man, nach Versicherung des Prinzen von Wied, keine bedeutende Abwechslung in der Lebensart der Anakonda erwarten, und Alles, was man von ihrem Winterschlafe gesagt hat, gilt für die Wälder von Brasilien nicht; denn in den ewig wasserreichen Waldthälern des Kaiserreiches, wo sie nicht in eigentlichen Sümpfen lebt, sondern in den weiten Seen, Flüssen und Bächen, deren Ufer vom Schatten der alten Urwaldbäume abgekühlt werden, bleibt sie Winter und Sommer beweglich und lebendig. Soviel ist indessen den Vewohnern bekannt, daß sie sich in der heißen Zeit oder den Monaten Dezember, Januar und Februar mehr bewegt, mehr zeigt und mehr um sich geht, als im übrigen Theile des Jahres, da schon der Geschlechtstrieb sie erregt."
Während der Paarung soll man nach Angabe desselben Forschers, welche von Schomburgk durchaus bestätigt wird, oft ein sonderbares Brummen von der Anakonda vernehmen. Ueber die Begattung selbst, d. h. über die Zeit und die Art und Weise, in welcher sie geschieht, ist mir keine Mittheilung der Neisenden bekannt. Schomburgk sagt, daß die Jungen noch im Vauche der Mutter aus den Eiern schlüpfen, und die Anzahl der letzteren oft gegen Hundert (?) betragen soll. Als unabänderlich feststehend darf diese Angabe wohl nicht angesehen werden, da eine Anakonda der Dinter'schen Thierschaubude im Jahre 1834 am 26. Mai sechsunddreißig Eier legte, welche zwischen wollene Decken in einer Wärme von 36 Grad erhalten und bis zum 18. Juni, an welchem Tage das erste, etwa fingerdicke Junge frisch und munter auskam, wirklich gezeitigt wurden. Jm Freien scheinen sich die Jungen nach dem Auskriechen sofort ins Wasser zu begeben, aber noch längere Zeit gesellig zusammenzuhalten und auf den benachbarten Uferbäumen gemeinschaftlich zu lagern. Auch für diese Angabe ist Schomburgk Gewährsmann. "Eine große Anzahl Riesenschlangen", erzählt er, "schien die User des Flusses zu ihrem Wochenbette erwählt zu haben; denn auf den Bäumen, welche über den Fluß herüberhingen, hatte sich eine Menge von fünf bis sechs Fuß langer und ent- sprechend junger Brut gelagert. Wenn die Art an den Stamm des über den Fluß gebeugten Baumes gelegt ward und ihn zu erschüttern begann, fielen jedesmal mehrere in die Corials herab."
Wenn man ältere Reisebeschreibungen liest, wundert man sich nicht mehr, daß noch heutigentages fürchterliche Geschichten von Kämpfen zwischen Menschen und Anakondas oder anderen Riesenschlangen geglaubt werden. Stedmann beschreibt eine Jagd auf eines dieser Thiere mit sehr lebhaften Farben; ich will es von Oken ihm nacherzählen lassen. Der Reisende hatte das Fieber und lag in seiner Hängematte, als ihm die Wache berichtete, man sähe im Gebüsche des Ufers etwas Schwarzes sich bewegen, welches ein Mensch zu sein scheine. Es wurde Anker geworfen und mit einem Kahne dem Orte zugerudert. Ein Sklave erkannte, daß das Schwarze eine Riesenschlange war, und Stedmann befahl umzukehren; der Sklave aber wollte durchaus darauf losgehen, weckte dadurch Stedmann's Stolz, sodaß dieser, ungeachtet seines Uebelbefindens, mit geladener Flinte auszog, während ein Soldat noch drei andere Gewehre nachtrug. Kaum waren sie durch Schlamm und Gebüsch funfzig Schritt vorwärts gedrungen, so schrie der Sklave, daß er die Schlange sehe. Das ungeheuere Thier lag nur sechszehn Fuß entfernt unter Laubwerk, züngelte und seine Augen funkelten. Stedmann legte seine Flinte auf einen Ast, zielte, schoß, traf aber mit der Kugel nicht den Kopf, sondern den Leib. Die Schlange schlug sürchterlich um sich, sodaß das Gebüsch weggemähet wurde, steckte den Schwanz ins Wasser und warf dadurch soviel Schlamm auf seine Verfolger, daß sie an nichts Anderes dachten, als Reißaus zu nehmen und in den Kahn zu springen. Als sie wieder zu sich gekommen waren, beantragte der Sklave einen neuen Angriff. Die Schlange, meinte er, würde nach einigen Minuten wieder ruhig sein und nicht ans Verfolgen denken. Stedmann verwundete sie nochmals, aber ebenfalls nur leicht und bekam einen solchen Regen von Schlamm wie beim größten Sturme. Wiederum flüchteten die muthigen Kämpfer in den Kahn und hatten alle weitere Lust verloren; der Sklave aber ließ nicht nach. Nun schossen alle drei auf einmal und trafen sie in den Kopf. Der Neger war außer sich vor Freude, brachte ein Seil, warf der noch immer sich drehenden Schlange eine Schlinge um den Hals, und nunmehr zog man sie mit vieler Mühe ins Wasser, band sie an den Kahn und fuhr nach der Barke zurück. Sie lebte noch und schwamm wie ein Aal. Jhre
Analonda.
