keinen bekommen konnten, obgleich sie sehr leicht zu fangen sind, und wir den Jndianern zwei Piaster für jeden recht großen und starken Fisch versprochen hatten. Diese Scheu der Jndianer ist um so sonderbarer, als sie von einem, nach ihrer Behauptung, ganz zuverlässigen Mittel gar keinen Gebrauch machen. Sie versichern die Weißen, so oft man sie über die Schläge der Tembladores befragt, man könne sie ungestraft berühren, wenn man dabei Tabak kaue. Dieses Märchen vom Einfluß des Tabaks auf die thierische Elektrizität ist auf dem Festlande von Südamerika soweit ver- breitet als unter den Matrosen der Glaube, daß Knoblauch und Unschlitt auf die Magnetnadel wirken."
"Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender, aber sehr erschöpfter Zitteraal, den wir bekommen, uns höchst zweifelhafte Ergebnisse geliefert, gingen wir nach dem Canno de Bera, um unsere Versuche im Freien, unmittelbar am Wasser anzustellen. Wir brachen am 19. März in der Frühe nach dem kleinen Dorfe Rastro de abajo auf; vondortaus führten uns Jndianer zu einem Bache, welcher in der dürren Jahreszeit ein schlammiges, mit schönen Bäumen umgebenes Wasser- becken bildet. Mit Netzen läßt sich der ausnehmend bewegliche Zitteraal schwer fangen, weil er sich, gleich den Schlangen, in den Schlamm eingräbt. Die Wurzeln der Piscidea Erithryna, der Jac- quinia armillaris und einiger Arten von Phyllanthus haben die Eigenschaft, daß sie, in einen Teich geworfen, die Thiere darin berauschen oder betäuben: dieses Mittel, den sogenannten Barbasco, wollten wir nicht anwenden, weil die Zitteraale dadurch geschwächt worden wären. Da sagten die Jndianer, sie wollten mit Pferden fischen. Nicht lange, so kamen unsere Führer aus der Steppe zurück, wo sie ungezähmte Pferde und Maulthiere zusammengetrieben, brachten hier etwa dreißig und jagten sie ins Wasser."
"Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Rosse treibt die Fische aus dem Schlamme hervor und reizt sie zum Angriffe. Die schwärzlich und gelb gefärbten, großen Wasserpflanzen gleichenden Aale schwimmen auf der Wasserfläche hin und drängen sich unter den Bauch der Pferde und Maul- thiere. Der Kampf zwischen den so verschiedenen Thieren gibt das malerischste Bild. Die Jndianer mit Wurfspeeren und langen, dünnen Rohrstäben stellen sich in dichter Reihe um den Teich; einige besteigen die Bäume, deren Zweige sich wagrecht über die Wasserfläche breiten. Durch ihr wildes Geschrei und mit ihren langen Rohren scheuchen sie die Pferde zurück, wenn sie sich aufs Ufer flüchten wollen. Die Aale, betäubt vom Lärm, vertheidigen sich durch wiederholte Schläge ihrer Batterien. Lange scheint es, als solle ihnen der Sieg verbleiben. Mehrere Pferde erliegen den unsichtbaren Streichen, von denen die wesentlichsten Organe allerwärts getroffen werden; betäubt von den starken, unaufhörlichen Schlägen, sinken sie unter. Andere, schnaubend, mit gesträubter Mähne, wilde Angst im starren Auge, rassen sich wieder auf und suchen dem um sie tobenden Ungewitter zu entkommen: sie werden von den Jndianern ins Wasser zurückgetrieben. Einige aber entgehen der regen Wachsamkeit der Fischer: sie gewinnen das Ufer, straucheln jedoch bei jedem Schritte und werfen sich in den Sand, zum Tode erschöpft, mit erstarrten Gliedern."
"Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken. Der fünf Fuß lange Aal drängt sich dem Pferde an den Bauch und gibt ihm nach der ganzen Länge seines elektrischen Organs einen Schlag; das Herz, die Eingeweide und die Bauchnerven werden dadurch zumal betroffen. Derselbe Fisch wirkt so begreiflicherweise weit stärker auf ein Pferd, als auf den Menschen, wenn dieser ihn nur mit der Hand oder dem Fuße berührt. Die Pferde werden ohne Zweifel nicht todt- geschlagen, sondern nur betäubt, sie ertrinken, weil sie sich nicht aufrassen können, so lange der Kampf zwischen den anderen Pferden und den Zitteraalen fortdauert."
