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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Anakonda.
welche Bates untersuchte, war 21 Fuß lang und hatte in der Leibesmitte einen Umfang von 2 Fuß.
Schomburgk erzählt, daß er mehrere von 14 bis 16 Fuß erlegt habe, und auch die Angaben des
Prinzen stimmen hiermit überein. Ob nun wirklich einzelne uralte Stücke getödtet worden sind,
welche 30 und 40 Fuß lang waren, wie die drei genannten Naturforscher von glaubwürdigen Zeugen
erzählen hörten, bleibt fraglich und für mich zweifelhaft, weil ich auf derartige Schätzungen unkundiger
Leute, und wenn ich auch von ihrer Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe überzeugt bin, kein Gewicht zu
legen vermag; immerhin aber steht soviel fest, daß die Anakonda eine gewaltige, achtunggebietende
Schlange ist.

"Alle Nachrichten und Namen", sagt der Prinz, "welche auf einen Aufenthalt in oder an dem
Wasser deuten, beziehen sich auf diese Art; denn sie lebt meistens im Wasser und kann sehr lange in
der Tiefe desselben aushalten, kommt aber oft an die Ufer auf alte Baumstämme, Felsenstücke oder
auf den erhitzten Sand, um sich daselbst zu sonnen oder ihren Raub zu verzehren. Sie läßt sich im
Flusse von dem Strome treiben, fischt daselbst oder legt sich auf ein Felsenstück auf die Lauer, um den
Wasserschweinen, Agutis, Pakkas und ähnlichen Thieren nachzustellen.... Jm Flusse Belmonte
hatten meine Jäger die vier Füße eines Säugethieres hervorblicken sehen, welche sie für ein todtes
Schwein hielten; als sie aber näher hinzukamen, entdeckten sie eine riesenhafte Schlange, welche ein
großes Wasserschwein in mehreren Windungen umschlungen und getödtet hatte. Sie brannten augen-
blicklich zwei Flintenschüsse nach dem Unthiere ab, und der Botokude schoß ihm einen Pfeil in den
Leib. Nunmehr erst verließ es seinen Raub und schoß, der Verwundung ungeachtet, schnell davon,
als ob ihm Nichts widerfahren wäre. Meine Leute fischten das noch frische, eben erst erstickte Wasser-
schwein auf und kehrten zurück, um mir Nachricht von dem Vorfalle zu geben. Da es mir äußerst
wichtig war, die merkwürdige Schlange zu erhalten, sandte ich die Jäger sogleich wieder aus, um sie
zu suchen; alle angewandte Mühe war jedoch fruchtlos. Die Schrote hatten im Wasser ihre Kraft
verloren, und den Pfeil fand man zerbrochen am Ufer, wo ihn die Schlange abgestreift hatte." Die
Anakonda nährt sich zwar von verschiedenartigen Wirbelthieren, besonders aber von Fischen, deren
Ueberreste man in dem Magen findet. Sie lebt viel auf dem Grunde des Wassers, liegt ruhend in
Wasservertiefungen und zeigt höchstens den Kopf über der Oberfläche, vonhieraus die Ufer beobachtend,
oder treibt mit der Strömung schwimmend den Fluß hinab, jeglicher Art von Beute gewärtig. Den
Anwohnern macht sie sich durch ihre Räubereien sehr verhaßt: Schomburgk erlegte eine in der
Nähe einer Pflanzung, welche eben eine der großen, zahmen Bisamenten ergriffen und bereits erdrückt
hatte, und erfuhr gelegentlich seines Besuches in einer Pflanzung, daß sie sich zuweilen auch an vier-
füßigen Hausthieren, beispielsweise Schweinen vergreift. Andere Forscher bestätigen seine Angaben.
"Während wir", erzählt Bates, "im Hafen von Antonio Malagueita vor Anker lagen, erhielten
wir unwillkommenen Besuch. Ein starker Schlag an den Seiten meines Bootes, auf welchem das
Geräusch eines ins Wasser fallenden, gewichtigen Körpers folgte, erweckte mich um Mitternacht.
