Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Edelfische. Karpfen. Lauben. Rapfen.
ihm neuerdings Fabrikanlagen, deren Abflüsse Bäche und Flüßchen vergiften, sehr verderblich. Beim
Aufsteigen in der Wupper z. B. gerathen die Züge, laut Cornelius in der Evertsaue in das von
Säuren und Farbstoffen aus den Barmer und Elberfelder Färbereien geschwängerte und vergiftete
Wasser, "und bald schwimmen zahlreiche todte und halbtodte Fische zurück, die Wupper hinab.
Mauchmal ist auch wohl die Anzahl der ausgeworfenen und an langsam fließenden Stellen im
Wasser verwesenden Leichname so beträchtlich, daß die Luft weit umher von einem unausstehlichen
Geruche erfüllt wird." Zum Laichen selbst ersieht er sich Stellen mit steinigtem Grunde oder zwischen
Wasserpflanzen verschiedener Art, bewegt sich noch lebhafter als sonst, schnellt sich oft über die Oberfläche
empor und zeigt sich überhaupt sehr erregt. Das Laichen erfolgt, nach Angabe unser Gewährsmänner
in drei mehr oder weniger langen Zwischenräumen; die ältesten Weißfische machen den Anfang, die
jüngsten den Schluß. Jhre Vermehrung ist außerordentlich stark, ihr Leben aber unverhältnißmäßig
kurz; denn die Art und Weise ihres Zusammenhaltens und der Bevorzugung der oberen Wasser-
schichten macht sie zu einer häufigen Beute der Raubsische und Wasservögel, welche ihren Schwärmen
ununterbrochen folgen. Stürzt sich ein raubgieriger Barsch unter ihren Haufen, so pflegen sie sich
außerhalb des Wassers eine Strecke weit fortzuschnellen und wissen so den Verfolgungen ihrer Feinde
oft zu entgehen. Aber wie bei den Hochfliegern geschieht es, daß dann Möven oder Seeschwalben,
ihre nicht minder wachsamen Feinde, von oben herab sich auf sie werfen und unter ihnen Beute
machen. "Dafür", sagt Siebold, "behasten sie auch diese Wasservögel mit einem Bandwurm,
welcher als Lingula simplicissima frei in ihrer Leibeshöhle vorkommt und durch sie in den Darm
jener Vögel übergepflanzt wird."

Als Nahrungsmittel gelten die Lauben insgemein, also auch unsere Weißfische für werthlos;
doch betreibt man hier und da ihnen zu Gefallen einen regelmäßigen Fang, weil man Junge doch
genießt, sie als Köder für andere Fische und seit dem vorigen Jahrhunderte zur Herstellung der
"Essence d'Orient" benutzte.

An der Ahr und anderen Zuflüssen des Rheins fängt man sie als kleine Junge zu Millionen,
nebst anderen Fischchen verschiedener Art, kocht sie ab, hüllt sie, nachdem sie abgetrocknet, in grüne
Blätter, umgibt diese mit Baumrinde, und bringt sie päktchenweise unter dem Namen "Rümpchen"
oder "Gesäms" auf den Markt. Aus der Essence d'Orient, deren Bestandtheile längere Zeit geheim
gehalten wurden, fertigt man die falschen Perlen, welche bekanntlich den echten täuschend ähnlich
sein können und den Preis der letzteren wesentlich herabgedrückt haben. Die Erfindung, Glas-
perlen innerlich mit fein gestoßenen Fischschuppen zu bekleiden und ihnen so jenen Perlenglanz zu
verleihen, wurde vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem französischen Rosenkranz-
verfertiger gemacht und seitdem in mehr oder minder großartigem Maßstabe betrieben. Man
schuppt den Weißfisch ab, bringt die Schuppen in ein Geschirr mit Wasser und zerreibt sie hier so
fein als möglich. Das Wasser, welches bald eine Silberfärbung annimmt, wird in ein großes
Glas gegossen und letzteres zum Setzen der Masse mehrere Stunden lang an einen ruhigen Ort
gestellt. Jst die Masse zu Boden gesunken, so gießt man das reine Wasser durch vorsichtiges
Neigen des Glases ab, bis außer einem ölartigen, dicken Safte, der Essence d'Orient, nichts mehr
zurückgeblieben. Die Benutzung gründet sich auf die Eigenschaft der abgeriebenen Silberglanz-
plättchen, in Ammoniak keine Veränderung zu erleiden. Nach den von Siebold am Mittelrhein
eingezogenen Erkundigungen liefert ein Centner Weißfische vier Pfund Schuppen und sollen zur
Auswaschung von ein Pfund Silberglanz achtzehn- bis zwanzigtausend Fische erforderlich sein.
