Reiherjagd am weißen Nile näherte ich mich vorsichtig einer steilen Uferstelle und sah anstatt des erstrebten Vogels dicht unter mir ein Krokodil, welchem ich den für die Reiher bestimmten Schrotschuß auf den Schädel jagte. Es erhob sich wüthend aus dem Wasser, knurrte laut und verschwand dann unter den Fluten. Auch dasjenige, welches Penney aufstörte, gab seinen Schreck durch ein Brüllen zu erkennen. Wenn es erzürnt wurde, hört man ein blasendes oder ein dumpfzischendes Schnauben von ihm.
Gewöhnlich entsteigt das Thier gegen Mittag dem Strome, um sich zu sonnen und zu schlafen. Letzteres kann im Wasser aus dem Grunde nicht geschehen, weil es ungefähr aller zehn Minuten nach der Oberfläche kommen muß, um Luft zu schöpfen, dieses Geschäft aber, wie ich annehme, nur im Zustande des Wachens ausführt. Zu seinem Mittagsschläfchen kriecht es höchst langsam und bedächtig auf eine seichte Sandbank, schaut mit seinen meergrünen Augen vorsichtig in die Runde und legt sich nach längerem Beobachten der Umgebung zum Schlafen zurecht, indem es sich mit einem Male schwer auf den Bauch herabfallen läßt. Fast immer liegt es gekrümmt; häufig wird die Schwanzspitze noch vom Wasser überspült. Nachdem es sich zurecht gelegt, öffnet es die Deckel, welche seine Nasenhöhlen verschließen, schnaubt, gähnt und sperrt endlich weit den zähnestarrenden Rachen auf. Von nun an bleibt es unbeweglich auf einer und derselben Stelle liegen, scheint auch sehr bald in Schlaf zu fallen; doch kann man nicht sagen, daß dieser Schlaf ein sehr tiefer wäre, weil jedes nur einigermaßen laute Geräusch es erweckt und ins Wasser zurückscheucht. Mit Hilfe meines guten Fernrohres und von einer auf derselben Sandbank errichteten Erdhütte aus habe ich dieses Zubettgehen des Krokodils so genau beobachtet, daß ich jedes der vorstehenden Worte verbürgen kann.
Ungestört verweilt das Thier bis gegen Sonnenuntergang auf dem Lande, unter Umständen in zahlreicher Gesellschaft von Seinesgleichen. Zuweilen liegen mehrere theilweise über einander, gewöhn- lich jedes einzelne etwas von dem anderen geschieden; namentlich die Jungen halten sich in achtungs- voller Entfernung von den älteren. Mit Eintritt der Dämmerung haben sich alle Juseln geräumt; nunmehr beginnt die Zeit der Jagd, welche während der ganzen Nacht, vielleicht auch noch in den Morgenstunden fortgesetzt wird und vorzugsweise den Fischen im Strome gilt. Daß auch große schwerleibige, anscheinend unbehilfliche Krokodile diese behenden Wasserbewohner zu haschen wissen, unterliegt keinem Zweifel, weil Fische die eigentliche, um mich so auszudrücken, natürliche Nahrung aller Panzerechsen bilden. Nächst ihnen fängt das Krokodil jedoch auch alle unvorsichtig zur Tränke an den Fluß kommenden größeren und kleineren Säugethiere, ja sogar Sumpf- und Wasser- vögel. Es naht sich den Tränk- oder Ruhestellen seiner Beute mit großer Vorsicht, versenkt sich voll- kommen unter das Wasser, schwimmt langsam und geräuschlos herbei und steckt beim Athmen eben nur die Nasenlöcher aus dem Wasser heraus; beim Angriff dagegen schießt es, wie ich mehrfach beobachten konnte, blitzschnell und in gerader Richtung auf das Ufer herauf. Niemals denkt es daran, eine verfehlte Beute auf dem Lande zu verfolgen: mit wahrem Vergnügen sahen wir eine trinkende Antilope plötzlich mit zwei gewaltigen Sätzen die Uferhöhe gewinnen und bis zu deren Hälfte in demselben Augenblicke ein Krokodil emporschießen. Die Jagd des letzteren gilt selbst sehr großen Säugethieren: es zieht Esel, Pferde, Rinder und Kamele in die Tiefe des Stromes hinab. An beiden Hauptadern des Nils verlieren die Hirten regelmäßig mehrere ihrer Schutzbefohlenen im Laufe des Jahres; am blauen Flusse sahen wir ein geköpftes Rind liegen, dessen Eigenthümer uns jammernd erzählte, daß vor wenigen Minuten ein "Sohn, Enkel und Urenkel des von Allah Verfluchten" das trinkende Thier erfaßt und ihm den Kopf abgebissen habe. Wie das Raubthier mit seinen spröden, gleich Glas abspringenden Zähnen Solches zu thun im Stande ist, vermag ich noch heute nicht zu begreifen, weil ich mir ungeachtet der furchtbaren Bewaffnung des Rachens eine so gewaltige Kraft- äußerung kaum erklären kann. Bald nach meiner ersten Ankunft im Ost-Sudahn erzählte man mir eine andere Geschichte, an deren buchstäblicher Wahrheit man nicht zweifelte. Ein Kamel kommt in den Abendstunden zum Flusse, um zu trinken. Auf dem steilen Uferrande liegt ein mächtiger Löwe sprungfertig, im Wasser lauert ein riesiges Krokodil auf das durstige Thier. Beide, Löwe und Krokodil,
Die Panzerechſen. Krokodile.
