Jm engeren Gewahrsam gehalten, wird sie noch eher und vollständiger zahm, als wenn man ihr einen Garten zu ihrem Wohngebiete anweist. Jhre Unterhaltung verursacht kaum Schwierigkeiten, da sie keines der ihr vorgeworfenen kleinen Thiere verschmäht, falls dieses sich bewegt, und sie andererseits ohne den geringsten Schaden hungern kann. Mit gleichgroßen Artgenossen oder mit Verwandten verträgt sie sich ausgezeichnet, wie in dem Vorhergehendem zur Genüge dargethan.
Abweichend von anderen Froschlurchen verschläft die Kröte den Winter in fern vom Wasser gelegenen, trockenen Erdhöhlen. Sie verkriecht sich Ende Septembers oder anfangs Oktober in vor- gefundenen oder selbst gegrabenen Bauen, oft gesellschaftlich, schützt sich durch einen die Höhlung vorn schließenden Damm aus Erde gegen die Einwirkungen der Kälte und verharrt nun, regungslos und erstarrt, bis zum März oder April in der Winterherberge. Sie gräbt sich mit Hilfe der Hinterfüße ein und fördert sich in gleicher Weise zu Tage, anscheinend gedrängt von dem sich in ihr regenden Paarungstriebe, da sie, noch bevor sie sich wieder durchgewühlt hat, bereits zu quaken oder doch zu knurren beginnt. Sofort nach dem Verlassen ihres Winteraufenthaltes schreitet sie zur Paarung und begibt sich zu diesem Zwecke in irgend ein in der Nähe gelegenes Wasser, mit jedem, auch dem kleinsten vorlieb nehmend. Die Paarungslust gibt sich zunächst durch ein heulendes und unangenehmes Geschrei zu erkennen, welches die Männchen Tag und Nacht vernehmen lassen; währenddem erwählt sich jedes von diesen, soweit es möglich, ein Weibchen, umfaßt es in der bei Froschlurchen üblichen Weise, aber mit solcher Kraft, daß die Zehen förmlich in die Haut eingedrückt werden und von außen nicht mehr sichtbar sind, und hält es, wie sorgfältige Beobachter versichern, acht bis zehn Tage lang ununterbrochen fest, bis endlich das Eierlegen beginnt und das lange Vorspiel ein Ende nimmt. Der Laich geht in zwei Schnüren ab, von denen je eine in einem Eierstocke und bezüglich Eileiter erzeugt werden; das Eierlegen geschieht jedoch absatzweise, und das Männchen befruchtet deshalb immer einzelne Theile der Schnüre. Wenn ein Stück zu Tage gekommen, nehmen beide für kurze Zeit eine bequemere Stellung ein, indem sie zur Oberfläche des Wassers emporsteigen und hier gewissermaßen sich erholen; hierauf sinken beide wieder in die Tiefe, um ein neues Stück der Schnüre zu gebären und zu befruchten. Solches Wechselspiel wiederholen sie acht bis zehn Mal nach einander; sowie aber das letzte Stück der Eierschnüre abgegangen, verläßt das Männchen sein Weibchen, und jeder der beiden Gatten begibt sich nunmehr wieder auf das trockene Land hinaus. Die Eierschnüre haben die Dicke eines Strohhalmes, erreichen bis vier Fuß an Länge und enthalten viele Hunderte von Eiern. Noch während der Paarung werden sie von den sich hin- und her- bewegenden Eltern um Wasserpflanzen und dergleichen gewickelt und hierdurch in der Tiefe fest- gehalten; nach zwei bis drei Tagen haben sie sich merklich vergrößert, nach vier bis fünf Tagen gestreckt, am siebzehnten oder achtzehnten Tage die inzwischen entwickelten Larven die Eihäute durchbrochen, am zwanzigsten Tage auch den Schleim verlassen. Von nun an geht ihre Verwandlung in regelrechter Weise vor sich. Ende Juni's haben sich die vier Beine entwickelt, und wenn Dies geschehen, verlassen die jungen Kröten das Wasser, obgleich ihr Schwanz um diese Zeit noch nicht gänzlich eingeschrumpft ist. Von nun an führen sie das Leben ihrer Eltern. Jhr Wachsthum ist ein sehr langsames; doch sind auch sie in ihrem fünften Lebensjahre fortpflanzungsfähig. Rösel nimmt an, daß sie ihr Leben auf fünfzehn Jahre bringen können, unterschätzt die Wahrheit aber höchst wahrscheinlich bedeutend: will man doch beobachtet haben, daß einzelne Kröten sogar in der Gefangenschaft viel länger ausgehalten haben! So erzählt Pennant von einer, welche sechsund- dreißig Jahre in Gefangenschaft verbrachte und vielleicht noch länger ausgehalten haben würde, hätte nicht ein Zufall ihrem Leben ein Ende gemacht.
