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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Paragudu. Schwarzotter.

Wie viele von den zahlreichen Unglücksfällen in Folge von Schlangenbissen, welche alljährlich
in Jndien vorkommen, auf Rechnung der Bungaren zu setzen sind, läßt sich schwer entscheiden; es
scheint jedoch, als ob andere Arten der Ordnung gefährlicher würden als jene, da nach Angabe
Tennent's die meisten Menschen dort des Nachts gebissen werden.



Oceanien beherbergt Giftschlangen, welche sich von den übrigen hauptsächlich durch die Beschup-
pung der Unterseite des Schwanzes unterscheiden und deshalb den wissenschaftlichen Namen Trime-
resurus
erhalten haben, welchen wir mit Schilderschwanz übersetzen wollen, weil sich die eigentliche
Bedeutung des Wortes "Dreitheilschwanz" doch nicht wohl verwenden läßt. Der Leib der hierher
gehörigen Schlangen ist rund und sehr lang, der Kopf ziemlich klein, der Schwanz verhältnißmäßig
lang und zugespitzt. Sehr große Schilder bekleiden den Kopf, glatte, rhombische von gleicher Größe
den Leib, dreifach verschiedene die Unterseite des Schwanzes.

Zu dieser Sippe gehört die berüchtigte Schwarzotter (Trimeresurus porphyreus), eine der
gefährlichsten und häufigsten Schlangen Neuhollands. Jhre Länge schwankt, nach Bennett, zwischen
5 bis 8 Fuß. Die Färbung der Oberseite ist ein prachtvolles, glänzendes Schwarz, die des Bauches
ein ebenso lebhastes Blaßroth. Die Giftzähne sind verhältnißmäßig schwach.

Nach übereinstimmender Ansicht aller Forscher, Beobachter und Jäger gibt es keinen Erdtheil,
ja kein Land, welches so viele Giftschlangen erzeugt als gerade Neuholland. Vier Fünftheile aller
Schlangen, welche bis jetzt in den verschiedenen Theilen dieses Festlandes gesammelt wurden, sind
giftig, und mehrere von ihnen gehören zu den gefährlichsten Arten der ganzen Ordnung. "Mag man
sich befinden, wo man will", versichert der "alte Buschmann", "in dem tiefen Walde oder in dem
dichten Haidegestrüpp, in den offenen Haiden und Brüchen, an den Ufern der Flüsse, Teiche oder
Wasserlöcher: man darf sicher sein, daß man seiner ingrimmig gehaßten Feindin, der Schwarzotter,
begegnet. Sie dringt bis in das Zelt oder die Hütte des Jägers; sie ringelt sich unter seinem Bett-
laken zusammen: -- nirgendwo ist man vor ihr sicher, und wundern muß man sich, daß nicht weit
mehr Menschen durch sie ihr Leben verlieren, als in der That der Fall." Nach den Behauptungen
desselben Beobachters, welche ungeachtet mancher Unklarheit, Glauben verdienen, halten alle Schlangen
des glücklichen Australiens Winterschlaf: sie verschwinden gegen Ende März und kommen im September
wieder zum Vorscheine. Bald nach dem Erwachen im Frühjahre paaren sie sich und beginnen
hierauf ihr Sommerleben, welches insofern etwas Eigenthümliches hat, als sie gezwungen werden,
mit der zunehmenden Hitze, welche die meisten Gewässer austrocknet, ihrer Beute nachzuwandern und
so gewissermaßen von einem Sumpfe, Teiche oder Regenstrome zum anderen zu ziehen. Die Schwarz-
otter, deren Weibchen wegen ihrer Färbung als Braunschlange oder Braunotter unter-
schieden wird, scheint die verbreitetste und häufigste von allen zu sein, mindestens öfter als die übrigen
gesehen zu werden, was wahrscheinlich in ihrem Tagleben seinen Grund hat. Jhre Bewegungen sind
schneller als die anderer Giftschlangen, da sie, falls die Beobachtungen richtig sind, nicht ganz selten
das feste Land verläßt und entweder klettert oder sich in das Wasser begibt. "Jm Sommer", sagt
gedachter Gewährsmann, "halten sich fast alle Schlangen Australiens in der Nähe des Wassers
auf, und wenn ich auf Enten anstand, habe ich sehr oft hier gesehen, daß sie zum Trinken kamen. Einst
schoß ich ein paar Enten, von denen die eine auf der entgegengesetzten Seite des Gewässers niederfiel.
Da ich keinen Hund bei mir hatte, entkleidete ich mich und schwamm auf meine Beute zu. Jm
Schwimmen erblickte ich einen Gegenstand, welchen ich zuerst für einen Stock hielt; beim Näherkommen
aber erkannte ich, daß es eine große Schwarzotter war, welche vollständig bewegungslos ihrer vollen
Länge nach ausgestreckt auf dem Wasser ruhete. Obgleich ich nur wenige Schritte an ihr vorüber-
schwamm, rührte sie sich doch nicht im geringsten; mir aber wurde durch diese Entdeckung klar, warum
die Enten zuweilen ohne scheinbare Veranlassung so unruhig werden." Diese Bemerkung hat

