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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Nutzen. Fischfang und Fischhandel.
werthes engt man die Gewässer mehr und mehr ein oder verdrängt sie gänzlich, indem man Brüche
entsumpft und Süßwasserseen austrocknet; die von Jahr zu Jahr sich mehrende Anlage von Fabriken
vergiftet einen Bach, ein Flüßchen nach dem andern; die Dampfschiffe, welche auf den größeren
Strömen auf- und niederfahren, stören die Fische und werfen eine Menge von Eiern und unbe-
hilflichen Jungen auf den Strand, wo sie rettungslos zu Grunde gehen; die Fischer vernichten, weil
es für sie keine Hegungszeit gibt, mit den kurz vor der Laichzeit gefangenen Fischen Millionen von
Eiern oder Keimen zu neuer Bevölkerung. "Dem Nahrungsstoffe gegenüber", sagt Karl Vogt,
"welcher in Gestalt von Fischen in den Gewässern umherschwimmt, stehen wir ganz auf dem Stand-
punkte des Jägers und höchstens auf demjenigen des Nomaden, der allenfalls für seine Herde
gesicherte Ruheplätze sucht, alles übrige aber dem Walten der Natur überläßt. Was diese uns ohne
weitere Anstrengung in den Gewässern liefert, beuten wir aus, sogut wir können. Jn den Süß-
gewässern legen wir höchstens Fischteiche an, in denen wir meist den Fischen es überlassen, sich ihre
Nahrung zu suchen. Unsere Gesetze in Bezug auf die Gewässer gehen nicht einmal soweit als die
Jagdgesetze, welche doch wenigstens die zeugungsfähigen Thiere in der Fortpflanzungszeit zu schützen
pflegen. Jst es nun ein Wunder, wenn bei der stets steigenden Menge der Bevölkerung nicht nur die
bezügliche Menge der Nahrungsmittel, welche das Wasser uns bieten kann, stets abnimmt, sondern
wenn sogar in Folge der vermehrten Nachstellung und des vermehrten Verbrauches die unbedingte
Menge des Stoffes sich vermindert? .... Die meisten Bestimmungen über Fischerei sind veraltet,
unzureichend, selbst geradezu verkehrt. Es gilt hier gewiß, eine fördernde Hand anzulegen und, ohne
der persönlichen Freiheit zu nahe zu treten, solche Bestimmungen zu treffen, welche die Erhaltung
einer Quelle von unschätzbarem Nahrungsstoffe besser sichert, als Dies bisher der Fall gewesen."

Jn der Neuzeit hat man nun allerdings begonnen, hier und da eine fördernde Hand anzulegen;
die bisherigen Bestimmungen aber sind noch kaum der Rede werth. Sowie es die Urväter vor
Jahrhunderten gethan, so verfährt man noch heute: man überläßt es den Fischen selbst, sich zu
vermehren, ohne daran zu denken, diese Vermehrung zu unterstützen; ja, nicht wenige von Denen,
welche die Mittel besitzen, zu fördern, betrachten es sogar als Eingriff in die Gerechtsame Gottes,
wenn es der Mensch im frevelnden Uebermuthe versucht, Das, was die Natur schlecht macht, zu
bessern. Schon vor mehr als einem Jahrhundert haben aufgeklärte deutsche Männer sich bemüht,
das Volk zu belehren, ihm die Mittel und Wege zu verständiger Fischzucht angegeben; aber erst
seitdem Franzosen, Engländer und Skandinavier Das ausgeführt, was jene ersannen, gelangte Einer
oder der Andere unserer Landsleute zu der Ansicht, daß es wohl gut sein könne, der Fischzucht größere
Aufmerksamkeit zu widmen, als bisher geschehen. Jch werde weiter unten auf diese wichtige
Angelegenheit zurückzukommen haben und darf mich also hier auf die Bemerkung beschränken, daß
die künstliche Fischzucht viel leichter, einfacher und gewinnbringender ist, als man glaubt, daß schon
jetzt mehrere allgemein verständliche und billige Werke vorliegen, welche Jedermann über sie unter-
richten können, und daß jeder Grundbesitzer, welcher über ein Gewässer verfügt, sie zu betreiben
im Stande ist.



