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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Heringe. Alsen. Sardellen.
blos bei den meisten großen Städten Ströme vorüberfließen läßt, sondern diese auch mit Fischen
bevölkert, welche den Gläubigen rechtzeitig zu Gute kommen. Jch verwahre mich gegen jegliche
boshafte Deutung vorstehender Worte; denn ich habe erst ganz neuerlich das Buch eines Jesuiten
gelesen, welches mit erstaunlichem Aufwande von Weisheit ähnlichen Blödsinn vorträgt.

Wichtiger als Maifisch und Finte ist eine andere Alse, der Pilchard (Alausa pilchardus), ein
im Ansehen dem Hering ähnelnder, aber kleinerer und dickerer Fisch von 9 bis 11 Zoll Länge, auf
der Oberseite bläulichgrün, auf der Seite und am Bauche silberweiß gefärbt, auf den Kiemendeckeln
goldig schimmernd und dunkler gestreift, mit 18 Strahlen in der Rücken-, 16 in der Brust-, 8 in
der Bauch-, 18 in der After- und 19 in der Schwanzflosse.

Der Pilchard gehört hauptsächlich dem Westen Europas an. Er findet sich häufig im Süden
von England und längs der ganzen französischen und nordspanischen Küste bis gegen die Meerenge
von Gibraltar hin. An der Küste von Cornwall hält er sich das ganze Jahr auf, jedoch, laut
Couch, dem wir die beste Beschreibung verdanken, bald in tieferem, bald in seichterem Wasser. Auch
von ihm glaubte man früher, daß er nur ein Wanderfisch sei und aus den hochnordischen Meeren in
die südlicheren ziehe, während man neuerdings durch sorgfältigere Beobachtungen seine Lebensweise
besser feststellen konnte und sich nunmehr für berechtigt halten darf, von ihr aus auf die des Herings
zu schließen. Nach Couch halten sich die Pilchards im Januar auf dem Grunde des Meeres auf,
hier verhältnißmäßig vereinzelt ihrer Nahrung nachgehend, vereinigen sich aber gegen den März hin
in Heere, welche sich bald auflösen, bald wieder sammeln und bis zum Juli in einer gewissen Ver-
bindung bleiben. Die Fülle an Nahrung auf einer bestimmten Stelle des Meeres und die Fort-
pflanzung tragen zu diesen Vereinigungen und ebenso zu den wirklichen Bewegungen, welche das
Heer ausführt, wesentlich bei. Der Pilchard gehört zu den gefräßigsten Fischen, verzehrt jedoch fast
nur kleine Kruster, vorzugsweise eine zwerghafte Garnele, von welcher man oft viele Tausende in
dem bis zum Platzen gefüllten Magen findet. Jhr zu Gefallen hält er sich auf dem Boden des
Meeres und durchsucht nach Art der Karpfen den Sand oder die Lücken zwischen Steinen in seichtem
Wasser. Glaubwürdige Fischer erzählen, zuweilen Myriaden von Pilchards in solcher Weise
beschäftigt gesehen zu haben. Daß unser Fisch auch anderes Gethier nicht verschmäht, läßt sich mit
Bestimmtheit annehmen: er beißt an Angeln, welche mit Würmern geködert wurden, läßt sich durch
Auswerfen von Stockfischroggen herbeilocken etc. Seine Laichzeit fällt in die Herbstmonate; doch
findet man in einzelnen Jahren bereits im Mai viele laichfähige Pilchards, kann also von einer
streng bestimmten Fortpflanzungszeit eigentlich nicht sprechen.