Die lange Lebensdauer der Kröte trägt wesentlich zu ihrer Erhaltung bei. Sie hat zwar ver- hältnißmäßig von wenigen Feinden zu leiden, da ihres Drüsensaftes halber die meisten Raubthiere, mit Ausnahme der Schlangen, es nicht wagen, sich an ihr zu vergreifen; aber die Vermehrung ist eine verhältnißmäßig schwache, weil in Folge der Unachtsamkeit der Eltern beim Austrocknen unbe- deutender Gewässer oft Tausende von Larven zu Grunde gehen. Und als der Feinde schlimmster
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Erdkröte.
Jm engeren Gewahrſam gehalten, wird ſie noch eher und vollſtändiger zahm, als wenn man ihr einen Garten zu ihrem Wohngebiete anweiſt. Jhre Unterhaltung verurſacht kaum Schwierigkeiten, da ſie keines der ihr vorgeworfenen kleinen Thiere verſchmäht, falls dieſes ſich bewegt, und ſie andererſeits ohne den geringſten Schaden hungern kann. Mit gleichgroßen Artgenoſſen oder mit Verwandten verträgt ſie ſich ausgezeichnet, wie in dem Vorhergehendem zur Genüge dargethan.
Abweichend von anderen Froſchlurchen verſchläft die Kröte den Winter in fern vom Waſſer gelegenen, trockenen Erdhöhlen. Sie verkriecht ſich Ende Septembers oder anfangs Oktober in vor- gefundenen oder ſelbſt gegrabenen Bauen, oft geſellſchaftlich, ſchützt ſich durch einen die Höhlung vorn ſchließenden Damm aus Erde gegen die Einwirkungen der Kälte und verharrt nun, regungslos und erſtarrt, bis zum März oder April in der Winterherberge. Sie gräbt ſich mit Hilfe der Hinterfüße ein und fördert ſich in gleicher Weiſe zu Tage, anſcheinend gedrängt von dem ſich in ihr regenden Paarungstriebe, da ſie, noch bevor ſie ſich wieder durchgewühlt hat, bereits zu quaken oder doch zu knurren beginnt. Sofort nach dem Verlaſſen ihres Winteraufenthaltes ſchreitet ſie zur Paarung und begibt ſich zu dieſem Zwecke in irgend ein in der Nähe gelegenes Waſſer, mit jedem, auch dem kleinſten vorlieb nehmend. Die Paarungsluſt gibt ſich zunächſt durch ein heulendes und unangenehmes Geſchrei zu erkennen, welches die Männchen Tag und Nacht vernehmen laſſen; währenddem erwählt ſich jedes von dieſen, ſoweit es möglich, ein Weibchen, umfaßt es in der bei Froſchlurchen üblichen Weiſe, aber mit ſolcher Kraft, daß die Zehen förmlich in die Haut eingedrückt werden und von außen nicht mehr ſichtbar ſind, und hält es, wie ſorgfältige Beobachter verſichern, acht bis zehn Tage lang ununterbrochen feſt, bis endlich das Eierlegen beginnt und das lange Vorſpiel ein Ende nimmt. Der Laich geht in zwei Schnüren ab, von denen je eine in einem Eierſtocke und bezüglich Eileiter erzeugt werden; das Eierlegen geſchieht jedoch abſatzweiſe, und das Männchen befruchtet deshalb immer einzelne Theile der Schnüre. Wenn ein Stück zu Tage gekommen, nehmen beide für kurze Zeit eine bequemere Stellung ein, indem ſie zur Oberfläche des Waſſers emporſteigen und hier gewiſſermaßen ſich erholen; hierauf ſinken beide wieder in die Tiefe, um ein neues Stück der Schnüre zu gebären und zu befruchten. Solches Wechſelſpiel wiederholen ſie acht bis zehn Mal nach einander; ſowie aber das letzte Stück der Eierſchnüre abgegangen, verläßt das Männchen ſein Weibchen, und jeder der beiden Gatten begibt ſich nunmehr wieder auf das trockene Land hinaus. Die Eierſchnüre haben die Dicke eines Strohhalmes, erreichen bis vier Fuß an Länge und enthalten viele Hunderte von Eiern. Noch während der Paarung werden ſie von den ſich hin- und her- bewegenden Eltern um Waſſerpflanzen und dergleichen gewickelt und hierdurch in der Tiefe feſt- gehalten; nach zwei bis drei