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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Suppenschildkröte und Karette.
Oberfläche des Wassers bringt. Hierbei untersucht sie die selten beunruhigten Küsten auf das Genaueste.
Audubon, welcher sie von einem Versteckplatze aus beobachtete, versichert, daß sie, ehe sie aus
Land steigt, noch besondere Vorsichtsmaßregeln ergreift, namentlich einen pfeifenden Laut ausstößt,
welcher etwa versteckte Feinde verscheuchen soll. Das geringste Geräusch bewegt sie, sich augenblicklich
in die Tiefe des Meeres zu versenken und einen anderen Platz aufzusuchen; ja, nach St. Pierre's
Versicherung soll ein Schiff, welches einige Stunden in der Nähe einer Brutinsel ankerte, die vor-
sichtigen Geschöpfe tagelang aus der Nähe des Eilandes vertreiben und ein Kanonenschuß sie so
ängstigen, daß sie erst nach Wochen wieder in der Nähe des Eilandes erscheinen. Bleibt Alles
ruhig und still, so nähert sich die Schildkröte endlich langsam dem Strande, kriecht auf das Trockene
heraus und mit hoch erhobenem Haupte bis in eine Entfernung von dreißig oder vierzig Schritt
jenseits der Flutwelle, schaut sich hier nochmals um und beginnt nunmehr ihre Eier zu legen. Hierbei
hat der Prinz von Wied eine Suppenschildkröte beobachtet und uns darüber das Nachstehende
mitgetheilt. "Unsere Gegenwart", sagt er, "störte sie nicht bei ihrem Geschäfte; man konnte sie
berühren und sogar aufheben, (wozu aber vier Mann nöthig waren); bei all den lauten Zeichen
unseres Erstaunens und den Berathschlagungen, was man wohl mit ihr anfangen sollte, gab sie kein
anderes Zeichen von Unruhe als ein Blasen, wie etwa die Gänse thun, wenn man sich ihrem Neste
nähert. Sie fuhr mit ihren flossenartigen Hinterfüßen langsam in der einmal begonnenen Arbeit
fort, indem sie gerade unter ihrem After ein eilinderförmiges, etwa 8 bis 10 Zoll breites, rundes
Loch in den Sandboden aushöhlte, warf die herausgeworfene Erde äußerst geschickt und regelmäßig,
ja gewissermaßen im Takte zu beiden Seiten neben sich hin und begann alsdann sogleich ihre Eier
zu legen.

"Einer unserer beiden Soldaten legte sich nun seiner ganzen Länge nach neben die Versorgerin
unserer Küche auf die Erde nieder, griff in die Tiefe des Erdloches hinab und warf die Eier beständig
heraus, sowie die Schildkröte sie legte. Auf diese Art sammelten wir in einer Zeit von etwa zehn
Minuten an hundert Eier. Man berathschlagte nun, ob es zweckmäßig sei, dieses schöne Thier unseren
Sammlungen einzuverleiben; allein das große Gewicht der Schildkröte, für welche man ein besonderes
Maulthier einzig und allein hätte bestimmen müssen, und überdies die Schwierigkeit, die ungefüge Last
aufzuladen, bestimmte uns, ihr das Leben zu schenken und mit ihrem Zoll an Eiern uns zu begnügen....
Als wir nach einigen Stunden auf den Strand zurückkehrten, fanden wir sie nicht mehr vor. Sie hatte
ihr Loch verdeckt, und ihre breite Spur im Sande zeigte, daß sie ihrem Elemente wieder zugekrochen war."

