Die Laichzeit fällt in die ersten Sommermonate, in den Juni oder Juli. So lange sie währt, findet man die Welse gewöhnlich paarweise zusammen. Sie nähern sich dann dem Ufer, um im Ried und Rohr ihre Eier abzusetzen und bleiben auch, was sie sonst nicht zu thun pflegen, übertages in seichtem Wasser liegen. Nach angestellten Zählungen legt der Rogener nur etwa 17,000 Eier ab, aus denen nach sieben bis neun Tagen die Jungen, sonderbar aussehende Geschöpfe, welche mit Kaulquappen eine wirklich überraschende Aehnlichkeit haben, hervorkommen. Bei hohem Wasserstande erreicht die Brut schon im ersten Jahre bis anderthalb, im zweiten bis drei Pfund, bei niederem hingegen im ersten nur ein halbes, im zweiten bis anderthalb Pfund Gewicht. Erfahrene ungarische Fischer geben, laut Heckel und Kner, die Lebensdauer des Welses auf zehn bis zwölf Jahre an, unzweifelhaft mit Unrecht, da man, wie Baldner erwähnt, einen in der Jll bei Straßburg gefangenen Wels von Fußlänge in einem Weiher von 1569 bis 1620 am Leben erhalten und beobachtet hat, daß derselbe in dieser Zeit erst eine Länge von fünf Fuß erreicht hatte. Wenn man nun auch annehmen darf, daß Gefangene, bezüglich im engeren Raum eingesperrte Welse viel langsamer wachsen als solche, welche in der Donau oder einem anderen großen Strom nach Belieben jagen, sich tummeln
[Abbildung]
Der Wels(Silurus Glauis). Nat. Größe dis 10 Fuß.
und mästen können, darf man doch glauben, daß Riesen von neun bis zehn Fuß Länge eine viel größere Anzahl von Jahren zählen müssen. Vielleicht zum Glück für unsere Gewässer erreichen nur wenige Welse ein so hohes Alter. Die meisten der aus den verschont gebliebenen Eiern ausschlüpfenden Jungen werden in der ersten Zeit ihres Lebens von Trüschen und anderen Raubfischen, die größeren wohl auch von ihren eigenen Eltern weggeschnappt, viele außerdem in der Blüte ihrer Jahre von Fischern gefangen.
Ungeachtet des nicht sonderlich geschätzten Fleisches, welches, so lange der Fisch jung, sehr fett, wenn er alt, äußerst zähe ist, wird dem Wels doch nachgestellt, weil das Fleisch als Speck oder bei der Lederbereitung Anwendung findet, die Schwimmblase zu Leim verarbeitet wird. Die Jungen erbeutet man meist mit der Angel, die Alten am Häufigsten während der Laichzeit bei Nacht, gewöhnlich mit dem Wurfspieße. Sehr große Stücke machen den Fischern viel zu schassen. Richter versichert selbst gesehen zu haben, daß ein großer, an der Angel zappelnder Wels mit Schwanzschlägen einen Kahn umwarf.
Wie die meisten Welse überhaupt hält auch der europäische ohne Schaden lange Zeit außerhalb des Wassers aus, läßt sich demgemäß leicht versenden und bezüglich in Gewässern, denen er fehlt, einbürgern. Letzteres soll neuerdings wiederholt geschehen sein, indem man von Preußen aus Welse nach Frankreich versandte. Jn engerem Gewahrsam halten junge Stücke, falls man sie nur ordentlich füttert, recht leidlich aus.
Die Edelfiſche. Welſe. Brackwelſe.