Tagen haben ſie ſich merklich vergrößert, nach vier bis fünf Tagen geſtreckt, am ſiebzehnten oder achtzehnten Tage die inzwiſchen entwickelten Larven die Eihäute durchbrochen, am zwanzigſten Tage auch den Schleim verlaſſen. Von nun an geht ihre Verwandlung in regelrechter Weiſe vor ſich. Ende Juni’s haben ſich die vier Beine entwickelt, und wenn Dies geſchehen, verlaſſen die jungen Kröten das Waſſer, obgleich ihr Schwanz um dieſe Zeit noch nicht gänzlich eingeſchrumpft iſt. Von nun an führen ſie das Leben ihrer Eltern. Jhr Wachsthum iſt ein ſehr langſames; doch ſind auch ſie in ihrem fünften Lebensjahre fortpflanzungsfähig. Röſel nimmt an, daß ſie ihr Leben auf fünfzehn Jahre bringen können, unterſchätzt die Wahrheit aber höchſt wahrſcheinlich bedeutend: will man doch beobachtet haben, daß einzelne Kröten ſogar in der Gefangenſchaft viel länger ausgehalten haben! So erzählt Pennant von einer, welche ſechsund- dreißig Jahre in Gefangenſchaft verbrachte und vielleicht noch länger ausgehalten haben würde, hätte nicht ein Zufall ihrem Leben ein Ende gemacht.
Die lange Lebensdauer der Kröte trägt weſentlich zu ihrer Erhaltung bei. Sie hat zwar ver- hältnißmäßig von wenigen Feinden zu leiden, da ihres Drüſenſaftes halber die meiſten Raubthiere, mit Ausnahme der Schlangen, es nicht wagen, ſich an ihr zu vergreifen; aber die Vermehrung iſt eine verhältnißmäßig ſchwache, weil in Folge der Unachtſamkeit der Eltern beim Austrocknen unbe- deutender Gewäſſer oft Tauſende von Larven zu Grunde gehen. Und als der Feinde ſchlimmſter
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Erdkröte.
Jm engeren Gewahrſam gehalten, wird ſie noch eher und vollſtändiger zahm, als wenn man ihr
einen Garten zu ihrem Wohngebiete anweiſt. Jhre Unterhaltung verurſacht kaum Schwierigkeiten,
da ſie keines der ihr vorgeworfenen kleinen Thiere verſchmäht, falls dieſes ſich bewegt, und ſie
andererſeits ohne den geringſten Schaden hungern kann. Mit gleichgroßen Artgenoſſen oder mit
Verwandten verträgt ſie ſich ausgezeichnet, wie in dem Vorhergehendem zur Genüge dargethan.
Abweichend von anderen Froſchlurchen verſchläft die Kröte den Winter in fern vom Waſſer
gelegenen, trockenen Erdhöhlen. Sie verkriecht ſich Ende Septembers oder anfangs Oktober in vor-
gefundenen oder ſelbſt gegrabenen Bauen, oft geſellſchaftlich, ſchützt ſich durch einen die Höhlung vorn
ſchließenden Damm aus Erde gegen die Einwirkungen der Kälte und verharrt nun, regungslos und
erſtarrt, bis zum März oder April in der Winterherberge. Sie gräbt ſich mit Hilfe der Hinterfüße
ein und fördert ſich in gleicher Weiſe zu Tage, anſcheinend gedrängt von dem ſich in ihr regenden
Paarungstriebe, da ſie, noch bevor ſie ſich wieder durchgewühlt hat, bereits zu quaken oder doch zu
knurren beginnt. Sofort nach dem Verlaſſen ihres Winteraufenthaltes ſchreitet ſie zur Paarung und
begibt ſich zu dieſem Zwecke in irgend ein in der Nähe gelegenes Waſſer, mit jedem, auch dem kleinſten
vorlieb nehmend. Die Paarungsluſt gibt ſich zunächſt durch ein heulendes und unangenehmes
Geſchrei zu erkennen, welches die Männchen Tag und Nacht vernehmen laſſen; währenddem erwählt
ſich jedes von dieſen, ſoweit es möglich, ein Weibchen, umfaßt es in der bei Froſchlurchen üblichen
Weiſe, aber mit ſolcher Kraft, daß die Zehen förmlich in die Haut eingedrückt werden und von außen
nicht mehr ſichtbar ſind, und hält es, wie ſorgfältige Beobachter verſichern, acht bis zehn Tage lang
ununterbrochen feſt, bis endlich das Eierlegen beginnt und das lange Vorſpiel ein Ende nimmt.