Freilich sind letztere so häufig, daß es unter Umständen leicht wird, derartige Mengen mit einem
Male zu erbeuten. Jm Bodensee z. B. hat man schon auf einen Zug zehn Eimer von ihnen gefangen.

Für engeren Gewahrsam eignet sich der Weißfisch, laut Jesse, ganz vorzüglich; denn er ist
der spiellustigste und unterhaltendste aller kleineren Fische, unablässig in Bewegung, auf Alles
aufmerksam, springt nach jeder kleinen Fliege oder nach jedem ins Wasser gebrachten Körper
überhaupt, und scheint ebenso zufrieden als unermüdlich zu sein.

Die Edelfiſche. Karpfen. Lauben. Rapfen.
ihm neuerdings Fabrikanlagen, deren Abflüſſe Bäche und Flüßchen vergiften, ſehr verderblich. Beim
Aufſteigen in der Wupper z. B. gerathen die Züge, laut Cornelius in der Evertsaue in das von
Säuren und Farbſtoffen aus den Barmer und Elberfelder Färbereien geſchwängerte und vergiftete
Waſſer, „und bald ſchwimmen zahlreiche todte und halbtodte Fiſche zurück, die Wupper hinab.
Mauchmal iſt auch wohl die Anzahl der ausgeworfenen und an langſam fließenden Stellen im
Waſſer verweſenden Leichname ſo beträchtlich, daß die Luft weit umher von einem unausſtehlichen
Geruche erfüllt wird.“ Zum Laichen ſelbſt erſieht er ſich Stellen mit ſteinigtem Grunde oder zwiſchen
Waſſerpflanzen verſchiedener Art, bewegt ſich noch lebhafter als ſonſt, ſchnellt ſich oft über die Oberfläche
empor und zeigt ſich überhaupt ſehr erregt. Das Laichen erfolgt, nach Angabe unſer Gewährsmänner
in drei mehr oder weniger langen Zwiſchenräumen; die älteſten Weißfiſche machen den Anfang, die
jüngſten den Schluß. Jhre Vermehrung iſt außerordentlich ſtark, ihr Leben aber unverhältnißmäßig
kurz; denn die Art und Weiſe ihres Zuſammenhaltens und der Bevorzugung der oberen Waſſer-
ſchichten macht ſie zu einer häufigen Beute der Raubſiſche und Waſſervögel, welche ihren Schwärmen
ununterbrochen folgen. Stürzt ſich ein raubgieriger Barſch unter ihren Haufen, ſo pflegen ſie ſich
außerhalb des Waſſers eine Strecke weit fortzuſchnellen und wiſſen ſo den Verfolgungen ihrer Feinde
oft zu entgehen. Aber wie bei den Hochfliegern geſchieht es, daß dann Möven oder Seeſchwalben,
ihre nicht minder wachſamen Feinde, von oben herab ſich auf ſie werfen und unter ihnen Beute
machen. „Dafür“, ſagt Siebold, „behaſten ſie auch dieſe Waſſervögel mit einem Bandwurm,
welcher als Lingula simplicissima frei in ihrer Leibeshöhle vorkommt und durch ſie in den Darm
jener Vögel übergepflanzt wird.“

Als Nahrungsmittel gelten die Lauben insgemein, alſo auch unſere Weißfiſche für werthlos;
doch betreibt man hier und da ihnen zu Gefallen einen regelmäßigen Fang, weil man Junge doch
genießt, ſie als Köder für andere Fiſche und ſeit dem vorigen Jahrhunderte zur Herſtellung der
„Essence d’Orient“ benutzte.

