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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869.

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Die Panzerechsen. Krokodile.
Nase hielt, wurde es überaus wüthend. Ein in der nächsten Nacht fallender Regen kam ihm sehr zu
statten, weil er eine ziemlich tiefe und ausgedehnte Grube vor unserem Hause in eine Lache verwandelte,
welche ihm nunmehr zur Herberge angewiesen wurde. Hier schien es sich sehr wohl zu befinden, hielt
sich jedoch stets auf dem Grunde des Gewässers auf und kam selten und nur mit den Nasenlöchern
zum Vorschein, um zu athmen, während es, solange es auf trockenem Lande gewesen war, ununter-
brochen Luft gewechselt hatte. Für die Bewohner der Hauptstadt wurde unser Krokodil ein Gegen-
stand der köstlichsten Unterhaltung. Groß und Klein umlagerte die Lache, in welcher dieser "Sohn
des Hundes" sich aufhielt. Um sein Entfliehen nach dem nicht allzu entfernten blauen Flusse zu
verhüten, hatte ich es an einer Leine anbinden lassen; jeder Vorübergehende nun zog das wehrlose
Thier an der Schnur auf das trockene Land heraus, betrachtete es genau und ließ es unter Flüchen
und Schimpfreden, welche wohl auch mit Steinwürfen gewürzt wurden, wieder los; sogar kleine Buben
machten sich das seltene Vergnügen, einmal ein Krokodil zu mißhandeln. Um die Quälgeister zu
schrecken, ließ ich die Stricke zerschneiden, mit denen die Schnauze zugebunden worden war; aber auch
Das fruchtete wenig. Man holte lange Stöcke herbei, schlug das Krokodil damit auf den Rücken und
hielt ihm, wenn man es hinlänglich gereizt hatte, den dicken Stock zum Beißen vor; es erfaßte das
Marterwerkzeug auch stets und mit solcher Wuth, daß es sich an ihm hin- und herschleifen ließ, ohne
loszulassen. Dabei brachen gewöhnlich einige seiner Zähne; aber selbst dann versuchte es festzuhalten.
Dank der unendlichen Bemühungen der Einwohnerschaft Charthums hatte es nach wenigen Tagen
seinen "verruchten Geist" aufgegeben.

Die alten Egypter betrieben, laut Herodot, die Jagd auf Krokodile in verschiedener Weise.
Der Jäger ließ ein Schwein mit einer Angel im Rücken mitten im Flusse ins Wasser, hielt sich am
Ufer verborgen und nöthigte ein Ferkel durch Schläge zum Schreien. Dieses Geschrei lockte das
Krokodil herbei; es verschlang das Schwein und wurde mit Hilfe der Angel an das Land gezogen.
Hier verschmierte der Jäger ihm zunächst die Augen mit Schlamm, um sich vor den Angriffen zu
sichern; dann wurde es in aller Gemächlichkeit abgethan. Die Tentyriten hatten, wie Plinius
versichert, den Muth, dem schwimmenden Krokodile nachzufolgen, ihm eine Schlinge um den Hals zu
werfen, sich auf den Rücken zu setzen und ihm, wenn es den Kopf zum Beißen aufhob, ein Querholz
ins Maul zu stecken. An diesem lenkten sie ihre Beute wie ein Roß am Zaume, und trieben sie
dann aus Land. Die Krokodile fürchten, meint Plinius, sogar den Geruch der Tentyriten und
wagen sich nicht an ihre Jnsel.

