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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Lungenfische. Molchfische und Kleinflosser.
Schlammfische oft nach England und zwar in diesen Kapseln. Sie liegen hier zusammengerollt, den
Schwanz theilweise über das Haupt geschlagen und derart auf einen so geringen Raum beschränkt,
daß man von dem Umfange des Schlafraumes kaum auf die Größe des Fisches schließen kann. Die
Wände der Kapsel bestehen aus gewöhnlichem Schlamm, das Jnnere aber ist mit einer schleimigen
Masse überkleidet. Wie lange der Winterschlaf währt, weiß man nicht, wohl aber soviel, daß unser
Fisch mehrere Monate lang in dem engen Gefängnisse verweilen kann, ohne Schaden zu nehmen.

Bringt man nun eine dieser Kapseln in ein Becken mit Wasser, dessen Wärme der eines mittel-
afrikanischen Gewässers ungefähr entspricht, so zeigt sich der alsbald ins Leben zurückgerufene Fisch,
dessen Umhüllung rasch sich auflöst, anfänglich außerordentlich träge, gleichsam schlaftrunken; schon
nach Verlauf einer Stunde aber ist er vollständig munter und nunmehr auch rege geworden, obwohl
er jetzt noch die dunklen Stellen seines Beckens aufsucht und sich sehr viel auf dem Grunde
desselben aufhält. Nach einigen Tagen regt sich der Hunger, und fortan macht ihn jede Bewegung
der Wasseroberfläche aufmerksam, weil er in dem Urheber der Bewegung eine Beute vermuthet.
Gewandt und zierlich, Flossen und Rückensaum abwechselnd regend, steigt er schlängelnd zur Ober-
fläche empor und sucht hier nach der Beute, nimmt auch ein ihm vorgehaltenes Thier oder ein Fleisch-
stück sofort in Empfang, verschlingt es und kehrt dann wieder zu seinem früheren Aufenthalte zurück.
Jm Kristallpalaste zu London hat man mehrere Jahre lang Schlammfische in Gefangenschaft
gehalten und ihr Betragen sehr genau beobachtet. Einer dieser Fische lebte drei Jahre und würde
länger ausgehalten haben, hätte man ihn in seinem Becken belassen können. Man fütterte ihn
anfänglich mit Fleischstücken, welche man ihm vorwarf, nachdem man durch rasche Bewegung der
Wasseroberfläche seine Aufmerksamkeit erregt hatte; später reichte man ihm Fische und Frösche zur
Nahrung. Die Fleischbissen packte er mit seinen scharfen und kräftigen Vorderzähnen, bewegte
hierauf lebhaft alle Theile seiner Schnauze, als ob er das Fleisch aussaugen wolle, biß währenddem
wiederholt kräftig zu, spie plötzlich den Bissen von sich, faßte ihn von Neuem, verfuhr wie vorher
und schlang ihn endlich hinab. Als man ihn in ein Becken brachte, welches bisher von Goldfischen
bewohnt war, begann er sofort Jagd auf diese zu machen, und zwar nicht nur auf die kleineren
Stücke, sondern auch auf solche, welche ihn an Größe übertrafen. Ungeachtet seiner langsamen
Bewegungen nämlich wußte er sich jedes Fisches zu bemächtigen, den er sich ausersehen. Aufmerksam
beobachtete er den über ihm schwimmenden Klassenverwandten, schlängelte sich zierlich von unten
herauf, bis er dicht unter dem Bauche seines Opfers angelangt war, stürzte sich plötzlich vor und
packte den unglücklichen Fisch gerade unter den Brustflossen, mit kräftigem Bisse ein entsprechendes
Stück aus dem Leibe desselben reißend. Mit diesem im Maule sank er hierauf wieder zur Tiefe
herab, während der tödtlich verwundete Fisch wenige Sekunden später entseelt auf der Wasserfläche
schwamm. Jn derselben Weise übertölpelte er auch Frösche, und so hatte er sein reich belebtes
Becken sehr bald entvölkert. Da man seiner Raubgier vollständig Genüge that, nahm er sehr schnell
an Größe und Gewicht zu: als 10 Zoll langer Fisch war er ins Becken gebracht worden, drei Jahre
später hatte er eine Länge von 21/2 Fuß und ein Gewicht von 61/4 Pfund erlangt.

Jn der Meinung, daß es ihm vielleicht nothwendig oder genehm sein möge, einen Theil des
Jahres zu verschlafen, versorgte man ihn reichlich mit passendem Lehm und Schlamm; er jedoch dachte
gar nicht daran, das Wasser, in welchem er sich augenscheinlich sehr wohl befand, zu verlassen, und
zeigte sich während der drei Jahre beständig munter und rege.