An den britischen Küsten betreibt man eine bedeutende Fischerei auf den Pilchard. Nach Couch
wurden im Jahre 1827 allein in Cornwall 368 Boote ausgerüstet und 10,521 Leute durch den
Fang beschäftigt. Zuweilen nimmt man mit einem großen Zuge unglaubliche Massen auf einmal
aus dem Wasser. Ein Fischer erzählte unserem Gewährsmanne von einem Fischzuge, bei welchem
er zugegen gewesen war, und welcher 2200 Oxhoft oder Tonnen Pilchards ergeben hatte; ja, man
kennt ein Beispiel, daß mit einem Zuge 10,000 Oxhoft oder annähernd 25,000,000 Stück dieser
Fische gefangen wurden. Die Fischerei selbst hat vieles Eigenthümliche, weil man nur die wenigsten
Pilchards während der Laichzeit fängt, die größere Masse hingegen vom Grunde heraufholt. Es
handelt sich also darum, auf das Genaueste die Gegend zu erforschen, in welcher sich gerade ein
Heereszug aufhält, und ihm nun den Weg abzuschneiden, ohne ihn zu verscheuchen. Jn gewisser
Beziehung erinnert der Fang mit den großen Grundnetzen, welche man mit bestem Erfolge anwendet,
an die Tunfischerei; denn hier wie da hängt Alles von der Geschicklichkeit und Einsicht des Fischers
ab, und hier wie da muß dieser zu den verschiedensten Mitteln seine Zuflucht nehmen, um sich seiner
reichen Beute zu versichern. Viele von den Gefangenen werden eingesalzen, die große Mehrzahl
aber, nachdem sie wenige oder geraume Zeit in der Sulze gelegen, noch in Oel gekocht, mit diesem

Die Edelfiſche. Heringe. Alſen. Sardellen.
blos bei den meiſten großen Städten Ströme vorüberfließen läßt, ſondern dieſe auch mit Fiſchen
bevölkert, welche den Gläubigen rechtzeitig zu Gute kommen. Jch verwahre mich gegen jegliche
boshafte Deutung vorſtehender Worte; denn ich habe erſt ganz neuerlich das Buch eines Jeſuiten
geleſen, welches mit erſtaunlichem Aufwande von Weisheit ähnlichen Blödſinn vorträgt.

Wichtiger als Maifiſch und Finte iſt eine andere Alſe, der Pilchard (Alausa pilchardus), ein
im Anſehen dem Hering ähnelnder, aber kleinerer und dickerer Fiſch von 9 bis 11 Zoll Länge, auf
der Oberſeite bläulichgrün, auf der Seite und am Bauche ſilberweiß gefärbt, auf den Kiemendeckeln
goldig ſchimmernd und dunkler geſtreift, mit 18 Strahlen in der Rücken-, 16 in der Bruſt-, 8 in
der Bauch-, 18 in der After- und 19 in der Schwanzfloſſe.

Der Pilchard gehört hauptſächlich dem Weſten Europas an. Er findet ſich häufig im Süden
von England und längs der ganzen franzöſiſchen und nordſpaniſchen Küſte bis gegen die Meerenge
von Gibraltar hin. An der Küſte von Cornwall hält er ſich das ganze Jahr auf, jedoch, laut
Couch, dem wir die beſte Beſchreibung verdanken, bald in tieferem, bald in ſeichterem Waſſer. Auch
von ihm glaubte man früher, daß er nur ein Wanderfiſch ſei und aus den hochnordiſchen Meeren in
die ſüdlicheren ziehe, während man neuerdings durch ſorgfältigere Beobachtungen ſeine Lebensweiſe
beſſer feſtſtellen konnte und ſich nunmehr für berechtigt halten darf, von ihr aus auf die des Herings
zu ſchließen. Nach Couch halten ſich die Pilchards im Januar auf dem Grunde des Meeres auf,
hier verhältnißmäßig vereinzelt ihrer Nahrung nachgehend, vereinigen ſich aber gegen den März hin
in Heere, welche ſich bald auflöſen, bald wieder ſammeln und bis zum Juli in einer gewiſſen Ver-
bindung bleiben. Die Fülle an Nahrung auf einer beſtimmten Stelle des Meeres und die Fort-
pflanzung tragen zu dieſen Vereinigungen und ebenſo zu den wirklichen Bewegungen, welche das
Heer ausführt, weſentlich bei. Der Pilchard gehört zu den gefräßigſten Fiſchen, verzehrt jedoch faſt
nur kleine Kruſter, vorzugsweiſe eine zwerghafte Garnele, von welcher man oft viele Tauſende in
dem bis zum Platzen gefüllten Magen findet. Jhr zu Gefallen hält er ſich auf dem Boden des
Meeres und durchſucht nach Art der Karpfen den Sand oder die Lücken zwiſchen Steinen in ſeichtem
Waſſer. Glaubwürdige Fiſcher erzählen, zuweilen Myriaden von Pilchards in ſolcher Weiſe
beſchäftigt geſehen zu haben. Daß unſer Fiſch auch anderes Gethier nicht verſchmäht, läßt ſich mit
Beſtimmtheit annehmen: er beißt an Angeln, welche mit Würmern geködert wurden, läßt ſich durch
Auswerfen von Stockfiſchroggen herbeilocken ꝛc. Seine Laichzeit fällt in die Herbſtmonate; doch
findet man in einzelnen Jahren bereits im Mai viele laichfähige Pilchards, kann alſo von einer
ſtreng beſtimmten Fortpflanzungszeit eigentlich nicht ſprechen.

