verhältnißmäßig spitziger Schnauze und fünfzehn Stacheln auf dem Rücken. Dieser und Oberseite sehen grünlichbraun, die Seiten gelblich, Backen, Kiemendeckel, Kehle und Bauch silberweiß aus; die zweite Rücken- und die Afterflosse zeigen vorn einen dunklen Flecken. An den schwedischen Küsten kommt eine Spielart vor, welche sich durch Pracht der Färbung auszeichnet. Die Länge beträgt 5 bis 7 Zoll. Jn der zweiten Rückenflosse zählt man 6, in der Brustflosse 10, in der Bauchflosse 2, in der Afterflosse 1 harten und 7 weiche, in der Schwanzflosse 12 Strahlen.
Der Seestichling verdient seinen Namen; denn er unterscheidet sich wie durch seine Gestalt, so auch durch seine Lebensweise von den Verwandten. Die Nord- und Ostsee, erstere im weitesten Sinne des Wortes bilden seine Heimat; von hier aus verirrt er sich nach Süden hin bis in den Meer- busen von Gascogne; niemals aber steigt er weit in den Flüssen empor, wie er überhaupt Süßwasser entschieden meidet.
Wenige Fische vereinigen so viele anziehende Eigenschaften in sich als die Stichlinge. Sie sind lebhaft und bewegungslustig, gewandt, räuberisch und streitsüchtig, muthig im Vertrauen auf ihre, anderen Fischen furchtbare Bewassnung, deshalb auch wohl übermüthig, aber zärtlich hingebend in der Fürsorge zu Gunsten ihrer Nachkommenschaft. All' dieser Eigenschaften wegen hält man sie gern in Gefangenschaft, und Dies ist wiederum Ursache gewesen, daß man sie ziemlich genau kennen gelernt hat. Bringt man mehrere Stichlinge in ein kleineres Becken, so schwimmen sie zunächst gemeinschaftlich überall umher, um sich heimisch zu machen und untersuchen jede Ecke, jeden Winkel, jeden Platz. Plötzlich nimmt einer von ihnen Besitz von einer bestimmten Ecke oder einem bestimmten Theile des Beckens, und von nun an beginnt sofort ein wüthender Kampf auf Leben und Tod zwischen ihm und jedem anderem, welcher sich erfrechen sollte, ihn zu stören. Beide Kämpfer schwimmen mit größter Schnelligkeit um einander herum oder neben einander hin, beißen und versuchen, ihre furchtbaren Dornen dem Gegner in den Leib zu rennen. Oft dauert der Kampf mehrere Minuten, ehe einer zurückweicht, und sowie Dies geschieht, schwimmt der Sieger, anscheinend mit der größten Erbitterung, hinter dem Besiegten her, jagt ihn von einer Stelle des Gefäßes zur anderen, bis dieser vor Müdigkeit nicht weiter kann. Jhre Stacheln werden mit solchem Nachdruck gebraucht, daß oft einer der Kämpfer durchbohrt und todt zu Boden sinkt. Nach und nach wählt sich jeder einzelne seinen bestimmten Stand, und so kann es kommen, daß in einem und demselben Becken drei oder vier dieser kleinen Tyrannen sich gegenseitig überwachen, jeder bei der geringsten Ueberschreitung der Gerechtsame über den Frevler herfällt, und der Streit von Neuem losbricht. Es sind nur die männlichen Fische, welche in dieser Weise sich geberden; die Weibchen leben friedlich mit einander
Jnnere Erregung der Stichlinge übt den größten Einfluß auf ihre Färbung aus; letztere ändert sich buchstäblich mit der Stimmung. Aus dem grünlichen, silbergefleckten Fisch wandelt der zornige Siegesmuth einen in den schönsten Farben prangenden um; Bauch und Unterkiefer nehmen ihre tief- rothe Färbung an; der Rücken schattirt bis in Röthlichgelb und Grün. Ebenso schnell macht sich ein Rückschlag bemerklich. Wird aus dem Sieger ein Ueberwundener, so verbleicht er wieder; vor dem Tode aber pflegt noch einmal das prachtvolle Farbenspiel aufzuleben.