Jch stand eilends auf, um zu sehen, was es gegeben; doch war bereits Alles wieder ruhig geworden,
und nur die Hühner in unserm Vorrathskorbe, welchen man an einer Seite des Schiffes, etwa zwei
Fuß über dem Wasser angebunden hatte, waren unruhig und gackerten. Jch konnte mir Dies nicht
erklären; meine Leute waren aber am Ufer: ich kehrte also in die Kajüte zurück und schlief bis zum
nächsten Morgen. Beim Erwachen fand ich die Hühnergesellschaft auf dem Boote umherlaufen und,
bei näherer Untersuchung, in dem Hühnerkorbe einen großen Riß. Ein Paar Hühner fehlte.
Senhor Antonio verdächtigte als den Räuber eine Anakonda, welche, wie er sagte, vor einigen
Monaten in diesem Theile des Flusses gejagt und eine Menge von Enten und Hühnern weggeraubt
hatte. Anfänglich war ich geneigt, seine Angabe zu bezweifeln und eher an einen Alligator zu
denken, obgleich wir seit einiger Zeit keine derartige Panzerechsen im Strome gesehen hatten; einige
Tage später aber wurde ich von der Wahrheit der Aussage Antonios hinlänglich überzeugt. Die
jungen Leute der verschiedenen Ansiedelungen vereinigten sich zu einer Jagd auf das Raubthier,
begannen in regelrechter Weise ihre Verfolgung, untersuchten alle kleinen Jnselchen zu beiden Seiten

Anakonda.
welche Bates unterſuchte, war 21 Fuß lang und hatte in der Leibesmitte einen Umfang von 2 Fuß.
Schomburgk erzählt, daß er mehrere von 14 bis 16 Fuß erlegt habe, und auch die Angaben des
Prinzen ſtimmen hiermit überein. Ob nun wirklich einzelne uralte Stücke getödtet worden ſind,
welche 30 und 40 Fuß lang waren, wie die drei genannten Naturforſcher von glaubwürdigen Zeugen
erzählen hörten, bleibt fraglich und für mich zweifelhaft, weil ich auf derartige Schätzungen unkundiger
Leute, und wenn ich auch von ihrer Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe überzeugt bin, kein Gewicht zu
legen vermag; immerhin aber ſteht ſoviel feſt, daß die Anakonda eine gewaltige, achtunggebietende
Schlange iſt.

„Alle Nachrichten und Namen“, ſagt der Prinz, „welche auf einen Aufenthalt in oder an dem
Waſſer deuten, beziehen ſich auf dieſe Art; denn ſie lebt meiſtens im Waſſer und kann ſehr lange in
der Tiefe deſſelben aushalten, kommt aber oft an die Ufer auf alte Baumſtämme, Felſenſtücke oder
auf den erhitzten Sand, um ſich daſelbſt zu ſonnen oder ihren Raub zu verzehren. Sie läßt ſich im
Fluſſe von dem Strome treiben, fiſcht daſelbſt oder legt ſich auf ein Felſenſtück auf die Lauer, um den
Waſſerſchweinen, Agutis, Pakkas und ähnlichen Thieren nachzuſtellen.... Jm Fluſſe Belmonte
hatten meine Jäger die vier Füße eines Säugethieres hervorblicken ſehen, welche ſie für ein todtes
Schwein hielten; als ſie aber näher hinzukamen, entdeckten ſie eine rieſenhafte Schlange, welche ein
großes Waſſerſchwein in mehreren Windungen umſchlungen und getödtet hatte. Sie brannten augen-
blicklich zwei Flintenſchüſſe nach dem Unthiere ab, und der Botokude ſchoß ihm einen Pfeil in den
Leib. Nunmehr erſt verließ es ſeinen Raub und ſchoß, der Verwundung ungeachtet, ſchnell davon,
als ob ihm Nichts widerfahren wäre. Meine Leute fiſchten das noch friſche, eben erſt erſtickte Waſſer-
ſchwein auf und kehrten zurück, um mir Nachricht von dem Vorfalle zu geben. Da es mir äußerſt
wichtig war, die merkwürdige Schlange zu erhalten, ſandte ich die Jäger ſogleich wieder aus, um ſie
zu ſuchen; alle angewandte Mühe war jedoch fruchtlos. Die Schrote hatten im Waſſer ihre Kraft
verloren, und den Pfeil fand man zerbrochen am Ufer, wo ihn die Schlange abgeſtreift hatte.“ Die
Anakonda nährt ſich zwar von verſchiedenartigen Wirbelthieren, beſonders aber von Fiſchen, deren
Ueberreſte man in dem Magen findet. Sie lebt viel auf dem Grunde des Waſſers, liegt ruhend in
Waſſervertiefungen und zeigt höchſtens den Kopf über der Oberfläche, vonhieraus die Ufer beobachtend,
oder treibt mit der Strömung ſchwimmend den Fluß hinab, jeglicher Art von Beute gewärtig. Den
Anwohnern macht ſie ſich durch ihre Räubereien ſehr verhaßt: Schomburgk erlegte eine in der
Nähe einer Pflanzung, welche eben eine der großen, zahmen Biſamenten ergriffen und bereits erdrückt
hatte, und erfuhr gelegentlich ſeines Beſuches in einer Pflanzung, daß ſie ſich zuweilen auch an vier-
füßigen Hausthieren, beiſpielsweiſe Schweinen vergreift. Andere Forſcher beſtätigen ſeine Angaben.