Man kennt etwa neuntausend der Gegenwart angehörige und ungefähr zweitausend vorweltliche
Fische, da diese Wirbelthiere als die unvollkommensten von allen und als entschiedene Wasserbewohner,
früher als die höher ausgerüsteten auf der Erde erscheinen und schon unsere Urmeere bevölkern
konnten. Jn den ältesten Bildungen der Erdrinde kommen nur Knorpelfische vor, Haie und Rochen,
Schmelzschupper und eigenthümliche Panzerfische; später treten Schmelzschupper mit knöchernem
Geripp auf, an ihre Stelle aber nach und nach die Knochenfische, welche gegenwärtig den größten
Theil der Klasse ausmachen.

Brehm, Thierleben. V. 30

Nutzen. Fiſchfang und Fiſchhandel.
werthes engt man die Gewäſſer mehr und mehr ein oder verdrängt ſie gänzlich, indem man Brüche
entſumpft und Süßwaſſerſeen austrocknet; die von Jahr zu Jahr ſich mehrende Anlage von Fabriken
vergiftet einen Bach, ein Flüßchen nach dem andern; die Dampfſchiffe, welche auf den größeren
Strömen auf- und niederfahren, ſtören die Fiſche und werfen eine Menge von Eiern und unbe-
hilflichen Jungen auf den Strand, wo ſie rettungslos zu Grunde gehen; die Fiſcher vernichten, weil
es für ſie keine Hegungszeit gibt, mit den kurz vor der Laichzeit gefangenen Fiſchen Millionen von
Eiern oder Keimen zu neuer Bevölkerung. „Dem Nahrungsſtoffe gegenüber“, ſagt Karl Vogt,
„welcher in Geſtalt von Fiſchen in den Gewäſſern umherſchwimmt, ſtehen wir ganz auf dem Stand-
punkte des Jägers und höchſtens auf demjenigen des Nomaden, der allenfalls für ſeine Herde
geſicherte Ruheplätze ſucht, alles übrige aber dem Walten der Natur überläßt. Was dieſe uns ohne
weitere Anſtrengung in den Gewäſſern liefert, beuten wir aus, ſogut wir können. Jn den Süß-
gewäſſern legen wir höchſtens Fiſchteiche an, in denen wir meiſt den Fiſchen es überlaſſen, ſich ihre
Nahrung zu ſuchen. Unſere Geſetze in Bezug auf die Gewäſſer gehen nicht einmal ſoweit als die
Jagdgeſetze, welche doch wenigſtens die zeugungsfähigen Thiere in der Fortpflanzungszeit zu ſchützen
pflegen. Jſt es nun ein Wunder, wenn bei der ſtets ſteigenden Menge der Bevölkerung nicht nur die
bezügliche Menge der Nahrungsmittel, welche das Waſſer uns bieten kann, ſtets abnimmt, ſondern
wenn ſogar in Folge der vermehrten Nachſtellung und des vermehrten Verbrauches die unbedingte
Menge des Stoffes ſich vermindert? .... Die meiſten Beſtimmungen über Fiſcherei ſind veraltet,
unzureichend, ſelbſt geradezu verkehrt. Es gilt hier gewiß, eine fördernde Hand anzulegen und, ohne
der perſönlichen Freiheit zu nahe zu treten, ſolche Beſtimmungen zu treffen, welche die Erhaltung
einer Quelle von unſchätzbarem Nahrungsſtoffe beſſer ſichert, als Dies bisher der Fall geweſen.“

