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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Weichflosser. Schellfische. Weichfische.
verhältnißmäßig flach liegenden Bänken, wie die von Neufundland und Rockall es sind, geschieht
einzig und allein der Fortpflanzung halber. Aber auch dann noch meidet er seichte Stellen des Meeres,
wählt sich vielmehr am Liebsten eine Tiefe von fünfundzwanzig bis vierzig oder fünfzig Faden zum
Ablegen seiner Eier aus. An Fruchtbarkeit wird er schwerlich von irgend einem anderen Fische
übertroffen: Leeuwenhoeck behauptet, in einem Rogener gegen neun Millionen Eier gefunden
zu haben; Braydley schätzt die Anzahl derselben wenigstens auf vier Millionen. Die Laichzeit fällt
auf der östlichen Seite des atlantischen und des Eismeeres in die frühe Jahreszeit, in den Februar
nämlich, und schon vom Anfange Januars an nähern sich die Kabeljaus hier den Küsten; auf der Westseite
derselben Meere hingegen tritt sie erst später, im Mai und Juni ein, unzweifelhaft deshalb, weil hier
der Golfstrom seine belebende und zeitigende Wärme nicht äußert. Ein halbes Jahr später haben
die Jungen etwa neun Zoll an Länge erreicht; im dritten Jahre sind sie fortpflanzungsfähig geworden.
Die laichenden Fische erscheinen in ungeheueren Schaaren, wie die Norweger bezeichnend sagen, in
Bergen, d. h. in dicht gedrängten Heeren, welche mehrere Ellen hoch über einader schwimmen und
einen Raum von einer halben Meile und mehr einnehmen, ziehen der Küste oder der Sandbank zu,
treiben sich auf derselben mehrere Tage umher, werden beständig durch neue ersetzt und verlieren sich
dann allmählich wieder. An der nordamerikanischen Küste beeinflussen zwei Thiere, der Kapelan oder
Kapelin und eine Tintenschnecke die Heerzüge. Ersterer besucht dieselben Oertlichkeiten, um zu laichen
und dient dann den überaus gefräßigen Kabeljaus fast zur ausschließlichen Nahrung; letztere drängt
sich heran, wenn jener sich entfernt, als ob sie bestimmt wäre, seine Stelle zu vertreten und sich nun
von den Kabeljaus fressen zu lassen.

Während der Laichzeit findet der Fang statt: die Gefräßigkeit des Kabeljau macht ihn in so
hohem Grade ergiebig. Der Fisch, dessen Nahrung in Fischen, Krebsen und Muscheln besteht,
frißt Alles, was er bewältigen zu können meint, schnappt wenigstens darnach, ja selbst nach voll-
kommen ungenießbaren Dingen, falls sie nur glitzern oder sonstwie seine Aufmerksamkeit erregen.
An der norwegischen Küste wendet man Netze an; an allen übrigen Stellen aber gebraucht man nur
die Grundschnur und die Handangel, welche beide auch auf den Lofodden eine sehr bedeutende Rolle
spielen. Die Grundschnur ist eine starke Leine von etwa sechstausend Fuß Länge, an welcher sich
gegen zwölfhundert drei Ellen lange Angelschnuren und an ihnen Angeln befinden. Sie wird aus-
geworfen und von je sechs zu sechs Stunden empor geholt, der Fang ausgelöst, die bezügliche Anzahl
Angeln wiederum geködert und die Schnur von Neuem gelegt. Währenddem beschäftigen sich die
Fischer mit Handangeln, von denen sie je eine in die Hand nehmen, rasch empor ziehen, wenn sie merken,
daß sich Etwas gefangen und sofort wieder in die Tiefe versenken. Bei der ungeheueren Anzahl der
Fische ist es nichts Seltenes, daß jeder einzelne Mann der Besatzung eines Bootes täglich zwischen
drei- bis vierhundert Stück erbeutet. Nebenbei wird der Fang der Kapelins und Tintenschnecken
oder an anderen Orten der Heringe eifrig betrieben, weil man deren Fleisch als Köder benutzt. Jn
Ermangelung solcher kleiner Fische dienen auch die Eingeweide der gefangenen Kabeljaus zu
gleichem Zwecke.

