Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schlangen. Vipern. Hornvipern. Rauhottern.

Der erstere Theil dieser Angaben ist im wesentlichen richtig. Allerdings kommt die Hornviper
häufig vor in Afrika und namentlich in Egypten; in der That lebt sie hauptsächlich in der Wüste, über-
tages nöthigenfalls zum größten Theile im Sande verborgen, an Orten, wo sich weit und breit kein
Wasser findet; und wirklich verursacht ihr Kriechen im Sande ein hörbares Geräusch. Daß sie eine
Nachtschlange ist, hat schon Bruce vermuthet, da auch er erfahren mußte, daß sie nachts zu seinem
Lagerfeuer herangekrochen kam. Mich hat das Thier, wie oben bemerkt, oft mit Zorn und Jngrimm
erfüllt. Man muß es wissen, was es besagen will, einen Reisetag in der Wüste oder Steppe hinter

[Abbildung] Die Cerastes oder Hornschlange (Cerastes acgyptiacus). 1/2 der nat. Größe.
sich zu haben, um zu begreifen, wie sehr man die Ruhe ersehnt. Vom frühen Morgen an bis gegen
Mittag hin und von drei Uhr Nachmittag bis zu Sonnenuntergang hat man auf dem Rücken des
widerhaarigen Kamels gesessen, die ewig durstigen Lippen mit lauwarmem, stinkenden Schlauchwasser
befeuchtet, den bellenden Magen mit etwas Reis zur Ruhe gebracht, so recht eigentlich des Tages
Last und Hitze getragen und sich schon im Voraus auf das Lager im Sande gefreut: da endlich
wird der Platz bestimmt, welcher die Reisegesellschaft des Nachts beherbergen soll. Das Gepäck
wird abgeladen, eine seichte Mulde in den Sand gegraben, der Teppich darüber gebreitet, eine Pfeife
gestopft und ein hellleuchtendes Feuer angezündet. Eine behagliche Stimmung bemächtigt sich der
Gemüther; selbst der Koch, welcher noch einen dürftigen Jmbiß herzurichten beginnt, summt einige
Rhaselaht in der ewig gleichen Weise vor sich hin. Da plötzlich verstummen diese, von einem lauten

Die Schlangen. Vipern. Hornvipern. Rauhottern.

Der erſtere Theil dieſer Angaben iſt im weſentlichen richtig. Allerdings kommt die Hornviper
häufig vor in Afrika und namentlich in Egypten; in der That lebt ſie hauptſächlich in der Wüſte, über-
tages nöthigenfalls zum größten Theile im Sande verborgen, an Orten, wo ſich weit und breit kein
Waſſer findet; und wirklich verurſacht ihr Kriechen im Sande ein hörbares Geräuſch. Daß ſie eine
Nachtſchlange iſt, hat ſchon Bruce vermuthet, da auch er erfahren mußte, daß ſie nachts zu ſeinem
Lagerfeuer herangekrochen kam. Mich hat das Thier, wie oben bemerkt, oft mit Zorn und Jngrimm
erfüllt. Man muß es wiſſen, was es beſagen will, einen Reiſetag in der Wüſte oder Steppe hinter