"Wir meinten nicht anders, als alle Thiere, welche man zu dieser Fischerei gebraucht, müßten nach einander zu Grunde gehen. Aber allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes ab, und die erschöpften Aale zerstreuen sich. Sie bedürfen jetzt langer Ruhe und reichlicher Nahrung, um den erlittenen Verlust an galvanischer Kraft wieder zu ersetzen. Die Jndianer versichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter einander in einer Lache laufen lasse, welche sehr viele Zitterer beherbergt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde. Maulthiere und Pferde verriethen weniger
Die Edelfiſche. Nacktaale. Drillfiſche.
keinen bekommen konnten, obgleich ſie ſehr leicht zu fangen ſind, und wir den Jndianern zwei Piaſter für jeden recht großen und ſtarken Fiſch verſprochen hatten. Dieſe Scheu der Jndianer iſt um ſo ſonderbarer, als ſie von einem, nach ihrer Behauptung, ganz zuverläſſigen Mittel gar keinen Gebrauch machen. Sie verſichern die Weißen, ſo oft man ſie über die Schläge der Tembladores befragt, man könne ſie ungeſtraft berühren, wenn man dabei Tabak kaue. Dieſes Märchen vom Einfluß des Tabaks auf die thieriſche Elektrizität iſt auf dem Feſtlande von Südamerika ſoweit ver- breitet als unter den Matroſen der Glaube, daß Knoblauch und Unſchlitt auf die Magnetnadel wirken.“
„Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender, aber ſehr erſchöpfter Zitteraal, den wir bekommen, uns höchſt zweifelhafte Ergebniſſe geliefert, gingen wir nach dem Caño de Bera, um unſere Verſuche im Freien, unmittelbar am Waſſer anzuſtellen. Wir brachen am 19. März in der Frühe nach dem kleinen Dorfe Raſtro de abajo auf; vondortaus führten uns Jndianer zu einem Bache, welcher in der dürren Jahreszeit ein ſchlammiges, mit ſchönen Bäumen umgebenes Waſſer- becken bildet. Mit Netzen läßt ſich der ausnehmend bewegliche Zitteraal ſchwer fangen, weil er ſich, gleich den Schlangen, in den Schlamm eingräbt. Die Wurzeln der Piscidea Erithryna, der Jac- quinia armillaris und einiger Arten von Phyllanthus haben die Eigenſchaft, daß ſie, in einen Teich geworfen, die Thiere darin berauſchen oder betäuben: dieſes Mittel, den ſogenannten Barbasco, wollten wir nicht anwenden, weil die Zitteraale dadurch geſchwächt worden wären. Da ſagten die Jndianer, ſie wollten mit Pferden fiſchen. Nicht lange, ſo kamen unſere Führer aus der Steppe zurück, wo ſie ungezähmte Pferde und Maulthiere zuſammengetrieben, brachten hier etwa dreißig und jagten ſie ins Waſſer.“
„Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Roſſe treibt die Fiſche aus dem Schlamme hervor und reizt ſie zum Angriffe. Die ſchwärzlich und gelb gefärbten, großen Waſſerpflanzen gleichenden Aale ſchwimmen auf der Waſſerfläche hin und drängen ſich unter den Bauch der Pferde und Maul- thiere. Der Kampf zwiſchen den ſo verſchiedenen Thieren gibt das maleriſchſte Bild. Die Jndianer mit Wurfſpeeren und langen, dünnen Rohrſtäben ſtellen ſich in dichter Reihe um den Teich; einige beſteigen die Bäume, deren Zweige ſich wagrecht über die Waſſerfläche breiten. Durch ihr wildes Geſchrei und mit ihren langen Rohren ſcheuchen ſie die Pferde zurück, wenn ſie ſich aufs Ufer flüchten wollen. Die Aale, betäubt vom Lärm, vertheidigen ſich durch wiederholte Schläge ihrer Batterien. Lange