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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Blumenwespen.
aufmerksam gemacht auf die Dinge, die da kommen sollen, hat einen neuen Kasten, eine neue
Walze, oder wie er sonst seine Einrichtung neunen mag, in Bereitschaft, kehrt vorsichtig jene
Traube hinein, verschließt ihn mit dem Deckel und weist ihm seinen bestimmten Platz an. Dies
ist die erste Colonie, deren Entwickelung genau in der vorher beschriebenen Weise vor sich geht,
mit dem einzigen Unterschiede, daß die Königin nicht erst zur Befruchtung auszufliegen braucht.
Die Bienenväter sehen ein recht zeitiges Schwärmen sehr gern; denn dann kann das Volk desto
eher erstarken, reichliche Wintervorräthe einsammeln, und sie brauchen weniger mit künstlichem und
kostspieligem Futter nachzuhelfen. Daher der alte Reim:

Ein Schwarm im Mai
Gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun[',]
Ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul'
Kein' Federspul'.

Kehren wir nun zu unserem Stocke zurück, welcher soeben eine Colonie mit der alten Königin
ausgeschickt hat. Daselbst ist mittlerweile wenigstens eine junge Königin aus der Zelle geschlüpft
und von dem Anhange, der ihr schon vorher zugethan war, mit den schuldigen Ehrenbezeugungen
begrüßt worden. Sie würde unzweifelhaft als Erstgeborne die Herrin sein und bleiben, da die
Mutter ihr das Feld geräumt hat, wenn nicht noch Nebenbuhlerinnen mit genau denselben An-
sprüchen vorhanden wären. Die Verhältnisse können sich verschieden gestalten, nach drei, sieben
oder neun Tagen können Nachschwärme, von denen natürlich jeder folgende immer schwächer wird,
vorkommen, oder das Schwärmen hat mit dem Vorschwarme ein Ende. Mag der eine oder der
andere Fall eintreten, ohne Kampf zwischen Königinnen geht es so leicht nicht ab, zwei zu
gleicher Zeit in einem Staate sind nicht möglich; wird auch jede zunächst von einem Kreise von
Arbeitern umgeben, die den Zweikampf auf einige Zeit verhindern und nur für diese beiden
gänzlich unmöglich machen, wenn der Schwarm zu Stande kommt: weiterhin, wenn noch andere
Königinnen nachfolgen, bleibt er unvermeidlich. Huber erzählt von zwei jungen Königinnen,
die fast gleichzeitig ihre Zelle verlassen hatten, Folgendes: Sobald sie sich zu Gesicht kamen, schoffen
sie zornentbrannt auf einander los und stellten sich so, daß ihre Fühler wechselseitig von den
Kinnbacken des Gegners gehalten wurden, Kopf gegen Kopf, Brust gegen Brust, Bauch gegen
Bauch, sie brauchten nichts weiter zu thun, als das Ende des letzteren zu krümmen, um sich gegen-
seitig todt zu stechen. Das geschah aber nicht, keine hatte einen Vortheil vor der andern, sie
ließen los und jede wich zurück. Nach wenigen Minuten wiederholte sich der Angriff auf dieselbe
Weise mit gleichem Erfolge, bis durch eine Wendung die eine den Flügel der andern saßte, auf
sie stieg und ihr eine tödtliche Wunde versetzte. Um zu untersuchen, ob bereits befruchtete
Königinnen von gleicher Wuth beseelt seien, setzte er eine solche in einen Stock, worin sich eine
gleiche befand. Sofort versammelte sich ein Kreis von Bienen um den Fremdling, nicht um ihm
zu huldigen, sondern um sein Entkommen zu verhindern. Während dies geschah, sammelte sich
ein anderer Hause um die legitime Königin. Nach den Huldigungen der Ehrfurcht und Liebe, die
sie ihrer gesetzmäßigen Regentin gewöhnlich an den Tag legen und nach dem Mißtrauen, das sie
anfänglich einer fremden entgegen bringen, auch wenn sie die ihrige verloren haben, sollte man
meinen, sie würden es nicht auf einen Zweikampf ankommen lassen und sich zur Vertheidigung
ihres Oberhauptes vereinigen. Dem ist aber nicht so; keine Heere sollen für die Herrscher ein-
treten, diese sollen ihre Sache selbst ausmachen. Sobald die legitime Königin Miene machte,
gegen den Theil der Wabe vorzugehen, wo sich ihre Nebenbuhlerin befand, zogen sich die Bienen
zurück, daß der Raum zwischen beiden frei ward. Jene fährt wüthend auf den Eindringling los,
faßt ihn an der Wurzel des Flügels, drückt ihn gegen die Wabe, daß er sich nicht rühren kann,
und fertigt ihn mit einem Stoße ab. Die Beobachtungen Hubers sind zu gewissenhaft, um in

