Untersuchung vorweltlicher Fische und Vergleichung derselben mit den gegenwärtig lebenden haben erkennen lassen, daß einige Sippen der Jetztzeit eine Reihe der gesammten Klasse vertreten. Es ist hauptsächlich das Verdienst Johannes Müller's, die Grenzen dieser Reihe oder Unterklasse bestimmt zu haben. Allerdings hatten schon frühere Forscher die Zusammengehörigkeit der hier in Frage kommenden ausgestorbenen Arten und der jetzt lebenden Schmelzschupper festgestellt; aber erst die Ergebnisse der Zergliederung vieler hundert Fischarten, welche Johannes Müller gewann, verhalfen uns zu einem klaren Ueberblicke der zu dieser großen Unterabtheilung zählenden Glieder.
Versteinte Neste der Schmelzschupper finden sich in den verschiedensten Schichten der Erdrinde, zum untrüglichen Zeichen, daß diese Fische vom Beginn der Erdgeschichte an eine wesentliche Rolle gespielt haben. Es ist ihnen ergangen wie den Vielhufern und den Panzerechsen: sie sind nach und nach ausgetilgt worden und gegenwärtig bis auf wenige Arten, welche der Mehrzahl nach auch Sippen und Familien vertreten, verschwunden. Die Ueberbliebenen scheinen wenig Aehnlichkeit, also auch nur eine lockere Zusammengehörigkeit unter einander zu haben; durch Herbeiziehung der ausge- storbenen Arten aber läßt sich, wie bei den genannten höheren Wirbelthieren ein Bild von der Reich- haltigkeit und Geschlossenheit der gesammten Gruppe gewinnen.
Johannes Müller faßt die Merkmale der Schmelzschupper mit kurzen Worten zusammen wie folgt: "Diese Fische sind entweder mit tafelartigen oder rundlichen, schmelzbedeckten Schuppen versehen, oder sie tragen Knochenschilder, oder sie sind ganz nackt. Jhre Flossen sind oft, aber nicht immer am Vorderrande mit einer einfachen oder doppelten Reihe von stachelartigen Tafeln oder Schindeln besetzt; ihre Schwanzflosse nimmt zuweilen in den oberen Lappen das Ende der Wirbel- säule auf, welche sich bis an die Spitze dieses Lappens fortsetzen kann. Jhre doppelten Nasenlöcher gleichen denen der Knochenfische; ihre Kiemen sind frei und liegen in einer Kiemenhöhle unter einem Kiemendeckel wie bei den Knochenfischen. Mehrere haben ein Hilfswerkzeug zum Athmen in einer Kiemendeckeldecke, mehrere auch Spritzlöcher. Sie haben viele Klappen in dem muskelkräftigen Arterienstiele. Jhre Eier werden durch Leiter aus der Bauchhöhle ausgeführt. Jhre Sehnerven gehen nicht kreuzweise übereinander. Sie haben eine Schwimmblase mit einem Ausführungsgange, wie viele Knochenfische. Das Geripp ist entweder knöchern oder theilweise knorpelig. Die Bauch- flossen stehen weit nach hinten am Bauche. Es sind also die Schmelzschupper Fische mit vielfachen Klappen des Arterienstieles und Muskelbedeckung desselben, nicht gekreuzten Sehnerven, freien Kiemen und Kiemendeckeln und bauchständigen Bauchflossen.
Dritte Reihe. Die Schmelzſchupper(Ganoidei).
Unterſuchung vorweltlicher Fiſche und Vergleichung derſelben mit den gegenwärtig lebenden haben erkennen laſſen, daß einige Sippen der Jetztzeit eine Reihe der geſammten Klaſſe vertreten. Es iſt hauptſächlich das Verdienſt Johannes Müller’s, die Grenzen dieſer Reihe oder Unterklaſſe beſtimmt zu haben. Allerdings hatten ſchon frühere Forſcher die Zuſammengehörigkeit der hier in Frage kommenden ausgeſtorbenen Arten und der jetzt lebenden Schmelzſchupper feſtgeſtellt; aber erſt die Ergebniſſe der Zergliederung vieler hundert Fiſcharten, welche Johannes Müller gewann, verhalfen uns zu einem klaren Ueberblicke der zu dieſer großen Unterabtheilung zählenden Glieder.
Verſteinte Neſte der Schmelzſchupper finden ſich in den verſchiedenſten Schichten der Erdrinde, zum untrüglichen Zeichen, daß dieſe Fiſche vom Beginn der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle geſpielt haben. Es iſt ihnen ergangen wie den Vielhufern und den Panzerechſen: ſie ſind nach und nach ausgetilgt worden und gegenwärtig bis auf wenige Arten, welche der Mehrzahl nach auch Sippen und Familien vertreten, verſchwunden. Die Ueberbliebenen ſcheinen wenig Aehnlichkeit, alſo auch nur eine lockere Zuſammengehörigkeit unter einander zu haben; durch Herbeiziehung der ausge- ſtorbenen Arten aber läßt ſich, wie bei den genannten höheren Wirbelthieren ein Bild von der Reich- haltigkeit und Geſchloſſenheit der geſammten Gruppe gewinnen.