An der Ahr und anderen Zuflüſſen des Rheins fängt man ſie als kleine Junge zu Millionen,
nebſt anderen Fiſchchen verſchiedener Art, kocht ſie ab, hüllt ſie, nachdem ſie abgetrocknet, in grüne
Blätter, umgibt dieſe mit Baumrinde, und bringt ſie päktchenweiſe unter dem Namen „Rümpchen“
oder „Geſäms“ auf den Markt. Aus der Essence d’Orient, deren Beſtandtheile längere Zeit geheim
gehalten wurden, fertigt man die falſchen Perlen, welche bekanntlich den echten täuſchend ähnlich
ſein können und den Preis der letzteren weſentlich herabgedrückt haben. Die Erfindung, Glas-
perlen innerlich mit fein geſtoßenen Fiſchſchuppen zu bekleiden und ihnen ſo jenen Perlenglanz zu
verleihen, wurde vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem franzöſiſchen Roſenkranz-
verfertiger gemacht und ſeitdem in mehr oder minder großartigem Maßſtabe betrieben. Man
ſchuppt den Weißfiſch ab, bringt die Schuppen in ein Geſchirr mit Waſſer und zerreibt ſie hier ſo
fein als möglich. Das Waſſer, welches bald eine Silberfärbung annimmt, wird in ein großes
Glas gegoſſen und letzteres zum Setzen der Maſſe mehrere Stunden lang an einen ruhigen Ort
geſtellt. Jſt die Maſſe zu Boden geſunken, ſo gießt man das reine Waſſer durch vorſichtiges
Neigen des Glaſes ab, bis außer einem ölartigen, dicken Safte, der Essence d’Orient, nichts mehr
zurückgeblieben. Die Benutzung gründet ſich auf die Eigenſchaft der abgeriebenen Silberglanz-
plättchen, in Ammoniak keine Veränderung zu erleiden. Nach den von Siebold am Mittelrhein
eingezogenen Erkundigungen liefert ein Centner Weißfiſche vier Pfund Schuppen und ſollen zur
Auswaſchung von ein Pfund Silberglanz achtzehn- bis zwanzigtauſend Fiſche erforderlich ſein.
Freilich ſind letztere ſo häufig, daß es unter Umſtänden leicht wird, derartige Mengen mit einem
Male zu erbeuten. Jm Bodenſee z. B. hat man ſchon auf einen Zug zehn Eimer von ihnen gefangen.

Für engeren Gewahrſam eignet ſich der Weißfiſch, laut Jeſſe, ganz vorzüglich; denn er iſt
der ſpielluſtigſte und unterhaltendſte aller kleineren Fiſche, unabläſſig in Bewegung, auf Alles
aufmerkſam, ſpringt nach jeder kleinen Fliege oder nach jedem ins Waſſer gebrachten Körper
überhaupt, und ſcheint ebenſo zufrieden als unermüdlich zu ſein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0704" n="666"/><fw place="top" type="header">Die Edelfi&#x017F;che. Karpfen. Lauben. Rapfen.</fw><lb/>
ihm neuerdings Fabrikanlagen, deren Abflü&#x017F;&#x017F;e Bäche und Flüßchen vergiften, &#x017F;ehr verderblich. Beim<lb/>
Auf&#x017F;teigen in der Wupper z. B. gerathen die Züge, laut <hi rendition="#g">Cornelius</hi> in der Evertsaue in das von<lb/>
Säuren und Farb&#x017F;toffen aus den Barmer und Elberfelder Färbereien ge&#x017F;chwängerte und vergiftete<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, &#x201E;und bald &#x017F;chwimmen zahlreiche todte und halbtodte Fi&#x017F;che zurück, die Wupper hinab.<lb/>
Mauchmal i&#x017F;t auch wohl die Anzahl der ausgeworfenen und an lang&#x017F;am fließenden Stellen im<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er verwe&#x017F;enden Leichname &#x017F;o beträchtlich, daß die Luft weit umher von einem unaus&#x017F;tehlichen<lb/>