Die Lungenfiſche. Molchfiſche und Kleinfloſſer.
Schlammfiſche oft nach England und zwar in dieſen Kapſeln. Sie liegen hier zuſammengerollt, den
Schwanz theilweiſe über das Haupt geſchlagen und derart auf einen ſo geringen Raum beſchränkt,
daß man von dem Umfange des Schlafraumes kaum auf die Größe des Fiſches ſchließen kann. Die
Wände der Kapſel beſtehen aus gewöhnlichem Schlamm, das Jnnere aber iſt mit einer ſchleimigen
Maſſe überkleidet. Wie lange der Winterſchlaf währt, weiß man nicht, wohl aber ſoviel, daß unſer
Fiſch mehrere Monate lang in dem engen Gefängniſſe verweilen kann, ohne Schaden zu nehmen.

Bringt man nun eine dieſer Kapſeln in ein Becken mit Waſſer, deſſen Wärme der eines mittel-
afrikaniſchen Gewäſſers ungefähr entſpricht, ſo zeigt ſich der alsbald ins Leben zurückgerufene Fiſch,
deſſen Umhüllung raſch ſich auflöſt, anfänglich außerordentlich träge, gleichſam ſchlaftrunken; ſchon
nach Verlauf einer Stunde aber iſt er vollſtändig munter und nunmehr auch rege geworden, obwohl
er jetzt noch die dunklen Stellen ſeines Beckens aufſucht und ſich ſehr viel auf dem Grunde
deſſelben aufhält. Nach einigen Tagen regt ſich der Hunger, und fortan macht ihn jede Bewegung
der Waſſeroberfläche aufmerkſam, weil er in dem Urheber der Bewegung eine Beute vermuthet.
Gewandt und zierlich, Floſſen und Rückenſaum abwechſelnd regend, ſteigt er ſchlängelnd zur Ober-
fläche empor und ſucht hier nach der Beute, nimmt auch ein ihm vorgehaltenes Thier oder ein Fleiſch-
ſtück ſofort in Empfang, verſchlingt es und kehrt dann wieder zu ſeinem früheren Aufenthalte zurück.
Jm Kriſtallpalaſte zu London hat man mehrere Jahre lang Schlammfiſche in Gefangenſchaft
gehalten und ihr Betragen ſehr genau beobachtet. Einer dieſer Fiſche lebte drei Jahre und würde
länger ausgehalten haben, hätte man ihn in ſeinem Becken belaſſen können. Man fütterte ihn
anfänglich mit Fleiſchſtücken, welche man ihm vorwarf, nachdem man durch raſche Bewegung der
Waſſeroberfläche ſeine Aufmerkſamkeit erregt hatte; ſpäter reichte man ihm Fiſche und Fröſche zur
Nahrung. Die Fleiſchbiſſen packte er mit ſeinen ſcharfen und kräftigen Vorderzähnen, bewegte
hierauf lebhaft alle Theile ſeiner Schnauze, als ob er das Fleiſch ausſaugen wolle, biß währenddem
wiederholt kräftig zu, ſpie plötzlich den Biſſen von ſich, faßte ihn von Neuem, verfuhr wie vorher
und ſchlang ihn endlich hinab. Als man ihn in ein Becken brachte, welches bisher von Goldfiſchen
bewohnt war, begann er ſofort Jagd auf dieſe zu machen, und zwar nicht nur auf die kleineren
Stücke, ſondern auch auf ſolche, welche ihn an Größe übertrafen. Ungeachtet ſeiner langſamen
Bewegungen nämlich wußte er ſich jedes Fiſches zu bemächtigen, den er ſich auserſehen. Aufmerkſam
beobachtete er den über ihm ſchwimmenden Klaſſenverwandten, ſchlängelte ſich zierlich von unten
herauf, bis er dicht unter dem Bauche ſeines Opfers angelangt war, ſtürzte ſich plötzlich vor und
packte den unglücklichen Fiſch gerade unter den Bruſtfloſſen, mit kräftigem Biſſe ein entſprechendes
Stück aus dem Leibe deſſelben reißend. Mit dieſem im Maule ſank er hierauf wieder zur Tiefe
herab, während der tödtlich verwundete Fiſch wenige Sekunden ſpäter entſeelt auf der Waſſerfläche
ſchwamm. Jn derſelben Weiſe übertölpelte er auch Fröſche, und ſo hatte er ſein reich belebtes
Becken ſehr bald entvölkert. Da man ſeiner Raubgier vollſtändig Genüge that, nahm er ſehr ſchnell
an Größe und Gewicht zu: als 10 Zoll langer Fiſch war er ins Becken gebracht worden, drei Jahre
ſpäter hatte er eine Länge von 2½ Fuß und ein Gewicht von 6¼ Pfund erlangt.

Jn der Meinung, daß es ihm vielleicht nothwendig oder genehm ſein möge, einen Theil des
Jahres zu verſchlafen, verſorgte man ihn reichlich mit paſſendem Lehm und Schlamm; er jedoch dachte
gar nicht daran, das Waſſer, in welchem er ſich augenſcheinlich ſehr wohl befand, zu verlaſſen, und
zeigte ſich während der drei Jahre beſtändig munter und rege.