Jn der Neuzeit hat man nun allerdings begonnen, hier und da eine fördernde Hand anzulegen;
die bisherigen Beſtimmungen aber ſind noch kaum der Rede werth. Sowie es die Urväter vor
Jahrhunderten gethan, ſo verfährt man noch heute: man überläßt es den Fiſchen ſelbſt, ſich zu
vermehren, ohne daran zu denken, dieſe Vermehrung zu unterſtützen; ja, nicht wenige von Denen,
welche die Mittel beſitzen, zu fördern, betrachten es ſogar als Eingriff in die Gerechtſame Gottes,
wenn es der Menſch im frevelnden Uebermuthe verſucht, Das, was die Natur ſchlecht macht, zu
beſſern. Schon vor mehr als einem Jahrhundert haben aufgeklärte deutſche Männer ſich bemüht,
das Volk zu belehren, ihm die Mittel und Wege zu verſtändiger Fiſchzucht angegeben; aber erſt
ſeitdem Franzoſen, Engländer und Skandinavier Das ausgeführt, was jene erſannen, gelangte Einer
oder der Andere unſerer Landsleute zu der Anſicht, daß es wohl gut ſein könne, der Fiſchzucht größere
Aufmerkſamkeit zu widmen, als bisher geſchehen. Jch werde weiter unten auf dieſe wichtige
Angelegenheit zurückzukommen haben und darf mich alſo hier auf die Bemerkung beſchränken, daß
die künſtliche Fiſchzucht viel leichter, einfacher und gewinnbringender iſt, als man glaubt, daß ſchon
jetzt mehrere allgemein verſtändliche und billige Werke vorliegen, welche Jedermann über ſie unter-
richten können, und daß jeder Grundbeſitzer, welcher über ein Gewäſſer verfügt, ſie zu betreiben
im Stande iſt.



Man kennt etwa neuntauſend der Gegenwart angehörige und ungefähr zweitauſend vorweltliche
Fiſche, da dieſe Wirbelthiere als die unvollkommenſten von allen und als entſchiedene Waſſerbewohner,
früher als die höher ausgerüſteten auf der Erde erſcheinen und ſchon unſere Urmeere bevölkern
konnten. Jn den älteſten Bildungen der Erdrinde kommen nur Knorpelfiſche vor, Haie und Rochen,
Schmelzſchupper und eigenthümliche Panzerfiſche; ſpäter treten Schmelzſchupper mit knöchernem
Geripp auf, an ihre Stelle aber nach und nach die Knochenfiſche, welche gegenwärtig den größten
Theil der Klaſſe ausmachen.