man, nach Verſicherung des Prinzen von Wied, keine bedeutende Abwechslung in der Lebensart der Anakonda erwarten, und Alles, was man von ihrem Winterſchlafe geſagt hat, gilt für die Wälder von Braſilien nicht; denn in den ewig waſſerreichen Waldthälern des Kaiſerreiches, wo ſie nicht in eigentlichen Sümpfen lebt, ſondern in den weiten Seen, Flüſſen und Bächen, deren Ufer vom Schatten der alten Urwaldbäume abgekühlt werden, bleibt ſie Winter und Sommer beweglich und lebendig. Soviel iſt indeſſen den Vewohnern bekannt, daß ſie ſich in der heißen Zeit oder den Monaten Dezember, Januar und Februar mehr bewegt, mehr zeigt und mehr um ſich geht, als im übrigen Theile des Jahres, da ſchon der Geſchlechtstrieb ſie erregt.“
Während der Paarung ſoll man nach Angabe deſſelben Forſchers, welche von Schomburgk durchaus beſtätigt wird, oft ein ſonderbares Brummen von der Anakonda vernehmen. Ueber die Begattung ſelbſt, d. h. über die Zeit und die Art und Weiſe, in welcher ſie geſchieht, iſt mir keine Mittheilung der Neiſenden bekannt. Schomburgk ſagt, daß die Jungen noch im Vauche der Mutter aus den Eiern ſchlüpfen, und die Anzahl der letzteren oft gegen Hundert (?) betragen ſoll. Als unabänderlich feſtſtehend darf dieſe Angabe wohl nicht angeſehen werden, da eine Anakonda der Dinter’ſchen Thierſchaubude im Jahre 1834 am 26. Mai ſechsunddreißig Eier legte, welche zwiſchen wollene Decken in einer Wärme von 36 Grad erhalten und bis zum 18. Juni, an welchem Tage das erſte, etwa fingerdicke Junge friſch und munter auskam, wirklich gezeitigt wurden. Jm Freien ſcheinen ſich die Jungen nach dem Auskriechen ſofort ins Waſſer zu begeben, aber noch längere Zeit geſellig zuſammenzuhalten und auf den benachbarten Uferbäumen gemeinſchaftlich zu lagern. Auch für dieſe Angabe iſt Schomburgk Gewährsmann. „Eine große Anzahl Rieſenſchlangen“, erzählt er, „ſchien die Uſer des Fluſſes zu ihrem Wochenbette erwählt zu haben; denn auf den Bäumen, welche über den Fluß herüberhingen, hatte ſich eine Menge von fünf bis ſechs Fuß langer und ent- ſprechend junger Brut gelagert. Wenn die Art an den Stamm des über den Fluß gebeugten Baumes gelegt ward und ihn zu erſchüttern begann, fielen jedesmal mehrere in die Corials herab.“
Wenn man ältere Reiſebeſchreibungen lieſt, wundert man ſich nicht mehr, daß noch heutigentages fürchterliche Geſchichten von Kämpfen zwiſchen Menſchen und Anakondas oder anderen Rieſenſchlangen geglaubt werden. Stedmann beſchreibt eine Jagd auf eines dieſer Thiere mit ſehr lebhaften Farben; ich will es von Oken ihm nacherzählen laſſen. Der Reiſende hatte das Fieber und lag in ſeiner Hängematte, als ihm die Wache berichtete, man ſähe im Gebüſche des Ufers etwas Schwarzes ſich bewegen, welches ein Menſch zu ſein ſcheine. Es wurde Anker geworfen und mit einem Kahne dem Orte zugerudert. Ein Sklave erkannte, daß das Schwarze eine Rieſenſchlange