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[470/0500] Die Lungenfiſche. Molchfiſche und Kleinfloſſer. Schlammfiſche oft nach England und zwar in dieſen Kapſeln. Sie liegen hier zuſammengerollt, den Schwanz theilweiſe über das Haupt geſchlagen und derart auf einen ſo geringen Raum beſchränkt, daß man von dem Umfange des Schlafraumes kaum auf die Größe des Fiſches ſchließen kann. Die Wände der Kapſel beſtehen aus gewöhnlichem Schlamm, das Jnnere aber iſt mit einer ſchleimigen Maſſe überkleidet. Wie lange der Winterſchlaf währt, weiß man nicht, wohl aber ſoviel, daß unſer Fiſch mehrere Monate lang in dem engen Gefängniſſe verweilen kann, ohne Schaden zu nehmen. Bringt man nun eine dieſer Kapſeln in ein Becken mit Waſſer, deſſen Wärme der eines mittel- afrikaniſchen Gewäſſers ungefähr entſpricht, ſo zeigt ſich der alsbald ins Leben zurückgerufene Fiſch, deſſen Umhüllung raſch ſich auflöſt, anfänglich außerordentlich träge, gleichſam ſchlaftrunken; ſchon nach Verlauf einer Stunde aber iſt er vollſtändig munter und nunmehr auch rege geworden, obwohl er jetzt noch die dunklen Stellen ſeines Beckens aufſucht und ſich ſehr viel auf dem Grunde deſſelben aufhält. Nach einigen Tagen regt ſich der Hunger, und fortan macht ihn jede Bewegung der Waſſeroberfläche aufmerkſam, weil er in dem Urheber der Bewegung eine Beute vermuthet. Gewandt und zierlich, Floſſen und Rückenſaum abwechſelnd regend, ſteigt er ſchlängelnd zur Ober- fläche empor und ſucht hier nach der Beute, nimmt auch ein ihm vorgehaltenes Thier oder ein Fleiſch- ſtück ſofort in Empfang, verſchlingt es und kehrt dann wieder zu ſeinem früheren Aufenthalte zurück. Jm Kriſtallpalaſte zu London hat man mehrere Jahre lang Schlammfiſche in Gefangenſchaft gehalten und ihr Betragen ſehr genau beobachtet. Einer dieſer Fiſche lebte drei Jahre und würde länger ausgehalten haben, hätte man ihn in ſeinem Becken belaſſen können. Man fütterte ihn anfänglich mit Fleiſchſtücken, welche man ihm vorwarf, nachdem man durch raſche Bewegung der Waſſeroberfläche ſeine Aufmerkſamkeit erregt hatte; ſpäter reichte man ihm Fiſche und Fröſche zur Nahrung. Die Fleiſchbiſſen packte er mit ſeinen ſcharfen und kräftigen Vorderzähnen, bewegte hierauf lebhaft alle Theile ſeiner Schnauze, als ob er das Fleiſch ausſaugen wolle, biß währenddem wiederholt kräftig zu, ſpie plötzlich den Biſſen von ſich, faßte ihn von Neuem, verfuhr wie vorher und ſchlang ihn endlich hinab. Als man ihn in ein Becken brachte, welches bisher von Goldfiſchen bewohnt war, begann er ſofort Jagd auf dieſe zu machen, und zwar nicht nur auf die kleineren Stücke, ſondern auch auf ſolche, welche ihn an Größe übertrafen. Ungeachtet ſeiner langſamen Bewegungen nämlich wußte er ſich jedes Fiſches zu bemächtigen, den er ſich auserſehen. Aufmerkſam beobachtete er den über ihm ſchwimmenden Klaſſenverwandten, ſchlängelte ſich zierlich von unten herauf, bis er dicht unter dem Bauche ſeines Opfers angelangt war, ſtürzte ſich plötzlich vor und packte den unglücklichen Fiſch gerade unter den Bruſtfloſſen, mit kräftigem Biſſe ein entſprechendes Stück aus dem Leibe deſſelben reißend. Mit dieſem im Maule ſank er hierauf wieder zur Tiefe herab, während der tödtlich verwundete Fiſch wenige Sekunden ſpäter entſeelt auf der Waſſerfläche ſchwamm. Jn derſelben Weiſe übertölpelte er auch Fröſche, und ſo hatte er ſein reich belebtes Becken ſehr bald entvölkert. Da man ſeiner Raubgier vollſtändig Genüge that, nahm er ſehr ſchnell an Größe und Gewicht zu: als 10 Zoll langer Fiſch war er ins Becken gebracht worden, drei Jahre ſpäter hatte er eine Länge von 2½ Fuß und ein Gewicht von 6¼ Pfund erlangt. Jn der Meinung, daß es ihm vielleicht nothwendig oder genehm ſein möge, einen Theil des Jahres zu verſchlafen, verſorgte man ihn reichlich mit paſſendem Lehm und Schlamm; er jedoch dachte gar nicht daran, das Waſſer, in welchem er ſich augenſcheinlich ſehr wohl befand, zu verlaſſen, und zeigte ſich während der drei Jahre beſtändig munter und rege.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/500>, abgerufen am 23.12.2024.