Die Hautflügler. Blumenwespen.
aufmerkſam gemacht auf die Dinge, die da kommen ſollen, hat einen neuen Kaſten, eine neue
Walze, oder wie er ſonſt ſeine Einrichtung neunen mag, in Bereitſchaft, kehrt vorſichtig jene
Traube hinein, verſchließt ihn mit dem Deckel und weiſt ihm ſeinen beſtimmten Platz an. Dies
iſt die erſte Colonie, deren Entwickelung genau in der vorher beſchriebenen Weiſe vor ſich geht,
mit dem einzigen Unterſchiede, daß die Königin nicht erſt zur Befruchtung auszufliegen braucht.
Die Bienenväter ſehen ein recht zeitiges Schwärmen ſehr gern; denn dann kann das Volk deſto
eher erſtarken, reichliche Wintervorräthe einſammeln, und ſie brauchen weniger mit künſtlichem und
koſtſpieligem Futter nachzuhelfen. Daher der alte Reim:

Ein Schwarm im Mai
Gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun[’,]
Ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul’
Kein’ Federſpul’.

Kehren wir nun zu unſerem Stocke zurück, welcher ſoeben eine Colonie mit der alten Königin
ausgeſchickt hat. Daſelbſt iſt mittlerweile wenigſtens eine junge Königin aus der Zelle geſchlüpft
und von dem Anhange, der ihr ſchon vorher zugethan war, mit den ſchuldigen Ehrenbezeugungen
begrüßt worden. Sie würde unzweifelhaft als Erſtgeborne die Herrin ſein und bleiben, da die
Mutter ihr das Feld geräumt hat, wenn nicht noch Nebenbuhlerinnen mit genau denſelben An-
ſprüchen vorhanden wären. Die Verhältniſſe können ſich verſchieden geſtalten, nach drei, ſieben
oder neun Tagen können Nachſchwärme, von denen natürlich jeder folgende immer ſchwächer wird,
vorkommen, oder das Schwärmen hat mit dem Vorſchwarme ein Ende. Mag der eine oder der
andere Fall eintreten, ohne Kampf zwiſchen Königinnen geht es ſo leicht nicht ab, zwei zu
gleicher Zeit in einem Staate ſind nicht möglich; wird auch jede zunächſt von einem Kreiſe von
Arbeitern umgeben, die den Zweikampf auf einige Zeit verhindern und nur für dieſe beiden
gänzlich unmöglich machen, wenn der Schwarm zu Stande kommt: weiterhin, wenn noch andere
Königinnen nachfolgen, bleibt er unvermeidlich. Huber erzählt von zwei jungen Königinnen,
die faſt gleichzeitig ihre Zelle verlaſſen hatten, Folgendes: Sobald ſie ſich zu Geſicht kamen, ſchoffen
ſie zornentbrannt auf einander los und ſtellten ſich ſo, daß ihre Fühler wechſelſeitig von den
Kinnbacken des Gegners gehalten wurden, Kopf gegen Kopf, Bruſt gegen Bruſt, Bauch gegen
Bauch, ſie brauchten nichts weiter zu thun, als das Ende des letzteren zu krümmen, um ſich gegen-
ſeitig todt zu ſtechen. Das geſchah aber nicht, keine hatte einen Vortheil vor der andern, ſie
ließen los und jede wich zurück. Nach wenigen Minuten wiederholte ſich der Angriff auf dieſelbe
Weiſe mit gleichem Erfolge, bis durch eine Wendung die eine den Flügel der andern ſaßte, auf
ſie ſtieg und ihr eine tödtliche Wunde verſetzte. Um zu unterſuchen, ob bereits befruchtete
Königinnen von gleicher Wuth beſeelt ſeien, ſetzte er eine ſolche in einen Stock, worin ſich eine
gleiche befand. Sofort verſammelte ſich ein Kreis von Bienen um den Fremdling, nicht um ihm
zu huldigen, ſondern um ſein Entkommen zu verhindern. Während dies geſchah, ſammelte ſich
ein anderer Hauſe um die legitime Königin. Nach den Huldigungen der Ehrfurcht und Liebe, die
ſie ihrer geſetzmäßigen Regentin gewöhnlich an den Tag legen und nach dem Mißtrauen, das ſie
anfänglich einer fremden entgegen bringen, auch wenn ſie die ihrige verloren haben, ſollte man
meinen, ſie würden es nicht auf einen Zweikampf ankommen laſſen und ſich zur Vertheidigung
ihres Oberhauptes vereinigen. Dem iſt aber nicht ſo; keine Heere ſollen für die Herrſcher ein-
treten, dieſe ſollen ihre Sache ſelbſt ausmachen. Sobald die legitime Königin Miene machte,
gegen den Theil der Wabe vorzugehen, wo ſich ihre Nebenbuhlerin befand, zogen ſich die Bienen
zurück, daß der Raum zwiſchen beiden frei ward. Jene fährt wüthend auf den Eindringling los,
faßt ihn an der Wurzel des Flügels, drückt ihn gegen die Wabe, daß er ſich nicht rühren kann,
und fertigt ihn mit einem Stoße ab. Die Beobachtungen Hubers ſind zu gewiſſenhaft, um in

