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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Edelfische. Aalfische. Flußaale.
eine mehr. Nicht unwahrscheinlich ist die von Heckel und Kner ausgesprochene Ansicht, daß
abweichende Bildung des Kopfes einen geschlechtlichen Unterschied ausdrückt.

"Der Aal ist ein bekandt Thier dem gantzen teutschen Landt, auch allen andern Landen. Allein
ist das zu merken, daß jres Geschlechts etwas vnderscheids hat, vnd in die weissen vnd schwartzen
getheilt wirt. Jtem daß sie in etlichen flüssen nit gefunden werden, dann in dem fluß Thonaw wirt
keiner gefangen, mögen auch, wo sie in solchen geworffen werden nit geleben, sondern sterben zuhandt.
Es sollen auch in dem Lausanersee vnd den flüssen so in solchen fallen, wenig der genandten Fisch
gefangen werden, von einem Bischoff Guilielmus genannt, mit beschwerung oder fluch vertrieben,
als die sag ist." Wieviel von der letzt erwähnten Sage zu halten, lasse ich, wie billig, dahin gestellt,
sintemal es allmänniglich bekannt, daß in neuerer Zeit weder Beschwörungen noch Flüche der Herren
Bischöfe die ihnen angedichteten und erstrebten Wirkungen gezeigt haben, dieweil die den menschlichen
Verstand schärfende Naturwissenschaft auch gegen diese Blitze Ableiter erfunden. Rücksichtlich der
Donau aber hat der alte Geßner vollständig Recht. Dieser Strom und alle Zuflüsse desselben
beherbergen allerdings keine Aale, und wenn solche wirklich einmal in ihm gefunden werden, darf
man bestimmt annehmen, daß sie zufällig in das Stromgebiet gerathen sind, sei es, indem sie eine
Wasserscheide überschritten haben, sei es, indem sie eingesetzt wurden. Das schwarze Meer und alle
Zuflüsse desselben, ebenso auch der kaspische See und die mit ihm in Verbindung stehenden Strom-
gebiete haben keine Aale, während sie übrigens von Petersburg an bis Sicilien in ganz Europa
vorkommen und wohl auch über einen Theil Asiens sich verbreiten. Tiefes Wasser mit schlammigem
Grunde wird jedem anderen bevorzugt; doch bindet sich der Aal keineswegs an derartige Gewässer,
sondern besucht auch, wanderlustig, wie er ist, solche von entgegengesetzter Beschaffenheit. Während
des Winters liegt er in tiefem Schlamme verborgen und hält Winterschlaf, treibt sich wenigstens nicht
Beute machend umher; mit Beginn der warmen Jahreszeit fängt er sein Sommerleben an, schwimmt
mit schlangenartiger Bewegung in verschiedenen Wasserschichten sehr rasch dahin, schlüpft mit einer
bewunderungswürdigen Gewandtheit durch Höhlungen oder Röhren, kommt z. B. regelmäßig in den
Wasserleitungen größerer Städte, welche ihr Wasser nicht genügend klären, vor und dringt in diesen
selbst mehrere Stockwerke hoch in den Häusern empor, wühlt sich auch wohl durch halb verstopfte
Röhren und entrinnt so oft aus Teichen, in denen man ihn sicher glaubte. Noch immer wird
behauptet, daß er sich des Nachts auf das Land begebe, um in Erbsen- oder Wickenfeldern Schnecken
und Würmern nachzugehen; glaubwürdige Beobachtungen über diese Landwanderungen aber liegen
meines Erachtens nicht vor. Die Angabe scheint, wie Siebold bemerkt, von Albertus Magnus
herzurühren, welcher in seinem Thierbuche sagt: "Der Aal soll auch ettwan des nachts auß dem
wasser schliessen auf dem feldt, da er linsen, erbsen oder bonen gesehet findet". Aber diese Angabe
erregt so viele und so gerechte Bedenken, daß man sie wahrscheinlich in das Gebiet der Sage verweisen
muß, auch trotz Yarrell, welcher nicht im Entferntesten an der buchstäblichen Richtigkeit solcher
Spaziergänge zweifelt und sogar einen Dr. Hastings als Gewährsmann für seine Meinung auf-
führt. Dieser Hastings soll die "Thatsache" wiederum von einem gewissen Perrott, und letzterer
sie von einem Aufseher seiner Teiche in Erfahrung gebracht haben. Zur Unterstützung seiner An-
nahme bemerkt Yarrell, daß in gewissen Teichen, welche man sorgfältig von Aalen freihält, bei
jeder Fischerei deren gefunden werden und aus anderen Teichen eingesetzte Aale verschwinden. Das
Eine wie das Andere kann aber auch geschehen, ohne daß der Aal das Land betritt. Spallanzani
hat darauf aufmerksam gemacht, daß bei Comaccio, wo seit langer Zeit ein großartiger Aalfang
betrieben wird, die Fischer noch niemals Aale auf dem Lande beobachtet haben und daß, als die Aale
in den Lagunen von Comaccio wegen Verderbniß des Wassers zu vielen Tausenden umgekommen
waren, doch kein einziger den Versuch gemacht hat, sich über Land in das nahe gelegene Meer oder
den benachbarten Po zu retten. Läge ein derartiges Lustwandeln auf feuchten Wiesen wirklich in der
Natur der Aale, so würde es sicherlich an Beweisen dafür nicht mangeln, und man nach glaub-
würdigen Augenzeugen nicht vergeblich suchen müssen. Daß auch er, nach Art der Schmerlen

Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale.