Die Laichzeit fällt in die erſten Sommermonate, in den Juni oder Juli. So lange ſie währt, findet man die Welſe gewöhnlich paarweiſe zuſammen. Sie nähern ſich dann dem Ufer, um im Ried und Rohr ihre Eier abzuſetzen und bleiben auch, was ſie ſonſt nicht zu thun pflegen, übertages in ſeichtem Waſſer liegen. Nach angeſtellten Zählungen legt der Rogener nur etwa 17,000 Eier ab, aus denen nach ſieben bis neun Tagen die Jungen, ſonderbar ausſehende Geſchöpfe, welche mit Kaulquappen eine wirklich überraſchende Aehnlichkeit haben, hervorkommen. Bei hohem Waſſerſtande erreicht die Brut ſchon im erſten Jahre bis anderthalb, im zweiten bis drei Pfund, bei niederem hingegen im erſten nur ein halbes, im zweiten bis anderthalb Pfund Gewicht. Erfahrene ungariſche Fiſcher geben, laut Heckel und Kner, die Lebensdauer des Welſes auf zehn bis zwölf Jahre an, unzweifelhaft mit Unrecht, da man, wie Baldner erwähnt, einen in der Jll bei Straßburg gefangenen Wels von Fußlänge in einem Weiher von 1569 bis 1620 am Leben erhalten und beobachtet hat, daß derſelbe in dieſer Zeit erſt eine Länge von fünf Fuß erreicht hatte. Wenn man nun auch annehmen darf, daß Gefangene, bezüglich im engeren Raum eingeſperrte Welſe viel langſamer wachſen als ſolche, welche in der Donau oder einem anderen großen Strom nach Belieben jagen, ſich tummeln
[Abbildung]
Der Wels(Silurus Glauis). Nat. Größe dis 10 Fuß.
und mäſten können, darf man doch glauben, daß Rieſen von neun bis zehn Fuß Länge eine viel größere Anzahl von Jahren zählen müſſen. Vielleicht zum Glück für unſere Gewäſſer erreichen nur wenige Welſe ein ſo hohes Alter. Die meiſten der aus den verſchont gebliebenen Eiern ausſchlüpfenden Jungen werden in der erſten Zeit ihres Lebens von Trüſchen und anderen Raubfiſchen, die größeren wohl auch von ihren eigenen Eltern weggeſchnappt, viele außerdem in der Blüte ihrer Jahre von Fiſchern gefangen.
Ungeachtet des nicht ſonderlich geſchätzten Fleiſches, welches, ſo lange der Fiſch jung, ſehr fett, wenn er alt, äußerſt zähe iſt, wird dem Wels doch nachgeſtellt, weil das Fleiſch als Speck oder bei der Lederbereitung Anwendung findet, die Schwimmblaſe zu Leim verarbeitet wird. Die Jungen erbeutet man meiſt mit der Angel, die Alten am Häufigſten während der Laichzeit bei Nacht, gewöhnlich mit dem Wurfſpieße. Sehr große Stücke machen den Fiſchern viel zu ſchaſſen. Richter verſichert ſelbſt geſehen zu haben, daß ein großer, an der Angel zappelnder Wels mit Schwanzſchlägen einen Kahn umwarf.