Jn einem größeren Gewässer zeigt sich die Kampflust der Stichlinge weniger; ihre ewige Unruhe bemerkt man aber auch hier. Sie schwimmen rasch und gewandt einher; schnellen sich oft fußhoch über das Wasser empor, gefallen sich in mancherlei Spielen und achten dabei auf Alles, was um sie her vorgeht, namentlich aber auf kleinere Fische, weil sie sich aus ihrer Anzahl den größten Theil ihrer Beute wählen. Um größere Raubfische scheinen sie sich wenig zu kümmern; man glaubt, daß sie wirklich von ihrer eigenen Wehrhaftigkeit überzeugt sind, will wenigstens bestimmt beobachtet haben, daß selbst die ärgsten Räuber sie meiden. Sogar der Hecht, welchem alles Genießbare recht ist, scheut sich vor ihren Stacheln, und nur der Lachs allein soll ihnen gefährlich werden und sie ohne Bedenken verschlingen. Sie ihrerseits dagegen jagen auf alles Gethier, welches sie überwältigen zu können glauben und legen eine staunenswerthe Freßlust an den Tag. Backer versichert, gesehen zu
Die Stachelfloſſer. Makrelen. Stichlinge.
verhältnißmäßig ſpitziger Schnauze und fünfzehn Stacheln auf dem Rücken. Dieſer und Oberſeite ſehen grünlichbraun, die Seiten gelblich, Backen, Kiemendeckel, Kehle und Bauch ſilberweiß aus; die zweite Rücken- und die Afterfloſſe zeigen vorn einen dunklen Flecken. An den ſchwediſchen Küſten kommt eine Spielart vor, welche ſich durch Pracht der Färbung auszeichnet. Die Länge beträgt 5 bis 7 Zoll. Jn der zweiten Rückenfloſſe zählt man 6, in der Bruſtfloſſe 10, in der Bauchfloſſe 2, in der Afterfloſſe 1 harten und 7 weiche, in der Schwanzfloſſe 12 Strahlen.
Der Seeſtichling verdient ſeinen Namen; denn er unterſcheidet ſich wie durch ſeine Geſtalt, ſo auch durch ſeine Lebensweiſe von den Verwandten. Die Nord- und Oſtſee, erſtere im weiteſten Sinne des Wortes bilden ſeine Heimat; von hier aus verirrt er ſich nach Süden hin bis in den Meer- buſen von Gascogne; niemals aber ſteigt er weit in den Flüſſen empor, wie er überhaupt Süßwaſſer entſchieden meidet.
Wenige Fiſche vereinigen ſo viele anziehende Eigenſchaften in ſich als die Stichlinge. Sie ſind lebhaft und bewegungsluſtig, gewandt, räuberiſch und ſtreitſüchtig, muthig im Vertrauen auf ihre, anderen Fiſchen furchtbare Bewaſſnung, deshalb auch wohl übermüthig, aber zärtlich hingebend in der Fürſorge zu Gunſten ihrer Nachkommenſchaft. All’ dieſer Eigenſchaften wegen hält man ſie gern in Gefangenſchaft, und Dies iſt wiederum Urſache geweſen, daß man ſie ziemlich genau kennen gelernt hat. Bringt man mehrere Stichlinge in ein kleineres Becken, ſo ſchwimmen ſie zunächſt gemeinſchaftlich überall umher, um ſich heimiſch zu machen und unterſuchen jede Ecke, jeden Winkel, jeden Platz. Plötzlich nimmt einer von ihnen Beſitz von einer beſtimmten Ecke oder einem beſtimmten Theile des Beckens, und von nun an beginnt ſofort ein wüthender Kampf auf Leben und Tod zwiſchen ihm und jedem anderem, welcher ſich erfrechen ſollte, ihn zu ſtören. Beide Kämpfer ſchwimmen mit größter Schnelligkeit um einander herum oder neben einander hin, beißen und verſuchen, ihre furchtbaren Dornen dem Gegner in den Leib zu rennen. Oft dauert der Kampf mehrere Minuten, ehe einer zurückweicht, und ſowie Dies geſchieht, ſchwimmt der Sieger, anſcheinend mit der größten Erbitterung, hinter