gestatten sie den Fischchen doch jede von ihnen erstrebte Ortsveränderung, und so erklärt es sich, daß man sie zuweilen auch weit vom Ufer in tieferem Wasser antrifft. Die Nahrung besteht aus allerlei Kleingethier, "Kerbthieren", wie die englischen Forscher sich ausdrücken, d. h. also jungen, dünn- schaligen Krebsen, kleinen Weichthierchen, Würmern und dgl., jedenfalls aber nur in sehr schwachen Geschöpfen, weshalb denn auch künstliche Ernährung dieser Fischchen so gut als unmöglich wird.
Die Seenadel war es, bei welcher Eckström die Art und Weise der Fortpflanzung entdeckte. Das Männchen besitzt eine am Schwanze beginnende und längs desselben bis zu zwei Drittheilen der Länge fortlaufende, dreieckige Furche mit etwas ausgebogenen Seitenwänden, welche durch zwei der Länge nach an einander liegende dünne Klappen verschlossen werden, indem die Ränder sich genau an einander legen. Jm Herbst und Winter sind die Klappen dünn und in die Furche zusammengefallen; im April aber, wenn die Laichzeit herannaht, schwellen sie an, und die Furche füllt sich mit Schleim.
[Abbildung]
Die Seenadel(Syngnathus acus). Nat. Größe bis 2 Fuß.
Gegen den Mai hin legt das Weibchen seine Eier in diese Furche ab, schnurenartig eines neben das andere; die Ränder schließen sich, und die Keime verweilen nun bis gegen Ende Juli in der Furche, sollen auch bei Gefahr wiederum in dieselbe aufgenommen werden. Höchst eigenthümlich ist, daß es viel weniger Männchen als Weibchen gibt, während bei den übrigen Fischen, wie bei den übrigen Wirbelthieren überhaupt, das Gegentheil stattzufinden pflegt. Nach Walcott's Beobachtungen ist die Seenadel schon bei einer Länge zwischen vier oder fünf Zoll fortpflanzungsfähig.
"Dieser Fischen Fleisch, als ich es offt erfahren hab", sagt Geßner, "ist ein hart fest Fleisch, hat nicht viel Gesaffts, gantz lustig, lieblich vnd anmutig zu essen, auff was art gleich derselbig bereitet werde. An etlichen Orten werden sie auch eingesaltzen vnd noch auß dem Saltz gessen, als etliche andere kleine Meerfisch." -- Jch weiß nicht, ob diese Angaben begründet sind, habe wenigstens von einem Fange dieser für den Gaumen so wenig versprechenden Fische neuerdings Nichts gehört.
Seenadel.
geſtatten ſie den Fiſchchen doch jede von ihnen erſtrebte Ortsveränderung, und ſo erklärt es ſich, daß man ſie zuweilen auch weit vom Ufer in tieferem Waſſer antrifft. Die Nahrung beſteht aus allerlei Kleingethier, „Kerbthieren“, wie die engliſchen Forſcher ſich ausdrücken, d. h. alſo jungen, dünn- ſchaligen Krebſen, kleinen Weichthierchen, Würmern und dgl., jedenfalls aber nur in ſehr ſchwachen Geſchöpfen, weshalb denn auch künſtliche Ernährung dieſer Fiſchchen ſo gut als unmöglich wird.
Die Seenadel war es, bei welcher Eckſtröm die Art und Weiſe der Fortpflanzung entdeckte. Das Männchen beſitzt eine am Schwanze beginnende und längs deſſelben bis zu zwei Drittheilen der Länge fortlaufende, dreieckige Furche mit etwas ausgebogenen Seitenwänden, welche durch zwei der Länge nach an einander liegende dünne Klappen verſchloſſen werden, indem die Ränder ſich genau an einander legen. Jm Herbſt und Winter ſind die Klappen dünn und in die Furche zuſammengefallen; im April aber, wenn die Laichzeit herannaht, ſchwellen ſie an, und die Furche füllt ſich mit Schleim.
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Die Seenadel(Syngnathus acus). Nat. Größe bis 2 Fuß.