Jn seinen Beiträgen zur Naturgeschichte Brasiliens fügt der Prinz dem eben Mitgetheilten
noch Einiges hinzu: "Soviel weiß ich aus der Erfahrung, daß diese Thiere in der Zeit des
brasilianischen Sommers, der Monate Dezember, Januar und Februar, sich in Menge den Küsten
nähern, um daselbst ihre Eier in den von den glühenden Strahlen der Sonne erhitzten Sand zu ver-
scharren. Hierin kommen alle Meerschildkröten mit einander überein, und die Erzählung der Art und
Weise dieses Geschäftes, von welchem ich Augenzeuge war, gilt für alle diese durch gleichartigen Bau
und Lebensweise verwandten Thiere. Zum Eierlegen ist ihnen in den von mir bereisten Gegenden die
unbewohnte Strecke besonders günstig, welche sich in einer Ausdehnung von achtzehn Meilen zwischen
der Mündung des Rio Doce und des St. Matthäus befindet, ferner die zwischen dem eben genannten
Flusse und dem Mucuri, sowie mehrere andere Gegenden des Strandes, welche nicht durch hohe steile
Küsten, an denen die Wogen des Meeres sich brechen, unzugänglich gemacht werden. Der Reisende
findet in der Legezeit häufig Stellen im Sande der Küste, auf denen zwei gleichlaufende Rinnen den
Weg anzeigen, welchen die Schildkröten genommen, als sie das Land bestiegen. Diese Furchen sind
die Spuren, welche die vier Flossenfüße hinterlassen; zwischen ihnen bemerkt man alsdann eine breite
Schleife, welche der Unterpanzer des schweren Körpers eindrückt. Folgt man dieser Spur etwa
dreißig bis vierzig Schritte weit auf die Höhe des Sandufers, so kann man das schwere, große Thier
finden, wie es unbeweglich in einem flachen, wenig vertieften, durch ein kreisförmiges Herumdrehen
gebildeten Kessel dasitzt, mit der Hälfte des Körpers darin verborgen. Sind die sämmtlichen Eier

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Suppenſchildkröte und Karette.
Oberfläche des Waſſers bringt. Hierbei unterſucht ſie die ſelten beunruhigten Küſten auf das Genaueſte.
Audubon, welcher ſie von einem Verſteckplatze aus beobachtete, verſichert, daß ſie, ehe ſie aus
Land ſteigt, noch beſondere Vorſichtsmaßregeln ergreift, namentlich einen pfeifenden Laut ausſtößt,
welcher etwa verſteckte Feinde verſcheuchen ſoll. Das geringſte Geräuſch bewegt ſie, ſich augenblicklich
in die Tiefe des Meeres zu verſenken und einen anderen Platz aufzuſuchen; ja, nach St. Pierre’s
Verſicherung ſoll ein Schiff, welches einige Stunden in der Nähe einer Brutinſel ankerte, die vor-
ſichtigen Geſchöpfe tagelang aus der Nähe des Eilandes vertreiben und ein Kanonenſchuß ſie ſo
ängſtigen, daß ſie erſt nach Wochen wieder in der Nähe des Eilandes erſcheinen. Bleibt Alles
ruhig und ſtill, ſo nähert ſich die Schildkröte endlich langſam dem Strande, kriecht auf das Trockene
heraus und mit hoch erhobenem Haupte bis in eine Entfernung von dreißig oder vierzig Schritt
jenſeits der Flutwelle, ſchaut ſich hier nochmals um und beginnt nunmehr ihre Eier zu legen. Hierbei
hat der Prinz von Wied eine Suppenſchildkröte beobachtet und uns darüber das Nachſtehende
mitgetheilt. „Unſere Gegenwart“, ſagt er, „ſtörte ſie nicht bei ihrem Geſchäfte; man konnte ſie
berühren und ſogar aufheben, (wozu aber vier Mann nöthig waren); bei all den lauten Zeichen
unſeres Erſtaunens und den Berathſchlagungen, was man wohl mit ihr anfangen ſollte, gab ſie kein
anderes Zeichen von Unruhe als ein Blaſen, wie etwa die Gänſe thun, wenn man ſich ihrem Neſte
nähert. Sie fuhr mit ihren floſſenartigen Hinterfüßen langſam in der einmal begonnenen Arbeit
fort, indem ſie gerade unter ihrem After ein eilinderförmiges, etwa 8 bis 10 Zoll breites, rundes
Loch in den Sandboden aushöhlte, warf die herausgeworfene Erde äußerſt geſchickt und regelmäßig,
ja gewiſſermaßen im Takte zu beiden Seiten neben ſich hin und begann alsdann ſogleich ihre Eier
zu legen.

„Einer unſerer beiden Soldaten legte ſich nun ſeiner ganzen Länge nach neben die Verſorgerin
unſerer Küche auf die Erde nieder, griff in die Tiefe des Erdloches hinab und warf die Eier beſtändig
heraus, ſowie die Schildkröte ſie legte. Auf dieſe Art ſammelten wir in einer Zeit von etwa zehn
Minuten an hundert Eier. Man berathſchlagte nun, ob es zweckmäßig ſei, dieſes ſchöne Thier unſeren
Sammlungen einzuverleiben; allein das große Gewicht der Schildkröte, für welche man ein beſonderes
Maulthier einzig und allein hätte beſtimmen müſſen, und überdies die Schwierigkeit, die ungefüge Laſt
aufzuladen, beſtimmte uns, ihr das Leben zu ſchenken und mit ihrem Zoll an Eiern uns zu begnügen....