Reiherjagd am weißen Nile näherte ich mich vorſichtig einer ſteilen Uferſtelle und ſah anſtatt des erſtrebten Vogels dicht unter mir ein Krokodil, welchem ich den für die Reiher beſtimmten Schrotſchuß auf den Schädel jagte. Es erhob ſich wüthend aus dem Waſſer, knurrte laut und verſchwand dann unter den Fluten. Auch dasjenige, welches Penney aufſtörte, gab ſeinen Schreck durch ein Brüllen zu erkennen. Wenn es erzürnt wurde, hört man ein blaſendes oder ein dumpfziſchendes Schnauben von ihm.
Gewöhnlich entſteigt das Thier gegen Mittag dem Strome, um ſich zu ſonnen und zu ſchlafen. Letzteres kann im Waſſer aus dem Grunde nicht geſchehen, weil es ungefähr aller zehn Minuten nach der Oberfläche kommen muß, um Luft zu ſchöpfen, dieſes Geſchäft aber, wie ich annehme, nur im Zuſtande des Wachens ausführt. Zu ſeinem Mittagsſchläfchen kriecht es höchſt langſam und bedächtig auf eine ſeichte Sandbank, ſchaut mit ſeinen meergrünen Augen vorſichtig in die Runde und legt ſich nach längerem Beobachten der Umgebung zum Schlafen zurecht, indem es ſich mit einem Male ſchwer auf den Bauch herabfallen läßt. Faſt immer liegt es gekrümmt; häufig wird die Schwanzſpitze noch vom Waſſer überſpült. Nachdem es ſich zurecht gelegt, öffnet es die Deckel, welche ſeine Naſenhöhlen verſchließen, ſchnaubt, gähnt und ſperrt endlich weit den zähneſtarrenden Rachen auf. Von nun an bleibt es unbeweglich auf einer und derſelben Stelle liegen, ſcheint auch ſehr bald in Schlaf zu fallen; doch kann man nicht ſagen, daß dieſer Schlaf ein ſehr tiefer wäre, weil jedes nur einigermaßen laute Geräuſch es erweckt und ins Waſſer zurückſcheucht. Mit Hilfe meines guten Fernrohres und von einer auf derſelben Sandbank errichteten Erdhütte aus habe ich dieſes Zubettgehen des Krokodils ſo genau beobachtet, daß ich jedes der vorſtehenden Worte verbürgen kann.
