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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Honigbiene.
dehnen. Sie sucht Blumen und harzige Stoffe auf, sind Zuckerfabriken in der Nähe, weiß sie diese
sehr wohl zu finden und leidenschaftlich gern zu benaschen, meist zu ihrem Verderben. Tausende
finden darin ihren Tod, weil sie es verstehen zwar hinein, aber nicht wieder herauszukommen.
Schwer beladen fliegen sie gegen die Fenster, arbeiten sich daran ab, fallen ermattet zu Boden
und kommen um. Viererlei wird eingetragen, Honigseim, Wasser, Blüthenstaub und harzige
Bestandtheile. Den ersteren lecken sie mit der Zunge auf, führen ihn zum Munde, verschlucken
ihn und würgen ihn aus der Honigblase als wirklichen Honig wieder hervor. Das Wasser wird
natürlich auf dieselbe Weise eingenommen, dient zur eignen Ernährung, beim Bauen und zur
Zubereitung des Futters für die Larven, wird aber nicht im Stocke aufgespeichert, sondern muß,
je nach den Bedürfnissen, unmittelbar herbeigeschafft werden. Mit den behaarten Körpertheilen,
dem Kopfe und Mittelleibe streift die Biene absichtslos beim Eindringen in die vielen Blumen-
kronen den zerstreuten Staub ab und weiß ihn geschickt mit den Beinen herunter zu bürsten, um
ihn an die hintersten anzukleben. Mehr aber erarbeitet sie absichtlich, sich all ihrer Werkzeuge
bewußt und mit dem Gebrauche derselben vollkommen vertraut. Mit den löffelähnlichen, scharfen
Kinnbacken schneidet sie die kleinen Staubträger auf, wenn sie sich nicht schon selbst geöffnet hatten,
faßt ihren Jnhalt mit den Vorderfüßen, schiebt ihn von da auf die mittleren und von diesen auf
die hintersten, welche in den bereits früher besprochenen Körbchen und der darunter liegenden
Ferse mit ihren Haarwimpern den wahren Sammelapparat bilden. Hier wird der leicht haftende
Pollen mit den anderen Beinen angeklebt und manchmal zu dicken Klumpen, den sogenannten Höschen,
aufgehäuft. Von den Knospen der Pappeln, Birken und anderer Bäume, den stets Harz absondernden
Nadelhölzern, löst sie die brauchbaren Stoffe mit den Zähnen los und sammelt sie gleichfalls in
dem Körbchen. Daß Bienen, unsere, wie die vielen wilden, bei ihrem Sammelgeschäft die Be-
fruchtung gewisser Pflanzen einzig und allein vermitteln, ist eine bekannte Thatsache, an welche
beiläufig erinnert sein mag.

Hat die Biene nun ihre Tracht, so fliegt sie auf dem kürzesten Wege nach Hause in ihrem
wunderbar entwickelten Ortssinne. Hier angekommen, läßt sie sich in der Regel auf dem Flug-
brette nieder, um ein wenig zu ruhen, dann geht es eiligen Laufes zum Loche hinein. Je nach
der Natur der Schätze, die sie bringt, ist die Art, wie sie sich ihrer entledigt, eine verschiedene.
Der Honig wird entweder einer bettelnden Schwester gefüttert, oder in die Vorrathszellen ausge-
schüttet. Einige Zellen enthalten Honig zum täglichen Verbrauche, andere, es sind zunächst die
obersten Reihen jeder Wabe, als Vorrathskammern für zukünftige Zeiten, von denen jede sogleich
mit einem Wachsdeckel verschlossen wird, sobald sie gefüllt ist. Die Höschen strampelt sie sich ab
und stampft sie fest in einer von den Zellen, die an verschiedenen Stellen der Wabe dazu bestimmt
sind, die Vorräthe des sogenannten Bienenbrodes aufzunehmen; oder sie beißt sich einen Theil
davon ab und verschluckt ihn, oder die eine und andere der Schwestern erscheint in gleicher Absicht
und befreit sie so von ihrer Bürde. Die harzigen Bestandtheile, das Stopfwachs, Vorwachs
(propolis), wie man sie nennt, werden zur Befestigung der Waben, zum Verkitten von Lücken und
Ritzen verwendet, durch welche Nässe oder Kälte eindringen könnten, zum Verkleinern des Flugloches
und, wenn es in einem Ausnahmsfalle nöthig sein sollte, zum Einhüllen fremdartiger Gegenstände,
welche ihrer Größe wegen nicht beseitigt werden, durch Fäulniß aber den Stock verpesten könnten.