eine mehr. Nicht unwahrſcheinlich iſt die von Heckel und Kner ausgeſprochene Anſicht, daß
abweichende Bildung des Kopfes einen geſchlechtlichen Unterſchied ausdrückt.

„Der Aal iſt ein bekandt Thier dem gantzen teutſchen Landt, auch allen andern Landen. Allein
iſt das zu merken, daß jres Geſchlechts etwas vnderſcheids hat, vnd in die weiſſen vnd ſchwartzen
getheilt wirt. Jtem daß ſie in etlichen flüſſen nit gefunden werden, dann in dem fluß Thonaw wirt
keiner gefangen, mögen auch, wo ſie in ſolchen geworffen werden nit geleben, ſondern ſterben zuhandt.
Es ſollen auch in dem Lauſanerſee vnd den flüſſen ſo in ſolchen fallen, wenig der genandten Fiſch
gefangen werden, von einem Biſchoff Guilielmus genannt, mit beſchwerung oder fluch vertrieben,
als die ſag iſt.“ Wieviel von der letzt erwähnten Sage zu halten, laſſe ich, wie billig, dahin geſtellt,
ſintemal es allmänniglich bekannt, daß in neuerer Zeit weder Beſchwörungen noch Flüche der Herren
Biſchöfe die ihnen angedichteten und erſtrebten Wirkungen gezeigt haben, dieweil die den menſchlichen
Verſtand ſchärfende Naturwiſſenſchaft auch gegen dieſe Blitze Ableiter erfunden. Rückſichtlich der
Donau aber hat der alte Geßner vollſtändig Recht. Dieſer Strom und alle Zuflüſſe deſſelben
beherbergen allerdings keine Aale, und wenn ſolche wirklich einmal in ihm gefunden werden, darf
man beſtimmt annehmen, daß ſie zufällig in das Stromgebiet gerathen ſind, ſei es, indem ſie eine
Waſſerſcheide überſchritten haben, ſei es, indem ſie eingeſetzt wurden. Das ſchwarze Meer und alle
Zuflüſſe deſſelben, ebenſo auch der kaspiſche See und die mit ihm in Verbindung ſtehenden Strom-
gebiete haben keine Aale, während ſie übrigens von Petersburg an bis Sicilien in ganz Europa
vorkommen und wohl auch über einen Theil Aſiens ſich verbreiten. Tiefes Waſſer mit ſchlammigem
Grunde wird jedem anderen bevorzugt; doch bindet ſich der Aal keineswegs an derartige Gewäſſer,
ſondern beſucht auch, wanderluſtig, wie er iſt, ſolche von entgegengeſetzter Beſchaffenheit. Während
des Winters liegt er in tiefem Schlamme verborgen und hält Winterſchlaf, treibt ſich wenigſtens nicht
Beute machend umher; mit Beginn der warmen Jahreszeit fängt er ſein Sommerleben an, ſchwimmt
mit ſchlangenartiger Bewegung in verſchiedenen Waſſerſchichten ſehr raſch dahin, ſchlüpft mit einer
bewunderungswürdigen Gewandtheit durch Höhlungen oder Röhren, kommt z. B. regelmäßig in den
Waſſerleitungen größerer Städte, welche ihr Waſſer nicht genügend klären, vor und dringt in dieſen
ſelbſt mehrere Stockwerke hoch in den Häuſern empor, wühlt ſich auch wohl durch halb verſtopfte
Röhren und entrinnt ſo oft aus Teichen, in denen man ihn ſicher glaubte. Noch immer wird
behauptet, daß er ſich des Nachts auf das Land begebe, um in Erbſen- oder Wickenfeldern Schnecken
und Würmern nachzugehen; glaubwürdige Beobachtungen über dieſe Landwanderungen aber liegen
meines Erachtens nicht vor. Die Angabe ſcheint, wie Siebold bemerkt, von Albertus Magnus
herzurühren, welcher in ſeinem Thierbuche ſagt: „Der Aal ſoll auch ettwan des nachts auß dem
waſſer ſchlieſſen auf dem feldt, da er linſen, erbſen oder bonen geſehet findet“. Aber dieſe Angabe