Sofort nach dem Fange beginnt die Zubereitung der Beute. Man schneidet zunächst die Köpfe
ab und wirft sie beiseits in besondere Tonnen oder Bottiche, weidet hierauf die Fische aus und theilt
sie mit einem einzigen rasch und geschickt geführten Schnitte bis zur Schwanzflosse in zwei
Hälften, sehr große auch wohl in vier Theile. Die Leber kommt in ein besonderes Faß, der Rogen
in ein anderes; die übrigen Eingeweide werden sofort zerschnitten und entweder sogleich oder doch
bald als Köder verwendet. Während des Winterfanges bereitet man, auf den Lofodden wenigstens,
zuerst nur Stockfische zu. Jedes größere Schiff führt eine beträchtliche Anzahl von Gabeln und
Stangen mit sich und vermehrt mit deren Hilfe die am Lande feststehenden Gerüste. An ihnen nun
hängt man die im Meerwasser ausgewaschenen, bis auf die Schwanzflosse getheilten Kabeljaus zum
Trocknen aus, auf den meisten Jnseln unter freiem Himmel, hier und da auch wohl in überdachten
Schuppen, welche dem Luftzuge kein Hinderniß bieten. An diesen Gerüsten trocknet der Fisch ganz

Die Weichfloſſer. Schellfiſche. Weichfiſche.
verhältnißmäßig flach liegenden Bänken, wie die von Neufundland und Rockall es ſind, geſchieht
einzig und allein der Fortpflanzung halber. Aber auch dann noch meidet er ſeichte Stellen des Meeres,
wählt ſich vielmehr am Liebſten eine Tiefe von fünfundzwanzig bis vierzig oder fünfzig Faden zum
Ablegen ſeiner Eier aus. An Fruchtbarkeit wird er ſchwerlich von irgend einem anderen Fiſche
übertroffen: Leeuwenhoeck behauptet, in einem Rogener gegen neun Millionen Eier gefunden
zu haben; Braydley ſchätzt die Anzahl derſelben wenigſtens auf vier Millionen. Die Laichzeit fällt
auf der öſtlichen Seite des atlantiſchen und des Eismeeres in die frühe Jahreszeit, in den Februar
nämlich, und ſchon vom Anfange Januars an nähern ſich die Kabeljaus hier den Küſten; auf der Weſtſeite
derſelben Meere hingegen tritt ſie erſt ſpäter, im Mai und Juni ein, unzweifelhaft deshalb, weil hier
der Golfſtrom ſeine belebende und zeitigende Wärme nicht äußert. Ein halbes Jahr ſpäter haben
die Jungen etwa neun Zoll an Länge erreicht; im dritten Jahre ſind ſie fortpflanzungsfähig geworden.
Die laichenden Fiſche erſcheinen in ungeheueren Schaaren, wie die Norweger bezeichnend ſagen, in
Bergen, d. h. in dicht gedrängten Heeren, welche mehrere Ellen hoch über einader ſchwimmen und
einen Raum von einer halben Meile und mehr einnehmen, ziehen der Küſte oder der Sandbank zu,
treiben ſich auf derſelben mehrere Tage umher, werden beſtändig durch neue erſetzt und verlieren ſich
dann allmählich wieder. An der nordamerikaniſchen Küſte beeinfluſſen zwei Thiere, der Kapelan oder
Kapelin und eine Tintenſchnecke die Heerzüge. Erſterer beſucht dieſelben Oertlichkeiten, um zu laichen
und dient dann den überaus gefräßigen Kabeljaus faſt zur ausſchließlichen Nahrung; letztere drängt
ſich heran, wenn jener ſich entfernt, als ob ſie beſtimmt wäre, ſeine Stelle zu vertreten und ſich nun
von den Kabeljaus freſſen zu laſſen.