An den britiſchen Küſten betreibt man eine bedeutende Fiſcherei auf den Pilchard. Nach Couch
wurden im Jahre 1827 allein in Cornwall 368 Boote ausgerüſtet und 10,521 Leute durch den
Fang beſchäftigt. Zuweilen nimmt man mit einem großen Zuge unglaubliche Maſſen auf einmal
aus dem Waſſer. Ein Fiſcher erzählte unſerem Gewährsmanne von einem Fiſchzuge, bei welchem
er zugegen geweſen war, und welcher 2200 Oxhoft oder Tonnen Pilchards ergeben hatte; ja, man
kennt ein Beiſpiel, daß mit einem Zuge 10,000 Oxhoft oder annähernd 25,000,000 Stück dieſer
Fiſche gefangen wurden. Die Fiſcherei ſelbſt hat vieles Eigenthümliche, weil man nur die wenigſten
Pilchards während der Laichzeit fängt, die größere Maſſe hingegen vom Grunde heraufholt. Es
handelt ſich alſo darum, auf das Genaueſte die Gegend zu erforſchen, in welcher ſich gerade ein
Heereszug aufhält, und ihm nun den Weg abzuſchneiden, ohne ihn zu verſcheuchen. Jn gewiſſer
Beziehung erinnert der Fang mit den großen Grundnetzen, welche man mit beſtem Erfolge anwendet,
an die Tunfiſcherei; denn hier wie da hängt Alles von der Geſchicklichkeit und Einſicht des Fiſchers
ab, und hier wie da muß dieſer zu den verſchiedenſten Mitteln ſeine Zuflucht nehmen, um ſich ſeiner
reichen Beute zu verſichern. Viele von den Gefangenen werden eingeſalzen, die große Mehrzahl
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[730/0770] Die Edelfiſche. Heringe. Alſen. Sardellen. blos bei den meiſten großen Städten Ströme vorüberfließen läßt, ſondern dieſe auch mit Fiſchen bevölkert, welche den Gläubigen rechtzeitig zu Gute kommen. Jch verwahre mich gegen jegliche boshafte Deutung vorſtehender Worte; denn ich habe erſt ganz neuerlich das Buch eines Jeſuiten geleſen, welches mit erſtaunlichem Aufwande von Weisheit ähnlichen Blödſinn vorträgt. Wichtiger als Maifiſch und Finte iſt eine andere Alſe, der Pilchard (Alausa pilchardus), ein im Anſehen dem Hering ähnelnder, aber kleinerer und dickerer Fiſch von 9 bis 11 Zoll Länge, auf der Oberſeite bläulichgrün, auf der Seite und am Bauche ſilberweiß gefärbt, auf den Kiemendeckeln goldig ſchimmernd und dunkler geſtreift, mit 18 Strahlen in der Rücken-, 16 in der Bruſt-, 8 in der Bauch-, 18 in der After- und 19 in der Schwanzfloſſe. Der Pilchard gehört hauptſächlich dem Weſten Europas an. Er findet ſich häufig im Süden von England und längs der ganzen franzöſiſchen und nordſpaniſchen Küſte bis gegen die Meerenge von Gibraltar hin. An der Küſte von Cornwall hält er ſich das ganze Jahr auf, jedoch, laut Couch, dem wir die beſte Beſchreibung verdanken, bald in tieferem, bald in ſeichterem Waſſer. Auch von ihm glaubte man früher, daß er nur ein Wanderfiſch ſei und aus den hochnordiſchen Meeren in die ſüdlicheren ziehe, während man neuerdings durch ſorgfältigere Beobachtungen ſeine Lebensweiſe beſſer feſtſtellen konnte und ſich nunmehr für berechtigt halten darf, von ihr aus auf die des