erregt ſo viele und ſo gerechte Bedenken, daß man ſie wahrſcheinlich in das Gebiet der Sage verweiſen
muß, auch trotz Yarrell, welcher nicht im Entfernteſten an der buchſtäblichen Richtigkeit ſolcher
Spaziergänge zweifelt und ſogar einen Dr. Haſtings als Gewährsmann für ſeine Meinung auf-
führt. Dieſer Haſtings ſoll die „Thatſache“ wiederum von einem gewiſſen Perrott, und letzterer
ſie von einem Aufſeher ſeiner Teiche in Erfahrung gebracht haben. Zur Unterſtützung ſeiner An-
nahme bemerkt Yarrell, daß in gewiſſen Teichen, welche man ſorgfältig von Aalen freihält, bei
jeder Fiſcherei deren gefunden werden und aus anderen Teichen eingeſetzte Aale verſchwinden. Das
Eine wie das Andere kann aber auch geſchehen, ohne daß der Aal das Land betritt. Spallanzani
hat darauf aufmerkſam gemacht, daß bei Comaccio, wo ſeit langer Zeit ein großartiger Aalfang
betrieben wird, die Fiſcher noch niemals Aale auf dem Lande beobachtet haben und daß, als die Aale
in den Lagunen von Comaccio wegen Verderbniß des Waſſers zu vielen Tauſenden umgekommen
waren, doch kein einziger den Verſuch gemacht hat, ſich über Land in das nahe gelegene Meer oder
den benachbarten Po zu retten. Läge ein derartiges Luſtwandeln auf feuchten Wieſen wirklich in der
Natur der Aale, ſo würde es ſicherlich an Beweiſen dafür nicht mangeln, und man nach glaub-
würdigen Augenzeugen nicht vergeblich ſuchen müſſen. Daß auch er, nach Art der Schmerlen

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[740/0782] Die Edelfiſche. Aalfiſche. Flußaale. eine mehr. Nicht unwahrſcheinlich iſt die von Heckel und Kner ausgeſprochene Anſicht, daß abweichende Bildung des Kopfes einen geſchlechtlichen Unterſchied ausdrückt. „Der Aal iſt ein bekandt Thier dem gantzen teutſchen Landt, auch allen andern Landen. Allein iſt das zu merken, daß jres Geſchlechts etwas vnderſcheids hat, vnd in die weiſſen vnd ſchwartzen getheilt wirt. Jtem daß ſie in etlichen flüſſen nit gefunden werden, dann in dem fluß Thonaw wirt keiner gefangen, mögen auch, wo ſie in ſolchen geworffen werden nit geleben, ſondern ſterben zuhandt. Es ſollen auch in dem Lauſanerſee vnd den flüſſen ſo in ſolchen fallen, wenig der genandten Fiſch gefangen werden, von einem Biſchoff Guilielmus genannt, mit beſchwerung oder fluch vertrieben, als die ſag iſt.“ Wieviel von der letzt erwähnten Sage zu halten, laſſe ich, wie billig, dahin geſtellt, ſintemal es allmänniglich bekannt, daß in neuerer Zeit weder Beſchwörungen noch Flüche der Herren Biſchöfe die ihnen angedichteten und erſtrebten Wirkungen gezeigt haben, dieweil die den menſchlichen Verſtand ſchärfende Naturwiſſenſchaft auch gegen dieſe Blitze Ableiter erfunden. Rückſichtlich der Donau aber hat der alte Geßner vollſtändig Recht. Dieſer Strom und alle Zuflüſſe deſſelben beherbergen allerdings keine Aale, und wenn ſolche wirklich einmal in ihm gefunden werden, darf man beſtimmt annehmen, daß ſie zufällig in das Stromgebiet gerathen ſind, ſei es, indem ſie eine Waſſerſcheide überſchritten haben, ſei es, indem ſie eingeſetzt wurden. Das ſchwarze Meer und alle Zuflüſſe