Johannes Müller faßt die Merkmale der Schmelzſchupper mit kurzen Worten zuſammen wie folgt: „Dieſe Fiſche ſind entweder mit tafelartigen oder rundlichen, ſchmelzbedeckten Schuppen verſehen, oder ſie tragen Knochenſchilder, oder ſie ſind ganz nackt. Jhre Floſſen ſind oft, aber nicht immer am Vorderrande mit einer einfachen oder doppelten Reihe von ſtachelartigen Tafeln oder Schindeln beſetzt; ihre Schwanzfloſſe nimmt zuweilen in den oberen Lappen das Ende der Wirbel- ſäule auf, welche ſich bis an die Spitze dieſes Lappens fortſetzen kann. Jhre doppelten Naſenlöcher gleichen denen der Knochenfiſche; ihre Kiemen ſind frei und liegen in einer Kiemenhöhle unter einem Kiemendeckel wie bei den Knochenfiſchen. Mehrere haben ein Hilfswerkzeug zum Athmen in einer Kiemendeckeldecke, mehrere auch Spritzlöcher. Sie haben viele Klappen in dem muskelkräftigen Arterienſtiele. Jhre Eier werden durch Leiter aus der Bauchhöhle ausgeführt. Jhre Sehnerven gehen nicht kreuzweiſe übereinander. Sie haben eine Schwimmblaſe mit einem Ausführungsgange, wie viele Knochenfiſche. Das Geripp iſt entweder knöchern oder theilweiſe knorpelig. Die Bauch- floſſen ſtehen weit nach hinten am Bauche. Es ſind alſo die Schmelzſchupper Fiſche mit vielfachen Klappen des Arterienſtieles und Muskelbedeckung deſſelben, nicht gekreuzten Sehnerven, freien Kiemen und Kiemendeckeln und bauchſtändigen Bauchfloſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0805"n="[763]"/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Dritte Reihe.<lb/><hirendition="#g">Die Schmelzſchupper</hi></hi><hirendition="#aq"><hirendition="#g">(Ganoidei).</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>nterſuchung vorweltlicher Fiſche und Vergleichung derſelben mit den gegenwärtig lebenden<lb/>
haben erkennen laſſen, daß einige Sippen der Jetztzeit eine Reihe der geſammten Klaſſe vertreten.<lb/>
Es iſt hauptſächlich das Verdienſt <hirendition="#g">Johannes Müller’s,</hi> die Grenzen dieſer Reihe oder Unterklaſſe<lb/>
beſtimmt zu haben. Allerdings hatten ſchon frühere Forſcher die Zuſammengehörigkeit der hier in<lb/>
Frage kommenden ausgeſtorbenen Arten und der jetzt lebenden Schmelzſchupper feſtgeſtellt; aber erſt<lb/>
die Ergebniſſe der Zergliederung vieler hundert Fiſcharten, welche <hirendition="#g">Johannes Müller</hi> gewann,<lb/>
verhalfen uns zu einem klaren Ueberblicke der zu dieſer großen Unterabtheilung zählenden Glieder.</p><lb/><p>Verſteinte Neſte der Schmelzſchupper finden ſich in den verſchiedenſten Schichten der Erdrinde,<lb/>
zum untrüglichen Zeichen, daß dieſe Fiſche vom Beginn der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle<lb/>
geſpielt haben. Es iſt ihnen ergangen wie den Vielhufern und den Panzerechſen: ſie ſind nach und<lb/>
nach ausgetilgt worden und gegenwärtig bis auf wenige Arten, welche der Mehrzahl nach auch Sippen<lb/>
und Familien vertreten, verſchwunden. Die Ueberbliebenen ſcheinen wenig Aehnlichkeit, alſo auch<lb/>
nur eine lockere Zuſammengehörigkeit unter einander zu haben; durch Herbeiziehung der ausge-<lb/>ſtorbenen Arten aber läßt ſich, wie bei den genannten höheren Wirbelthieren ein Bild von der Reich-<lb/>
haltigkeit und Geſchloſſenheit der geſammten Gruppe gewinnen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Johannes Müller</hi> faßt die Merkmale der Schmelzſchupper mit kurzen Worten zuſammen<lb/>
wie folgt: „Dieſe Fiſche ſind entweder mit tafelartigen oder rundlichen, ſchmelzbedeckten Schuppen<lb/>
verſehen, oder ſie tragen Knochenſchilder, oder ſie ſind ganz nackt. Jhre Floſſen ſind oft, aber nicht<lb/>
immer am Vorderrande mit einer einfachen oder doppelten Reihe von ſtachelartigen Tafeln oder<lb/>
Schindeln beſetzt; ihre Schwanzfloſſe nimmt zuweilen in den oberen Lappen das Ende der Wirbel-<lb/>ſäule auf, welche ſich bis an die Spitze dieſes Lappens fortſetzen kann. Jhre doppelten Naſenlöcher<lb/>
gleichen denen der Knochenfiſche; ihre Kiemen ſind frei und liegen in einer Kiemenhöhle unter einem<lb/>
Kiemendeckel wie bei den Knochenfiſchen. Mehrere haben ein Hilfswerkzeug zum Athmen in einer<lb/>
Kiemendeckeldecke, mehrere auch Spritzlöcher. Sie haben viele Klappen in dem muskelkräftigen<lb/>
Arterienſtiele. Jhre Eier werden durch Leiter aus der Bauchhöhle ausgeführt. Jhre Sehnerven<lb/>
gehen nicht kreuzweiſe übereinander. Sie haben eine Schwimmblaſe mit einem Ausführungsgange,<lb/>
wie viele Knochenfiſche. Das Geripp iſt entweder knöchern oder theilweiſe knorpelig. Die Bauch-<lb/>
floſſen ſtehen weit nach hinten am Bauche. Es ſind alſo die Schmelzſchupper Fiſche mit vielfachen<lb/>
Klappen des Arterienſtieles und Muskelbedeckung deſſelben, nicht gekreuzten Sehnerven, freien Kiemen<lb/>
und Kiemendeckeln und bauchſtändigen Bauchfloſſen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[763]/0805]
Dritte Reihe.
