daß sie einen üblen Geruch verbreitet, ebenso wie die Aasvögel; denn sie verzehrt auch todte Thiere. Möglich, daß sie im hungerigen Zustande weniger unangenehm riecht." An Gefangenen habe ich, wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht den geringsten Geruch verspürt, und eben Dasselbe sagen auch andere Beobachter, namentlich Schinz.
Die Fortpflanzung beginnt in den ersten Frühlingsmonaten, und die Vereinigung der Geschlechter geschieht genau ebenso wie bei den Kreuzottern. "Die Begattungsweise dieser Thiere", sagt Audubon, "ist so widerlich, daß ich ihrer gar nicht gedenken würde, wäre sie nicht im höchsten Grade merkwürdig. Zu Anfang des Frühlings kriechen die Schlangen, nachdem sie ihre Haut gewechselt, glänzend im frischesten Farbenspiele und voller Leben und Feuer im Auge, hervor. Männchen und Weibchen schweifen auf den lichten, sonnigen Stellen der Hölzer umher und schlingen sich, wenn sie sich begegnen, in einander, bis zwanzig, dreißig und noch mehr zu einem scheußlichen Knäuel sich vereinigend. Dabei sind die sämmtlichen Köpfe in allen Richtungen nach außen gekehrt, die Rachen aufgerissen, und sie zischen und klappern. Jn dieser Lage bleiben sie mehrere Tage an einer und derselben Stelle liegen. Man würde sich in die größte Gefahr begeben, wollte man sich einer solchen Gruppe nähern; denn sobald sie einen Feind erblicken, lösen sich alle geschwind auf und machen Jagd auf ihn." Letzteres ist höchst wahrscheinlich nicht an Dem; das Verknäueln der begattungslustigen Thiere unterliegt keinem Zweifel, wird auch durch Geyer, welcher die Verichte der Jndianer wiedergibt, bestätigt. Die Eier werden im August gelegt, und die Jungen sprengen deren Hülle wenige Minuten später, ohne daß sich die Mutter weiter um sie bekümmert. Eine Behauptung des bereits genannten Palizot-Beauvois versucht allerdings das Gegentheil zu beweisen; aber diese Behauptung ist unwahrscheinlich. "Bei der ersten Reise", erzählt er, "welche ich im Lande der Jrokesen machte, traf ich eine Klapperschlange an, und da ich sie von Weitem bemerkt hatte, nahete ich mich so leise als möglich. Aber wie erstaunte ich, als in demselben Augenblicke, in welchem ich den Arm aufhob, um sie zu erschlagen, ich sie ihr Maul öffnen sah und zugleich fünf junge Schlangen von der Dicke einer dünnen Federspule gewahrte, welche sich darin verkrochen. Betroffen über diesen wunderbaren Anblick, zog ich mich zurück und verbarg mich hinter einem Baume. Nach wenigen Minuten, als die Schlange keine Gefahr mehr ahnte, öffnete sie den Rachen: die Jungen krochen wieder hervor; ich zeigte mich wiederum: die Jungen krochen nochmals in den Rachen, und die Mutter entfloh hierauf mit ihrem Schatze. Mehrere amerikanische Pflanzer hatten mir diese Thatsache schon früher mitgetheilt, ich hatte sie jedoch nicht glauben wollen; seitdem hat sie der Reisende Guillemard bestätigt. Sie ist wahr: man mag dagegen sagen, was man will." Der Reisende thut wohl daran, daß er die Unglaublichkeit der Geschichte von vornherein zugesteht; denn man hat bis zum heutigen Tage noch etwas Aehnliches von keiner anderen Schlange beobachtet, und es wäre gewiß im höchsten Grade auffallend, wenn die Klapperschlange von der allgemeinen Regel eine Ausnahme machen sollte. Für viel wichtiger als diese Erzählung, welche übrigens doch Gläubige gefunden hat, halte ich den auf eigener Anschauung beruhenden Bericht Geyer's über das Ausschlüpfen und Gebahren der Jungen. "Nur ein einziges Mal hatte ich Gelegenheit, das Aus- kriechen junger Klapperschlangen zu beobachten; es war im Monat August an einer verlassenen Mormonenwohnung am Missouri. Die Alte sonnte sich auf einem kleinen Plätzchen vor dem Ein- gange der Hütte und kroch bei meiner Annäherung unter die Schwelle; da aber gewahrte ich eine kleine Klapperschlange von ungefähr 6 Zoll Länge. Jch stieß mit einem Knüttel unter die Schwelle und hörte die Alte fortrasseln, sah aber nun mehrere Junge und fand, nachdem ich die Schwelle, einen großen Klotz weggewälzt, gegen vierzig Eier zwischen einigen Steinen in der trockenen Erde, von denen schon viele ausgekrochen waren. Sie hatten verschiedene Form, die Größe kleiner Tauben- eier und eine fahle Färbung. Die ganz kleinen Schlangen zeigten schon eine Beißlust, welche mich in Erstaunen setzte. Daß die Klapperschlange ihre Jungen bei Gefahr in ihrem Rachen bewahre, ist auf alle Fälle ein Jrrthum; denn hier wäre eine Gelegen- heit dazu gewesen: die Alte aber verließ ihre Jungen.
