Wie viel wir noch in der Thierkunde zu lernen haben, beweist schlagend einer unser verbreitetsten und gemeinsten Flußfische, der Aal. Seit Aristoteles Zeiten zerbrach man sich den Kopf über seine Fortpflanzung, und noch heutigentags hat diese Frage nicht vollständig gelöst werden können. "Die Hochgelehrten", sagt Geßner, "so von dem herkommen vnd vrsprung dieser Thier geschrieben haben, bringen dreyerlei Gestalt herein. Die erste aus schleimiger feuchte der Erden, sollen also von jn selbs erwachsen, gleich etlichen andern Wasserthieren. Die ander, nemlich sie reiben sich mit jren bäuchen zusammen, oder jre Bäuch an den sand, von welchen ein schleim herab falle, als dann in die gestalt solcher Thier verwandelt werde, haben auch kein vnderscheid jres geschlechts Männlins vnd Weiblins. Die dritte mehrung oder schöpffung sol geschehen nach der Art vnd Natur anderer fisch, nemlich durch die Eyer, auch dz solche von den Alten lebendig geboren werden, dann also sollen etliche in dem teutschen Landt gefangen vnd gesehen worden seyn, welche in jrem Bauch viel der jungen sollen gehabt haben, in der grösse eines Fadens, vnd als die Alten getödt, sollen derselbigen eine grosse zahl heraußkrochen seyn. Es sagen auch vnsere Fischer solches für ein gantze warheit, daß solche Thier lebendige junge geberen, zu jeder zeit deß Jars, welcher etliche gar hart zu drey zwerch Finger kommen mit jrer lenge." Zu dieser dreifachen Meinung der Hochgelehrten sind später noch andere gekommen. So hat man geglaubt, daß Pferdehaare, welche ins Wasser geworfen würden, nach und nach aufschwellen und junge Aale hervorbringen sollten und Aehnliches mehr. Ein gewisser Helmont denkt sich die Entstehung der Aale noch hübscher aus. "Schneidet", sagt er, "zwei mit Maithau benäßte Rasenstücke aus, legt eines auf das andere, die begrasten Seiten einwärts, gebt sie der Sonnenhitze preis, und in wenigen Stunden wird eine große Anzahl junger Aale erzeugt worden sein."
Selbstverständlich belächeln wir heutzutag derartige Sagen. Der Glaube der Forscher ist, wie Gegner der Naturwissenschaft mit Bedauern oder Jngrimm zugestehen und verkünden, sehr schwach, und jede Sage, welche von unnatürlicher Zeugung eines thierischen Wesens Kunde geben will, wird von jenen einfach verworfen. Was nun die Aale im Besonderen anlangt, so wissen wir allerdings noch nicht, wie sie sich fortpflanzen, weil wir über eine Begattung beider Geschlechter oder, was in unserem Falle fast Dasselbe sagen will, eine Besamung ihrer Eier und die Entwicklung derselben außerhalb des Leibes der Mutter noch keine Beobachtungen anstellen konnten; wohl aber wissen wir soviel, daß auch sie Eier legen, und dürfen getrost annehmen, daß ihre Erzeugung sich von der vieler anderer Fische wenig oder nicht unterscheiden wird. Und so beweist uns gerade der Aal wiederum den stetigen und unaufhaltsamen Fortschritt der Naturwissenschaft, und gibt auch er uns eine neue Bekräftigung, daß vor dieser Wissenschaft noch andere Sagen schwinden werden, an welche sich bis zum heutigen Tage ein Theil der Menschheit klammert, geleitet und beeinflußt von Denen, welche behufs ihrer Selbsterhaltung genöthigt sind, den Wahn in den Köpfen der Urtheilslosen zu stärken oder doch zu bewahren.
Die Aalfische (Muraenae) bilden eine zahlreiche, neuerdings in viele Sippen zerfällte Familie und kennzeichnen sich durch schlangenartig gestreckten, mehr oder weniger zugerundeten, am Schwanze meist seitlich zusammengedrückten, nackten oder mit zarten, sich nicht deckenden, zickzackförmig abge- lagerten Schuppen bekleideten Leib, ein der ganzen Länge nach nur vom Zwischenkiefer begrenztes Maul, dessen verkümmerter Oberkiefer im Fleische liegt, den nicht am Kopfe, sondern weiter hinter an der Wirbelsäule aufgehängten Schultergürtel, mit Blindsack versehenen Magen, Darmschlauch ohne Blinddarm und Geschlechtswerkzeuge ohne Ausführungsgang. Bezahnung und Beflossung können, wie schon aus dem Nachstehenden hervorgehen wird, sehr verschieden sein.