Brehm, Thierleben. V. 30
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[465/0495] Nutzen. Fiſchfang und Fiſchhandel. werthes engt man die Gewäſſer mehr und mehr ein oder verdrängt ſie gänzlich, indem man Brüche entſumpft und Süßwaſſerſeen austrocknet; die von Jahr zu Jahr ſich mehrende Anlage von Fabriken vergiftet einen Bach, ein Flüßchen nach dem andern; die Dampfſchiffe, welche auf den größeren Strömen auf- und niederfahren, ſtören die Fiſche und werfen eine Menge von Eiern und unbe- hilflichen Jungen auf den Strand, wo ſie rettungslos zu Grunde gehen; die Fiſcher vernichten, weil es für ſie keine Hegungszeit gibt, mit den kurz vor der Laichzeit gefangenen Fiſchen Millionen von Eiern oder Keimen zu neuer Bevölkerung. „Dem Nahrungsſtoffe gegenüber“, ſagt Karl Vogt, „welcher in Geſtalt von Fiſchen in den Gewäſſern umherſchwimmt, ſtehen wir ganz auf dem Stand- punkte des Jägers und höchſtens auf demjenigen des Nomaden, der allenfalls für ſeine Herde geſicherte Ruheplätze ſucht, alles übrige aber dem Walten der Natur überläßt. Was dieſe uns ohne weitere Anſtrengung in den Gewäſſern liefert, beuten wir aus, ſogut wir können. Jn den Süß- gewäſſern legen wir höchſtens Fiſchteiche an, in denen wir meiſt den Fiſchen es überlaſſen, ſich ihre Nahrung zu ſuchen. Unſere Geſetze in Bezug auf die Gewäſſer gehen nicht einmal ſoweit als die Jagdgeſetze, welche doch wenigſtens die zeugungsfähigen Thiere in der Fortpflanzungszeit zu ſchützen pflegen. Jſt es nun ein Wunder, wenn bei der ſtets ſteigenden Menge der Bevölkerung nicht nur die bezügliche Menge der Nahrungsmittel, welche das Waſſer uns bieten kann, ſtets abnimmt, ſondern wenn ſogar in Folge der vermehrten Nachſtellung und des vermehrten Verbrauches die unbedingte Menge des Stoffes ſich vermindert? .... Die meiſten Beſtimmungen über Fiſcherei ſind veraltet, unzureichend, ſelbſt geradezu verkehrt. Es gilt hier gewiß, eine fördernde Hand anzulegen und, ohne der perſönlichen Freiheit zu nahe zu treten, ſolche Beſtimmungen zu treffen, welche die Erhaltung einer Quelle von unſchätzbarem Nahrungsſtoffe beſſer ſichert, als Dies bisher der Fall geweſen.“ Jn der Neuzeit hat man nun allerdings begonnen, hier und da eine fördernde Hand anzulegen; die bisherigen Beſtimmungen aber ſind noch kaum der Rede werth. Sowie es die Urväter vor Jahrhunderten gethan, ſo verfährt man noch heute: man überläßt es den Fiſchen ſelbſt, ſich zu vermehren, ohne daran zu denken, dieſe Vermehrung zu unterſtützen; ja, nicht wenige von Denen, welche die Mittel beſitzen, zu fördern, betrachten es ſogar als Eingriff in die Gerechtſame Gottes, wenn es der Menſch im frevelnden Uebermuthe verſucht, Das, was die Natur ſchlecht macht, zu beſſern. Schon vor mehr als einem Jahrhundert haben aufgeklärte deutſche Männer ſich bemüht, das Volk zu belehren, ihm die Mittel und Wege zu verſtändiger Fiſchzucht angegeben; aber erſt ſeitdem Franzoſen, Engländer und Skandinavier Das ausgeführt, was jene erſannen, gelangte Einer oder der Andere unſerer Landsleute zu der Anſicht, daß es wohl gut ſein könne, der Fiſchzucht größere Aufmerkſamkeit zu widmen, als bisher geſchehen. Jch werde weiter unten auf dieſe wichtige Angelegenheit zurückzukommen haben und darf mich alſo hier auf die Bemerkung beſchränken, daß die künſtliche Fiſchzucht viel leichter, einfacher und gewinnbringender iſt, als man glaubt, daß ſchon jetzt mehrere allgemein verſtändliche und billige Werke vorliegen, welche Jedermann über ſie unter- richten können, und daß jeder Grundbeſitzer, welcher über ein Gewäſſer verfügt, ſie zu betreiben im Stande iſt. Man kennt etwa neuntauſend der Gegenwart angehörige und ungefähr zweitauſend vorweltliche Fiſche, da dieſe Wirbelthiere als die unvollkommenſten von allen und als entſchiedene Waſſerbewohner, früher als die höher ausgerüſteten auf der Erde erſcheinen und ſchon unſere Urmeere bevölkern konnten. Jn den älteſten Bildungen der Erdrinde kommen nur Knorpelfiſche vor, Haie und Rochen, Schmelzſchupper und eigenthümliche Panzerfiſche; ſpäter treten Schmelzſchupper mit knöchernem Geripp auf, an ihre Stelle aber nach und nach die Knochenfiſche, welche gegenwärtig den größten Theil der Klaſſe ausmachen. Brehm, Thierleben. V. 30

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/495>, abgerufen am 23.12.2024.