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[176/0196] Die Hautflügler. Blumenwespen. aufmerkſam gemacht auf die Dinge, die da kommen ſollen, hat einen neuen Kaſten, eine neue Walze, oder wie er ſonſt ſeine Einrichtung neunen mag, in Bereitſchaft, kehrt vorſichtig jene Traube hinein, verſchließt ihn mit dem Deckel und weiſt ihm ſeinen beſtimmten Platz an. Dies iſt die erſte Colonie, deren Entwickelung genau in der vorher beſchriebenen Weiſe vor ſich geht, mit dem einzigen Unterſchiede, daß die Königin nicht erſt zur Befruchtung auszufliegen braucht. Die Bienenväter ſehen ein recht zeitiges Schwärmen ſehr gern; denn dann kann das Volk deſto eher erſtarken, reichliche Wintervorräthe einſammeln, und ſie brauchen weniger mit künſtlichem und koſtſpieligem Futter nachzuhelfen. Daher der alte Reim: Ein Schwarm im Mai Gilt ein Fuder Heu; Ein Schwarm im Jun’, Ein fettes Huhn; Ein Schwarm im Jul’ Kein’ Federſpul’. Kehren wir nun zu unſerem Stocke zurück, welcher ſoeben eine Colonie mit der alten Königin ausgeſchickt hat. Daſelbſt iſt mittlerweile wenigſtens eine junge Königin aus der Zelle geſchlüpft und von dem Anhange, der ihr ſchon vorher zugethan war, mit den ſchuldigen Ehrenbezeugungen begrüßt worden. Sie würde unzweifelhaft als Erſtgeborne die Herrin ſein und bleiben, da die Mutter ihr das Feld geräumt hat, wenn nicht noch Nebenbuhlerinnen mit genau denſelben An- ſprüchen vorhanden wären. Die Verhältniſſe können ſich verſchieden geſtalten, nach drei, ſieben oder neun Tagen können Nachſchwärme, von denen natürlich jeder folgende immer ſchwächer wird, vorkommen, oder das Schwärmen hat mit dem Vorſchwarme ein Ende. Mag der eine oder der andere Fall eintreten, ohne Kampf zwiſchen Königinnen geht es ſo leicht nicht ab, zwei zu gleicher Zeit in einem Staate ſind nicht möglich; wird auch jede zunächſt von einem Kreiſe von Arbeitern umgeben, die den Zweikampf auf einige Zeit verhindern und nur für dieſe beiden gänzlich unmöglich machen, wenn der Schwarm zu Stande kommt: weiterhin, wenn noch andere Königinnen nachfolgen, bleibt er unvermeidlich. Huber erzählt von zwei jungen Königinnen, die faſt gleichzeitig ihre Zelle verlaſſen hatten, Folgendes: Sobald ſie ſich zu Geſicht kamen, ſchoffen ſie zornentbrannt auf einander los und ſtellten ſich ſo, daß ihre Fühler wechſelſeitig von den Kinnbacken des Gegners gehalten wurden, Kopf gegen Kopf, Bruſt gegen Bruſt, Bauch gegen Bauch, ſie brauchten nichts weiter zu thun, als das Ende des letzteren zu krümmen, um ſich gegen- ſeitig todt zu ſtechen. Das geſchah aber nicht, keine hatte einen Vortheil vor der andern, ſie ließen los und jede wich zurück. Nach wenigen Minuten wiederholte ſich der Angriff auf dieſelbe Weiſe mit gleichem Erfolge, bis durch eine Wendung die eine den Flügel der andern ſaßte, auf ſie ſtieg und ihr eine tödtliche Wunde verſetzte. Um zu unterſuchen, ob bereits befruchtete Königinnen von gleicher Wuth beſeelt ſeien, ſetzte er eine ſolche in einen Stock, worin ſich eine gleiche befand. Sofort verſammelte ſich ein Kreis von Bienen um den Fremdling, nicht um ihm zu huldigen, ſondern um ſein Entkommen zu verhindern. Während dies geſchah, ſammelte ſich ein anderer Hauſe um die legitime Königin. Nach den Huldigungen der Ehrfurcht und Liebe, die ſie ihrer geſetzmäßigen Regentin gewöhnlich an den Tag legen und nach dem Mißtrauen, das ſie anfänglich einer fremden entgegen bringen, auch wenn ſie die ihrige verloren haben, ſollte man meinen, ſie würden es nicht auf einen Zweikampf ankommen laſſen und ſich zur Vertheidigung ihres Oberhauptes vereinigen. Dem iſt aber nicht ſo; keine Heere ſollen für die Herrſcher ein- treten, dieſe ſollen ihre Sache ſelbſt ausmachen. Sobald die legitime Königin Miene machte, gegen den Theil der Wabe vorzugehen, wo ſich ihre Nebenbuhlerin befand, zogen ſich die Bienen zurück, daß der Raum zwiſchen beiden frei ward. Jene fährt wüthend auf den Eindringling los, faßt ihn an der Wurzel des Flügels, drückt ihn gegen die Wabe, daß er ſich nicht rühren kann, und fertigt ihn mit einem Stoße ab. Die Beobachtungen Hubers ſind zu gewiſſenhaft, um in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/196>, abgerufen am 23.11.2024.