war, und Stedmann befahl umzukehren; der Sklave aber wollte durchaus darauf losgehen, weckte dadurch Stedmann’s Stolz, ſodaß dieſer, ungeachtet ſeines Uebelbefindens, mit geladener Flinte auszog, während ein Soldat noch drei andere Gewehre nachtrug. Kaum waren ſie durch Schlamm und Gebüſch funfzig Schritt vorwärts gedrungen, ſo ſchrie der Sklave, daß er die Schlange ſehe. Das ungeheuere Thier lag nur ſechszehn Fuß entfernt unter Laubwerk, züngelte und ſeine Augen funkelten. Stedmann legte ſeine Flinte auf einen Aſt, zielte, ſchoß, traf aber mit der Kugel nicht den Kopf, ſondern den Leib. Die Schlange ſchlug ſürchterlich um ſich, ſodaß das Gebüſch weggemähet wurde, ſteckte den Schwanz ins Waſſer und warf dadurch ſoviel Schlamm auf ſeine Verfolger, daß ſie an nichts Anderes dachten, als Reißaus zu nehmen und in den Kahn zu ſpringen. Als ſie wieder zu ſich gekommen waren, beantragte der Sklave einen neuen Angriff. Die Schlange, meinte er, würde nach einigen Minuten wieder ruhig ſein und nicht ans Verfolgen denken. Stedmann verwundete ſie nochmals, aber ebenfalls nur leicht und bekam einen ſolchen Regen von Schlamm wie beim größten Sturme. Wiederum flüchteten die muthigen Kämpfer in den Kahn und hatten alle weitere Luſt verloren; der Sklave aber ließ nicht nach. Nun ſchoſſen alle drei auf einmal und trafen ſie in den Kopf. Der Neger war außer ſich vor Freude, brachte ein Seil, warf der noch immer ſich drehenden Schlange eine Schlinge um den Hals, und nunmehr zog man ſie mit vieler Mühe ins Waſſer, band ſie an den Kahn und fuhr nach der Barke zurück. Sie lebte noch und ſchwamm wie ein Aal. Jhre
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Analonda.
man, nach Verſicherung des Prinzen von Wied, keine bedeutende Abwechslung in der Lebensart
der Anakonda erwarten, und Alles, was man von ihrem Winterſchlafe geſagt hat, gilt für die Wälder
von Braſilien nicht; denn in den ewig waſſerreichen Waldthälern des Kaiſerreiches, wo ſie nicht in
eigentlichen Sümpfen lebt, ſondern in den weiten Seen, Flüſſen und Bächen, deren Ufer vom Schatten
der alten Urwaldbäume abgekühlt werden, bleibt ſie Winter und Sommer beweglich und lebendig.
Soviel iſt indeſſen den Vewohnern bekannt, daß ſie ſich in der heißen Zeit oder den Monaten
Dezember, Januar und Februar mehr bewegt, mehr zeigt und mehr um ſich geht, als im übrigen
Theile des Jahres, da ſchon der Geſchlechtstrieb ſie erregt.“
Während der Paarung ſoll man nach Angabe deſſelben Forſchers, welche von Schomburgk
durchaus beſtätigt wird, oft ein ſonderbares Brummen von der Anakonda vernehmen. Ueber die
Begattung ſelbſt, d. h. über die Zeit und die Art und Weiſe, in welcher ſie geſchieht, iſt mir keine
Mittheilung der Neiſenden bekannt. Schomburgk ſagt, daß die Jungen noch im Vauche der
Mutter aus den Eiern ſchlüpfen, und die Anzahl der letzteren oft gegen Hundert (?) betragen ſoll.