Paragudu. Schwarzotter.

Wie viele von den zahlreichen Unglücksfällen in Folge von Schlangenbiſſen, welche alljährlich
in Jndien vorkommen, auf Rechnung der Bungaren zu ſetzen ſind, läßt ſich ſchwer entſcheiden; es
ſcheint jedoch, als ob andere Arten der Ordnung gefährlicher würden als jene, da nach Angabe
Tennent’s die meiſten Menſchen dort des Nachts gebiſſen werden.



Oceanien beherbergt Giftſchlangen, welche ſich von den übrigen hauptſächlich durch die Beſchup-
pung der Unterſeite des Schwanzes unterſcheiden und deshalb den wiſſenſchaftlichen Namen Trime-
resurus
erhalten haben, welchen wir mit Schilderſchwanz überſetzen wollen, weil ſich die eigentliche
Bedeutung des Wortes „Dreitheilſchwanz“ doch nicht wohl verwenden läßt. Der Leib der hierher
gehörigen Schlangen iſt rund und ſehr lang, der Kopf ziemlich klein, der Schwanz verhältnißmäßig
lang und zugeſpitzt. Sehr große Schilder bekleiden den Kopf, glatte, rhombiſche von gleicher Größe
den Leib, dreifach verſchiedene die Unterſeite des Schwanzes.

Zu dieſer Sippe gehört die berüchtigte Schwarzotter (Trimeresurus porphyreus), eine der
gefährlichſten und häufigſten Schlangen Neuhollands. Jhre Länge ſchwankt, nach Bennett, zwiſchen
5 bis 8 Fuß. Die Färbung der Oberſeite iſt ein prachtvolles, glänzendes Schwarz, die des Bauches
ein ebenſo lebhaſtes Blaßroth. Die Giftzähne ſind verhältnißmäßig ſchwach.