Wie die meiſten Welſe überhaupt hält auch der europäiſche ohne Schaden lange Zeit außerhalb des Waſſers aus, läßt ſich demgemäß leicht verſenden und bezüglich in Gewäſſern, denen er fehlt, einbürgern. Letzteres ſoll neuerdings wiederholt geſchehen ſein, indem man von Preußen aus Welſe nach Frankreich verſandte. Jn engerem Gewahrſam halten junge Stücke, falls man ſie nur ordentlich füttert, recht leidlich aus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0670"n="632"/><fwplace="top"type="header">Die Edelfiſche. Welſe. Brackwelſe.</fw><lb/><p>Die Laichzeit fällt in die erſten Sommermonate, in den Juni oder Juli. So lange ſie währt,<lb/>
findet man die Welſe gewöhnlich paarweiſe zuſammen. Sie nähern ſich dann dem Ufer, um im Ried<lb/>
und Rohr ihre Eier abzuſetzen und bleiben auch, was ſie ſonſt nicht zu thun pflegen, übertages in<lb/>ſeichtem Waſſer liegen. Nach angeſtellten Zählungen legt der Rogener nur etwa 17,000 Eier ab, aus<lb/>
denen nach ſieben bis neun Tagen die Jungen, ſonderbar ausſehende Geſchöpfe, welche mit Kaulquappen<lb/>
eine wirklich überraſchende Aehnlichkeit haben, hervorkommen. Bei hohem Waſſerſtande erreicht<lb/>
die Brut ſchon im erſten Jahre bis anderthalb, im zweiten bis drei Pfund, bei niederem hingegen im<lb/>
erſten nur ein halbes, im zweiten bis anderthalb Pfund Gewicht. Erfahrene ungariſche Fiſcher geben,<lb/>
laut <hirendition="#g">Heckel</hi> und <hirendition="#g">Kner,</hi> die Lebensdauer des Welſes auf zehn bis zwölf Jahre an, unzweifelhaft<lb/>
mit Unrecht, da man, wie <hirendition="#g">Baldner</hi> erwähnt, einen in der Jll bei Straßburg gefangenen Wels<lb/>
von Fußlänge in einem Weiher von 1569 bis 1620 am Leben erhalten und beobachtet hat, daß<lb/>
derſelbe in dieſer Zeit erſt eine Länge von fünf Fuß erreicht hatte. Wenn man nun auch annehmen<lb/>
darf, daß Gefangene, bezüglich im engeren Raum eingeſperrte Welſe viel langſamer wachſen als<lb/>ſolche, welche in der Donau oder einem anderen großen Strom nach Belieben jagen, ſich tummeln<lb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#g">Der Wels</hi><hirendition="#aq">(Silurus Glauis).</hi> Nat. Größe dis 10 Fuß.</hi></head></figure><lb/>
und mäſten können, darf man doch glauben, daß Rieſen von neun bis zehn Fuß Länge eine viel<lb/>
größere Anzahl von Jahren zählen müſſen. Vielleicht zum Glück für unſere Gewäſſer erreichen nur<lb/>
wenige Welſe ein ſo hohes Alter. Die meiſten der aus den verſchont gebliebenen Eiern ausſchlüpfenden<lb/>
Jungen werden in der erſten Zeit ihres Lebens von Trüſchen und anderen Raubfiſchen, die größeren<lb/>
wohl auch von ihren eigenen Eltern weggeſchnappt, viele außerdem in der Blüte ihrer Jahre von<lb/>
Fiſchern gefangen.</p><lb/><p>Ungeachtet des nicht ſonderlich geſchätzten Fleiſches, welches, ſo lange der Fiſch jung, ſehr fett,<lb/>
wenn er alt, äußerſt zähe iſt, wird dem Wels doch nachgeſtellt, weil das Fleiſch als Speck oder bei<lb/>
der Lederbereitung Anwendung findet, die Schwimmblaſe zu Leim verarbeitet wird. Die Jungen<lb/>
erbeutet man meiſt mit der Angel, die Alten am Häufigſten während der Laichzeit bei Nacht, gewöhnlich<lb/>
mit dem Wurfſpieße. Sehr große Stücke machen den Fiſchern viel zu ſchaſſen. <hirendition="#g">Richter</hi> verſichert<lb/>ſelbſt geſehen zu haben, daß ein großer, an der Angel zappelnder Wels mit Schwanzſchlägen einen<lb/>
Kahn umwarf.</p><lb/><p>Wie die meiſten Welſe überhaupt hält auch der europäiſche ohne Schaden lange Zeit außerhalb<lb/>
des Waſſers aus, läßt ſich demgemäß leicht verſenden und bezüglich in Gewäſſern, denen er fehlt,<lb/>
einbürgern. Letzteres ſoll neuerdings wiederholt geſchehen ſein, indem man von Preußen aus Welſe<lb/>
nach Frankreich verſandte. Jn engerem Gewahrſam halten junge Stücke, falls man ſie nur ordentlich<lb/>
füttert, recht leidlich aus.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[632/0670]
Die Edelfiſche. Welſe. Brackwelſe.