Als unabänderlich feſtſtehend darf dieſe Angabe wohl nicht angeſehen werden, da eine Anakonda der
Dinter’ſchen Thierſchaubude im Jahre 1834 am 26. Mai ſechsunddreißig Eier legte, welche
zwiſchen wollene Decken in einer Wärme von 36 Grad erhalten und bis zum 18. Juni, an welchem
Tage das erſte, etwa fingerdicke Junge friſch und munter auskam, wirklich gezeitigt wurden. Jm
Freien ſcheinen ſich die Jungen nach dem Auskriechen ſofort ins Waſſer zu begeben, aber noch längere
Zeit geſellig zuſammenzuhalten und auf den benachbarten Uferbäumen gemeinſchaftlich zu lagern.
Auch für dieſe Angabe iſt Schomburgk Gewährsmann. „Eine große Anzahl Rieſenſchlangen“,
erzählt er, „ſchien die Uſer des Fluſſes zu ihrem Wochenbette erwählt zu haben; denn auf den Bäumen,
welche über den Fluß herüberhingen, hatte ſich eine Menge von fünf bis ſechs Fuß langer und ent-
ſprechend junger Brut gelagert. Wenn die Art an den Stamm des über den Fluß gebeugten Baumes
gelegt ward und ihn zu erſchüttern begann, fielen jedesmal mehrere in die Corials herab.“
Wenn man ältere Reiſebeſchreibungen lieſt, wundert man ſich nicht mehr, daß noch heutigentages
fürchterliche Geſchichten von Kämpfen zwiſchen Menſchen und Anakondas oder anderen Rieſenſchlangen
geglaubt werden. Stedmann beſchreibt eine Jagd auf eines dieſer Thiere mit ſehr lebhaften
Farben; ich will es von Oken ihm nacherzählen laſſen. Der Reiſende hatte das Fieber und lag in
ſeiner Hängematte, als ihm die Wache berichtete, man ſähe im Gebüſche des Ufers etwas Schwarzes
ſich bewegen, welches ein Menſch zu ſein ſcheine. Es wurde Anker geworfen und mit einem Kahne
dem Orte zugerudert. Ein Sklave erkannte, daß das Schwarze eine Rieſenſchlange war, und
Stedmann befahl umzukehren; der Sklave aber wollte durchaus darauf losgehen, weckte dadurch
Stedmann’s Stolz, ſodaß dieſer, ungeachtet ſeines Uebelbefindens, mit geladener Flinte auszog,
während ein Soldat noch drei andere Gewehre nachtrug. Kaum waren ſie durch Schlamm und
Gebüſch funfzig Schritt vorwärts gedrungen, ſo ſchrie der Sklave, daß er die Schlange ſehe. Das
ungeheuere Thier lag nur ſechszehn Fuß entfernt unter Laubwerk, züngelte und ſeine Augen funkelten.
Stedmann legte ſeine Flinte auf einen Aſt, zielte, ſchoß, traf aber mit der Kugel nicht den Kopf,
ſondern den Leib. Die Schlange ſchlug ſürchterlich um ſich, ſodaß das Gebüſch weggemähet wurde,
ſteckte den Schwanz ins Waſſer und warf dadurch ſoviel Schlamm auf ſeine Verfolger, daß ſie an
nichts Anderes dachten, als Reißaus zu nehmen und in den Kahn zu ſpringen. Als ſie wieder zu
ſich gekommen waren, beantragte der Sklave einen neuen Angriff. Die Schlange, meinte er, würde
nach einigen Minuten wieder ruhig ſein und nicht ans Verfolgen denken. Stedmann verwundete
ſie nochmals, aber ebenfalls nur leicht und bekam einen ſolchen Regen von Schlamm wie beim größten
Sturme. Wiederum flüchteten die muthigen Kämpfer in den Kahn und hatten alle weitere Luſt
verloren; der Sklave aber ließ nicht nach. Nun ſchoſſen alle drei auf einmal und trafen ſie in den
Kopf. Der Neger war außer ſich vor Freude, brachte ein Seil, warf der noch immer ſich drehenden
Schlange eine Schlinge um den Hals, und nunmehr zog man ſie mit vieler Mühe ins Waſſer, band
ſie an den Kahn und fuhr nach der Barke zurück. Sie lebte noch und ſchwamm wie ein Aal. Jhre
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/225>, abgerufen am 22.12.2024.
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