Nach übereinſtimmender Anſicht aller Forſcher, Beobachter und Jäger gibt es keinen Erdtheil,
ja kein Land, welches ſo viele Giftſchlangen erzeugt als gerade Neuholland. Vier Fünftheile aller
Schlangen, welche bis jetzt in den verſchiedenen Theilen dieſes Feſtlandes geſammelt wurden, ſind
giftig, und mehrere von ihnen gehören zu den gefährlichſten Arten der ganzen Ordnung. „Mag man
ſich befinden, wo man will“, verſichert der „alte Buſchmann“, „in dem tiefen Walde oder in dem
dichten Haidegeſtrüpp, in den offenen Haiden und Brüchen, an den Ufern der Flüſſe, Teiche oder
Waſſerlöcher: man darf ſicher ſein, daß man ſeiner ingrimmig gehaßten Feindin, der Schwarzotter,
begegnet. Sie dringt bis in das Zelt oder die Hütte des Jägers; ſie ringelt ſich unter ſeinem Bett-
laken zuſammen: — nirgendwo iſt man vor ihr ſicher, und wundern muß man ſich, daß nicht weit
mehr Menſchen durch ſie ihr Leben verlieren, als in der That der Fall.“ Nach den Behauptungen
deſſelben Beobachters, welche ungeachtet mancher Unklarheit, Glauben verdienen, halten alle Schlangen
des glücklichen Auſtraliens Winterſchlaf: ſie verſchwinden gegen Ende März und kommen im September
wieder zum Vorſcheine. Bald nach dem Erwachen im Frühjahre paaren ſie ſich und beginnen
hierauf ihr Sommerleben, welches inſofern etwas Eigenthümliches hat, als ſie gezwungen werden,
mit der zunehmenden Hitze, welche die meiſten Gewäſſer austrocknet, ihrer Beute nachzuwandern und
ſo gewiſſermaßen von einem Sumpfe, Teiche oder Regenſtrome zum anderen zu ziehen. Die Schwarz-
otter, deren Weibchen wegen ihrer Färbung als Braunſchlange oder Braunotter unter-
ſchieden wird, ſcheint die verbreitetſte und häufigſte von allen zu ſein, mindeſtens öfter als die übrigen
geſehen zu werden, was wahrſcheinlich in ihrem Tagleben ſeinen Grund hat. Jhre Bewegungen ſind
ſchneller als die anderer Giftſchlangen, da ſie, falls die Beobachtungen richtig ſind, nicht ganz ſelten
das feſte Land verläßt und entweder klettert oder ſich in das Waſſer begibt. „Jm Sommer“, ſagt
gedachter Gewährsmann, „halten ſich faſt alle Schlangen Auſtraliens in der Nähe des Waſſers
auf, und wenn ich auf Enten anſtand, habe ich ſehr oft hier geſehen, daß ſie zum Trinken kamen. Einſt
ſchoß ich ein paar Enten, von denen die eine auf der entgegengeſetzten Seite des Gewäſſers niederfiel.
Da ich keinen Hund bei mir hatte, entkleidete ich mich und ſchwamm auf meine Beute zu. Jm
Schwimmen erblickte ich einen Gegenſtand, welchen ich zuerſt für einen Stock hielt; beim Näherkommen
aber erkannte ich, daß es eine große Schwarzotter war, welche vollſtändig bewegungslos ihrer vollen
Länge nach ausgeſtreckt auf dem Waſſer ruhete. Obgleich ich nur wenige Schritte an ihr vorüber-
ſchwamm, rührte ſie ſich doch nicht im geringſten; mir aber wurde durch dieſe Entdeckung klar, warum
die Enten zuweilen ohne ſcheinbare Veranlaſſung ſo unruhig werden.“ Dieſe Bemerkung hat