Herings zu ſchließen. Nach Couch halten ſich die Pilchards im Januar auf dem Grunde des Meeres auf, hier verhältnißmäßig vereinzelt ihrer Nahrung nachgehend, vereinigen ſich aber gegen den März hin in Heere, welche ſich bald auflöſen, bald wieder ſammeln und bis zum Juli in einer gewiſſen Ver- bindung bleiben. Die Fülle an Nahrung auf einer beſtimmten Stelle des Meeres und die Fort- pflanzung tragen zu dieſen Vereinigungen und ebenſo zu den wirklichen Bewegungen, welche das Heer ausführt, weſentlich bei. Der Pilchard gehört zu den gefräßigſten Fiſchen, verzehrt jedoch faſt nur kleine Kruſter, vorzugsweiſe eine zwerghafte Garnele, von welcher man oft viele Tauſende in dem bis zum Platzen gefüllten Magen findet. Jhr zu Gefallen hält er ſich auf dem Boden des Meeres und durchſucht nach Art der Karpfen den Sand oder die Lücken zwiſchen Steinen in ſeichtem Waſſer. Glaubwürdige Fiſcher erzählen, zuweilen Myriaden von Pilchards in ſolcher Weiſe beſchäftigt geſehen zu haben. Daß unſer Fiſch auch anderes Gethier nicht verſchmäht, läßt ſich mit Beſtimmtheit annehmen: er beißt an Angeln, welche mit Würmern geködert wurden, läßt ſich durch Auswerfen von Stockfiſchroggen herbeilocken ꝛc. Seine Laichzeit fällt in die Herbſtmonate; doch findet man in einzelnen Jahren bereits im Mai viele laichfähige Pilchards, kann alſo von einer ſtreng beſtimmten Fortpflanzungszeit eigentlich nicht ſprechen. An den britiſchen Küſten betreibt man eine bedeutende Fiſcherei auf den Pilchard. Nach Couch wurden im Jahre 1827 allein in Cornwall 368 Boote ausgerüſtet und 10,521 Leute durch den Fang beſchäftigt. Zuweilen nimmt man mit einem großen Zuge unglaubliche Maſſen auf einmal aus dem Waſſer. Ein Fiſcher erzählte unſerem Gewährsmanne von einem Fiſchzuge, bei welchem er zugegen geweſen war, und welcher 2200 Oxhoft oder Tonnen Pilchards ergeben hatte; ja, man kennt ein Beiſpiel, daß mit einem Zuge 10,000 Oxhoft oder annähernd 25,000,000 Stück dieſer Fiſche gefangen wurden. Die Fiſcherei ſelbſt hat vieles Eigenthümliche, weil man nur die wenigſten Pilchards während der Laichzeit fängt, die größere Maſſe hingegen vom Grunde heraufholt. Es handelt ſich alſo darum, auf das Genaueſte die Gegend zu erforſchen, in welcher ſich gerade ein Heereszug aufhält, und ihm nun den Weg abzuſchneiden, ohne ihn zu verſcheuchen. Jn gewiſſer Beziehung erinnert der Fang mit den großen Grundnetzen, welche man mit beſtem Erfolge anwendet, an die Tunfiſcherei; denn hier wie da hängt Alles von der Geſchicklichkeit und Einſicht des Fiſchers ab, und hier wie da muß dieſer zu den verſchiedenſten Mitteln ſeine Zuflucht nehmen, um ſich ſeiner reichen Beute zu verſichern. Viele von den Gefangenen werden eingeſalzen, die große Mehrzahl aber, nachdem ſie wenige oder geraume Zeit in der Sulze gelegen, noch in Oel gekocht, mit dieſem

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/770>, abgerufen am 22.12.2024.