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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Lachse. Edellachse.

Nach ungefähr sechs Wochen, der herrschenden Witterung entsprechend früher oder später,
entschlüpfen die Jungen und verweilen nun zunächst mehr oder minder regungslos, d. h. höchstens
mit den stummelhaften Brustflossen etwas spielend, auf der Brutstätte, bis sie ihren anhängenden
Dottersack aufgezehrt haben und nunmehr das Bedürfniß nach anderer Nahrung empfinden. Zuerst
genügen ihnen die allerkleinsten Wasserthierchen, später wagen sie sich an Würmchen, hierauf an
Kerbthiere und junge Fischbrut, und mit der Größe wächst ihre Raublust. Drei Monate nach dem
Ausschlüpfen sind aus den beim Verlassen des Eies unförmlichen Geschöpfen wohlgestaltete, zierliche
Fischchen geworden, welche, wie die meisten übrigen Lachse, ein Jugendkleid tragen, auf dem dunkel-
braune Querbinden hervorstechen. Um diese Zeit beginnt die Geschwisterschaft sich zu vereinzeln,
Versteckplätze aufzusuchen und es mehr oder weniger ähnlich zu treiben wie die Eltern, deren
Lebensart sie fortan annehmen.

Viele Feinde bedrohen und gefährden die junge Brut. Noch ehe die befruchteten Eier aus-
geschlüpft sind, richten die Grundfische, vor allen die Trüschen arge Verwüstungen unter ihnen
an; auch der Wasserschwätzer liest wohl eines oder das andere mit auf; selbst die harmlose Bach-
stelze mag einzelne verzehren. Später, nach dem Ausschlüpfen, nehmen außer den Trüschen auch die
übrigen Raubfische, insbesondere die älteren Forellen, manches Junge weg, und wenn dieses wirklich
soweit gekommen, daß es selbst zum Räuber geworden, hat es doch anfänglich in der Wasser-
spitzmaus und Wasserratte, später im Fischotter und endlich im Menschen noch Feinde, denen es nicht
gewachsen. Der Fischotter weiß ebenso gut als der Mensch einen Unterschied zwischen den Fischen zu
machen nnd wählt sich niemals die schlechtesten Bissen aus, jagt deshalb auch gern auf Forellen,
deren Fleisch mit Recht hohen Ruhm sich erworben hat. Es muß auffallen, daß die Alten, welche
bekanntlich für Gaumenkitzel sehr empfänglich waren, über die Forelle schweigen, da erst Ausonius
in seiner "Mosel" ihrer Erwähnung thut, und es scheint fast, als hätten sie den Fisch nicht
gekannt oder nicht zu würdigen verstanden. Jn späterer Zeit war Dies freilich anders. Die Kirche
zwang ihre gläubigen Schafe, für die Tage der Enthaltsamkeit sich eine möglichst gute Weide zu
suchen, und so gelangten die Forellen bei allen Denen, welche sich Gott wohlgefällig zeigen, aber doch
nicht allzu empfindliche Kasteiungen sich auferlegen wollten, zu verdientem Ansehen. Die Fischer der
oberengadiner Seen hatten laut Verordnung Seiner bischöflichen Gnaden "fünfhundert Visch, einer
zwischen dem Haupt und dem Schweif Spannen lang, die Vischer von Silvaplana und Sils aber
jährlich absonderlich viertausendfünfhundert obbesagter Größe zu liefern". Hierbei vermochten Seine
bischöflichen Gnaden und die ehrenwerthen Herren Unterpfaffen schon die Aufgabe zu lösen,
Enthaltsamkeit zu predigen und den Schein derselben zu wahren, ohne sie wirklich bethätigen zu
müssen: mit fünftausend Forellen kam ein Bischof einschließlich seiner "Nichten", Untergebenen,
Diener und Knechte wohl über den Freitag und seine "um Gottes Willen" zu ertragenden
Beschwerden hinweg; denn "die Forellen werden einhellig größlich gepriesen bey allen Nationen, zu
jederzeit des Jars, insonderheit im Aprilen und Meyen. Summa, die besten Fisch auß den süssen
Wassern sind die Fören, also, daß sie auch in allerley Krankheit erlaubt werden".

Das bisher über die künstliche Fischzucht Gesagte gilt insbesondere für die Bachforelle. Bei
keinem unserer Süßwasserfische hat man über die durch den Menschen selbst bewirkte Befruchtung
und von ihm überwachte Ausbrütung der Eier mehr Beobachtungen angestellt und günstigere
Ergebnisse gewonnen, als gerade bei ihr. Jm Allgemeinen scheint man der Ansicht zu sein, als ob
die künstliche Fischzucht beträchtliche Ausgaben und bedeutende Vorkenntnisse erfordere, um mit Erfolg
betrieben zu werden, während die Sache an und für sich selbst sehr einfach ist und sich überall
anwenden läßt, wo man einen Bach reinen Quellwassers von annähernd gleicher Wärmehaltigkeit
mit starker Strömung und kiesigem Grunde zur Verfügung hat. Von diesem Bache aus, welcher
übrigens auch durch einen starken Zufluß von Quellwasser ersetzt werden kann, speist man mehrere,
in einem gewissen Verhältnisse zunehmende tiefe, auch im Winter frostfrei bleibende Teiche, welche
nöthigenfalls angelegt oder doch von allem Schlamme gereinigt und mit schattengebenden Büschen

Die Edelfiſche. Lachſe. Edellachſe.