Klapperſchlange.
daß ſie einen üblen Geruch verbreitet, ebenſo wie die Aasvögel; denn ſie verzehrt auch todte Thiere. Möglich, daß ſie im hungerigen Zuſtande weniger unangenehm riecht.“ An Gefangenen habe ich, wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht den geringſten Geruch verſpürt, und eben Daſſelbe ſagen auch andere Beobachter, namentlich Schinz.
Die Fortpflanzung beginnt in den erſten Frühlingsmonaten, und die Vereinigung der Geſchlechter geſchieht genau ebenſo wie bei den Kreuzottern. „Die Begattungsweiſe dieſer Thiere“, ſagt Audubon, „iſt ſo widerlich, daß ich ihrer gar nicht gedenken würde, wäre ſie nicht im höchſten Grade merkwürdig. Zu Anfang des Frühlings kriechen die Schlangen, nachdem ſie ihre Haut gewechſelt, glänzend im friſcheſten Farbenſpiele und voller Leben und Feuer im Auge, hervor. Männchen und Weibchen ſchweifen auf den lichten, ſonnigen Stellen der Hölzer umher und ſchlingen ſich, wenn ſie ſich begegnen, in einander, bis zwanzig, dreißig und noch mehr zu einem ſcheußlichen Knäuel ſich vereinigend. Dabei ſind die ſämmtlichen Köpfe in allen Richtungen nach außen gekehrt, die Rachen aufgeriſſen, und ſie ziſchen und klappern. Jn dieſer Lage bleiben ſie mehrere Tage an einer und derſelben Stelle liegen. Man würde ſich in die größte Gefahr begeben, wollte man ſich einer ſolchen Gruppe nähern; denn ſobald ſie einen Feind erblicken, löſen ſich alle geſchwind auf und machen Jagd auf ihn.“ Letzteres iſt höchſt wahrſcheinlich nicht an Dem; das Verknäueln der begattungsluſtigen Thiere unterliegt keinem Zweifel, wird auch durch Geyer, welcher die Verichte der Jndianer wiedergibt, beſtätigt. Die Eier werden im Auguſt gelegt, und die Jungen ſprengen deren Hülle wenige Minuten ſpäter, ohne daß ſich die Mutter weiter um ſie bekümmert. Eine Behauptung des bereits genannten Palizot-Beauvois verſucht allerdings das Gegentheil zu beweiſen; aber dieſe Behauptung iſt unwahrſcheinlich. „Bei der erſten Reiſe“, erzählt er, „welche ich im Lande der Jrokeſen machte, traf ich eine Klapperſchlange an, und da ich ſie von Weitem bemerkt hatte, nahete ich mich ſo leiſe als möglich. Aber wie erſtaunte ich, als in demſelben Augenblicke, in welchem ich den Arm aufhob, um ſie zu erſchlagen, ich ſie ihr Maul öffnen ſah und zugleich fünf junge Schlangen von der Dicke einer dünnen Federſpule gewahrte, welche ſich darin verkrochen. Betroffen über dieſen wunderbaren Anblick, zog ich mich zurück und verbarg mich hinter einem Baume. Nach wenigen Minuten, als die Schlange keine Gefahr mehr ahnte, öffnete ſie den Rachen: die Jungen krochen wieder hervor; ich zeigte mich wiederum: die Jungen krochen nochmals in den Rachen, und die Mutter entfloh hierauf mit ihrem Schatze. Mehrere amerikaniſche Pflanzer hatten mir dieſe Thatſache ſchon früher mitgetheilt, ich hatte ſie jedoch nicht glauben wollen; ſeitdem hat ſie der Reiſende Guillemard beſtätigt. Sie iſt wahr: man mag dagegen ſagen, was man will.