Jch weiß nicht, wer es erzählt, daß man eine Maus, eine nackte Schnecke auf diese Weise einge-
kapselt in Stöcken gefunden hat.

Der Zellenbau als erste, das unmittelbar sich daran anschließende Eintragen als zweite der
Veschäftigungen des Volkes dauern fort, so lange es besteht, und werden von jedem Jndividnum
betrieben, wie es eben passen will; aber noch fehlt die Seele des Ganzen, die Sorge für die
Nachkommen, auf welche allein das Streben jedes Jnsekts gerichtet ist, sobald es zu seiner
Vollendung gelangte.

Honigbiene.
dehnen. Sie ſucht Blumen und harzige Stoffe auf, ſind Zuckerfabriken in der Nähe, weiß ſie dieſe
ſehr wohl zu finden und leidenſchaftlich gern zu benaſchen, meiſt zu ihrem Verderben. Tauſende
finden darin ihren Tod, weil ſie es verſtehen zwar hinein, aber nicht wieder herauszukommen.
Schwer beladen fliegen ſie gegen die Fenſter, arbeiten ſich daran ab, fallen ermattet zu Boden
und kommen um. Viererlei wird eingetragen, Honigſeim, Waſſer, Blüthenſtaub und harzige
Beſtandtheile. Den erſteren lecken ſie mit der Zunge auf, führen ihn zum Munde, verſchlucken
ihn und würgen ihn aus der Honigblaſe als wirklichen Honig wieder hervor. Das Waſſer wird
natürlich auf dieſelbe Weiſe eingenommen, dient zur eignen Ernährung, beim Bauen und zur
Zubereitung des Futters für die Larven, wird aber nicht im Stocke aufgeſpeichert, ſondern muß,
je nach den Bedürfniſſen, unmittelbar herbeigeſchafft werden. Mit den behaarten Körpertheilen,
dem Kopfe und Mittelleibe ſtreift die Biene abſichtslos beim Eindringen in die vielen Blumen-
kronen den zerſtreuten Staub ab und weiß ihn geſchickt mit den Beinen herunter zu bürſten, um
ihn an die hinterſten anzukleben. Mehr aber erarbeitet ſie abſichtlich, ſich all ihrer Werkzeuge
bewußt und mit dem Gebrauche derſelben vollkommen vertraut. Mit den löffelähnlichen, ſcharfen
Kinnbacken ſchneidet ſie die kleinen Staubträger auf, wenn ſie ſich nicht ſchon ſelbſt geöffnet hatten,
faßt ihren Jnhalt mit den Vorderfüßen, ſchiebt ihn von da auf die mittleren und von dieſen auf
die hinterſten, welche in den bereits früher beſprochenen Körbchen und der darunter liegenden
Ferſe mit ihren Haarwimpern den wahren Sammelapparat bilden. Hier wird der leicht haftende
Pollen mit den anderen Beinen angeklebt und manchmal zu dicken Klumpen, den ſogenannten Höschen,
aufgehäuft. Von den Knospen der Pappeln, Birken und anderer Bäume, den ſtets Harz abſondernden
Nadelhölzern, löſt ſie die brauchbaren Stoffe mit den Zähnen los und ſammelt ſie gleichfalls in
dem Körbchen. Daß Bienen, unſere, wie die vielen wilden, bei ihrem Sammelgeſchäft die Be-
fruchtung gewiſſer Pflanzen einzig und allein vermitteln, iſt eine bekannte Thatſache, an welche
beiläufig erinnert ſein mag.