Geruche erfüllt wird.&#x201C; Zum Laichen &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;ieht er &#x017F;ich Stellen mit &#x017F;teinigtem Grunde oder zwi&#x017F;chen<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erpflanzen ver&#x017F;chiedener Art, bewegt &#x017F;ich noch lebhafter als &#x017F;on&#x017F;t, &#x017F;chnellt &#x017F;ich oft über die Oberfläche<lb/>
empor und zeigt &#x017F;ich überhaupt &#x017F;ehr erregt. Das Laichen erfolgt, nach Angabe un&#x017F;er Gewährsmänner<lb/>
in drei mehr oder weniger langen Zwi&#x017F;chenräumen; die älte&#x017F;ten Weißfi&#x017F;che machen den Anfang, die<lb/>
jüng&#x017F;ten den Schluß. Jhre Vermehrung i&#x017F;t außerordentlich &#x017F;tark, ihr Leben aber unverhältnißmäßig<lb/>
kurz; denn die Art und Wei&#x017F;e ihres Zu&#x017F;ammenhaltens und der Bevorzugung der oberen Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;chichten macht &#x017F;ie zu einer häufigen Beute der Raub&#x017F;i&#x017F;che und Wa&#x017F;&#x017F;ervögel, welche ihren Schwärmen<lb/>
ununterbrochen folgen. Stürzt &#x017F;ich ein raubgieriger Bar&#x017F;ch unter ihren Haufen, &#x017F;o pflegen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
außerhalb des Wa&#x017F;&#x017F;ers eine Strecke weit fortzu&#x017F;chnellen und wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o den Verfolgungen ihrer Feinde<lb/>
oft zu entgehen. Aber wie bei den Hochfliegern ge&#x017F;chieht es, daß dann Möven oder See&#x017F;chwalben,<lb/>
ihre nicht minder wach&#x017F;amen Feinde, von oben herab &#x017F;ich auf &#x017F;ie werfen und unter ihnen Beute<lb/>
machen. &#x201E;Dafür&#x201C;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Siebold,</hi> &#x201E;beha&#x017F;ten &#x017F;ie auch die&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;ervögel mit einem Bandwurm,<lb/>
welcher als <hi rendition="#aq">Lingula simplicissima</hi> frei in ihrer Leibeshöhle vorkommt und durch &#x017F;ie in den Darm<lb/>
jener Vögel übergepflanzt wird.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Als Nahrungsmittel gelten die Lauben insgemein, al&#x017F;o auch un&#x017F;ere Weißfi&#x017F;che für werthlos;<lb/>
doch betreibt man hier und da ihnen zu Gefallen einen regelmäßigen Fang, weil man Junge doch<lb/>
genießt, &#x017F;ie als Köder für andere Fi&#x017F;che und &#x017F;eit dem vorigen Jahrhunderte zur Her&#x017F;tellung der<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;Essence d&#x2019;Orient&#x201C;</hi> benutzte.</p><lb/>
            <p>An der Ahr und anderen Zuflü&#x017F;&#x017F;en des Rheins fängt man &#x017F;ie als kleine Junge zu Millionen,<lb/>
neb&#x017F;t anderen Fi&#x017F;chchen ver&#x017F;chiedener Art, kocht &#x017F;ie ab, hüllt &#x017F;ie, nachdem &#x017F;ie abgetrocknet, in grüne<lb/>
Blätter, umgibt die&#x017F;e mit Baumrinde, und bringt &#x017F;ie päktchenwei&#x017F;e unter dem Namen &#x201E;Rümpchen&#x201C;<lb/>
oder &#x201E;Ge&#x017F;äms&#x201C; auf den Markt. Aus der <hi rendition="#aq">Essence d&#x2019;Orient,</hi> deren Be&#x017F;tandtheile längere Zeit geheim<lb/>
gehalten wurden, fertigt man die fal&#x017F;chen Perlen, welche bekanntlich den echten täu&#x017F;chend ähnlich<lb/>
&#x017F;ein können und den Preis der letzteren we&#x017F;entlich herabgedrückt haben. Die Erfindung, Glas-<lb/>
perlen innerlich mit fein ge&#x017F;toßenen Fi&#x017F;ch&#x017F;chuppen zu bekleiden und ihnen &#x017F;o jenen Perlenglanz zu<lb/>
verleihen, wurde vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ro&#x017F;enkranz-<lb/>