dem Beſiegten her, jagt ihn von einer Stelle des Gefäßes zur anderen, bis dieſer vor Müdigkeit nicht weiter kann. Jhre Stacheln werden mit ſolchem Nachdruck gebraucht, daß oft einer der Kämpfer durchbohrt und todt zu Boden ſinkt. Nach und nach wählt ſich jeder einzelne ſeinen beſtimmten Stand, und ſo kann es kommen, daß in einem und demſelben Becken drei oder vier dieſer kleinen Tyrannen ſich gegenſeitig überwachen, jeder bei der geringſten Ueberſchreitung der Gerechtſame über den Frevler herfällt, und der Streit von Neuem losbricht. Es ſind nur die männlichen Fiſche, welche in dieſer Weiſe ſich geberden; die Weibchen leben friedlich mit einander
Jnnere Erregung der Stichlinge übt den größten Einfluß auf ihre Färbung aus; letztere ändert ſich buchſtäblich mit der Stimmung. Aus dem grünlichen, ſilbergefleckten Fiſch wandelt der zornige Siegesmuth einen in den ſchönſten Farben prangenden um; Bauch und Unterkiefer nehmen ihre tief- rothe Färbung an; der Rücken ſchattirt bis in Röthlichgelb und Grün. Ebenſo ſchnell macht ſich ein Rückſchlag bemerklich. Wird aus dem Sieger ein Ueberwundener, ſo verbleicht er wieder; vor dem Tode aber pflegt noch einmal das prachtvolle Farbenſpiel aufzuleben.
Jn einem größeren Gewäſſer zeigt ſich die Kampfluſt der Stichlinge weniger; ihre ewige Unruhe bemerkt man aber auch hier. Sie ſchwimmen raſch und gewandt einher; ſchnellen ſich oft fußhoch über das Waſſer empor, gefallen ſich in mancherlei Spielen und achten dabei auf Alles, was um ſie her vorgeht, namentlich aber auf kleinere Fiſche, weil ſie ſich aus ihrer Anzahl den größten Theil ihrer Beute wählen. Um größere Raubfiſche ſcheinen ſie ſich wenig zu kümmern; man glaubt, daß ſie wirklich von ihrer eigenen Wehrhaftigkeit überzeugt ſind, will wenigſtens beſtimmt beobachtet haben, daß ſelbſt die ärgſten Räuber ſie meiden. Sogar der Hecht, welchem alles Genießbare recht iſt, ſcheut ſich vor ihren Stacheln, und nur der Lachs allein ſoll ihnen gefährlich werden und ſie ohne Bedenken verſchlingen. Sie ihrerſeits dagegen jagen auf alles Gethier, welches ſie überwältigen zu können glauben und legen eine ſtaunenswerthe Freßluſt an den Tag. Backer verſichert, geſehen zu
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Die Stachelfloſſer. Makrelen. Stichlinge.
verhältnißmäßig ſpitziger Schnauze und fünfzehn Stacheln auf dem Rücken. Dieſer und Oberſeite
ſehen grünlichbraun, die Seiten gelblich, Backen, Kiemendeckel, Kehle und Bauch ſilberweiß aus; die
zweite Rücken- und die Afterfloſſe zeigen vorn einen dunklen Flecken. An den ſchwediſchen Küſten
kommt eine Spielart vor, welche ſich durch Pracht der Färbung auszeichnet. Die Länge beträgt 5 bis 7
Zoll. Jn der zweiten Rückenfloſſe zählt man 6, in der Bruſtfloſſe 10, in der Bauchfloſſe 2, in der
Afterfloſſe 1 harten und 7 weiche, in der Schwanzfloſſe 12 Strahlen.
Der Seeſtichling verdient ſeinen Namen; denn er unterſcheidet ſich wie durch ſeine Geſtalt, ſo
auch durch ſeine Lebensweiſe von den Verwandten. Die Nord- und Oſtſee, erſtere im weiteſten
Sinne des Wortes bilden ſeine Heimat; von hier aus verirrt er ſich nach Süden hin bis in den Meer-
buſen von Gascogne; niemals aber ſteigt er weit in den Flüſſen empor, wie er überhaupt Süßwaſſer
entſchieden meidet.