Ungeſtört verweilt das Thier bis gegen Sonnenuntergang auf dem Lande, unter Umſtänden in zahlreicher Geſellſchaft von Seinesgleichen. Zuweilen liegen mehrere theilweiſe über einander, gewöhn- lich jedes einzelne etwas von dem anderen geſchieden; namentlich die Jungen halten ſich in achtungs- voller Entfernung von den älteren. Mit Eintritt der Dämmerung haben ſich alle Juſeln geräumt; nunmehr beginnt die Zeit der Jagd, welche während der ganzen Nacht, vielleicht auch noch in den Morgenſtunden fortgeſetzt wird und vorzugsweiſe den Fiſchen im Strome gilt. Daß auch große ſchwerleibige, anſcheinend unbehilfliche Krokodile dieſe behenden Waſſerbewohner zu haſchen wiſſen, unterliegt keinem Zweifel, weil Fiſche die eigentliche, um mich ſo auszudrücken, natürliche Nahrung aller Panzerechſen bilden. Nächſt ihnen fängt das Krokodil jedoch auch alle unvorſichtig zur Tränke an den Fluß kommenden größeren und kleineren Säugethiere, ja ſogar Sumpf- und Waſſer- vögel. Es naht ſich den Tränk- oder Ruheſtellen ſeiner Beute mit großer Vorſicht, verſenkt ſich voll- kommen unter das Waſſer, ſchwimmt langſam und geräuſchlos herbei und ſteckt beim Athmen eben nur die Naſenlöcher aus dem Waſſer heraus; beim Angriff dagegen ſchießt es, wie ich mehrfach beobachten konnte, blitzſchnell und in gerader Richtung auf das Ufer herauf. Niemals denkt es daran, eine verfehlte Beute auf dem Lande zu verfolgen: mit wahrem Vergnügen ſahen wir eine trinkende Antilope plötzlich mit zwei gewaltigen Sätzen die Uferhöhe gewinnen und bis zu deren Hälfte in demſelben Augenblicke ein Krokodil emporſchießen. Die Jagd des letzteren gilt ſelbſt ſehr großen Säugethieren: es zieht Eſel, Pferde, Rinder und Kamele in die Tiefe des Stromes hinab. An beiden Hauptadern des Nils verlieren die Hirten regelmäßig mehrere ihrer Schutzbefohlenen im Laufe des Jahres; am blauen Fluſſe ſahen wir ein geköpftes Rind liegen, deſſen Eigenthümer uns jammernd erzählte, daß vor wenigen Minuten ein „Sohn, Enkel und Urenkel des von Allah Verfluchten“ das trinkende Thier erfaßt und ihm den Kopf abgebiſſen habe. Wie das Raubthier mit ſeinen ſpröden, gleich Glas abſpringenden Zähnen Solches zu thun im Stande iſt, vermag ich noch heute nicht zu begreifen, weil ich mir ungeachtet der furchtbaren Bewaffnung des Rachens eine ſo gewaltige Kraft- äußerung kaum erklären kann. Bald nach meiner erſten Ankunft im Oſt-Sudahn erzählte man mir eine andere Geſchichte, an deren buchſtäblicher Wahrheit man nicht zweifelte. Ein Kamel kommt in den Abendſtunden zum Fluſſe, um zu trinken. Auf dem ſteilen Uferrande liegt ein mächtiger Löwe ſprungfertig, im Waſſer lauert ein rieſiges Krokodil auf das durſtige Thier. Beide, Löwe und Krokodil,
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Die Panzerechſen. Krokodile.
Reiherjagd am weißen Nile näherte ich mich vorſichtig einer ſteilen Uferſtelle und ſah anſtatt des
erſtrebten Vogels dicht unter mir ein Krokodil, welchem ich den für die Reiher beſtimmten Schrotſchuß
auf den Schädel jagte. Es erhob ſich wüthend aus dem Waſſer, knurrte laut und verſchwand dann
unter den Fluten. Auch dasjenige, welches Penney aufſtörte, gab ſeinen Schreck durch ein Brüllen
zu erkennen. Wenn es erzürnt wurde, hört man ein blaſendes oder ein dumpfziſchendes Schnauben
von ihm.
Gewöhnlich entſteigt das Thier gegen Mittag dem Strome, um ſich zu ſonnen und zu ſchlafen.
Letzteres kann im Waſſer aus dem Grunde nicht geſchehen, weil es ungefähr aller zehn Minuten nach
der Oberfläche kommen muß, um Luft zu ſchöpfen, dieſes Geſchäft aber, wie ich annehme, nur im
Zuſtande des Wachens ausführt. Zu ſeinem Mittagsſchläfchen kriecht es höchſt langſam und bedächtig
auf eine ſeichte Sandbank, ſchaut mit ſeinen meergrünen Augen vorſichtig in die Runde und legt ſich
nach längerem Beobachten der Umgebung zum Schlafen zurecht, indem es ſich mit einem Male ſchwer
auf den Bauch herabfallen läßt. Faſt immer liegt es gekrümmt; häufig wird die Schwanzſpitze noch
vom Waſſer überſpült. Nachdem es ſich zurecht gelegt, öffnet es die Deckel, welche ſeine Naſenhöhlen
verſchließen, ſchnaubt, gähnt und ſperrt endlich weit den zähneſtarrenden Rachen auf. Von nun an
bleibt es unbeweglich auf einer und derſelben Stelle liegen, ſcheint auch ſehr bald in Schlaf zu fallen;
doch kann man nicht ſagen, daß dieſer Schlaf ein ſehr tiefer wäre, weil jedes nur einigermaßen laute
Geräuſch es erweckt und ins Waſſer zurückſcheucht. Mit Hilfe meines guten Fernrohres und von
einer auf derſelben Sandbank errichteten Erdhütte aus habe ich dieſes Zubettgehen des Krokodils
ſo genau beobachtet, daß ich jedes der vorſtehenden Worte verbürgen kann.
