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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Jndische Brillenschlange.
seiner Erfindung den Stempel der Wahrhaftigkeit aufzudrücken. Dies wird das Körnlein Wahrheit
sein, welches in der ganzen Erzählung zu finden.

Ueber die Bißwirkung der Cobra de Capello sind von Russell, Johnson, Breton und
Anderen vielfache Versuche angestellt worden, welche die Gefährlichkeit dieser Schlange zur Genüge
darthun. Tauben starben drei bis vier, Hühner vier bis sechs, Hunde zwanzig Minuten bis
mehrere Stunden nach erhaltenem Bisse; Menschen quälten sich mehrere Stunden lang, bevor sie
erlagen. Johnson fand, daß in allen Fällen das Gift mehr und mehr von seiner tödtenden Kraft
verlor, wenn man eine und dieselbe Brillenschlange kurz nach einander verschiedene Thiere beißen ließ
und glaubt, als Ergebniß seiner Versuche aufstellen zu dürfen, daß das Gift durch Erhaltung in den
Drüsen stets an Kraft und im Verhältniß zur Wärme der Witterung an Flüssigkeit zunimmt,
ebenso, daß die Schlangen die Fähigkeit, zu tödten zu verschiedenen Zeiten in verschiedenem Grade
besitzen. Auch Breton fand, daß mehrere auf einanderfolgende Bisse an Kraft verlieren. Er ließ
eine sogenannte Wasserschlange von einer Cobra de Capello in den Schwanz beißen. Anderthalb
Stunden darauf vermochte jene die gebissene Stelle nicht mehr zu gebrauchen, wurde nach und nach
matt und starb, ohne daß sich ein anderer Zufall, als ein immerwährendes Nachluftschnappen gezeigt
hätte, nach Verlauf von zwei Stunden und funfzehn Minuten. Ein Kaninchen, welches unmittelbar
darauf von derselben Schlange in den Schenkel gebissen worden war, bekundete Lähmung und
Schwäche, bekam leichte Krämpfe und starb nach elf Minuten. Eine hierauf gebissene Taube
verendete nach siebenundzwanzig Minuten, eine zweite erst nach einer Stunde und elf Minuten, eine
dritte nach drei Stunden zweiundvierzig Minuten; eine vierte ließ keine Anzeichen der Vergiftung
mehr erkennen, und auch eine fünfte litt Nichts in Folge des Bisses. Von derselben Cobra de Capello
wurden andere Giftschlangen verwundet, ohne daß sich irgend welcher Erfolg der Giftwirkung zeigte.
Russell ließ auch ein Schwein von einer Brillenschlange beißen; dasselbe bewies sich jedoch keines-
wegs als giftfest, sondern starb eine Stunde nach dem Bisse. Die vergifteten Hunde benahmen sich
sehr verschieden. Manche waren verhältnißmäßig ruhig, zogen nur das gebissene Glied an, legten
sich dann nieder, erbrachen sich, machten vergebliche Anstrengungen, sich zu erheben und verendeten;
andere heulten entsetzlich und zitterten am ganzen Leibe, bevor sie in Betänbung fielen; andere winselten
zuerst, versuchten zu entrinnen, zeigten sich ungemein unruhig, bellten, fraßen aber noch dazwischen,
erbrachen sich, wurden endlich wüthend, versuchten mit Gewalt zu entflichen und bellten dazwischen
beständig, bis auch bei ihnen Lähmung und Schwäche eintraten. Hühner und Tauben, denen Gift,
welches man sich von Brillenschlangen verschafft hatte, durch Stiche und Schnitte beigebracht wurde,
erlitten alle Zufälle der Vergiftung und starben, wenn der Versuch wirklich geschickt ausgeführt worden
war. Bellanger, Arzt und Vorsteher des Pflanzengartens zu Pondichery, hat durch andere Versuche
dargethan, daß zwei Gran Gift der Brillenschlange auf die Oberfläche des Gehörwerkzeuges (also
wohl des Trommelfells) eines Hundes gebracht, den Tod unter sehr merkwürdigen Zufällen herbei-
führen kann, und daß das Gist, auf die Oberfläche des Auges, auf die Zunge u. s. w. geträufelt,
ebenfalls sehr schwere Zufälle nach sich zieht.