„Während wir“, erzählt Bates, „im Hafen von Antonio Malagueita vor Anker lagen, erhielten
wir unwillkommenen Beſuch. Ein ſtarker Schlag an den Seiten meines Bootes, auf welchem das
Geräuſch eines ins Waſſer fallenden, gewichtigen Körpers folgte, erweckte mich um Mitternacht.
Jch ſtand eilends auf, um zu ſehen, was es gegeben; doch war bereits Alles wieder ruhig geworden,
und nur die Hühner in unſerm Vorrathskorbe, welchen man an einer Seite des Schiffes, etwa zwei
Fuß über dem Waſſer angebunden hatte, waren unruhig und gackerten. Jch konnte mir Dies nicht
erklären; meine Leute waren aber am Ufer: ich kehrte alſo in die Kajüte zurück und ſchlief bis zum
nächſten Morgen. Beim Erwachen fand ich die Hühnergeſellſchaft auf dem Boote umherlaufen und,
bei näherer Unterſuchung, in dem Hühnerkorbe einen großen Riß. Ein Paar Hühner fehlte.
Senhor Antonio verdächtigte als den Räuber eine Anakonda, welche, wie er ſagte, vor einigen
Monaten in dieſem Theile des Fluſſes gejagt und eine Menge von Enten und Hühnern weggeraubt
hatte. Anfänglich war ich geneigt, ſeine Angabe zu bezweifeln und eher an einen Alligator zu
denken, obgleich wir ſeit einiger Zeit keine derartige Panzerechſen im Strome geſehen hatten; einige
Tage ſpäter aber wurde ich von der Wahrheit der Ausſage Antonios hinlänglich überzeugt. Die
jungen Leute der verſchiedenen Anſiedelungen vereinigten ſich zu einer Jagd auf das Raubthier,
begannen in regelrechter Weiſe ihre Verfolgung, unterſuchten alle kleinen Jnſelchen zu beiden Seiten

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[201/0223] Anakonda. welche Bates unterſuchte, war 21 Fuß lang und hatte in der Leibesmitte einen Umfang von 2 Fuß. Schomburgk erzählt, daß er mehrere von 14 bis 16 Fuß erlegt habe, und auch die Angaben des Prinzen ſtimmen hiermit überein. Ob nun wirklich einzelne uralte Stücke getödtet worden ſind, welche 30 und 40 Fuß lang waren, wie die drei genannten Naturforſcher von glaubwürdigen Zeugen erzählen hörten, bleibt fraglich und für mich zweifelhaft, weil ich auf derartige Schätzungen unkundiger Leute, und wenn ich auch von ihrer Ehrlichkeit und Wahrheitsliebe überzeugt bin, kein Gewicht zu legen vermag; immerhin aber ſteht ſoviel feſt, daß die Anakonda eine gewaltige, achtunggebietende Schlange iſt. „Alle Nachrichten und Namen“, ſagt der Prinz, „welche auf einen Aufenthalt in oder an dem Waſſer deuten, beziehen ſich auf dieſe Art; denn ſie lebt meiſtens im Waſſer und kann ſehr lange in der Tiefe deſſelben aushalten, kommt aber oft an die Ufer auf alte Baumſtämme, Felſenſtücke oder auf den erhitzten Sand, um ſich daſelbſt zu ſonnen oder ihren Raub zu verzehren. Sie läßt ſich im Fluſſe von dem Strome treiben, fiſcht daſelbſt oder legt ſich auf ein Felſenſtück auf die Lauer, um den Waſſerſchweinen, Agutis, Pakkas und ähnlichen Thieren nachzuſtellen.... Jm Fluſſe Belmonte hatten meine Jäger die vier Füße eines Säugethieres hervorblicken ſehen, welche ſie für ein todtes Schwein hielten; als ſie aber näher hinzukamen, entdeckten ſie eine rieſenhafte Schlange, welche ein großes Waſſerſchwein in mehreren Windungen