Heutigentages wird diese Jagd nicht mehr betrieben, wohl aber eine andere, welche kaum weniger
Muth erfordert. Sie ist zuerst von Rüppell beschrieben, mir aber ebenfalls von mehreren Seiten
genau ebenso geschildert worden. Die Jagd beginnt, wenn die Ströme fallen und Sandbänke,
auf denen die Krokodile schlafen und sich sonnen, bloß legen. Der Jäger merkt sich die gewöhnliche
Schlafftelle, gräbt sich unter dem herrschenden Winde, also gewöhnlich im Süden derselben, ein Loch
in den Sand, verbirgt sich hier und wartet, bis das Thier herausgekommen und eingeschlafen
ist. Seine Waffe ist ein Wurfspieß, dessen eiferne, dreiseitige, mit Widerhaken versehene Spitze,
vermittels eines Ringes und zwanzig bis dreißig haltbaren, von einander getrennten, in gewissen
Abschnitten aber wieder vereinigten Schnuren an dem Stiele befestigt werden, während letzterer
wiederum mit einem leichten Klotze verbunden wurde. "Die hauptsächlichste Geschicklichkeit des Jägers
besteht darin, den Wurfspieß mit so großer Kraft zu schleudern, daß das Eisen den Panzer durchbohrt
und ungefähr vier Zoll tief in den Leib eindringt. Beim Wurfe wird der Stiel der Lanze, in
welchem die eiserne Spitze nur lose eingelassen ist, von dieser getrennt und fällt ab. Das verwundete
Krokodil bleibt nicht müssig, schlägt wüthend mit seinem Schwanze und gibt sich die größte Mühe,
den Strick zu zerbeißen; die einzelnen Theile desselben legen sich aber zwischen die Zähne und
werden deshalb nicht oder doch nur theilweise zerschnitten. Jn geringeren Tiefen zeigt der oben-
aufschwimmende Stiel, in größeren der leichte Holzklotz den Weg an, welchen das Thier geht. Auf
ihm verfolgt es den Jäger von einem kleinen Boote aus solange, bis er glaubt, am Ufer eine

Die Panzerechſen. Krokodile.
Naſe hielt, wurde es überaus wüthend. Ein in der nächſten Nacht fallender Regen kam ihm ſehr zu
ſtatten, weil er eine ziemlich tiefe und ausgedehnte Grube vor unſerem Hauſe in eine Lache verwandelte,
welche ihm nunmehr zur Herberge angewieſen wurde. Hier ſchien es ſich ſehr wohl zu befinden, hielt
ſich jedoch ſtets auf dem Grunde des Gewäſſers auf und kam ſelten und nur mit den Naſenlöchern
zum Vorſchein, um zu athmen, während es, ſolange es auf trockenem Lande geweſen war, ununter-
brochen Luft gewechſelt hatte. Für die Bewohner der Hauptſtadt wurde unſer Krokodil ein Gegen-
ſtand der köſtlichſten Unterhaltung. Groß und Klein umlagerte die Lache, in welcher dieſer „Sohn
des Hundes“ ſich aufhielt. Um ſein Entfliehen nach dem nicht allzu entfernten blauen Fluſſe zu
verhüten, hatte ich es an einer Leine anbinden laſſen; jeder Vorübergehende nun zog das wehrloſe
Thier an der Schnur auf das trockene Land heraus, betrachtete es genau und ließ es unter Flüchen
und Schimpfreden, welche wohl auch mit Steinwürfen gewürzt wurden, wieder los; ſogar kleine Buben
machten ſich das ſeltene Vergnügen, einmal ein Krokodil zu mißhandeln. Um die Quälgeiſter zu
ſchrecken, ließ ich die Stricke zerſchneiden, mit denen die Schnauze zugebunden worden war; aber auch
Das fruchtete wenig. Man holte lange Stöcke herbei, ſchlug das Krokodil damit auf den Rücken und
hielt ihm, wenn man es hinlänglich gereizt hatte, den dicken Stock zum Beißen vor; es erfaßte das
Marterwerkzeug auch ſtets und mit ſolcher Wuth, daß es ſich an ihm hin- und herſchleifen ließ, ohne
loszulaſſen. Dabei brachen gewöhnlich einige ſeiner Zähne; aber ſelbſt dann verſuchte es feſtzuhalten.
Dank der unendlichen Bemühungen der Einwohnerſchaft Charthums hatte es nach wenigen Tagen
ſeinen „verruchten Geiſt“ aufgegeben.

Die alten Egypter betrieben, laut Herodot, die Jagd auf Krokodile in verſchiedener Weiſe.
Der Jäger ließ ein Schwein mit einer Angel im Rücken mitten im Fluſſe ins Waſſer, hielt ſich am
Ufer verborgen und nöthigte ein Ferkel durch Schläge zum Schreien. Dieſes Geſchrei lockte das
Krokodil herbei; es verſchlang das Schwein und wurde mit Hilfe der Angel an das Land gezogen.
Hier verſchmierte der Jäger ihm zunächſt die Augen mit Schlamm, um ſich vor den Angriffen zu
ſichern; dann wurde es in aller Gemächlichkeit abgethan. Die Tentyriten hatten, wie Plinius
verſichert, den Muth, dem ſchwimmenden Krokodile nachzufolgen, ihm eine Schlinge um den Hals zu
werfen, ſich auf den Rücken zu ſetzen und ihm, wenn es den Kopf zum Beißen aufhob, ein Querholz
ins Maul zu ſtecken. An dieſem lenkten ſie ihre Beute wie ein Roß am Zaume, und trieben ſie
dann aus Land. Die Krokodile fürchten, meint Plinius, ſogar den Geruch der Tentyriten und
wagen ſich nicht an ihre Jnſel.