[Abbildung] Die Ceraſtes oder Hornſchlange (Cerastes acgyptiacus). ½ der nat. Größe.
ſich zu haben, um zu begreifen, wie ſehr man die Ruhe erſehnt. Vom frühen Morgen an bis gegen
Mittag hin und von drei Uhr Nachmittag bis zu Sonnenuntergang hat man auf dem Rücken des
widerhaarigen Kamels geſeſſen, die ewig durſtigen Lippen mit lauwarmem, ſtinkenden Schlauchwaſſer
befeuchtet, den bellenden Magen mit etwas Reis zur Ruhe gebracht, ſo recht eigentlich des Tages
Laſt und Hitze getragen und ſich ſchon im Voraus auf das Lager im Sande gefreut: da endlich
wird der Platz beſtimmt, welcher die Reiſegeſellſchaft des Nachts beherbergen ſoll. Das Gepäck
wird abgeladen, eine ſeichte Mulde in den Sand gegraben, der Teppich darüber gebreitet, eine Pfeife
geſtopft und ein hellleuchtendes Feuer angezündet. Eine behagliche Stimmung bemächtigt ſich der
Gemüther; ſelbſt der Koch, welcher noch einen dürftigen Jmbiß herzurichten beginnt, ſummt einige
Rhaſelaht in der ewig gleichen Weiſe vor ſich hin. Da plötzlich verſtummen dieſe, von einem lauten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0340" n="314"/>
          <fw place="top" type="header">Die Schlangen. Vipern. Hornvipern. Rauhottern.</fw><lb/>
          <p>Der er&#x017F;tere Theil die&#x017F;er Angaben i&#x017F;t im we&#x017F;entlichen richtig. Allerdings kommt die Hornviper<lb/>
häufig vor in Afrika und namentlich in Egypten; in der That lebt &#x017F;ie haupt&#x017F;ächlich in der Wü&#x017F;te, über-<lb/>
tages nöthigenfalls zum größten Theile im Sande verborgen, an Orten, wo &#x017F;ich weit und breit kein<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er findet; und wirklich verur&#x017F;acht ihr Kriechen im Sande ein hörbares Geräu&#x017F;ch. Daß &#x017F;ie eine<lb/>
Nacht&#x017F;chlange i&#x017F;t, hat &#x017F;chon <hi rendition="#g">Bruce</hi> vermuthet, da auch er erfahren mußte, daß &#x017F;ie nachts zu &#x017F;einem<lb/>
Lagerfeuer herangekrochen kam. Mich hat das Thier, wie oben bemerkt, oft mit Zorn und Jngrimm<lb/>
erfüllt. Man muß es wi&#x017F;&#x017F;en, was es be&#x017F;agen will, einen Rei&#x017F;etag in der Wü&#x017F;te oder Steppe hinter<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Die Cera&#x017F;tes oder Horn&#x017F;chlange</hi> (<hi rendition="#aq">Cerastes acgyptiacus</hi>). ½ der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/>
&#x017F;ich zu haben, um zu begreifen, wie &#x017F;ehr man die Ruhe er&#x017F;ehnt. Vom frühen Morgen an bis gegen<lb/>
Mittag hin und von drei Uhr Nachmittag bis zu Sonnenuntergang hat man auf dem Rücken des<lb/>
widerhaarigen Kamels ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, die ewig dur&#x017F;tigen Lippen mit lauwarmem, &#x017F;tinkenden Schlauchwa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
befeuchtet, den bellenden Magen mit etwas Reis zur Ruhe gebracht, &#x017F;o recht eigentlich des Tages<lb/>
La&#x017F;t und Hitze getragen und &#x017F;ich &#x017F;chon im Voraus auf das Lager im Sande gefreut: da endlich<lb/>
wird der Platz be&#x017F;timmt, welcher die Rei&#x017F;ege&#x017F;ell&#x017F;chaft des Nachts beherbergen &#x017F;oll. Das Gepäck<lb/>
wird abgeladen, eine &#x017F;eichte Mulde in den Sand gegraben, der Teppich darüber gebreitet, eine Pfeife<lb/>
ge&#x017F;topft und ein hellleuchtendes Feuer angezündet. Eine behagliche Stimmung bemächtigt &#x017F;ich der<lb/>
Gemüther; &#x017F;elb&#x017F;t der Koch, welcher noch einen dürftigen Jmbiß herzurichten beginnt, &#x017F;ummt einige<lb/>
Rha&#x017F;elaht in der ewig gleichen Wei&#x017F;e vor &#x017F;ich hin. Da plötzlich ver&#x017F;tummen die&#x017F;e, von einem lauten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0340] Die Schlangen. Vipern. Hornvipern. Rauhottern. Der erſtere Theil dieſer Angaben iſt im weſentlichen richtig. Allerdings kommt die Hornviper häufig vor in Afrika und namentlich in Egypten; in der That lebt ſie hauptſächlich in der Wüſte, über- tages nöthigenfalls zum größten Theile im Sande verborgen, an Orten, wo ſich weit und breit kein Waſſer findet; und wirklich verurſacht ihr Kriechen im Sande ein hörbares Geräuſch. Daß ſie eine Nachtſchlange iſt, hat ſchon Bruce vermuthet, da auch er erfahren mußte, daß ſie nachts zu ſeinem Lagerfeuer herangekrochen kam. Mich hat das Thier, wie oben bemerkt, oft mit Zorn und Jngrimm erfüllt. Man muß es wiſſen, was es beſagen will, einen Reiſetag in der Wüſte oder Steppe hinter [Abbildung Die Ceraſtes oder Hornſchlange (Cerastes acgyptiacus). ½ der nat. Größe.] ſich zu haben, um zu begreifen, wie ſehr man die Ruhe erſehnt. Vom frühen Morgen an bis gegen Mittag hin und von drei Uhr Nachmittag bis zu Sonnenuntergang hat man auf dem Rücken des widerhaarigen Kamels geſeſſen, die ewig durſtigen Lippen mit lauwarmem, ſtinkenden Schlauchwaſſer befeuchtet, den bellenden Magen mit etwas Reis zur Ruhe gebracht, ſo recht eigentlich des Tages Laſt und Hitze getragen und ſich ſchon im Voraus auf das Lager im Sande gefreut: da endlich wird der Platz beſtimmt, welcher die Reiſegeſellſchaft des Nachts beherbergen ſoll. Das Gepäck wird abgeladen, eine ſeichte Mulde in den Sand gegraben, der Teppich darüber gebreitet, eine Pfeife geſtopft und ein hellleuchtendes Feuer angezündet. Eine behagliche Stimmung bemächtigt ſich der Gemüther; ſelbſt der Koch, welcher noch einen dürftigen Jmbiß herzurichten beginnt, ſummt einige Rhaſelaht in der ewig gleichen Weiſe vor ſich hin. Da plötzlich verſtummen dieſe, von einem lauten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/340
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/340>, abgerufen am 03.06.2024.