Während der Laichzeit findet der Fang ſtatt: die Gefräßigkeit des Kabeljau macht ihn in ſo
hohem Grade ergiebig. Der Fiſch, deſſen Nahrung in Fiſchen, Krebſen und Muſcheln beſteht,
frißt Alles, was er bewältigen zu können meint, ſchnappt wenigſtens darnach, ja ſelbſt nach voll-
kommen ungenießbaren Dingen, falls ſie nur glitzern oder ſonſtwie ſeine Aufmerkſamkeit erregen.
An der norwegiſchen Küſte wendet man Netze an; an allen übrigen Stellen aber gebraucht man nur
die Grundſchnur und die Handangel, welche beide auch auf den Lofodden eine ſehr bedeutende Rolle
ſpielen. Die Grundſchnur iſt eine ſtarke Leine von etwa ſechstauſend Fuß Länge, an welcher ſich
gegen zwölfhundert drei Ellen lange Angelſchnuren und an ihnen Angeln befinden. Sie wird aus-
geworfen und von je ſechs zu ſechs Stunden empor geholt, der Fang ausgelöſt, die bezügliche Anzahl
Angeln wiederum geködert und die Schnur von Neuem gelegt. Währenddem beſchäftigen ſich die
Fiſcher mit Handangeln, von denen ſie je eine in die Hand nehmen, raſch empor ziehen, wenn ſie merken,
daß ſich Etwas gefangen und ſofort wieder in die Tiefe verſenken. Bei der ungeheueren Anzahl der
Fiſche iſt es nichts Seltenes, daß jeder einzelne Mann der Beſatzung eines Bootes täglich zwiſchen
drei- bis vierhundert Stück erbeutet. Nebenbei wird der Fang der Kapelins und Tintenſchnecken
oder an anderen Orten der Heringe eifrig betrieben, weil man deren Fleiſch als Köder benutzt. Jn
Ermangelung ſolcher kleiner Fiſche dienen auch die Eingeweide der gefangenen Kabeljaus zu
gleichem Zwecke.

Sofort nach dem Fange beginnt die Zubereitung der Beute. Man ſchneidet zunächſt die Köpfe
ab und wirft ſie beiſeits in beſondere Tonnen oder Bottiche, weidet hierauf die Fiſche aus und theilt
ſie mit einem einzigen raſch und geſchickt geführten Schnitte bis zur Schwanzfloſſe in zwei
Hälften, ſehr große auch wohl in vier Theile. Die Leber kommt in ein beſonderes Faß, der Rogen
in ein anderes; die übrigen Eingeweide werden ſofort zerſchnitten und entweder ſogleich oder doch
bald als Köder verwendet. Während des Winterfanges bereitet man, auf den Lofodden wenigſtens,
zuerſt nur Stockfiſche zu. Jedes größere Schiff führt eine beträchtliche Anzahl von Gabeln und
Stangen mit ſich und vermehrt mit deren Hilfe die am Lande feſtſtehenden Gerüſte. An ihnen nun
hängt man die im Meerwaſſer ausgewaſchenen, bis auf die Schwanzfloſſe getheilten Kabeljaus zum
Trocknen aus, auf den meiſten Jnſeln unter freiem Himmel, hier und da auch wohl in überdachten
Schuppen, welche dem Luftzuge kein Hinderniß bieten. An dieſen Gerüſten trocknet der Fiſch ganz