Die Schmelzſchupper (Ganoidei).
Unterſuchung vorweltlicher Fiſche und Vergleichung derſelben mit den gegenwärtig lebenden
haben erkennen laſſen, daß einige Sippen der Jetztzeit eine Reihe der geſammten Klaſſe vertreten.
Es iſt hauptſächlich das Verdienſt Johannes Müller’s, die Grenzen dieſer Reihe oder Unterklaſſe
beſtimmt zu haben. Allerdings hatten ſchon frühere Forſcher die Zuſammengehörigkeit der hier in
Frage kommenden ausgeſtorbenen Arten und der jetzt lebenden Schmelzſchupper feſtgeſtellt; aber erſt
die Ergebniſſe der Zergliederung vieler hundert Fiſcharten, welche Johannes Müller gewann,
verhalfen uns zu einem klaren Ueberblicke der zu dieſer großen Unterabtheilung zählenden Glieder.
Verſteinte Neſte der Schmelzſchupper finden ſich in den verſchiedenſten Schichten der Erdrinde,
zum untrüglichen Zeichen, daß dieſe Fiſche vom Beginn der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle
geſpielt haben. Es iſt ihnen ergangen wie den Vielhufern und den Panzerechſen: ſie ſind nach und
nach ausgetilgt worden und gegenwärtig bis auf wenige Arten, welche der Mehrzahl nach auch Sippen
und Familien vertreten, verſchwunden. Die Ueberbliebenen ſcheinen wenig Aehnlichkeit, alſo auch
nur eine lockere Zuſammengehörigkeit unter einander zu haben; durch Herbeiziehung der ausge-
ſtorbenen Arten aber läßt ſich, wie bei den genannten höheren Wirbelthieren ein Bild von der Reich-
haltigkeit und Geſchloſſenheit der geſammten Gruppe gewinnen.
Johannes Müller faßt die Merkmale der Schmelzſchupper mit kurzen Worten zuſammen
wie folgt: „Dieſe Fiſche ſind entweder mit tafelartigen oder rundlichen, ſchmelzbedeckten Schuppen
verſehen, oder ſie tragen Knochenſchilder, oder ſie ſind ganz nackt. Jhre Floſſen ſind oft, aber nicht
immer am Vorderrande mit einer einfachen oder doppelten Reihe von ſtachelartigen Tafeln oder
Schindeln beſetzt; ihre Schwanzfloſſe nimmt zuweilen in den oberen Lappen das Ende der Wirbel-
ſäule auf, welche ſich bis an die Spitze dieſes Lappens fortſetzen kann. Jhre doppelten Naſenlöcher
gleichen denen der Knochenfiſche; ihre Kiemen ſind frei und liegen in einer Kiemenhöhle unter einem
Kiemendeckel wie bei den Knochenfiſchen. Mehrere haben ein Hilfswerkzeug zum Athmen in einer
Kiemendeckeldecke, mehrere auch Spritzlöcher. Sie haben viele Klappen in dem muskelkräftigen
Arterienſtiele. Jhre Eier werden durch Leiter aus der Bauchhöhle ausgeführt. Jhre Sehnerven
gehen nicht kreuzweiſe übereinander. Sie haben eine Schwimmblaſe mit einem Ausführungsgange,
wie viele Knochenfiſche. Das Geripp iſt entweder knöchern oder theilweiſe knorpelig. Die Bauch-
floſſen ſtehen weit nach hinten am Bauche. Es ſind alſo die Schmelzſchupper Fiſche mit vielfachen
Klappen des Arterienſtieles und Muskelbedeckung deſſelben, nicht gekreuzten Sehnerven, freien Kiemen
und Kiemendeckeln und bauchſtändigen Bauchfloſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. [763]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/805>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.