verfertiger gemacht und &#x017F;eitdem in mehr oder minder großartigem Maß&#x017F;tabe betrieben. Man<lb/>
&#x017F;chuppt den Weißfi&#x017F;ch ab, bringt die Schuppen in ein Ge&#x017F;chirr mit Wa&#x017F;&#x017F;er und zerreibt &#x017F;ie hier &#x017F;o<lb/>
fein als möglich. Das Wa&#x017F;&#x017F;er, welches bald eine Silberfärbung annimmt, wird in ein großes<lb/>
Glas gego&#x017F;&#x017F;en und letzteres zum Setzen der Ma&#x017F;&#x017F;e mehrere Stunden lang an einen ruhigen Ort<lb/>
ge&#x017F;tellt. J&#x017F;t die Ma&#x017F;&#x017F;e zu Boden ge&#x017F;unken, &#x017F;o gießt man das reine Wa&#x017F;&#x017F;er durch vor&#x017F;ichtiges<lb/>
Neigen des Gla&#x017F;es ab, bis außer einem ölartigen, dicken Safte, der <hi rendition="#aq">Essence d&#x2019;Orient,</hi> nichts mehr<lb/>
zurückgeblieben. Die Benutzung gründet &#x017F;ich auf die Eigen&#x017F;chaft der abgeriebenen Silberglanz-<lb/>
plättchen, in Ammoniak keine Veränderung zu erleiden. Nach den von <hi rendition="#g">Siebold</hi> am Mittelrhein<lb/>
eingezogenen Erkundigungen liefert ein Centner Weißfi&#x017F;che vier Pfund Schuppen und &#x017F;ollen zur<lb/>
Auswa&#x017F;chung von ein Pfund Silberglanz achtzehn- bis zwanzigtau&#x017F;end Fi&#x017F;che erforderlich &#x017F;ein.<lb/>
Freilich &#x017F;ind letztere &#x017F;o häufig, daß es unter Um&#x017F;tänden leicht wird, derartige Mengen mit einem<lb/>
Male zu erbeuten. Jm Boden&#x017F;ee z. B. hat man &#x017F;chon auf einen Zug zehn Eimer von ihnen gefangen.</p><lb/>
            <p>Für engeren Gewahr&#x017F;am eignet &#x017F;ich der Weißfi&#x017F;ch, laut <hi rendition="#g">Je&#x017F;&#x017F;e,</hi> ganz vorzüglich; denn er i&#x017F;t<lb/>
der &#x017F;piellu&#x017F;tig&#x017F;te und unterhaltend&#x017F;te aller kleineren Fi&#x017F;che, unablä&#x017F;&#x017F;ig in Bewegung, auf Alles<lb/>
aufmerk&#x017F;am, &#x017F;pringt nach jeder kleinen Fliege oder nach jedem ins Wa&#x017F;&#x017F;er gebrachten Körper<lb/>
überhaupt, und &#x017F;cheint eben&#x017F;o zufrieden als unermüdlich zu &#x017F;ein.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[666/0704] Die Edelfiſche. Karpfen. Lauben. Rapfen. ihm neuerdings Fabrikanlagen, deren Abflüſſe Bäche und Flüßchen vergiften, ſehr verderblich. Beim Aufſteigen in der Wupper z. B. gerathen die Züge, laut Cornelius in der Evertsaue in das von Säuren und Farbſtoffen aus den Barmer und Elberfelder Färbereien geſchwängerte und vergiftete Waſſer, „und bald ſchwimmen zahlreiche todte und halbtodte Fiſche zurück, die Wupper hinab. Mauchmal iſt auch wohl die Anzahl der ausgeworfenen und an langſam fließenden Stellen im Waſſer verweſenden Leichname ſo beträchtlich, daß die Luft weit umher von einem unausſtehlichen Geruche erfüllt wird.“ Zum Laichen ſelbſt erſieht er ſich Stellen mit ſteinigtem Grunde oder zwiſchen Waſſerpflanzen verſchiedener Art, bewegt ſich noch lebhafter als ſonſt, ſchnellt ſich oft über die Oberfläche empor und zeigt ſich überhaupt ſehr erregt. Das Laichen erfolgt, nach Angabe unſer Gewährsmänner in drei mehr oder weniger langen Zwiſchenräumen; die älteſten Weißfiſche machen den Anfang, die jüngſten den Schluß. Jhre Vermehrung iſt außerordentlich ſtark, ihr Leben aber unverhältnißmäßig kurz; denn die Art und Weiſe ihres Zuſammenhaltens und der Bevorzugung der oberen Waſſer- ſchichten macht ſie zu einer häufigen