Die Aalfische herbergen im warmen und gemäßigten Gürtel. Einzelne Arten überschreiten allerdings den Polarkreis, werden jedoch bald selten und verschwinden schon einige Breitengrade weiter nördlich gänzlich. Sie leben im Meere wie in den süßen Gewässern; mehrere Arten wandern auch wohl, gleich unsern Flußaalen, von den Flüssen ins Meer und vom Meere aus in die Flüsse zurück. Zu ihrem Aufenthalte erkiesen sie sich vorzugsweise Gewässer mit schlammigem Grunde,
Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale.
Wie viel wir noch in der Thierkunde zu lernen haben, beweiſt ſchlagend einer unſer verbreitetſten und gemeinſten Flußfiſche, der Aal. Seit Ariſtoteles Zeiten zerbrach man ſich den Kopf über ſeine Fortpflanzung, und noch heutigentags hat dieſe Frage nicht vollſtändig gelöſt werden können. „Die Hochgelehrten“, ſagt Geßner, „ſo von dem herkommen vnd vrſprung dieſer Thier geſchrieben haben, bringen dreyerlei Geſtalt herein. Die erſte aus ſchleimiger feuchte der Erden, ſollen alſo von jn ſelbs erwachſen, gleich etlichen andern Waſſerthieren. Die ander, nemlich ſie reiben ſich mit jren bäuchen zuſammen, oder jre Bäuch an den ſand, von welchen ein ſchleim herab falle, als dann in die geſtalt ſolcher Thier verwandelt werde, haben auch kein vnderſcheid jres geſchlechts Männlins vnd Weiblins. Die dritte mehrung oder ſchöpffung ſol geſchehen nach der Art vnd Natur anderer fiſch, nemlich durch die Eyer, auch dz ſolche von den Alten lebendig geboren werden, dann alſo ſollen etliche in dem teutſchen Landt gefangen vnd geſehen worden ſeyn, welche in jrem Bauch viel der jungen ſollen gehabt haben, in der gröſſe eines Fadens, vnd als die Alten getödt, ſollen derſelbigen eine groſſe zahl heraußkrochen ſeyn. Es ſagen auch vnſere Fiſcher ſolches für ein gantze warheit, daß ſolche Thier lebendige junge geberen, zu jeder zeit deß Jars, welcher etliche gar hart zu drey zwerch Finger kommen mit jrer lenge.“ Zu dieſer dreifachen Meinung der Hochgelehrten ſind ſpäter noch andere gekommen. So hat man geglaubt, daß Pferdehaare, welche ins Waſſer geworfen würden, nach und nach aufſchwellen und junge Aale hervorbringen ſollten und Aehnliches mehr. Ein gewiſſer Helmont denkt ſich die Entſtehung der Aale noch hübſcher aus. „Schneidet“, ſagt er, „zwei mit Maithau benäßte Raſenſtücke aus, legt eines auf das andere, die begraſten Seiten einwärts, gebt ſie der Sonnenhitze preis, und in wenigen Stunden wird eine große Anzahl junger Aale erzeugt worden ſein.“
Selbſtverſtändlich belächeln wir heutzutag derartige Sagen. Der Glaube der Forſcher iſt, wie Gegner der Naturwiſſenſchaft mit Bedauern oder Jngrimm zugeſtehen und verkünden, ſehr ſchwach, und jede Sage, welche von unnatürlicher Zeugung eines thieriſchen Weſens Kunde geben will, wird von jenen einfach verworfen. Was nun die Aale im Beſonderen anlangt, ſo wiſſen wir allerdings noch nicht, wie ſie ſich fortpflanzen, weil wir über eine Begattung beider Geſchlechter oder, was in unſerem Falle faſt Daſſelbe ſagen will, eine Beſamung ihrer Eier und die Entwicklung derſelben außerhalb des Leibes der Mutter noch keine Beobachtungen anſtellen konnten; wohl aber wiſſen wir ſoviel, daß auch ſie Eier legen, und dürfen getroſt annehmen, daß ihre Erzeugung ſich von der vieler anderer Fiſche wenig oder nicht unterſcheiden wird. Und ſo beweiſt uns gerade der Aal wiederum den ſtetigen und unaufhaltſamen Fortſchritt der Naturwiſſenſchaft, und gibt auch er uns eine neue Bekräftigung, daß vor dieſer Wiſſenſchaft noch andere Sagen ſchwinden werden, an welche ſich bis zum heutigen Tage ein Theil der Menſchheit klammert, geleitet und beeinflußt von Denen, welche behufs ihrer Selbſterhaltung genöthigt ſind, den Wahn in den Köpfen der Urtheilsloſen zu ſtärken oder doch zu bewahren.