Die Laichzeit fällt in die erſten Sommermonate, in den Juni oder Juli. So lange ſie währt,
findet man die Welſe gewöhnlich paarweiſe zuſammen. Sie nähern ſich dann dem Ufer, um im Ried
und Rohr ihre Eier abzuſetzen und bleiben auch, was ſie ſonſt nicht zu thun pflegen, übertages in
ſeichtem Waſſer liegen. Nach angeſtellten Zählungen legt der Rogener nur etwa 17,000 Eier ab, aus
denen nach ſieben bis neun Tagen die Jungen, ſonderbar ausſehende Geſchöpfe, welche mit Kaulquappen
eine wirklich überraſchende Aehnlichkeit haben, hervorkommen. Bei hohem Waſſerſtande erreicht
die Brut ſchon im erſten Jahre bis anderthalb, im zweiten bis drei Pfund, bei niederem hingegen im
erſten nur ein halbes, im zweiten bis anderthalb Pfund Gewicht. Erfahrene ungariſche Fiſcher geben,
laut Heckel und Kner, die Lebensdauer des Welſes auf zehn bis zwölf Jahre an, unzweifelhaft
mit Unrecht, da man, wie Baldner erwähnt, einen in der Jll bei Straßburg gefangenen Wels
von Fußlänge in einem Weiher von 1569 bis 1620 am Leben erhalten und beobachtet hat, daß
derſelbe in dieſer Zeit erſt eine Länge von fünf Fuß erreicht hatte. Wenn man nun auch annehmen
darf, daß Gefangene, bezüglich im engeren Raum eingeſperrte Welſe viel langſamer wachſen als
ſolche, welche in der Donau oder einem anderen großen Strom nach Belieben jagen, ſich tummeln
[Abbildung Der Wels (Silurus Glauis). Nat. Größe dis 10 Fuß.]
und mäſten können, darf man doch glauben, daß Rieſen von neun bis zehn Fuß Länge eine viel
größere Anzahl von Jahren zählen müſſen. Vielleicht zum Glück für unſere Gewäſſer erreichen nur
wenige Welſe ein ſo hohes Alter. Die meiſten der aus den verſchont gebliebenen Eiern ausſchlüpfenden
Jungen werden in der erſten Zeit ihres Lebens von Trüſchen und anderen Raubfiſchen, die größeren
wohl auch von ihren eigenen Eltern weggeſchnappt, viele außerdem in der Blüte ihrer Jahre von
Fiſchern gefangen.
Ungeachtet des nicht ſonderlich geſchätzten Fleiſches, welches, ſo lange der Fiſch jung, ſehr fett,
wenn er alt, äußerſt zähe iſt, wird dem Wels doch nachgeſtellt, weil das Fleiſch als Speck oder bei
der Lederbereitung Anwendung findet, die Schwimmblaſe zu Leim verarbeitet wird. Die Jungen
erbeutet man meiſt mit der Angel, die Alten am Häufigſten während der Laichzeit bei Nacht, gewöhnlich
mit dem Wurfſpieße. Sehr große Stücke machen den Fiſchern viel zu ſchaſſen. Richter verſichert
ſelbſt geſehen zu haben, daß ein großer, an der Angel zappelnder Wels mit Schwanzſchlägen einen
Kahn umwarf.
Wie die meiſten Welſe überhaupt hält auch der europäiſche ohne Schaden lange Zeit außerhalb
des Waſſers aus, läßt ſich demgemäß leicht verſenden und bezüglich in Gewäſſern, denen er fehlt,
einbürgern. Letzteres ſoll neuerdings wiederholt geſchehen ſein, indem man von Preußen aus Welſe
nach Frankreich verſandte. Jn engerem Gewahrſam halten junge Stücke, falls man ſie nur ordentlich
füttert, recht leidlich aus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/670>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.