ſcheint es, als ſolle ihnen der Sieg verbleiben. Mehrere Pferde erliegen den unſichtbaren Streichen, von denen die weſentlichſten Organe allerwärts getroffen werden; betäubt von den ſtarken, unaufhörlichen Schlägen, ſinken ſie unter. Andere, ſchnaubend, mit geſträubter Mähne, wilde Angſt im ſtarren Auge, raſſen ſich wieder auf und ſuchen dem um ſie tobenden Ungewitter zu entkommen: ſie werden von den Jndianern ins Waſſer zurückgetrieben. Einige aber entgehen der regen Wachſamkeit der Fiſcher: ſie gewinnen das Ufer, ſtraucheln jedoch bei jedem Schritte und werfen ſich in den Sand, zum Tode erſchöpft, mit erſtarrten Gliedern.“
„Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken. Der fünf Fuß lange Aal drängt ſich dem Pferde an den Bauch und gibt ihm nach der ganzen Länge ſeines elektriſchen Organs einen Schlag; das Herz, die Eingeweide und die Bauchnerven werden dadurch zumal betroffen. Derſelbe Fiſch wirkt ſo begreiflicherweiſe weit ſtärker auf ein Pferd, als auf den Menſchen, wenn dieſer ihn nur mit der Hand oder dem Fuße berührt. Die Pferde werden ohne Zweifel nicht todt- geſchlagen, ſondern nur betäubt, ſie ertrinken, weil ſie ſich nicht aufraſſen können, ſo lange der Kampf zwiſchen den anderen Pferden und den Zitteraalen fortdauert.“
„Wir meinten nicht anders, als alle Thiere, welche man zu dieſer Fiſcherei gebraucht, müßten nach einander zu Grunde gehen. Aber allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes ab, und die erſchöpften Aale zerſtreuen ſich. Sie bedürfen jetzt langer Ruhe und reichlicher Nahrung, um den erlittenen Verluſt an galvaniſcher Kraft wieder zu erſetzen. Die Jndianer verſichern, wenn man Pferde zwei Tage hinter einander in einer Lache laufen laſſe, welche ſehr viele Zitterer beherbergt, gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde. Maulthiere und Pferde verriethen weniger
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[734/0774]
Die Edelfiſche. Nacktaale. Drillfiſche.
keinen bekommen konnten, obgleich ſie ſehr leicht zu fangen ſind, und wir den Jndianern zwei Piaſter
für jeden recht großen und ſtarken Fiſch verſprochen hatten. Dieſe Scheu der Jndianer iſt um ſo
ſonderbarer, als ſie von einem, nach ihrer Behauptung, ganz zuverläſſigen Mittel gar keinen
Gebrauch machen. Sie verſichern die Weißen, ſo oft man ſie über die Schläge der Tembladores
befragt, man könne ſie ungeſtraft berühren, wenn man dabei Tabak kaue. Dieſes Märchen vom
Einfluß des Tabaks auf die thieriſche Elektrizität iſt auf dem Feſtlande von Südamerika ſoweit ver-
breitet als unter den Matroſen der Glaube, daß Knoblauch und Unſchlitt auf die Magnetnadel wirken.“
„Des langen Wartens müde, und nachdem ein lebender, aber ſehr erſchöpfter Zitteraal, den
wir bekommen, uns höchſt zweifelhafte Ergebniſſe geliefert, gingen wir nach dem Caño de Bera, um
unſere Verſuche im Freien, unmittelbar am Waſſer anzuſtellen. Wir brachen am 19. März in der
Frühe nach dem kleinen Dorfe Raſtro de abajo auf; vondortaus führten uns Jndianer zu einem
Bache, welcher in der dürren Jahreszeit ein ſchlammiges, mit ſchönen Bäumen umgebenes Waſſer-
becken bildet. Mit Netzen läßt ſich der ausnehmend bewegliche Zitteraal ſchwer fangen, weil er ſich,
gleich den Schlangen, in den Schlamm eingräbt. Die Wurzeln der Piscidea Erithryna, der Jac-