An Menschen sollen sich die Folgen des Schlangenbisses oft in anderer Weise zeigen als an
Thieren und namentlich eine leichenartige Kälte des Leibes sich bemerklich machen, während man bei
Hunden gerade das Gegentheil, einen fieberhaften Zustand, beobachtet haben will. Da in Ceylon
alljährlich mehrere Leute von Brillenschlangen gebissen werden und meistentheils auch ihr Leben
verlieren, liegen auch über den Verlauf der Krankheit vergifteter Menschen hinreichende Beobachtungen
vor. Jch will einige Fälle, welche nicht mit dem Tode endigten, hier anführen, weil ich sie für
belehrender halte als die anderen.

Eine Frau ward am unteren Theile des Fußes gebissen und zehn Stunden später von Duffin
besucht. Sie hatte das Seh- und Gefühlsvermögen verloren; ihr Schlingen war so erschwert, daß
es unmöglich gewesen wäre, ihr auch nur das Geringste in den Magen zu bringen. Krämpfe quälten
sie nicht; aber gleich von Anfang war sie in einen Zustand von Schlaffheit versunken, welcher

Jndiſche Brillenſchlange.
ſeiner Erfindung den Stempel der Wahrhaftigkeit aufzudrücken. Dies wird das Körnlein Wahrheit
ſein, welches in der ganzen Erzählung zu finden.

Ueber die Bißwirkung der Cobra de Capello ſind von Ruſſell, Johnſon, Breton und
Anderen vielfache Verſuche angeſtellt worden, welche die Gefährlichkeit dieſer Schlange zur Genüge
darthun. Tauben ſtarben drei bis vier, Hühner vier bis ſechs, Hunde zwanzig Minuten bis
mehrere Stunden nach erhaltenem Biſſe; Menſchen quälten ſich mehrere Stunden lang, bevor ſie
erlagen. Johnſon fand, daß in allen Fällen das Gift mehr und mehr von ſeiner tödtenden Kraft
verlor, wenn man eine und dieſelbe Brillenſchlange kurz nach einander verſchiedene Thiere beißen ließ
und glaubt, als Ergebniß ſeiner Verſuche aufſtellen zu dürfen, daß das Gift durch Erhaltung in den
Drüſen ſtets an Kraft und im Verhältniß zur Wärme der Witterung an Flüſſigkeit zunimmt,
ebenſo, daß die Schlangen die Fähigkeit, zu tödten zu verſchiedenen Zeiten in verſchiedenem Grade
beſitzen. Auch Breton fand, daß mehrere auf einanderfolgende Biſſe an Kraft verlieren. Er ließ
eine ſogenannte Waſſerſchlange von einer Cobra de Capello in den Schwanz beißen. Anderthalb
Stunden darauf vermochte jene die gebiſſene Stelle nicht mehr zu gebrauchen, wurde nach und nach
matt und ſtarb, ohne daß ſich ein anderer Zufall, als ein immerwährendes Nachluftſchnappen gezeigt
hätte, nach Verlauf von zwei Stunden und funfzehn Minuten. Ein Kaninchen, welches unmittelbar
darauf von derſelben Schlange in den Schenkel gebiſſen worden war, bekundete Lähmung und
Schwäche, bekam leichte Krämpfe und ſtarb nach elf Minuten. Eine hierauf gebiſſene Taube
verendete nach ſiebenundzwanzig Minuten, eine zweite erſt nach einer Stunde und elf Minuten, eine
dritte nach drei Stunden zweiundvierzig Minuten; eine vierte ließ keine Anzeichen der Vergiftung
mehr erkennen, und auch eine fünfte litt Nichts in Folge des Biſſes. Von derſelben Cobra de Capello
wurden andere Giftſchlangen verwundet, ohne daß ſich irgend welcher Erfolg der Giftwirkung zeigte.
Ruſſell ließ auch ein Schwein von einer Brillenſchlange beißen; daſſelbe bewies ſich jedoch keines-
wegs als giftfeſt, ſondern ſtarb eine Stunde nach dem Biſſe. Die vergifteten Hunde benahmen ſich
ſehr verſchieden. Manche waren verhältnißmäßig ruhig, zogen nur das gebiſſene Glied an, legten
ſich dann nieder, erbrachen ſich, machten vergebliche Anſtrengungen, ſich zu erheben und verendeten;
andere heulten entſetzlich und zitterten am ganzen Leibe, bevor ſie in Betänbung fielen; andere winſelten
zuerſt, verſuchten zu entrinnen, zeigten ſich ungemein unruhig, bellten, fraßen aber noch dazwiſchen,
erbrachen ſich, wurden endlich wüthend, verſuchten mit Gewalt zu entflichen und bellten dazwiſchen
beſtändig, bis auch bei ihnen Lähmung und Schwäche eintraten. Hühner und Tauben, denen Gift,
welches man ſich von Brillenſchlangen verſchafft hatte, durch Stiche und Schnitte beigebracht wurde,
erlitten alle Zufälle der Vergiftung und ſtarben, wenn der Verſuch wirklich geſchickt ausgeführt worden
war. Bellanger, Arzt und Vorſteher des Pflanzengartens zu Pondichery, hat durch andere Verſuche
dargethan, daß zwei Gran Gift der Brillenſchlange auf die Oberfläche des Gehörwerkzeuges (alſo
wohl des Trommelfells) eines Hundes gebracht, den Tod unter ſehr merkwürdigen Zufällen herbei-
führen kann, und daß das Giſt, auf die Oberfläche des Auges, auf die Zunge u. ſ. w. geträufelt,
ebenfalls ſehr ſchwere Zufälle nach ſich zieht.