Als wir nach einigen Stunden auf den Strand zurückkehrten, fanden wir ſie nicht mehr vor. Sie hatte
ihr Loch verdeckt, und ihre breite Spur im Sande zeigte, daß ſie ihrem Elemente wieder zugekrochen war.“

Jn ſeinen Beiträgen zur Naturgeſchichte Braſiliens fügt der Prinz dem eben Mitgetheilten
noch Einiges hinzu: „Soviel weiß ich aus der Erfahrung, daß dieſe Thiere in der Zeit des
braſilianiſchen Sommers, der Monate Dezember, Januar und Februar, ſich in Menge den Küſten
nähern, um daſelbſt ihre Eier in den von den glühenden Strahlen der Sonne erhitzten Sand zu ver-
ſcharren. Hierin kommen alle Meerſchildkröten mit einander überein, und die Erzählung der Art und
Weiſe dieſes Geſchäftes, von welchem ich Augenzeuge war, gilt für alle dieſe durch gleichartigen Bau
und Lebensweiſe verwandten Thiere. Zum Eierlegen iſt ihnen in den von mir bereiſten Gegenden die
unbewohnte Strecke beſonders günſtig, welche ſich in einer Ausdehnung von achtzehn Meilen zwiſchen
der Mündung des Rio Doce und des St. Matthäus befindet, ferner die zwiſchen dem eben genannten
Fluſſe und dem Mucuri, ſowie mehrere andere Gegenden des Strandes, welche nicht durch hohe ſteile
Küſten, an denen die Wogen des Meeres ſich brechen, unzugänglich gemacht werden. Der Reiſende
findet in der Legezeit häufig Stellen im Sande der Küſte, auf denen zwei gleichlaufende Rinnen den
Weg anzeigen, welchen die Schildkröten genommen, als ſie das Land beſtiegen. Dieſe Furchen ſind
die Spuren, welche die vier Floſſenfüße hinterlaſſen; zwiſchen ihnen bemerkt man alsdann eine breite
Schleife, welche der Unterpanzer des ſchweren Körpers eindrückt. Folgt man dieſer Spur etwa
dreißig bis vierzig Schritte weit auf die Höhe des Sandufers, ſo kann man das ſchwere, große Thier
finden, wie es unbeweglich in einem flachen, wenig vertieften, durch ein kreisförmiges Herumdrehen
gebildeten Keſſel daſitzt, mit der Hälfte des Körpers darin verborgen. Sind die ſämmtlichen Eier

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[51/0065] Suppenſchildkröte und Karette. Oberfläche des Waſſers bringt. Hierbei unterſucht ſie die ſelten beunruhigten Küſten auf das Genaueſte. Audubon, welcher ſie von einem Verſteckplatze aus beobachtete, verſichert, daß ſie, ehe ſie aus Land ſteigt, noch beſondere Vorſichtsmaßregeln ergreift, namentlich einen pfeifenden Laut ausſtößt, welcher etwa verſteckte Feinde verſcheuchen ſoll. Das geringſte Geräuſch bewegt ſie, ſich augenblicklich in die Tiefe des Meeres zu verſenken und einen anderen Platz aufzuſuchen; ja, nach St. Pierre’s Verſicherung ſoll ein Schiff, welches einige Stunden in der Nähe einer Brutinſel ankerte, die vor- ſichtigen Geſchöpfe tagelang aus der Nähe des Eilandes vertreiben und ein Kanonenſchuß ſie ſo ängſtigen, daß ſie erſt nach Wochen wieder in der Nähe des Eilandes erſcheinen. Bleibt Alles ruhig und ſtill, ſo nähert ſich die Schildkröte endlich langſam dem Strande, kriecht auf das Trockene heraus und mit hoch erhobenem Haupte bis in eine Entfernung von dreißig oder vierzig Schritt jenſeits der Flutwelle, ſchaut ſich hier nochmals um und beginnt nunmehr ihre Eier zu legen. Hierbei hat der Prinz von Wied eine Suppenſchildkröte beobachtet und uns darüber das Nachſtehende mitgetheilt. „Unſere Gegenwart“, ſagt er, „ſtörte ſie nicht bei ihrem Geſchäfte; man konnte ſie berühren und ſogar aufheben, (wozu aber vier