umſchlungen und getödtet hatte. Sie brannten augen- blicklich zwei Flintenſchüſſe nach dem Unthiere ab, und der Botokude ſchoß ihm einen Pfeil in den Leib. Nunmehr erſt verließ es ſeinen Raub und ſchoß, der Verwundung ungeachtet, ſchnell davon, als ob ihm Nichts widerfahren wäre. Meine Leute fiſchten das noch friſche, eben erſt erſtickte Waſſer- ſchwein auf und kehrten zurück, um mir Nachricht von dem Vorfalle zu geben. Da es mir äußerſt wichtig war, die merkwürdige Schlange zu erhalten, ſandte ich die Jäger ſogleich wieder aus, um ſie zu ſuchen; alle angewandte Mühe war jedoch fruchtlos. Die Schrote hatten im Waſſer ihre Kraft verloren, und den Pfeil fand man zerbrochen am Ufer, wo ihn die Schlange abgeſtreift hatte.“ Die Anakonda nährt ſich zwar von verſchiedenartigen Wirbelthieren, beſonders aber von Fiſchen, deren Ueberreſte man in dem Magen findet. Sie lebt viel auf dem Grunde des Waſſers, liegt ruhend in Waſſervertiefungen und zeigt höchſtens den Kopf über der Oberfläche, vonhieraus die Ufer beobachtend, oder treibt mit der Strömung ſchwimmend den Fluß hinab, jeglicher Art von Beute gewärtig. Den Anwohnern macht ſie ſich durch ihre Räubereien ſehr verhaßt: Schomburgk erlegte eine in der Nähe einer Pflanzung, welche eben eine der großen, zahmen Biſamenten ergriffen und bereits erdrückt hatte, und erfuhr gelegentlich ſeines Beſuches in einer Pflanzung, daß ſie ſich zuweilen auch an vier- füßigen Hausthieren, beiſpielsweiſe Schweinen vergreift. Andere Forſcher beſtätigen ſeine Angaben. „Während wir“, erzählt Bates, „im Hafen von Antonio Malagueita vor Anker lagen, erhielten wir unwillkommenen Beſuch. Ein ſtarker Schlag an den Seiten meines Bootes, auf welchem das Geräuſch eines ins Waſſer fallenden, gewichtigen Körpers folgte, erweckte mich um Mitternacht. Jch ſtand eilends auf, um zu ſehen, was es gegeben; doch war bereits Alles wieder ruhig geworden, und nur die Hühner in unſerm Vorrathskorbe, welchen man an einer Seite des Schiffes, etwa zwei Fuß über dem Waſſer angebunden hatte, waren unruhig und gackerten. Jch konnte mir Dies nicht erklären; meine Leute waren aber am Ufer: ich kehrte alſo in die Kajüte zurück und ſchlief bis zum nächſten Morgen. Beim Erwachen fand ich die Hühnergeſellſchaft auf dem Boote umherlaufen und, bei näherer Unterſuchung, in dem Hühnerkorbe einen großen Riß. Ein Paar Hühner fehlte. Senhor Antonio verdächtigte als den Räuber eine Anakonda, welche, wie er ſagte, vor einigen Monaten in dieſem Theile des Fluſſes gejagt und eine Menge von Enten und Hühnern weggeraubt hatte. Anfänglich war ich geneigt, ſeine Angabe zu bezweifeln und eher an einen Alligator zu denken, obgleich wir ſeit einiger Zeit keine derartige Panzerechſen im Strome geſehen hatten; einige Tage ſpäter aber wurde ich von der Wahrheit der Ausſage Antonios hinlänglich überzeugt. Die jungen Leute der verſchiedenen Anſiedelungen vereinigten ſich zu einer Jagd auf das Raubthier, begannen in regelrechter Weiſe ihre Verfolgung, unterſuchten alle kleinen Jnſelchen zu beiden Seiten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/223>, abgerufen am 22.12.2024.