"Under die Flachfisch", sagt Geßner, "wirt auch der gifftroch oder Angelfisch gezehlt, das aller- giftigst Thier auß allen Meerfischen. Er hat eine glatte haut, one schuppen, mitten am Schwantz, so sich vergleicht dem Schwantz der Ratten, hat er ein scharpffen angel oder pfeil, eines singers oder halben schuchs lang, zu welches grund zwey ander kleine zu zeiten heraußwachsen. Der Pfeil hat der lenge nach widerhäckle, welche vrsachen daß sie nit one grosse arbeit so sie eingeheckt heraußgezogen mögen werden. Mit solchem pfeil vnd angel, sticht vnd vergifftet er alles so jn verletzt, mit einem schädlichen gifft. Der Gifftroch beschirmpt sich allezeit, vnd kempfft mit seinem Pfeil: verwundet auch zu zeiten die Fischer, oder andere so sie vnbehütsam, fressentlich angreiffen: ist sonderlich listig in dem gejägt: denn er verschleufft sich vnder das kaat, frist kein Fisch, er habe jn denn vor lebendig oder zu tod gestochen. So schädlich vnd gifftig ist der stich deß pfeils solcher Thieren, daß ein Mensch so also geschädiget, von dem Gifft vnd Schmertzen den tod erleiden muß, wo ihm nit mit artzney zu stund geholffen wirt. Jtem so ein frischer grüner baum mit diesem pfeil am stammen verwundt wirt, so soll er zu stund verdorren."
Noch heutigentages sprechen manche Fischer fast wörtlich diese Anschauungen der Alten aus. Sie behaupten mit aller Bestimmtheit, daß die Stachelrochen mit ihrer gefährlichen Waffe Gift in die von ihnen verursachten Wunden flößen. Wie schmerzhaft und gefährlich diese Wunden wirklich sind, mag aus nachstehendem Reiseberichte Schomburgk's hervorgehen. "Unter den zahlreichen Fischen, die dem Takutu eigen sind, nehmen die Stachelrochen durch ihre Menge eine der ersten Stellen ein. Sie wühlen ihren platten Körper so in den Sand oder Schlamm ein, daß nur die Augen frei bleiben und entziehen sich dadurch selbst im klarsten Wasser den Blicken der Herumwatenden. Hat nun Jemand das Unglück, auf einen dieser Hinterlistigen zu treten, so schnellt der beunruhigte Fisch seinen Schwanz mit einer solchen Kraft gegen den Störenfried, daß der Stachel die abscheulichsten Wunden beibringt, welche oft nicht allein die gefährlichsten Krämpfe, sondern selbst den Tod zur Folge haben. Da unsere Jndianer diesen gefährlichen Feind kannten, untersuchten sie immer, sobald die Corials über die Bänke geschoben oder gezogen wurden, den Weg mit einem Ruder oder Stocke. Ungeachtet dieser Vorsicht wurde einer unserer Ruderer doch zwei Mal von einem der Fische auf der Spanne verwundet. Sowie der Beklagenswerthe die Wunden erhielt, wankte er der Sandbank zu, stürzte zusammen und wälzte sich, die Lippen zusammenbeißend, vor wüthendem Schmerze umher, obschon seinem Auge keine Thräne entrollte und seinem Munde kein Schmerzensschrei entfloh. Noch waren wir damit beschäftigt, dem armen Schelm seine Schmerzen so viel als möglich zu lindern, als unsere Aufmerksamkeit durch einen lauten Aufschrei vom Leidenden abgezogen und auf einen anderen Jndianer gerichtet wurden, welcher ebenfalls gestochen worden war. Der Knabe besaß noch nicht die Charakterfestigkeit, um wie jener den Ausdruck seines Schmerzes zu unterdrücken: unter durchdrin- gendem Geschrei warf er sich auf den Boden, wühlte sein Gesicht und seinen Kopf in den Sand ein, ja biß sogar in diesen hinein. Niemals habe ich einen Fallsüchtigen in solchem Grade von Krämpfen befallen gesehen. Obgleich beide Jndianer nur auf der Spanne und bezüglich der Sohle des Fußes verwundet waren, fühlten doch Beide die heftigsten Schmerzen in den Weichen, der Gegend des Herzens und unter den Armen. Traten die Krämpfe schon bei dem alten Jndianer ziemlich hart auf, so nahmen sie bei dem Knaben einen so bösen Charakter an, daß wir Alles fürchten zu müssen glaubten. Nachdem wir die Wunden hatten aussaugen lassen, überbanden wir sie, wuschen sie dann aus und legten nun fortwährend heiße Breiumschläge von Cassadabrot auf. Die Krankheitszeichen hatten sehr viel Aehnlichkeit mit denen, welche den Schlangenbiß begleiten. Ein kräftiger und rüstiger Arbeiter, welcher kurz vor unserer Abreise aus Demerara von einem Stachelrochen verwundet worden war, starb unter den fürchterlichsten Krämpfen." Auch Schomburgk ist nach solchen Erlebnissen geneigt zu glauben, daß der Stachelroche wirklich vergifte, während wir doch mit aller Bestimmtheit behaupten dürfen, daß es nur die Eigenthümlichkeit der Waffe ist, welche die Wunden so schmerzhaft macht und eine allgemeine Aufregung der Nerven hervorruft. Ein aus Stahl nachgebildeter Stachel
Die Quermäuler. Stachelrochen. Adlerrochen.