Heutigentages wird dieſe Jagd nicht mehr betrieben, wohl aber eine andere, welche kaum weniger
Muth erfordert. Sie iſt zuerſt von Rüppell beſchrieben, mir aber ebenfalls von mehreren Seiten
genau ebenſo geſchildert worden. Die Jagd beginnt, wenn die Ströme fallen und Sandbänke,
auf denen die Krokodile ſchlafen und ſich ſonnen, bloß legen. Der Jäger merkt ſich die gewöhnliche
Schlafftelle, gräbt ſich unter dem herrſchenden Winde, alſo gewöhnlich im Süden derſelben, ein Loch
in den Sand, verbirgt ſich hier und wartet, bis das Thier herausgekommen und eingeſchlafen
iſt. Seine Waffe iſt ein Wurfſpieß, deſſen eiferne, dreiſeitige, mit Widerhaken verſehene Spitze,
vermittels eines Ringes und zwanzig bis dreißig haltbaren, von einander getrennten, in gewiſſen
Abſchnitten aber wieder vereinigten Schnuren an dem Stiele befeſtigt werden, während letzterer
wiederum mit einem leichten Klotze verbunden wurde. „Die hauptſächlichſte Geſchicklichkeit des Jägers
beſteht darin, den Wurfſpieß mit ſo großer Kraft zu ſchleudern, daß das Eiſen den Panzer durchbohrt
und ungefähr vier Zoll tief in den Leib eindringt. Beim Wurfe wird der Stiel der Lanze, in
welchem die eiſerne Spitze nur loſe eingelaſſen iſt, von dieſer getrennt und fällt ab. Das verwundete
Krokodil bleibt nicht müſſig, ſchlägt wüthend mit ſeinem Schwanze und gibt ſich die größte Mühe,
den Strick zu zerbeißen; die einzelnen Theile deſſelben legen ſich aber zwiſchen die Zähne und
werden deshalb nicht oder doch nur theilweiſe zerſchnitten. Jn geringeren Tiefen zeigt der oben-
aufſchwimmende Stiel, in größeren der leichte Holzklotz den Weg an, welchen das Thier geht. Auf
ihm verfolgt es den Jäger von einem kleinen Boote aus ſolange, bis er glaubt, am Ufer eine