Hat die Biene nun ihre Tracht, ſo fliegt ſie auf dem kürzeſten Wege nach Hauſe in ihrem
wunderbar entwickelten Ortsſinne. Hier angekommen, läßt ſie ſich in der Regel auf dem Flug-
brette nieder, um ein wenig zu ruhen, dann geht es eiligen Laufes zum Loche hinein. Je nach
der Natur der Schätze, die ſie bringt, iſt die Art, wie ſie ſich ihrer entledigt, eine verſchiedene.
Der Honig wird entweder einer bettelnden Schweſter gefüttert, oder in die Vorrathszellen ausge-
ſchüttet. Einige Zellen enthalten Honig zum täglichen Verbrauche, andere, es ſind zunächſt die
oberſten Reihen jeder Wabe, als Vorrathskammern für zukünftige Zeiten, von denen jede ſogleich
mit einem Wachsdeckel verſchloſſen wird, ſobald ſie gefüllt iſt. Die Höschen ſtrampelt ſie ſich ab
und ſtampft ſie feſt in einer von den Zellen, die an verſchiedenen Stellen der Wabe dazu beſtimmt
ſind, die Vorräthe des ſogenannten Bienenbrodes aufzunehmen; oder ſie beißt ſich einen Theil
davon ab und verſchluckt ihn, oder die eine und andere der Schweſtern erſcheint in gleicher Abſicht
und befreit ſie ſo von ihrer Bürde. Die harzigen Beſtandtheile, das Stopfwachs, Vorwachs
(propolis), wie man ſie nennt, werden zur Befeſtigung der Waben, zum Verkitten von Lücken und
Ritzen verwendet, durch welche Näſſe oder Kälte eindringen könnten, zum Verkleinern des Flugloches
und, wenn es in einem Ausnahmsfalle nöthig ſein ſollte, zum Einhüllen fremdartiger Gegenſtände,
welche ihrer Größe wegen nicht beſeitigt werden, durch Fäulniß aber den Stock verpeſten könnten.
Jch weiß nicht, wer es erzählt, daß man eine Maus, eine nackte Schnecke auf dieſe Weiſe einge-
kapſelt in Stöcken gefunden hat.

Der Zellenbau als erſte, das unmittelbar ſich daran anſchließende Eintragen als zweite der
Veſchäftigungen des Volkes dauern fort, ſo lange es beſteht, und werden von jedem Jndividnum
betrieben, wie es eben paſſen will; aber noch fehlt die Seele des Ganzen, die Sorge für die
Nachkommen, auf welche allein das Streben jedes Jnſekts gerichtet iſt, ſobald es zu ſeiner
Vollendung gelangte.

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[171/0191] Honigbiene. dehnen. Sie ſucht Blumen und harzige Stoffe auf, ſind Zuckerfabriken in der Nähe, weiß ſie dieſe ſehr wohl zu finden und leidenſchaftlich gern zu benaſchen, meiſt zu ihrem Verderben. Tauſende finden darin ihren Tod, weil ſie es verſtehen zwar hinein, aber nicht wieder herauszukommen. Schwer beladen fliegen ſie gegen die Fenſter, arbeiten ſich daran ab, fallen ermattet zu Boden und kommen um. Viererlei wird eingetragen, Honigſeim, Waſſer, Blüthenſtaub und harzige Beſtandtheile. Den erſteren lecken ſie mit der Zunge auf, führen ihn zum Munde, verſchlucken ihn und würgen ihn aus der Honigblaſe als wirklichen Honig wieder hervor. Das Waſſer wird natürlich auf dieſelbe Weiſe eingenommen, dient zur eignen Ernährung, beim Bauen und zur Zubereitung des Futters für die Larven, wird aber nicht im Stocke aufgeſpeichert, ſondern muß, je nach den Bedürfniſſen, unmittelbar herbeigeſchafft werden. Mit den behaarten Körpertheilen, dem Kopfe und Mittelleibe ſtreift die Biene abſichtslos beim Eindringen in die vielen Blumen- kronen den zerſtreuten Staub ab und weiß ihn geſchickt mit den Beinen herunter