An Menſchen ſollen ſich die Folgen des Schlangenbiſſes oft in anderer Weiſe zeigen als an
Thieren und namentlich eine leichenartige Kälte des Leibes ſich bemerklich machen, während man bei
Hunden gerade das Gegentheil, einen fieberhaften Zuſtand, beobachtet haben will. Da in Ceylon
alljährlich mehrere Leute von Brillenſchlangen gebiſſen werden und meiſtentheils auch ihr Leben
verlieren, liegen auch über den Verlauf der Krankheit vergifteter Menſchen hinreichende Beobachtungen
vor. Jch will einige Fälle, welche nicht mit dem Tode endigten, hier anführen, weil ich ſie für
belehrender halte als die anderen.

Eine Frau ward am unteren Theile des Fußes gebiſſen und zehn Stunden ſpäter von Duffin
beſucht. Sie hatte das Seh- und Gefühlsvermögen verloren; ihr Schlingen war ſo erſchwert, daß
es unmöglich geweſen wäre, ihr auch nur das Geringſte in den Magen zu bringen. Krämpfe quälten
ſie nicht; aber gleich von Anfang war ſie in einen Zuſtand von Schlaffheit verſunken, welcher

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[271/0293] Jndiſche Brillenſchlange. ſeiner Erfindung den Stempel der Wahrhaftigkeit aufzudrücken. Dies wird das Körnlein Wahrheit ſein, welches in der ganzen Erzählung zu finden. Ueber die Bißwirkung der Cobra de Capello ſind von Ruſſell, Johnſon, Breton und Anderen vielfache Verſuche angeſtellt worden, welche die Gefährlichkeit dieſer Schlange zur Genüge darthun. Tauben ſtarben drei bis vier, Hühner vier bis ſechs, Hunde zwanzig Minuten bis mehrere Stunden nach erhaltenem Biſſe; Menſchen quälten ſich mehrere Stunden lang, bevor ſie erlagen. Johnſon fand, daß in allen Fällen das Gift mehr und mehr von ſeiner tödtenden Kraft verlor, wenn man eine und dieſelbe Brillenſchlange kurz nach einander verſchiedene Thiere beißen ließ und glaubt, als Ergebniß ſeiner Verſuche aufſtellen zu dürfen, daß das Gift durch Erhaltung in den Drüſen ſtets an Kraft und im Verhältniß zur Wärme der Witterung an Flüſſigkeit zunimmt, ebenſo, daß die Schlangen die Fähigkeit, zu tödten zu verſchiedenen Zeiten in verſchiedenem Grade beſitzen. Auch Breton fand, daß mehrere auf einanderfolgende Biſſe an Kraft verlieren. Er ließ eine ſogenannte Waſſerſchlange von einer Cobra de Capello in den Schwanz beißen. Anderthalb Stunden darauf vermochte jene die gebiſſene Stelle nicht mehr zu gebrauchen, wurde nach und nach matt und ſtarb, ohne daß ſich ein anderer Zufall, als ein immerwährendes Nachluftſchnappen gezeigt hätte, nach Verlauf von zwei Stunden und funfzehn Minuten. Ein Kaninchen, welches unmittelbar darauf von derſelben Schlange in den Schenkel gebiſſen worden war, bekundete Lähmung und Schwäche, bekam leichte Krämpfe und ſtarb nach elf Minuten. Eine hierauf gebiſſene Taube verendete nach ſiebenundzwanzig Minuten, eine zweite erſt nach einer Stunde und elf