deſſelben, ebenſo auch der kaspiſche See und die mit ihm in Verbindung ſtehenden Strom- gebiete haben keine Aale, während ſie übrigens von Petersburg an bis Sicilien in ganz Europa vorkommen und wohl auch über einen Theil Aſiens ſich verbreiten. Tiefes Waſſer mit ſchlammigem Grunde wird jedem anderen bevorzugt; doch bindet ſich der Aal keineswegs an derartige Gewäſſer, ſondern beſucht auch, wanderluſtig, wie er iſt, ſolche von entgegengeſetzter Beſchaffenheit. Während des Winters liegt er in tiefem Schlamme verborgen und hält Winterſchlaf, treibt ſich wenigſtens nicht Beute machend umher; mit Beginn der warmen Jahreszeit fängt er ſein Sommerleben an, ſchwimmt mit ſchlangenartiger Bewegung in verſchiedenen Waſſerſchichten ſehr raſch dahin, ſchlüpft mit einer bewunderungswürdigen Gewandtheit durch Höhlungen oder Röhren, kommt z. B. regelmäßig in den Waſſerleitungen größerer Städte, welche ihr Waſſer nicht genügend klären, vor und dringt in dieſen ſelbſt mehrere Stockwerke hoch in den Häuſern empor, wühlt ſich auch wohl durch halb verſtopfte Röhren und entrinnt ſo oft aus Teichen, in denen man ihn ſicher glaubte. Noch immer wird behauptet, daß er ſich des Nachts auf das Land begebe, um in Erbſen- oder Wickenfeldern Schnecken und Würmern nachzugehen; glaubwürdige Beobachtungen über dieſe Landwanderungen aber liegen meines Erachtens nicht vor. Die Angabe ſcheint, wie Siebold bemerkt, von Albertus Magnus herzurühren, welcher in ſeinem Thierbuche ſagt: „Der Aal ſoll auch ettwan des nachts auß dem waſſer ſchlieſſen auf dem feldt, da er linſen, erbſen oder bonen geſehet findet“. Aber dieſe Angabe erregt ſo viele und ſo gerechte Bedenken, daß man ſie wahrſcheinlich in das Gebiet der Sage verweiſen muß, auch trotz Yarrell, welcher nicht im Entfernteſten an der buchſtäblichen Richtigkeit ſolcher Spaziergänge zweifelt und ſogar einen Dr. Haſtings als Gewährsmann für ſeine Meinung auf- führt. Dieſer Haſtings ſoll die „Thatſache“ wiederum von einem gewiſſen Perrott, und letzterer ſie von einem Aufſeher ſeiner Teiche in Erfahrung gebracht haben. Zur Unterſtützung ſeiner An- nahme bemerkt Yarrell, daß in gewiſſen Teichen, welche man ſorgfältig von Aalen freihält, bei jeder Fiſcherei deren gefunden werden und aus anderen Teichen eingeſetzte Aale verſchwinden. Das Eine wie das Andere kann aber auch geſchehen, ohne daß der Aal das Land betritt. Spallanzani hat darauf aufmerkſam gemacht, daß bei Comaccio, wo ſeit langer Zeit ein großartiger Aalfang betrieben wird, die Fiſcher noch niemals Aale auf dem Lande beobachtet haben und daß, als die Aale in den Lagunen von Comaccio wegen Verderbniß des Waſſers zu vielen Tauſenden umgekommen waren, doch kein einziger den Verſuch gemacht hat, ſich über Land in das nahe gelegene Meer oder den benachbarten Po zu retten. Läge ein derartiges Luſtwandeln auf feuchten Wieſen wirklich in der Natur der Aale, ſo würde es ſicherlich an Beweiſen dafür nicht mangeln, und man nach glaub- würdigen Augenzeugen nicht vergeblich ſuchen müſſen. Daß auch er, nach Art der Schmerlen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/782>, abgerufen am 22.12.2024.