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[70/0086] Die Panzerechſen. Krokodile. Naſe hielt, wurde es überaus wüthend. Ein in der nächſten Nacht fallender Regen kam ihm ſehr zu ſtatten, weil er eine ziemlich tiefe und ausgedehnte Grube vor unſerem Hauſe in eine Lache verwandelte, welche ihm nunmehr zur Herberge angewieſen wurde. Hier ſchien es ſich ſehr wohl zu befinden, hielt ſich jedoch ſtets auf dem Grunde des Gewäſſers auf und kam ſelten und nur mit den Naſenlöchern zum Vorſchein, um zu athmen, während es, ſolange es auf trockenem Lande geweſen war, ununter- brochen Luft gewechſelt hatte. Für die Bewohner der Hauptſtadt wurde unſer Krokodil ein Gegen- ſtand der köſtlichſten Unterhaltung. Groß und Klein umlagerte die Lache, in welcher dieſer „Sohn des Hundes“ ſich aufhielt. Um ſein Entfliehen nach dem nicht allzu entfernten blauen Fluſſe zu verhüten, hatte ich es an einer Leine anbinden laſſen; jeder Vorübergehende nun zog das wehrloſe Thier an der Schnur auf das trockene Land heraus, betrachtete es genau und ließ es unter Flüchen und Schimpfreden, welche wohl auch mit Steinwürfen gewürzt wurden, wieder los; ſogar kleine Buben machten ſich das ſeltene Vergnügen, einmal ein Krokodil zu mißhandeln. Um die Quälgeiſter zu ſchrecken, ließ ich die Stricke zerſchneiden, mit denen die Schnauze zugebunden worden war; aber auch Das fruchtete wenig. Man holte lange Stöcke herbei, ſchlug das Krokodil damit auf den Rücken und hielt ihm, wenn man es hinlänglich gereizt hatte, den dicken Stock zum Beißen vor; es erfaßte das Marterwerkzeug auch ſtets und mit ſolcher Wuth, daß es ſich an ihm hin- und herſchleifen ließ, ohne loszulaſſen. Dabei brachen gewöhnlich einige ſeiner Zähne; aber ſelbſt dann verſuchte es feſtzuhalten. Dank der unendlichen Bemühungen der Einwohnerſchaft Charthums hatte es nach wenigen Tagen ſeinen „verruchten Geiſt“ aufgegeben. Die alten Egypter betrieben, laut Herodot, die Jagd auf Krokodile in verſchiedener Weiſe. Der Jäger ließ ein Schwein mit einer Angel im Rücken mitten im Fluſſe ins Waſſer, hielt ſich am Ufer verborgen und nöthigte ein Ferkel durch Schläge zum Schreien. Dieſes Geſchrei lockte das Krokodil herbei; es verſchlang das Schwein und wurde mit Hilfe der Angel an das Land gezogen. Hier verſchmierte der Jäger ihm zunächſt die Augen mit Schlamm, um ſich vor den Angriffen zu ſichern; dann wurde es in aller Gemächlichkeit abgethan. Die Tentyriten hatten, wie Plinius verſichert, den Muth, dem ſchwimmenden Krokodile nachzufolgen, ihm eine Schlinge um den Hals zu werfen, ſich auf den Rücken zu ſetzen und ihm, wenn es den Kopf zum Beißen aufhob, ein Querholz ins Maul zu ſtecken. An dieſem lenkten ſie ihre Beute wie ein Roß am Zaume, und trieben ſie dann aus Land. Die Krokodile fürchten, meint Plinius, ſogar den Geruch der Tentyriten und wagen ſich nicht an ihre Jnſel. Heutigentages wird dieſe Jagd nicht mehr betrieben, wohl aber eine andere, welche kaum weniger Muth erfordert. Sie iſt zuerſt von Rüppell beſchrieben, mir aber ebenfalls von mehreren Seiten genau ebenſo geſchildert worden. Die Jagd beginnt, wenn die Ströme fallen und Sandbänke, auf denen die Krokodile ſchlafen und ſich ſonnen, bloß legen. Der Jäger merkt ſich die gewöhnliche Schlafftelle, gräbt ſich unter dem herrſchenden Winde, alſo gewöhnlich im Süden derſelben, ein Loch in den Sand, verbirgt ſich hier und wartet, bis das Thier herausgekommen und eingeſchlafen iſt. Seine Waffe iſt ein Wurfſpieß, deſſen eiferne, dreiſeitige, mit Widerhaken verſehene Spitze, vermittels eines Ringes und zwanzig bis dreißig haltbaren, von einander getrennten, in gewiſſen Abſchnitten aber wieder vereinigten Schnuren an dem Stiele befeſtigt werden, während letzterer wiederum mit einem leichten Klotze verbunden wurde. „Die hauptſächlichſte Geſchicklichkeit des Jägers beſteht darin, den Wurfſpieß mit ſo großer Kraft zu ſchleudern, daß das Eiſen den Panzer durchbohrt und ungefähr vier Zoll tief in den Leib eindringt. Beim Wurfe wird der Stiel der Lanze, in welchem die eiſerne Spitze nur loſe eingelaſſen iſt, von dieſer getrennt und fällt ab. Das verwundete Krokodil bleibt nicht müſſig, ſchlägt wüthend mit ſeinem Schwanze und gibt ſich die größte Mühe, den Strick zu zerbeißen; die einzelnen Theile deſſelben legen ſich aber zwiſchen die Zähne und werden deshalb nicht oder doch nur theilweiſe zerſchnitten. Jn geringeren Tiefen zeigt der oben- aufſchwimmende Stiel, in größeren der leichte Holzklotz den Weg an, welchen das Thier geht. Auf ihm verfolgt es den Jäger von einem kleinen Boote aus ſolange, bis er glaubt, am Ufer eine

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 5. Hildburghausen, 1869, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben05_1869/86>, abgerufen am 22.12.2024.