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[261/0283] Paragudu. Schwarzotter. Wie viele von den zahlreichen Unglücksfällen in Folge von Schlangenbiſſen, welche alljährlich in Jndien vorkommen, auf Rechnung der Bungaren zu ſetzen ſind, läßt ſich ſchwer entſcheiden; es ſcheint jedoch, als ob andere Arten der Ordnung gefährlicher würden als jene, da nach Angabe Tennent’s die meiſten Menſchen dort des Nachts gebiſſen werden. Oceanien beherbergt Giftſchlangen, welche ſich von den übrigen hauptſächlich durch die Beſchup- pung der Unterſeite des Schwanzes unterſcheiden und deshalb den wiſſenſchaftlichen Namen Trime- resurus erhalten haben, welchen wir mit Schilderſchwanz überſetzen wollen, weil ſich die eigentliche Bedeutung des Wortes „Dreitheilſchwanz“ doch nicht wohl verwenden läßt. Der Leib der hierher gehörigen Schlangen iſt rund und ſehr lang, der Kopf ziemlich klein, der Schwanz verhältnißmäßig lang und zugeſpitzt. Sehr große Schilder bekleiden den Kopf, glatte, rhombiſche von gleicher Größe den Leib, dreifach verſchiedene die Unterſeite des Schwanzes. Zu dieſer Sippe gehört die berüchtigte Schwarzotter (Trimeresurus porphyreus), eine der gefährlichſten und häufigſten Schlangen Neuhollands. Jhre Länge ſchwankt, nach Bennett, zwiſchen 5 bis 8 Fuß. Die Färbung der Oberſeite iſt ein prachtvolles, glänzendes Schwarz, die des Bauches ein ebenſo lebhaſtes Blaßroth. Die Giftzähne ſind verhältnißmäßig ſchwach. Nach übereinſtimmender Anſicht aller Forſcher, Beobachter und Jäger gibt es keinen Erdtheil, ja kein Land, welches ſo viele Giftſchlangen erzeugt als gerade Neuholland. Vier Fünftheile aller Schlangen, welche bis jetzt in den verſchiedenen Theilen dieſes Feſtlandes geſammelt wurden, ſind giftig, und mehrere von ihnen gehören zu den gefährlichſten Arten der ganzen Ordnung. „Mag man ſich befinden, wo man will“, verſichert der „alte Buſchmann“, „in dem tiefen Walde oder in dem dichten Haidegeſtrüpp, in den offenen Haiden und Brüchen, an den Ufern der Flüſſe, Teiche oder Waſſerlöcher: man darf ſicher ſein, daß man ſeiner ingrimmig gehaßten Feindin, der Schwarzotter, begegnet. Sie dringt bis in das Zelt oder die Hütte des Jägers; ſie ringelt ſich unter ſeinem Bett- laken zuſammen: — nirgendwo iſt man vor ihr ſicher, und wundern muß man ſich, daß nicht weit mehr Menſchen durch ſie ihr Leben verlieren, als in der That der Fall.“ Nach den Behauptungen deſſelben Beobachters, welche ungeachtet mancher Unklarheit, Glauben verdienen, halten alle Schlangen des glücklichen Auſtraliens Winterſchlaf: ſie verſchwinden gegen Ende März und kommen im September wieder zum Vorſcheine. Bald nach dem Erwachen im Frühjahre paaren ſie ſich und beginnen hierauf ihr Sommerleben, welches inſofern etwas Eigenthümliches hat, als ſie gezwungen werden, mit der zunehmenden Hitze, welche die meiſten Gewäſſer austrocknet, ihrer Beute nachzuwandern und ſo gewiſſermaßen von einem Sumpfe, Teiche oder Regenſtrome zum anderen zu ziehen. Die Schwarz- otter, deren Weibchen wegen ihrer Färbung als Braunſchlange oder Braunotter unter- ſchieden wird, ſcheint die verbreitetſte und häufigſte von allen zu ſein, mindeſtens öfter als die übrigen geſehen zu werden, was wahrſcheinlich in ihrem Tagleben ſeinen Grund hat. Jhre Bewegungen ſind ſchneller als die anderer Giftſchlangen, da ſie, falls die Beobachtungen richtig ſind, nicht ganz ſelten das feſte Land verläßt und entweder klettert oder ſich in das Waſſer begibt. „Jm Sommer“, ſagt gedachter Gewährsmann, „halten ſich faſt alle Schlangen Auſtraliens in der Nähe des Waſſers auf, und wenn ich auf Enten anſtand, habe ich ſehr oft hier geſehen, daß ſie zum Trinken kamen. Einſt ſchoß ich ein paar Enten, von denen die eine auf der entgegengeſetzten Seite des Gewäſſers niederfiel. Da ich keinen Hund bei mir hatte, entkleidete ich mich und ſchwamm auf meine Beute zu. Jm Schwimmen erblickte ich einen Gegenſtand, welchen ich zuerſt für einen Stock hielt; beim Näherkommen aber erkannte ich, daß es eine große Schwarzotter war, welche vollſtändig bewegungslos ihrer vollen Länge nach ausgeſtreckt auf dem Waſſer ruhete. Obgleich ich nur wenige Schritte an ihr vorüber- ſchwamm, rührte ſie ſich doch nicht im geringſten; mir aber wurde durch dieſe Entdeckung klar, warum die Enten zuweilen ohne ſcheinbare Veranlaſſung ſo unruhig werden.“ Dieſe Bemerkung hat

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/283>, abgerufen am 22.12.2024.