„Under die Flachfiſch“, ſagt Geßner, „wirt auch der gifftroch oder Angelfiſch gezehlt, das aller- giftigſt Thier auß allen Meerfiſchen. Er hat eine glatte haut, one ſchuppen, mitten am Schwantz, ſo ſich vergleicht dem Schwantz der Ratten, hat er ein ſcharpffen angel oder pfeil, eines ſingers oder halben ſchuchs lang, zu welches grund zwey ander kleine zu zeiten heraußwachſen. Der Pfeil hat der lenge nach widerhäckle, welche vrſachen daß ſie nit one groſſe arbeit ſo ſie eingeheckt heraußgezogen mögen werden. Mit ſolchem pfeil vnd angel, ſticht vnd vergifftet er alles ſo jn verletzt, mit einem ſchädlichen gifft. Der Gifftroch beſchirmpt ſich allezeit, vnd kempfft mit ſeinem Pfeil: verwundet auch zu zeiten die Fiſcher, oder andere ſo ſie vnbehütſam, freſſentlich angreiffen: iſt ſonderlich liſtig in dem gejägt: denn er verſchleufft ſich vnder das kaat, friſt kein Fiſch, er habe jn denn vor lebendig oder zu tod geſtochen. So ſchädlich vnd gifftig iſt der ſtich deß pfeils ſolcher Thieren, daß ein Menſch ſo alſo geſchädiget, von dem Gifft vnd Schmertzen den tod erleiden muß, wo ihm nit mit artzney zu ſtund geholffen wirt. Jtem ſo ein friſcher grüner baum mit dieſem pfeil am ſtammen verwundt wirt, ſo ſoll er zu ſtund verdorren.“
Noch heutigentages ſprechen manche Fiſcher faſt wörtlich dieſe Anſchauungen der Alten aus. Sie behaupten mit aller Beſtimmtheit, daß die Stachelrochen mit ihrer gefährlichen Waffe Gift in die von ihnen verurſachten Wunden flößen. Wie ſchmerzhaft und gefährlich dieſe Wunden wirklich ſind, mag aus nachſtehendem Reiſeberichte Schomburgk’s hervorgehen. „Unter den zahlreichen Fiſchen, die dem Takutu eigen ſind, nehmen die Stachelrochen durch ihre Menge eine der erſten Stellen ein. Sie wühlen ihren platten Körper ſo in den Sand oder Schlamm ein, daß nur die Augen frei bleiben und entziehen ſich dadurch ſelbſt im klarſten Waſſer den Blicken der Herumwatenden. Hat nun Jemand das Unglück, auf einen dieſer Hinterliſtigen zu treten, ſo ſchnellt der beunruhigte Fiſch ſeinen Schwanz mit einer ſolchen Kraft gegen den Störenfried, daß der Stachel die abſcheulichſten Wunden beibringt, welche oft nicht allein die gefährlichſten Krämpfe, ſondern ſelbſt den Tod zur Folge haben. Da unſere Jndianer dieſen gefährlichen Feind kannten, unterſuchten ſie immer, ſobald die Corials über die Bänke geſchoben oder gezogen wurden, den Weg mit einem Ruder oder Stocke. Ungeachtet dieſer Vorſicht wurde einer unſerer Ruderer doch zwei Mal von einem der Fiſche auf der Spanne verwundet. Sowie der Beklagenswerthe die Wunden erhielt, wankte er der Sandbank zu, ſtürzte zuſammen und wälzte ſich, die Lippen zuſammenbeißend, vor wüthendem Schmerze umher, obſchon ſeinem Auge keine Thräne entrollte und ſeinem Munde kein Schmerzensſchrei entfloh. Noch waren wir damit beſchäftigt, dem armen Schelm ſeine Schmerzen ſo viel als möglich zu lindern, als unſere Aufmerkſamkeit durch einen lauten Aufſchrei vom Leidenden abgezogen und auf