zu bürſten, um ihn an die hinterſten anzukleben. Mehr aber erarbeitet ſie abſichtlich, ſich all ihrer Werkzeuge bewußt und mit dem Gebrauche derſelben vollkommen vertraut. Mit den löffelähnlichen, ſcharfen Kinnbacken ſchneidet ſie die kleinen Staubträger auf, wenn ſie ſich nicht ſchon ſelbſt geöffnet hatten, faßt ihren Jnhalt mit den Vorderfüßen, ſchiebt ihn von da auf die mittleren und von dieſen auf die hinterſten, welche in den bereits früher beſprochenen Körbchen und der darunter liegenden Ferſe mit ihren Haarwimpern den wahren Sammelapparat bilden. Hier wird der leicht haftende Pollen mit den anderen Beinen angeklebt und manchmal zu dicken Klumpen, den ſogenannten Höschen, aufgehäuft. Von den Knospen der Pappeln, Birken und anderer Bäume, den ſtets Harz abſondernden Nadelhölzern, löſt ſie die brauchbaren Stoffe mit den Zähnen los und ſammelt ſie gleichfalls in dem Körbchen. Daß Bienen, unſere, wie die vielen wilden, bei ihrem Sammelgeſchäft die Be- fruchtung gewiſſer Pflanzen einzig und allein vermitteln, iſt eine bekannte Thatſache, an welche beiläufig erinnert ſein mag. Hat die Biene nun ihre Tracht, ſo fliegt ſie auf dem kürzeſten Wege nach Hauſe in ihrem wunderbar entwickelten Ortsſinne. Hier angekommen, läßt ſie ſich in der Regel auf dem Flug- brette nieder, um ein wenig zu ruhen, dann geht es eiligen Laufes zum Loche hinein. Je nach der Natur der Schätze, die ſie bringt, iſt die Art, wie ſie ſich ihrer entledigt, eine verſchiedene. Der Honig wird entweder einer bettelnden Schweſter gefüttert, oder in die Vorrathszellen ausge- ſchüttet. Einige Zellen enthalten Honig zum täglichen Verbrauche, andere, es ſind zunächſt die oberſten Reihen jeder Wabe, als Vorrathskammern für zukünftige Zeiten, von denen jede ſogleich mit einem Wachsdeckel verſchloſſen wird, ſobald ſie gefüllt iſt. Die Höschen ſtrampelt ſie ſich ab und ſtampft ſie feſt in einer von den Zellen, die an verſchiedenen Stellen der Wabe dazu beſtimmt ſind, die Vorräthe des ſogenannten Bienenbrodes aufzunehmen; oder ſie beißt ſich einen Theil davon ab und verſchluckt ihn, oder die eine und andere der Schweſtern erſcheint in gleicher Abſicht und befreit ſie ſo von ihrer Bürde. Die harzigen Beſtandtheile, das Stopfwachs, Vorwachs (propolis), wie man ſie nennt, werden zur Befeſtigung der Waben, zum Verkitten von Lücken und Ritzen verwendet, durch welche Näſſe oder Kälte eindringen könnten, zum Verkleinern des Flugloches und, wenn es in einem Ausnahmsfalle nöthig ſein ſollte, zum Einhüllen fremdartiger Gegenſtände, welche ihrer Größe wegen nicht beſeitigt werden, durch Fäulniß aber den Stock verpeſten könnten. Jch weiß nicht, wer es erzählt, daß man eine Maus, eine nackte Schnecke auf dieſe Weiſe einge- kapſelt in Stöcken gefunden hat. Der Zellenbau als erſte, das unmittelbar ſich daran anſchließende Eintragen als zweite der Veſchäftigungen des Volkes dauern fort, ſo lange es beſteht, und werden von jedem Jndividnum betrieben, wie es eben paſſen will; aber noch fehlt die Seele des Ganzen, die Sorge für die Nachkommen, auf welche allein das Streben jedes Jnſekts gerichtet iſt, ſobald es zu ſeiner Vollendung gelangte.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/191>, abgerufen am 23.11.2024.