Ungeſtört verweilt das Thier bis gegen Sonnenuntergang auf dem Lande, unter Umſtänden in
zahlreicher Geſellſchaft von Seinesgleichen. Zuweilen liegen mehrere theilweiſe über einander, gewöhn-
lich jedes einzelne etwas von dem anderen geſchieden; namentlich die Jungen halten ſich in achtungs-
voller Entfernung von den älteren. Mit Eintritt der Dämmerung haben ſich alle Juſeln geräumt;
nunmehr beginnt die Zeit der Jagd, welche während der ganzen Nacht, vielleicht auch noch in den
Morgenſtunden fortgeſetzt wird und vorzugsweiſe den Fiſchen im Strome gilt. Daß auch große
ſchwerleibige, anſcheinend unbehilfliche Krokodile dieſe behenden Waſſerbewohner zu haſchen wiſſen,
unterliegt keinem Zweifel, weil Fiſche die eigentliche, um mich ſo auszudrücken, natürliche Nahrung
aller Panzerechſen bilden. Nächſt ihnen fängt das Krokodil jedoch auch alle unvorſichtig zur Tränke
an den Fluß kommenden größeren und kleineren Säugethiere, ja ſogar Sumpf- und Waſſer-
vögel. Es naht ſich den Tränk- oder Ruheſtellen ſeiner Beute mit großer Vorſicht, verſenkt ſich voll-
kommen unter das Waſſer, ſchwimmt langſam und geräuſchlos herbei und ſteckt beim Athmen eben
nur die Naſenlöcher aus dem Waſſer heraus; beim Angriff dagegen ſchießt es, wie ich mehrfach
beobachten konnte, blitzſchnell und in gerader Richtung auf das Ufer herauf. Niemals denkt es daran,
eine verfehlte Beute auf dem Lande zu verfolgen: mit wahrem Vergnügen ſahen wir eine trinkende
Antilope plötzlich mit zwei gewaltigen Sätzen die Uferhöhe gewinnen und bis zu deren Hälfte in
demſelben Augenblicke ein Krokodil emporſchießen. Die Jagd des letzteren gilt ſelbſt ſehr großen
Säugethieren: es zieht Eſel, Pferde, Rinder und Kamele in die Tiefe des Stromes hinab. An beiden
Hauptadern des Nils verlieren die Hirten regelmäßig mehrere ihrer Schutzbefohlenen im Laufe des
Jahres; am blauen Fluſſe ſahen wir ein geköpftes Rind liegen, deſſen Eigenthümer uns jammernd
erzählte, daß vor wenigen Minuten ein „Sohn, Enkel und Urenkel des von Allah Verfluchten“ das
trinkende Thier erfaßt und ihm den Kopf abgebiſſen habe. Wie das Raubthier mit ſeinen ſpröden,
gleich Glas abſpringenden Zähnen Solches zu thun im Stande iſt, vermag ich noch heute nicht zu
begreifen, weil ich mir ungeachtet der furchtbaren Bewaffnung des Rachens eine ſo gewaltige Kraft-
äußerung kaum erklären kann. Bald nach meiner erſten Ankunft im Oſt-Sudahn erzählte man mir
eine andere Geſchichte, an deren buchſtäblicher Wahrheit man nicht zweifelte. Ein Kamel kommt in
den Abendſtunden zum Fluſſe, um zu trinken. Auf dem ſteilen Uferrande liegt ein mächtiger Löwe
ſprungfertig, im Waſſer lauert ein rieſiges Krokodil auf das durſtige Thier. Beide, Löwe und Krokodil,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/82>, abgerufen am 22.12.2024.
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