Die Aalfiſche (Muraenae) bilden eine zahlreiche, neuerdings in viele Sippen zerfällte Familie und kennzeichnen ſich durch ſchlangenartig geſtreckten, mehr oder weniger zugerundeten, am Schwanze meiſt ſeitlich zuſammengedrückten, nackten oder mit zarten, ſich nicht deckenden, zickzackförmig abge- lagerten Schuppen bekleideten Leib, ein der ganzen Länge nach nur vom Zwiſchenkiefer begrenztes Maul, deſſen verkümmerter Oberkiefer im Fleiſche liegt, den nicht am Kopfe, ſondern weiter hinter an der Wirbelſäule aufgehängten Schultergürtel, mit Blindſack verſehenen Magen, Darmſchlauch ohne Blinddarm und Geſchlechtswerkzeuge ohne Ausführungsgang. Bezahnung und Befloſſung können, wie ſchon aus dem Nachſtehenden hervorgehen wird, ſehr verſchieden ſein.
Die Aalfiſche herbergen im warmen und gemäßigten Gürtel. Einzelne Arten überſchreiten allerdings den Polarkreis, werden jedoch bald ſelten und verſchwinden ſchon einige Breitengrade weiter nördlich gänzlich. Sie leben im Meere wie in den ſüßen Gewäſſern; mehrere Arten wandern auch wohl, gleich unſern Flußaalen, von den Flüſſen ins Meer und vom Meere aus in die Flüſſe zurück. Zu ihrem Aufenthalte erkieſen ſie ſich vorzugsweiſe Gewäſſer mit ſchlammigem Grunde,
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Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale.
Wie viel wir noch in der Thierkunde zu lernen haben, beweiſt ſchlagend einer unſer verbreitetſten
und gemeinſten Flußfiſche, der Aal. Seit Ariſtoteles Zeiten zerbrach man ſich den Kopf über
ſeine Fortpflanzung, und noch heutigentags hat dieſe Frage nicht vollſtändig gelöſt werden können.
„Die Hochgelehrten“, ſagt Geßner, „ſo von dem herkommen vnd vrſprung dieſer Thier geſchrieben
haben, bringen dreyerlei Geſtalt herein. Die erſte aus ſchleimiger feuchte der Erden, ſollen alſo von
jn ſelbs erwachſen, gleich etlichen andern Waſſerthieren. Die ander, nemlich ſie reiben ſich mit jren
bäuchen zuſammen, oder jre Bäuch an den ſand, von welchen ein ſchleim herab falle, als dann in die
geſtalt ſolcher Thier verwandelt werde, haben auch kein vnderſcheid jres geſchlechts Männlins vnd
Weiblins. Die dritte mehrung oder ſchöpffung ſol geſchehen nach der Art vnd Natur anderer fiſch,
nemlich durch die Eyer, auch dz ſolche von den Alten lebendig geboren werden, dann alſo ſollen
etliche in dem teutſchen Landt gefangen vnd geſehen worden ſeyn, welche in jrem Bauch viel der
jungen ſollen gehabt haben, in der gröſſe eines Fadens, vnd als die Alten getödt, ſollen derſelbigen
eine groſſe zahl heraußkrochen ſeyn. Es ſagen auch vnſere Fiſcher ſolches für ein gantze warheit, daß
ſolche Thier lebendige junge geberen, zu jeder zeit deß Jars, welcher etliche gar hart zu drey zwerch
Finger kommen mit jrer lenge.“ Zu dieſer dreifachen Meinung der Hochgelehrten ſind ſpäter noch
andere gekommen. So hat man geglaubt, daß Pferdehaare, welche ins Waſſer geworfen würden,
nach und nach aufſchwellen und junge Aale hervorbringen ſollten und Aehnliches mehr. Ein gewiſſer