Gegen den Mai hin legt das Weibchen ſeine Eier in dieſe Furche ab, ſchnurenartig eines neben das andere; die Ränder ſchließen ſich, und die Keime verweilen nun bis gegen Ende Juli in der Furche, ſollen auch bei Gefahr wiederum in dieſelbe aufgenommen werden. Höchſt eigenthümlich iſt, daß es viel weniger Männchen als Weibchen gibt, während bei den übrigen Fiſchen, wie bei den übrigen Wirbelthieren überhaupt, das Gegentheil ſtattzufinden pflegt. Nach Walcott’s Beobachtungen iſt die Seenadel ſchon bei einer Länge zwiſchen vier oder fünf Zoll fortpflanzungsfähig.
„Dieſer Fiſchen Fleiſch, als ich es offt erfahren hab“, ſagt Geßner, „iſt ein hart feſt Fleiſch, hat nicht viel Geſaffts, gantz luſtig, lieblich vnd anmutig zu eſſen, auff was art gleich derſelbig bereitet werde. An etlichen Orten werden ſie auch eingeſaltzen vnd noch auß dem Saltz geſſen, als etliche andere kleine Meerfiſch.“ — Jch weiß nicht, ob dieſe Angaben begründet ſind, habe wenigſtens von einem Fange dieſer für den Gaumen ſo wenig verſprechenden Fiſche neuerdings Nichts gehört.
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[759/0801]
Seenadel.
geſtatten ſie den Fiſchchen doch jede von ihnen erſtrebte Ortsveränderung, und ſo erklärt es ſich, daß
man ſie zuweilen auch weit vom Ufer in tieferem Waſſer antrifft. Die Nahrung beſteht aus allerlei
Kleingethier, „Kerbthieren“, wie die engliſchen Forſcher ſich ausdrücken, d. h. alſo jungen, dünn-
ſchaligen Krebſen, kleinen Weichthierchen, Würmern und dgl., jedenfalls aber nur in ſehr ſchwachen
Geſchöpfen, weshalb denn auch künſtliche Ernährung dieſer Fiſchchen ſo gut als unmöglich wird.
Die Seenadel war es, bei welcher Eckſtröm die Art und Weiſe der Fortpflanzung entdeckte.
Das Männchen beſitzt eine am Schwanze beginnende und längs deſſelben bis zu zwei Drittheilen der
Länge fortlaufende, dreieckige Furche mit etwas ausgebogenen Seitenwänden, welche durch zwei der
Länge nach an einander liegende dünne Klappen verſchloſſen werden, indem die Ränder ſich genau an
einander legen. Jm Herbſt und Winter ſind die Klappen dünn und in die Furche zuſammengefallen;
im April aber, wenn die Laichzeit herannaht, ſchwellen ſie an, und die Furche füllt ſich mit Schleim.
[Abbildung Die Seenadel (Syngnathus acus). Nat. Größe bis 2 Fuß.]
Gegen den Mai hin legt das Weibchen ſeine Eier in dieſe Furche ab, ſchnurenartig eines neben
das andere; die Ränder ſchließen ſich, und die Keime verweilen nun bis gegen Ende Juli in der
Furche, ſollen auch bei Gefahr wiederum in dieſelbe aufgenommen werden. Höchſt eigenthümlich iſt,
daß es viel weniger Männchen als Weibchen gibt, während bei den übrigen Fiſchen, wie bei den
übrigen Wirbelthieren überhaupt, das Gegentheil ſtattzufinden pflegt. Nach Walcott’s Beobachtungen
iſt die Seenadel ſchon bei einer Länge zwiſchen vier oder fünf Zoll fortpflanzungsfähig.
„Dieſer Fiſchen Fleiſch, als ich es offt erfahren hab“, ſagt Geßner, „iſt ein hart feſt Fleiſch,
hat nicht viel Geſaffts, gantz luſtig, lieblich vnd anmutig zu eſſen, auff was art gleich derſelbig
bereitet werde. An etlichen Orten werden ſie auch eingeſaltzen vnd noch auß dem Saltz geſſen, als
etliche andere kleine Meerfiſch.“ — Jch weiß nicht, ob dieſe Angaben begründet ſind, habe wenigſtens
von einem Fange dieſer für den Gaumen ſo wenig verſprechenden Fiſche neuerdings Nichts gehört.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/801>, abgerufen am 22.12.2024.
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