quinia armillaris und einiger Arten von Phyllanthus haben die Eigenſchaft, daß ſie, in einen Teich
geworfen, die Thiere darin berauſchen oder betäuben: dieſes Mittel, den ſogenannten Barbasco,
wollten wir nicht anwenden, weil die Zitteraale dadurch geſchwächt worden wären. Da ſagten die
Jndianer, ſie wollten mit Pferden fiſchen. Nicht lange, ſo kamen unſere Führer aus der Steppe
zurück, wo ſie ungezähmte Pferde und Maulthiere zuſammengetrieben, brachten hier etwa dreißig
und jagten ſie ins Waſſer.“
„Der ungewohnte Lärm vom Stampfen der Roſſe treibt die Fiſche aus dem Schlamme hervor
und reizt ſie zum Angriffe. Die ſchwärzlich und gelb gefärbten, großen Waſſerpflanzen gleichenden
Aale ſchwimmen auf der Waſſerfläche hin und drängen ſich unter den Bauch der Pferde und Maul-
thiere. Der Kampf zwiſchen den ſo verſchiedenen Thieren gibt das maleriſchſte Bild. Die Jndianer
mit Wurfſpeeren und langen, dünnen Rohrſtäben ſtellen ſich in dichter Reihe um den Teich; einige
beſteigen die Bäume, deren Zweige ſich wagrecht über die Waſſerfläche breiten. Durch ihr wildes
Geſchrei und mit ihren langen Rohren ſcheuchen ſie die Pferde zurück, wenn ſie ſich aufs Ufer flüchten
wollen. Die Aale, betäubt vom Lärm, vertheidigen ſich durch wiederholte Schläge ihrer Batterien.
Lange ſcheint es, als ſolle ihnen der Sieg verbleiben. Mehrere Pferde erliegen den unſichtbaren
Streichen, von denen die weſentlichſten Organe allerwärts getroffen werden; betäubt von den ſtarken,
unaufhörlichen Schlägen, ſinken ſie unter. Andere, ſchnaubend, mit geſträubter Mähne, wilde
Angſt im ſtarren Auge, raſſen ſich wieder auf und ſuchen dem um ſie tobenden Ungewitter zu
entkommen: ſie werden von den Jndianern ins Waſſer zurückgetrieben. Einige aber entgehen der
regen Wachſamkeit der Fiſcher: ſie gewinnen das Ufer, ſtraucheln jedoch bei jedem Schritte und
werfen ſich in den Sand, zum Tode erſchöpft, mit erſtarrten Gliedern.“
„Ehe fünf Minuten vergingen, waren zwei Pferde ertrunken. Der fünf Fuß lange Aal
drängt ſich dem Pferde an den Bauch und gibt ihm nach der ganzen Länge ſeines elektriſchen Organs
einen Schlag; das Herz, die Eingeweide und die Bauchnerven werden dadurch zumal betroffen.
Derſelbe Fiſch wirkt ſo begreiflicherweiſe weit ſtärker auf ein Pferd, als auf den Menſchen, wenn
dieſer ihn nur mit der Hand oder dem Fuße berührt. Die Pferde werden ohne Zweifel nicht todt-
geſchlagen, ſondern nur betäubt, ſie ertrinken, weil ſie ſich nicht aufraſſen können, ſo lange der
Kampf zwiſchen den anderen Pferden und den Zitteraalen fortdauert.“
„Wir meinten nicht anders, als alle Thiere, welche man zu dieſer Fiſcherei gebraucht, müßten
nach einander zu Grunde gehen. Aber allmählich nimmt die Hitze des ungleichen Kampfes ab, und
die erſchöpften Aale zerſtreuen ſich. Sie bedürfen jetzt langer Ruhe und reichlicher Nahrung, um
den erlittenen Verluſt an galvaniſcher Kraft wieder zu erſetzen. Die Jndianer verſichern, wenn man
Pferde zwei Tage hinter einander in einer Lache laufen laſſe, welche ſehr viele Zitterer beherbergt,
gehe am zweiten Tage kein Pferd mehr zu Grunde. Maulthiere und Pferde verriethen weniger
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/774>, abgerufen am 22.12.2024.
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