“ Der Reiſende thut wohl daran, daß er die Unglaublichkeit der Geſchichte von vornherein zugeſteht; denn man hat bis zum heutigen Tage noch etwas Aehnliches von keiner anderen Schlange beobachtet, und es wäre gewiß im höchſten Grade auffallend, wenn die Klapperſchlange von der allgemeinen Regel eine Ausnahme machen ſollte. Für viel wichtiger als dieſe Erzählung, welche übrigens doch Gläubige gefunden hat, halte ich den auf eigener Anſchauung beruhenden Bericht Geyer’s über das Ausſchlüpfen und Gebahren der Jungen. „Nur ein einziges Mal hatte ich Gelegenheit, das Aus- kriechen junger Klapperſchlangen zu beobachten; es war im Monat Auguſt an einer verlaſſenen Mormonenwohnung am Miſſouri. Die Alte ſonnte ſich auf einem kleinen Plätzchen vor dem Ein- gange der Hütte und kroch bei meiner Annäherung unter die Schwelle; da aber gewahrte ich eine kleine Klapperſchlange von ungefähr 6 Zoll Länge. Jch ſtieß mit einem Knüttel unter die Schwelle und hörte die Alte fortraſſeln, ſah aber nun mehrere Junge und fand, nachdem ich die Schwelle, einen großen Klotz weggewälzt, gegen vierzig Eier zwiſchen einigen Steinen in der trockenen Erde, von denen ſchon viele ausgekrochen waren. Sie hatten verſchiedene Form, die Größe kleiner Tauben- eier und eine fahle Färbung. Die ganz kleinen Schlangen zeigten ſchon eine Beißluſt, welche mich in Erſtaunen ſetzte. Daß die Klapperſchlange ihre Jungen bei Gefahr in ihrem Rachen bewahre, iſt auf alle Fälle ein Jrrthum; denn hier wäre eine Gelegen- heit dazu geweſen: die Alte aber verließ ihre Jungen.
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Klapperſchlange.
daß ſie einen üblen Geruch verbreitet, ebenſo wie die Aasvögel; denn ſie verzehrt auch todte Thiere.
Möglich, daß ſie im hungerigen Zuſtande weniger unangenehm riecht.“ An Gefangenen habe ich,
wie ich ausdrücklich bemerken will, nicht den geringſten Geruch verſpürt, und eben Daſſelbe ſagen
auch andere Beobachter, namentlich Schinz.
Die Fortpflanzung beginnt in den erſten Frühlingsmonaten, und die Vereinigung der Geſchlechter
geſchieht genau ebenſo wie bei den Kreuzottern. „Die Begattungsweiſe dieſer Thiere“, ſagt
Audubon, „iſt ſo widerlich, daß ich ihrer gar nicht gedenken würde, wäre ſie nicht im höchſten
Grade merkwürdig. Zu Anfang des Frühlings kriechen die Schlangen, nachdem ſie ihre Haut
gewechſelt, glänzend im friſcheſten Farbenſpiele und voller Leben und Feuer im Auge, hervor.