Wenige Fiſche vereinigen ſo viele anziehende Eigenſchaften in ſich als die Stichlinge. Sie ſind
lebhaft und bewegungsluſtig, gewandt, räuberiſch und ſtreitſüchtig, muthig im Vertrauen auf ihre,
anderen Fiſchen furchtbare Bewaſſnung, deshalb auch wohl übermüthig, aber zärtlich hingebend in
der Fürſorge zu Gunſten ihrer Nachkommenſchaft. All’ dieſer Eigenſchaften wegen hält man ſie gern
in Gefangenſchaft, und Dies iſt wiederum Urſache geweſen, daß man ſie ziemlich genau kennen
gelernt hat. Bringt man mehrere Stichlinge in ein kleineres Becken, ſo ſchwimmen ſie zunächſt
gemeinſchaftlich überall umher, um ſich heimiſch zu machen und unterſuchen jede Ecke, jeden Winkel,
jeden Platz. Plötzlich nimmt einer von ihnen Beſitz von einer beſtimmten Ecke oder einem beſtimmten
Theile des Beckens, und von nun an beginnt ſofort ein wüthender Kampf auf Leben und Tod zwiſchen
ihm und jedem anderem, welcher ſich erfrechen ſollte, ihn zu ſtören. Beide Kämpfer ſchwimmen mit
größter Schnelligkeit um einander herum oder neben einander hin, beißen und verſuchen, ihre
furchtbaren Dornen dem Gegner in den Leib zu rennen. Oft dauert der Kampf mehrere Minuten,
ehe einer zurückweicht, und ſowie Dies geſchieht, ſchwimmt der Sieger, anſcheinend mit der größten
Erbitterung, hinter dem Beſiegten her, jagt ihn von einer Stelle des Gefäßes zur anderen, bis dieſer
vor Müdigkeit nicht weiter kann. Jhre Stacheln werden mit ſolchem Nachdruck gebraucht, daß oft
einer der Kämpfer durchbohrt und todt zu Boden ſinkt. Nach und nach wählt ſich jeder einzelne
ſeinen beſtimmten Stand, und ſo kann es kommen, daß in einem und demſelben Becken drei oder vier
dieſer kleinen Tyrannen ſich gegenſeitig überwachen, jeder bei der geringſten Ueberſchreitung der
Gerechtſame über den Frevler herfällt, und der Streit von Neuem losbricht. Es ſind nur die
männlichen Fiſche, welche in dieſer Weiſe ſich geberden; die Weibchen leben friedlich mit einander
Jnnere Erregung der Stichlinge übt den größten Einfluß auf ihre Färbung aus; letztere ändert
ſich buchſtäblich mit der Stimmung. Aus dem grünlichen, ſilbergefleckten Fiſch wandelt der zornige
Siegesmuth einen in den ſchönſten Farben prangenden um; Bauch und Unterkiefer nehmen ihre tief-
rothe Färbung an; der Rücken ſchattirt bis in Röthlichgelb und Grün. Ebenſo ſchnell macht ſich ein
Rückſchlag bemerklich. Wird aus dem Sieger ein Ueberwundener, ſo verbleicht er wieder; vor dem
Tode aber pflegt noch einmal das prachtvolle Farbenſpiel aufzuleben.
Jn einem größeren Gewäſſer zeigt ſich die Kampfluſt der Stichlinge weniger; ihre ewige Unruhe
bemerkt man aber auch hier. Sie ſchwimmen raſch und gewandt einher; ſchnellen ſich oft fußhoch
über das Waſſer empor, gefallen ſich in mancherlei Spielen und achten dabei auf Alles, was um ſie
her vorgeht, namentlich aber auf kleinere Fiſche, weil ſie ſich aus ihrer Anzahl den größten Theil
ihrer Beute wählen. Um größere Raubfiſche ſcheinen ſie ſich wenig zu kümmern; man glaubt, daß
ſie wirklich von ihrer eigenen Wehrhaftigkeit überzeugt ſind, will wenigſtens beſtimmt beobachtet
haben, daß ſelbſt die ärgſten Räuber ſie meiden. Sogar der Hecht, welchem alles Genießbare recht
iſt, ſcheut ſich vor ihren Stacheln, und nur der Lachs allein ſoll ihnen gefährlich werden und ſie ohne
Bedenken verſchlingen. Sie ihrerſeits dagegen jagen auf alles Gethier, welches ſie überwältigen zu
können glauben und legen eine ſtaunenswerthe Freßluſt an den Tag. Backer verſichert, geſehen zu
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/570>, abgerufen am 23.12.2024.
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