Helmont denkt ſich die Entſtehung der Aale noch hübſcher aus. „Schneidet“, ſagt er, „zwei mit
Maithau benäßte Raſenſtücke aus, legt eines auf das andere, die begraſten Seiten einwärts, gebt ſie
der Sonnenhitze preis, und in wenigen Stunden wird eine große Anzahl junger Aale erzeugt
worden ſein.“
Selbſtverſtändlich belächeln wir heutzutag derartige Sagen. Der Glaube der Forſcher iſt, wie
Gegner der Naturwiſſenſchaft mit Bedauern oder Jngrimm zugeſtehen und verkünden, ſehr ſchwach,
und jede Sage, welche von unnatürlicher Zeugung eines thieriſchen Weſens Kunde geben will, wird
von jenen einfach verworfen. Was nun die Aale im Beſonderen anlangt, ſo wiſſen wir allerdings
noch nicht, wie ſie ſich fortpflanzen, weil wir über eine Begattung beider Geſchlechter oder, was in
unſerem Falle faſt Daſſelbe ſagen will, eine Beſamung ihrer Eier und die Entwicklung derſelben
außerhalb des Leibes der Mutter noch keine Beobachtungen anſtellen konnten; wohl aber wiſſen wir
ſoviel, daß auch ſie Eier legen, und dürfen getroſt annehmen, daß ihre Erzeugung ſich von der vieler
anderer Fiſche wenig oder nicht unterſcheiden wird. Und ſo beweiſt uns gerade der Aal wiederum
den ſtetigen und unaufhaltſamen Fortſchritt der Naturwiſſenſchaft, und gibt auch er uns eine neue
Bekräftigung, daß vor dieſer Wiſſenſchaft noch andere Sagen ſchwinden werden, an welche ſich bis
zum heutigen Tage ein Theil der Menſchheit klammert, geleitet und beeinflußt von Denen, welche
behufs ihrer Selbſterhaltung genöthigt ſind, den Wahn in den Köpfen der Urtheilsloſen zu ſtärken
oder doch zu bewahren.
Die Aalfiſche (Muraenae) bilden eine zahlreiche, neuerdings in viele Sippen zerfällte Familie
und kennzeichnen ſich durch ſchlangenartig geſtreckten, mehr oder weniger zugerundeten, am Schwanze
meiſt ſeitlich zuſammengedrückten, nackten oder mit zarten, ſich nicht deckenden, zickzackförmig abge-
lagerten Schuppen bekleideten Leib, ein der ganzen Länge nach nur vom Zwiſchenkiefer begrenztes
Maul, deſſen verkümmerter Oberkiefer im Fleiſche liegt, den nicht am Kopfe, ſondern weiter hinter
an der Wirbelſäule aufgehängten Schultergürtel, mit Blindſack verſehenen Magen, Darmſchlauch
ohne Blinddarm und Geſchlechtswerkzeuge ohne Ausführungsgang. Bezahnung und Befloſſung
können, wie ſchon aus dem Nachſtehenden hervorgehen wird, ſehr verſchieden ſein.
Die Aalfiſche herbergen im warmen und gemäßigten Gürtel. Einzelne Arten überſchreiten
allerdings den Polarkreis, werden jedoch bald ſelten und verſchwinden ſchon einige Breitengrade
weiter nördlich gänzlich. Sie leben im Meere wie in den ſüßen Gewäſſern; mehrere Arten wandern
auch wohl, gleich unſern Flußaalen, von den Flüſſen ins Meer und vom Meere aus in die Flüſſe
zurück. Zu ihrem Aufenthalte erkieſen ſie ſich vorzugsweiſe Gewäſſer mit ſchlammigem Grunde,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 738. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/780>, abgerufen am 22.12.2024.
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