Beute der Raubſiſche und Waſſervögel, welche ihren Schwärmen ununterbrochen folgen. Stürzt ſich ein raubgieriger Barſch unter ihren Haufen, ſo pflegen ſie ſich außerhalb des Waſſers eine Strecke weit fortzuſchnellen und wiſſen ſo den Verfolgungen ihrer Feinde oft zu entgehen. Aber wie bei den Hochfliegern geſchieht es, daß dann Möven oder Seeſchwalben, ihre nicht minder wachſamen Feinde, von oben herab ſich auf ſie werfen und unter ihnen Beute machen. „Dafür“, ſagt Siebold, „behaſten ſie auch dieſe Waſſervögel mit einem Bandwurm, welcher als Lingula simplicissima frei in ihrer Leibeshöhle vorkommt und durch ſie in den Darm jener Vögel übergepflanzt wird.“ Als Nahrungsmittel gelten die Lauben insgemein, alſo auch unſere Weißfiſche für werthlos; doch betreibt man hier und da ihnen zu Gefallen einen regelmäßigen Fang, weil man Junge doch genießt, ſie als Köder für andere Fiſche und ſeit dem vorigen Jahrhunderte zur Herſtellung der „Essence d’Orient“ benutzte. An der Ahr und anderen Zuflüſſen des Rheins fängt man ſie als kleine Junge zu Millionen, nebſt anderen Fiſchchen verſchiedener Art, kocht ſie ab, hüllt ſie, nachdem ſie abgetrocknet, in grüne Blätter, umgibt dieſe mit Baumrinde, und bringt ſie päktchenweiſe unter dem Namen „Rümpchen“ oder „Geſäms“ auf den Markt. Aus der Essence d’Orient, deren Beſtandtheile längere Zeit geheim gehalten wurden, fertigt man die falſchen Perlen, welche bekanntlich den echten täuſchend ähnlich ſein können und den Preis der letzteren weſentlich herabgedrückt haben. Die Erfindung, Glas- perlen innerlich mit fein geſtoßenen Fiſchſchuppen zu bekleiden und ihnen ſo jenen Perlenglanz zu verleihen, wurde vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts von einem franzöſiſchen Roſenkranz- verfertiger gemacht und ſeitdem in mehr oder minder großartigem Maßſtabe betrieben. Man ſchuppt den Weißfiſch ab, bringt die Schuppen in ein Geſchirr mit Waſſer und zerreibt ſie hier ſo fein als möglich. Das Waſſer, welches bald eine Silberfärbung annimmt, wird in ein großes Glas gegoſſen und letzteres zum Setzen der Maſſe mehrere Stunden lang an einen ruhigen Ort geſtellt. Jſt die Maſſe zu Boden geſunken, ſo gießt man das reine Waſſer durch vorſichtiges Neigen des Glaſes ab, bis außer einem ölartigen, dicken Safte, der Essence d’Orient, nichts mehr zurückgeblieben. Die Benutzung gründet ſich auf die Eigenſchaft der abgeriebenen Silberglanz- plättchen, in Ammoniak keine Veränderung zu erleiden. Nach den von Siebold am Mittelrhein eingezogenen Erkundigungen liefert ein Centner Weißfiſche vier Pfund Schuppen und ſollen zur Auswaſchung von ein Pfund Silberglanz achtzehn- bis zwanzigtauſend Fiſche erforderlich ſein. Freilich ſind letztere ſo häufig, daß es unter Umſtänden leicht wird, derartige Mengen mit einem Male zu erbeuten. Jm Bodenſee z. B. hat man ſchon auf einen Zug zehn Eimer von ihnen gefangen. Für engeren Gewahrſam eignet ſich der Weißfiſch, laut Jeſſe, ganz vorzüglich; denn er iſt der ſpielluſtigſte und unterhaltendſte aller kleineren Fiſche, unabläſſig in Bewegung, auf Alles aufmerkſam, ſpringt nach jeder kleinen Fliege oder nach jedem ins Waſſer gebrachten Körper überhaupt, und ſcheint ebenſo zufrieden als unermüdlich zu ſein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/704
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/704>, abgerufen am 22.12.2024.