einen anderen Jndianer gerichtet wurden, welcher ebenfalls geſtochen worden war. Der Knabe beſaß noch nicht die Charakterfeſtigkeit, um wie jener den Ausdruck ſeines Schmerzes zu unterdrücken: unter durchdrin- gendem Geſchrei warf er ſich auf den Boden, wühlte ſein Geſicht und ſeinen Kopf in den Sand ein, ja biß ſogar in dieſen hinein. Niemals habe ich einen Fallſüchtigen in ſolchem Grade von Krämpfen befallen geſehen. Obgleich beide Jndianer nur auf der Spanne und bezüglich der Sohle des Fußes verwundet waren, fühlten doch Beide die heftigſten Schmerzen in den Weichen, der Gegend des Herzens und unter den Armen. Traten die Krämpfe ſchon bei dem alten Jndianer ziemlich hart auf, ſo nahmen ſie bei dem Knaben einen ſo böſen Charakter an, daß wir Alles fürchten zu müſſen glaubten. Nachdem wir die Wunden hatten ausſaugen laſſen, überbanden wir ſie, wuſchen ſie dann aus und legten nun fortwährend heiße Breiumſchläge von Caſſadabrot auf. Die Krankheitszeichen hatten ſehr viel Aehnlichkeit mit denen, welche den Schlangenbiß begleiten. Ein kräftiger und rüſtiger Arbeiter, welcher kurz vor unſerer Abreiſe aus Demerara von einem Stachelrochen verwundet worden war, ſtarb unter den fürchterlichſten Krämpfen.“ Auch Schomburgk iſt nach ſolchen Erlebniſſen geneigt zu glauben, daß der Stachelroche wirklich vergifte, während wir doch mit aller Beſtimmtheit behaupten dürfen, daß es nur die Eigenthümlichkeit der Waffe iſt, welche die Wunden ſo ſchmerzhaft macht und eine allgemeine Aufregung der Nerven hervorruft. Ein aus Stahl nachgebildeter Stachel
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[798/0844]
Die Quermäuler. Stachelrochen. Adlerrochen.
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giftigſt Thier auß allen Meerfiſchen. Er hat eine glatte haut, one ſchuppen, mitten am Schwantz,
ſo ſich vergleicht dem Schwantz der Ratten, hat er ein ſcharpffen angel oder pfeil, eines ſingers oder
halben ſchuchs lang, zu welches grund zwey ander kleine zu zeiten heraußwachſen. Der Pfeil hat
der lenge nach widerhäckle, welche vrſachen daß ſie nit one groſſe arbeit ſo ſie eingeheckt heraußgezogen
mögen werden. Mit ſolchem pfeil vnd angel, ſticht vnd vergifftet er alles ſo jn verletzt, mit einem
ſchädlichen gifft. Der Gifftroch beſchirmpt ſich allezeit, vnd kempfft mit ſeinem Pfeil: verwundet auch
zu zeiten die Fiſcher, oder andere ſo ſie vnbehütſam, freſſentlich angreiffen: iſt ſonderlich liſtig in dem
gejägt: denn er verſchleufft ſich vnder das kaat, friſt kein Fiſch, er habe jn denn vor lebendig oder zu
tod geſtochen. So ſchädlich vnd gifftig iſt der ſtich deß pfeils ſolcher Thieren, daß ein Menſch ſo
alſo geſchädiget, von dem Gifft vnd Schmertzen den tod erleiden muß, wo ihm nit mit artzney zu ſtund
geholffen wirt. Jtem ſo ein friſcher grüner baum mit dieſem pfeil am ſtammen verwundt wirt, ſo
ſoll er zu ſtund verdorren.“
Noch heutigentages ſprechen manche Fiſcher faſt wörtlich dieſe Anſchauungen der Alten aus.