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[596/0632] Die Weichfloſſer. Schellfiſche. Weichfiſche. verhältnißmäßig flach liegenden Bänken, wie die von Neufundland und Rockall es ſind, geſchieht einzig und allein der Fortpflanzung halber. Aber auch dann noch meidet er ſeichte Stellen des Meeres, wählt ſich vielmehr am Liebſten eine Tiefe von fünfundzwanzig bis vierzig oder fünfzig Faden zum Ablegen ſeiner Eier aus. An Fruchtbarkeit wird er ſchwerlich von irgend einem anderen Fiſche übertroffen: Leeuwenhoeck behauptet, in einem Rogener gegen neun Millionen Eier gefunden zu haben; Braydley ſchätzt die Anzahl derſelben wenigſtens auf vier Millionen. Die Laichzeit fällt auf der öſtlichen Seite des atlantiſchen und des Eismeeres in die frühe Jahreszeit, in den Februar nämlich, und ſchon vom Anfange Januars an nähern ſich die Kabeljaus hier den Küſten; auf der Weſtſeite derſelben Meere hingegen tritt ſie erſt ſpäter, im Mai und Juni ein, unzweifelhaft deshalb, weil hier der Golfſtrom ſeine belebende und zeitigende Wärme nicht äußert. Ein halbes Jahr ſpäter haben die Jungen etwa neun Zoll an Länge erreicht; im dritten Jahre ſind ſie fortpflanzungsfähig geworden. Die laichenden Fiſche erſcheinen in ungeheueren Schaaren, wie die Norweger bezeichnend ſagen, in Bergen, d. h. in dicht gedrängten Heeren, welche mehrere Ellen hoch über einader ſchwimmen und einen Raum von einer halben Meile und mehr einnehmen, ziehen der Küſte oder der Sandbank zu, treiben ſich auf derſelben mehrere Tage umher, werden beſtändig durch neue erſetzt und verlieren ſich dann allmählich wieder. An der nordamerikaniſchen Küſte beeinfluſſen zwei Thiere, der Kapelan oder Kapelin und eine Tintenſchnecke die Heerzüge. Erſterer beſucht dieſelben Oertlichkeiten, um zu laichen und dient dann den überaus gefräßigen Kabeljaus faſt zur ausſchließlichen Nahrung; letztere drängt ſich heran, wenn jener ſich entfernt, als ob ſie beſtimmt wäre, ſeine Stelle zu vertreten und ſich nun von den Kabeljaus freſſen zu laſſen. Während der Laichzeit findet der Fang ſtatt: die Gefräßigkeit des Kabeljau macht ihn in ſo hohem Grade ergiebig. Der Fiſch, deſſen Nahrung in Fiſchen, Krebſen und Muſcheln beſteht, frißt Alles, was er bewältigen zu können meint, ſchnappt wenigſtens darnach, ja ſelbſt nach voll- kommen ungenießbaren Dingen, falls ſie nur glitzern oder ſonſtwie ſeine Aufmerkſamkeit erregen. An der norwegiſchen Küſte wendet man Netze an; an allen übrigen Stellen aber gebraucht man nur die Grundſchnur und die Handangel, welche beide auch auf den Lofodden eine ſehr bedeutende Rolle ſpielen. Die Grundſchnur iſt eine ſtarke Leine von etwa ſechstauſend Fuß Länge, an welcher ſich gegen zwölfhundert drei Ellen lange Angelſchnuren und an ihnen Angeln befinden. Sie wird aus- geworfen und von je ſechs zu ſechs Stunden empor geholt, der Fang ausgelöſt, die bezügliche Anzahl Angeln wiederum geködert und die Schnur von Neuem gelegt. Währenddem beſchäftigen ſich die Fiſcher mit Handangeln, von denen ſie je eine in die Hand nehmen, raſch empor ziehen, wenn ſie merken, daß ſich Etwas gefangen und ſofort wieder in die Tiefe verſenken. Bei der ungeheueren Anzahl der Fiſche iſt es nichts Seltenes, daß jeder einzelne Mann der Beſatzung eines Bootes täglich zwiſchen drei- bis vierhundert Stück erbeutet. Nebenbei wird der Fang der Kapelins und Tintenſchnecken oder an anderen Orten der Heringe eifrig betrieben, weil man deren Fleiſch als Köder benutzt. Jn Ermangelung ſolcher kleiner Fiſche dienen auch die Eingeweide der gefangenen Kabeljaus zu gleichem Zwecke. Sofort nach dem Fange beginnt die Zubereitung der Beute. Man ſchneidet zunächſt die Köpfe ab und wirft ſie beiſeits in beſondere Tonnen oder Bottiche, weidet hierauf die Fiſche aus und theilt ſie mit einem einzigen raſch und geſchickt geführten Schnitte bis zur Schwanzfloſſe in zwei Hälften, ſehr große auch wohl in vier Theile. Die Leber kommt in ein beſonderes Faß, der Rogen in ein anderes; die übrigen Eingeweide werden ſofort zerſchnitten und entweder ſogleich oder doch bald als Köder verwendet. Während des Winterfanges bereitet man, auf den Lofodden wenigſtens, zuerſt nur Stockfiſche zu. Jedes größere Schiff führt eine beträchtliche Anzahl von Gabeln und Stangen mit ſich und vermehrt mit deren Hilfe die am Lande feſtſtehenden Gerüſte. An ihnen nun hängt man die im Meerwaſſer ausgewaſchenen, bis auf die Schwanzfloſſe getheilten Kabeljaus zum Trocknen aus, auf den meiſten Jnſeln unter freiem Himmel, hier und da auch wohl in überdachten Schuppen, welche dem Luftzuge kein Hinderniß bieten. An dieſen Gerüſten trocknet der Fiſch ganz

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/632>, abgerufen am 23.12.2024.