Der Laich geht in zwei Schnüren ab, von denen je eine in einem Eierſtocke und bezüglich Eileiter
erzeugt werden; das Eierlegen geſchieht jedoch abſatzweiſe, und das Männchen befruchtet deshalb
immer einzelne Theile der Schnüre. Wenn ein Stück zu Tage gekommen, nehmen beide für kurze
Zeit eine bequemere Stellung ein, indem ſie zur Oberfläche des Waſſers emporſteigen und hier
gewiſſermaßen ſich erholen; hierauf ſinken beide wieder in die Tiefe, um ein neues Stück der Schnüre
zu gebären und zu befruchten. Solches Wechſelſpiel wiederholen ſie acht bis zehn Mal nach
einander; ſowie aber das letzte Stück der Eierſchnüre abgegangen, verläßt das Männchen ſein
Weibchen, und jeder der beiden Gatten begibt ſich nunmehr wieder auf das trockene Land hinaus.
Die Eierſchnüre haben die Dicke eines Strohhalmes, erreichen bis vier Fuß an Länge und enthalten
viele Hunderte von Eiern. Noch während der Paarung werden ſie von den ſich hin- und her-
bewegenden Eltern um Waſſerpflanzen und dergleichen gewickelt und hierdurch in der Tiefe feſt-
gehalten; nach zwei bis drei Tagen haben ſie ſich merklich vergrößert, nach vier bis fünf Tagen
geſtreckt, am ſiebzehnten oder achtzehnten Tage die inzwiſchen entwickelten Larven die Eihäute
durchbrochen, am zwanzigſten Tage auch den Schleim verlaſſen. Von nun an geht ihre Verwandlung
in regelrechter Weiſe vor ſich. Ende Juni’s haben ſich die vier Beine entwickelt, und wenn Dies
geſchehen, verlaſſen die jungen Kröten das Waſſer, obgleich ihr Schwanz um dieſe Zeit noch nicht
gänzlich eingeſchrumpft iſt. Von nun an führen ſie das Leben ihrer Eltern. Jhr Wachsthum iſt
ein ſehr langſames; doch ſind auch ſie in ihrem fünften Lebensjahre fortpflanzungsfähig. Röſel
nimmt an, daß ſie ihr Leben auf fünfzehn Jahre bringen können, unterſchätzt die Wahrheit aber
höchſt wahrſcheinlich bedeutend: will man doch beobachtet haben, daß einzelne Kröten ſogar in der
Gefangenſchaft viel länger ausgehalten haben! So erzählt Pennant von einer, welche ſechsund-
dreißig Jahre in Gefangenſchaft verbrachte und vielleicht noch länger ausgehalten haben würde, hätte
nicht ein Zufall ihrem Leben ein Ende gemacht.
Die lange Lebensdauer der Kröte trägt weſentlich zu ihrer Erhaltung bei. Sie hat zwar ver-
hältnißmäßig von wenigen Feinden zu leiden, da ihres Drüſenſaftes halber die meiſten Raubthiere,
mit Ausnahme der Schlangen, es nicht wagen, ſich an ihr zu vergreifen; aber die Vermehrung iſt
eine verhältnißmäßig ſchwache, weil in Folge der Unachtſamkeit der Eltern beim Austrocknen unbe-
deutender Gewäſſer oft Tauſende von Larven zu Grunde gehen. Und als der Feinde ſchlimmſter
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/431>, abgerufen am 22.12.2024.
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