu kommt die verhältnißmäßig große Unab-
hängigkeit der Nervenmaſſe von dem Gehirn und die darauf ſich gründende Unempfindlichkeit, mit
welcher außerordentliche Lebenszähigkeit im Einklange ſteht. Schildkröten, welche man in Oel
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/20>, abgerufen am 16.07.2024.
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