Nach ungefähr ſechs Wochen, der herrſchenden Witterung entſprechend früher oder ſpäter,
entſchlüpfen die Jungen und verweilen nun zunächſt mehr oder minder regungslos, d. h. höchſtens
mit den ſtummelhaften Bruſtfloſſen etwas ſpielend, auf der Brutſtätte, bis ſie ihren anhängenden
Dotterſack aufgezehrt haben und nunmehr das Bedürfniß nach anderer Nahrung empfinden. Zuerſt
genügen ihnen die allerkleinſten Waſſerthierchen, ſpäter wagen ſie ſich an Würmchen, hierauf an
Kerbthiere und junge Fiſchbrut, und mit der Größe wächſt ihre Raubluſt. Drei Monate nach dem
Ausſchlüpfen ſind aus den beim Verlaſſen des Eies unförmlichen Geſchöpfen wohlgeſtaltete, zierliche
Fiſchchen geworden, welche, wie die meiſten übrigen Lachſe, ein Jugendkleid tragen, auf dem dunkel-
braune Querbinden hervorſtechen. Um dieſe Zeit beginnt die Geſchwiſterſchaft ſich zu vereinzeln,
Verſteckplätze aufzuſuchen und es mehr oder weniger ähnlich zu treiben wie die Eltern, deren
Lebensart ſie fortan annehmen.

Viele Feinde bedrohen und gefährden die junge Brut. Noch ehe die befruchteten Eier aus-
geſchlüpft ſind, richten die Grundfiſche, vor allen die Trüſchen arge Verwüſtungen unter ihnen
an; auch der Waſſerſchwätzer lieſt wohl eines oder das andere mit auf; ſelbſt die harmloſe Bach-
ſtelze mag einzelne verzehren. Später, nach dem Ausſchlüpfen, nehmen außer den Trüſchen auch die
übrigen Raubfiſche, insbeſondere die älteren Forellen, manches Junge weg, und wenn dieſes wirklich
ſoweit gekommen, daß es ſelbſt zum Räuber geworden, hat es doch anfänglich in der Waſſer-
ſpitzmaus und Waſſerratte, ſpäter im Fiſchotter und endlich im Menſchen noch Feinde, denen es nicht
gewachſen. Der Fiſchotter weiß ebenſo gut als der Menſch einen Unterſchied zwiſchen den Fiſchen zu
machen nnd wählt ſich niemals die ſchlechteſten Biſſen aus, jagt deshalb auch gern auf Forellen,
deren Fleiſch mit Recht hohen Ruhm ſich erworben hat. Es muß auffallen, daß die Alten, welche
bekanntlich für Gaumenkitzel ſehr empfänglich waren, über die Forelle ſchweigen, da erſt Auſonius
in ſeiner „Moſel“ ihrer Erwähnung thut, und es ſcheint faſt, als hätten ſie den Fiſch nicht
gekannt oder nicht zu würdigen verſtanden. Jn ſpäterer Zeit war Dies freilich anders. Die Kirche
zwang ihre gläubigen Schafe, für die Tage der Enthaltſamkeit ſich eine möglichſt gute Weide zu
ſuchen, und ſo gelangten die Forellen bei allen Denen, welche ſich Gott wohlgefällig zeigen, aber doch
nicht allzu empfindliche Kaſteiungen ſich auferlegen wollten, zu verdientem Anſehen. Die Fiſcher der
oberengadiner Seen hatten laut Verordnung Seiner biſchöflichen Gnaden „fünfhundert Viſch, einer
zwiſchen dem Haupt und dem Schweif Spannen lang, die Viſcher von Silvaplana und Sils aber
jährlich abſonderlich viertauſendfünfhundert obbeſagter Größe zu liefern“. Hierbei vermochten Seine
biſchöflichen Gnaden und die ehrenwerthen Herren Unterpfaffen ſchon die Aufgabe zu löſen,
Enthaltſamkeit zu predigen und den Schein derſelben zu wahren, ohne ſie wirklich bethätigen zu
müſſen: mit fünftauſend Forellen kam ein Biſchof einſchließlich ſeiner „Nichten“, Untergebenen,
Diener und Knechte wohl über den Freitag und ſeine „um Gottes Willen“ zu ertragenden
Beſchwerden hinweg; denn „die Forellen werden einhellig größlich geprieſen bey allen Nationen, zu
jederzeit des Jars, inſonderheit im Aprilen und Meyen. Summa, die beſten Fiſch auß den ſüſſen
Waſſern ſind die Fören, alſo, daß ſie auch in allerley Krankheit erlaubt werden“.

Das bisher über die künſtliche Fiſchzucht Geſagte gilt insbeſondere für die Bachforelle. Bei
keinem unſerer Süßwaſſerfiſche hat man über die durch den Menſchen ſelbſt bewirkte Befruchtung
und von ihm überwachte Ausbrütung der Eier mehr Beobachtungen angeſtellt und günſtigere
Ergebniſſe gewonnen, als gerade bei ihr. Jm Allgemeinen ſcheint man der Anſicht zu ſein, als ob
die künſtliche Fiſchzucht beträchtliche Ausgaben und bedeutende Vorkenntniſſe erfordere, um mit Erfolg
betrieben zu werden, während die Sache an und für ſich ſelbſt ſehr einfach iſt und ſich überall
anwenden läßt, wo man einen Bach reinen Quellwaſſers von annähernd gleicher Wärmehaltigkeit
mit ſtarker Strömung und kieſigem Grunde zur Verfügung hat. Von dieſem Bache aus, welcher
übrigens auch durch einen ſtarken Zufluß von Quellwaſſer erſetzt werden kann, ſpeiſt man mehrere,
in einem gewiſſen Verhältniſſe zunehmende tiefe, auch im Winter froſtfrei bleibende Teiche, welche
nöthigenfalls angelegt oder doch von allem Schlamme gereinigt und mit ſchattengebenden Büſchen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 700. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/740>, abgerufen am 22.12.2024.