Minuten, eine dritte nach drei Stunden zweiundvierzig Minuten; eine vierte ließ keine Anzeichen der Vergiftung mehr erkennen, und auch eine fünfte litt Nichts in Folge des Biſſes. Von derſelben Cobra de Capello wurden andere Giftſchlangen verwundet, ohne daß ſich irgend welcher Erfolg der Giftwirkung zeigte. Ruſſell ließ auch ein Schwein von einer Brillenſchlange beißen; daſſelbe bewies ſich jedoch keines- wegs als giftfeſt, ſondern ſtarb eine Stunde nach dem Biſſe. Die vergifteten Hunde benahmen ſich ſehr verſchieden. Manche waren verhältnißmäßig ruhig, zogen nur das gebiſſene Glied an, legten ſich dann nieder, erbrachen ſich, machten vergebliche Anſtrengungen, ſich zu erheben und verendeten; andere heulten entſetzlich und zitterten am ganzen Leibe, bevor ſie in Betänbung fielen; andere winſelten zuerſt, verſuchten zu entrinnen, zeigten ſich ungemein unruhig, bellten, fraßen aber noch dazwiſchen, erbrachen ſich, wurden endlich wüthend, verſuchten mit Gewalt zu entflichen und bellten dazwiſchen beſtändig, bis auch bei ihnen Lähmung und Schwäche eintraten. Hühner und Tauben, denen Gift, welches man ſich von Brillenſchlangen verſchafft hatte, durch Stiche und Schnitte beigebracht wurde, erlitten alle Zufälle der Vergiftung und ſtarben, wenn der Verſuch wirklich geſchickt ausgeführt worden war. Bellanger, Arzt und Vorſteher des Pflanzengartens zu Pondichery, hat durch andere Verſuche dargethan, daß zwei Gran Gift der Brillenſchlange auf die Oberfläche des Gehörwerkzeuges (alſo wohl des Trommelfells) eines Hundes gebracht, den Tod unter ſehr merkwürdigen Zufällen herbei- führen kann, und daß das Giſt, auf die Oberfläche des Auges, auf die Zunge u. ſ. w. geträufelt, ebenfalls ſehr ſchwere Zufälle nach ſich zieht. An Menſchen ſollen ſich die Folgen des Schlangenbiſſes oft in anderer Weiſe zeigen als an Thieren und namentlich eine leichenartige Kälte des Leibes ſich bemerklich machen, während man bei Hunden gerade das Gegentheil, einen fieberhaften Zuſtand, beobachtet haben will. Da in Ceylon alljährlich mehrere Leute von Brillenſchlangen gebiſſen werden und meiſtentheils auch ihr Leben verlieren, liegen auch über den Verlauf der Krankheit vergifteter Menſchen hinreichende Beobachtungen vor. Jch will einige Fälle, welche nicht mit dem Tode endigten, hier anführen, weil ich ſie für belehrender halte als die anderen. Eine Frau ward am unteren Theile des Fußes gebiſſen und zehn Stunden ſpäter von Duffin beſucht. Sie hatte das Seh- und Gefühlsvermögen verloren; ihr Schlingen war ſo erſchwert, daß es unmöglich geweſen wäre, ihr auch nur das Geringſte in den Magen zu bringen. Krämpfe quälten ſie nicht; aber gleich von Anfang war ſie in einen Zuſtand von Schlaffheit verſunken, welcher

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/293>, abgerufen am 22.12.2024.