Sie behaupten mit aller Beſtimmtheit, daß die Stachelrochen mit ihrer gefährlichen Waffe Gift in die
von ihnen verurſachten Wunden flößen. Wie ſchmerzhaft und gefährlich dieſe Wunden wirklich ſind,
mag aus nachſtehendem Reiſeberichte Schomburgk’s hervorgehen. „Unter den zahlreichen Fiſchen,
die dem Takutu eigen ſind, nehmen die Stachelrochen durch ihre Menge eine der erſten Stellen ein.
Sie wühlen ihren platten Körper ſo in den Sand oder Schlamm ein, daß nur die Augen frei bleiben
und entziehen ſich dadurch ſelbſt im klarſten Waſſer den Blicken der Herumwatenden. Hat nun
Jemand das Unglück, auf einen dieſer Hinterliſtigen zu treten, ſo ſchnellt der beunruhigte Fiſch ſeinen
Schwanz mit einer ſolchen Kraft gegen den Störenfried, daß der Stachel die abſcheulichſten Wunden
beibringt, welche oft nicht allein die gefährlichſten Krämpfe, ſondern ſelbſt den Tod zur Folge haben.
Da unſere Jndianer dieſen gefährlichen Feind kannten, unterſuchten ſie immer, ſobald die Corials
über die Bänke geſchoben oder gezogen wurden, den Weg mit einem Ruder oder Stocke. Ungeachtet
dieſer Vorſicht wurde einer unſerer Ruderer doch zwei Mal von einem der Fiſche auf der Spanne
verwundet. Sowie der Beklagenswerthe die Wunden erhielt, wankte er der Sandbank zu, ſtürzte
zuſammen und wälzte ſich, die Lippen zuſammenbeißend, vor wüthendem Schmerze umher, obſchon
ſeinem Auge keine Thräne entrollte und ſeinem Munde kein Schmerzensſchrei entfloh. Noch waren
wir damit beſchäftigt, dem armen Schelm ſeine Schmerzen ſo viel als möglich zu lindern, als unſere
Aufmerkſamkeit durch einen lauten Aufſchrei vom Leidenden abgezogen und auf einen anderen
Jndianer gerichtet wurden, welcher ebenfalls geſtochen worden war. Der Knabe beſaß noch nicht die
Charakterfeſtigkeit, um wie jener den Ausdruck ſeines Schmerzes zu unterdrücken: unter durchdrin-
gendem Geſchrei warf er ſich auf den Boden, wühlte ſein Geſicht und ſeinen Kopf in den Sand ein,
ja biß ſogar in dieſen hinein. Niemals habe ich einen Fallſüchtigen in ſolchem Grade von Krämpfen
befallen geſehen. Obgleich beide Jndianer nur auf der Spanne und bezüglich der Sohle des Fußes
verwundet waren, fühlten doch Beide die heftigſten Schmerzen in den Weichen, der Gegend des
Herzens und unter den Armen. Traten die Krämpfe ſchon bei dem alten Jndianer ziemlich hart auf,
ſo nahmen ſie bei dem Knaben einen ſo böſen Charakter an, daß wir Alles fürchten zu müſſen
glaubten. Nachdem wir die Wunden hatten ausſaugen laſſen, überbanden wir ſie, wuſchen ſie dann
aus und legten nun fortwährend heiße Breiumſchläge von Caſſadabrot auf. Die Krankheitszeichen
hatten ſehr viel Aehnlichkeit mit denen, welche den Schlangenbiß begleiten. Ein kräftiger und rüſtiger
Arbeiter, welcher kurz vor unſerer Abreiſe aus Demerara von einem Stachelrochen verwundet worden
war, ſtarb unter den fürchterlichſten Krämpfen.“ Auch Schomburgk iſt nach ſolchen Erlebniſſen
geneigt zu glauben, daß der Stachelroche wirklich vergifte, während wir doch mit aller Beſtimmtheit
behaupten dürfen, daß es nur die Eigenthümlichkeit der Waffe iſt, welche die Wunden ſo ſchmerzhaft
macht und eine allgemeine Aufregung der Nerven hervorruft. Ein aus Stahl nachgebildeter Stachel
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/844>, abgerufen am 22.12.2024.
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