Männchen und Weibchen ſchweifen auf den lichten, ſonnigen Stellen der Hölzer umher und ſchlingen
ſich, wenn ſie ſich begegnen, in einander, bis zwanzig, dreißig und noch mehr zu einem ſcheußlichen
Knäuel ſich vereinigend. Dabei ſind die ſämmtlichen Köpfe in allen Richtungen nach außen gekehrt,
die Rachen aufgeriſſen, und ſie ziſchen und klappern. Jn dieſer Lage bleiben ſie mehrere Tage an
einer und derſelben Stelle liegen. Man würde ſich in die größte Gefahr begeben, wollte man ſich
einer ſolchen Gruppe nähern; denn ſobald ſie einen Feind erblicken, löſen ſich alle geſchwind auf und
machen Jagd auf ihn.“ Letzteres iſt höchſt wahrſcheinlich nicht an Dem; das Verknäueln der
begattungsluſtigen Thiere unterliegt keinem Zweifel, wird auch durch Geyer, welcher die Verichte der
Jndianer wiedergibt, beſtätigt. Die Eier werden im Auguſt gelegt, und die Jungen ſprengen deren
Hülle wenige Minuten ſpäter, ohne daß ſich die Mutter weiter um ſie bekümmert. Eine Behauptung
des bereits genannten Palizot-Beauvois verſucht allerdings das Gegentheil zu beweiſen;
aber dieſe Behauptung iſt unwahrſcheinlich. „Bei der erſten Reiſe“, erzählt er, „welche ich im Lande
der Jrokeſen machte, traf ich eine Klapperſchlange an, und da ich ſie von Weitem bemerkt hatte,
nahete ich mich ſo leiſe als möglich. Aber wie erſtaunte ich, als in demſelben Augenblicke, in welchem
ich den Arm aufhob, um ſie zu erſchlagen, ich ſie ihr Maul öffnen ſah und zugleich fünf junge
Schlangen von der Dicke einer dünnen Federſpule gewahrte, welche ſich darin verkrochen. Betroffen
über dieſen wunderbaren Anblick, zog ich mich zurück und verbarg mich hinter einem Baume. Nach
wenigen Minuten, als die Schlange keine Gefahr mehr ahnte, öffnete ſie den Rachen: die Jungen
krochen wieder hervor; ich zeigte mich wiederum: die Jungen krochen nochmals in den Rachen, und
die Mutter entfloh hierauf mit ihrem Schatze. Mehrere amerikaniſche Pflanzer hatten mir dieſe
Thatſache ſchon früher mitgetheilt, ich hatte ſie jedoch nicht glauben wollen; ſeitdem hat ſie der
Reiſende Guillemard beſtätigt. Sie iſt wahr: man mag dagegen ſagen, was man will.“ Der
Reiſende thut wohl daran, daß er die Unglaublichkeit der Geſchichte von vornherein zugeſteht; denn
man hat bis zum heutigen Tage noch etwas Aehnliches von keiner anderen Schlange beobachtet, und
es wäre gewiß im höchſten Grade auffallend, wenn die Klapperſchlange von der allgemeinen Regel
eine Ausnahme machen ſollte. Für viel wichtiger als dieſe Erzählung, welche übrigens doch
Gläubige gefunden hat, halte ich den auf eigener Anſchauung beruhenden Bericht Geyer’s über das
Ausſchlüpfen und Gebahren der Jungen. „Nur ein einziges Mal hatte ich Gelegenheit, das Aus-
kriechen junger Klapperſchlangen zu beobachten; es war im Monat Auguſt an einer verlaſſenen
Mormonenwohnung am Miſſouri. Die Alte ſonnte ſich auf einem kleinen Plätzchen vor dem Ein-
gange der Hütte und kroch bei meiner Annäherung unter die Schwelle; da aber gewahrte ich eine
kleine Klapperſchlange von ungefähr 6 Zoll Länge. Jch ſtieß mit einem Knüttel unter die Schwelle
und hörte die Alte fortraſſeln, ſah aber nun mehrere Junge und fand, nachdem ich die Schwelle,
einen großen Klotz weggewälzt, gegen vierzig Eier zwiſchen einigen Steinen in der trockenen Erde,
von denen ſchon viele ausgekrochen waren. Sie hatten verſchiedene Form, die Größe kleiner Tauben-
eier und eine fahle Färbung. Die ganz kleinen Schlangen zeigten ſchon eine Beißluſt, welche
mich in Erſtaunen ſetzte. Daß die Klapperſchlange ihre Jungen bei Gefahr in ihrem
Rachen bewahre, iſt auf alle Fälle ein Jrrthum; denn hier wäre eine Gelegen-
heit dazu geweſen: die Alte aber verließ ihre Jungen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/351>, abgerufen am 22.12.2024.
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