Mann nöthig waren); bei all den lauten Zeichen unſeres Erſtaunens und den Berathſchlagungen, was man wohl mit ihr anfangen ſollte, gab ſie kein anderes Zeichen von Unruhe als ein Blaſen, wie etwa die Gänſe thun, wenn man ſich ihrem Neſte nähert. Sie fuhr mit ihren floſſenartigen Hinterfüßen langſam in der einmal begonnenen Arbeit fort, indem ſie gerade unter ihrem After ein eilinderförmiges, etwa 8 bis 10 Zoll breites, rundes Loch in den Sandboden aushöhlte, warf die herausgeworfene Erde äußerſt geſchickt und regelmäßig, ja gewiſſermaßen im Takte zu beiden Seiten neben ſich hin und begann alsdann ſogleich ihre Eier zu legen. „Einer unſerer beiden Soldaten legte ſich nun ſeiner ganzen Länge nach neben die Verſorgerin unſerer Küche auf die Erde nieder, griff in die Tiefe des Erdloches hinab und warf die Eier beſtändig heraus, ſowie die Schildkröte ſie legte. Auf dieſe Art ſammelten wir in einer Zeit von etwa zehn Minuten an hundert Eier. Man berathſchlagte nun, ob es zweckmäßig ſei, dieſes ſchöne Thier unſeren Sammlungen einzuverleiben; allein das große Gewicht der Schildkröte, für welche man ein beſonderes Maulthier einzig und allein hätte beſtimmen müſſen, und überdies die Schwierigkeit, die ungefüge Laſt aufzuladen, beſtimmte uns, ihr das Leben zu ſchenken und mit ihrem Zoll an Eiern uns zu begnügen.... Als wir nach einigen Stunden auf den Strand zurückkehrten, fanden wir ſie nicht mehr vor. Sie hatte ihr Loch verdeckt, und ihre breite Spur im Sande zeigte, daß ſie ihrem Elemente wieder zugekrochen war.“ Jn ſeinen Beiträgen zur Naturgeſchichte Braſiliens fügt der Prinz dem eben Mitgetheilten noch Einiges hinzu: „Soviel weiß ich aus der Erfahrung, daß dieſe Thiere in der Zeit des braſilianiſchen Sommers, der Monate Dezember, Januar und Februar, ſich in Menge den Küſten nähern, um daſelbſt ihre Eier in den von den glühenden Strahlen der Sonne erhitzten Sand zu ver- ſcharren. Hierin kommen alle Meerſchildkröten mit einander überein, und die Erzählung der Art und Weiſe dieſes Geſchäftes, von welchem ich Augenzeuge war, gilt für alle dieſe durch gleichartigen Bau und Lebensweiſe verwandten Thiere. Zum Eierlegen iſt ihnen in den von mir bereiſten Gegenden die unbewohnte Strecke beſonders günſtig, welche ſich in einer Ausdehnung von achtzehn Meilen zwiſchen der Mündung des Rio Doce und des St. Matthäus befindet, ferner die zwiſchen dem eben genannten Fluſſe und dem Mucuri, ſowie mehrere andere Gegenden des Strandes, welche nicht durch hohe ſteile Küſten, an denen die Wogen des Meeres ſich brechen, unzugänglich gemacht werden. Der Reiſende findet in der Legezeit häufig Stellen im Sande der Küſte, auf denen zwei gleichlaufende Rinnen den Weg anzeigen, welchen die Schildkröten genommen, als ſie das Land beſtiegen. Dieſe Furchen ſind die Spuren, welche die vier Floſſenfüße hinterlaſſen; zwiſchen ihnen bemerkt man alsdann eine breite Schleife, welche der Unterpanzer des ſchweren Körpers eindrückt. Folgt man dieſer Spur etwa dreißig bis vierzig Schritte weit auf die Höhe des Sandufers, ſo kann man das ſchwere, große Thier finden, wie es unbeweglich in einem flachen, wenig vertieften, durch ein kreisförmiges Herumdrehen gebildeten Keſſel daſitzt, mit der Hälfte des Körpers darin verborgen. Sind die ſämmtlichen Eier 4 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/65>, abgerufen am 22.12.2024.