Theil der Fühlergeisel auf der Unterseite und die beiden vorletzten Glieder ringsum gelb gefärbt. Nach Schenck fliegen im ersten Frühlinge überwinterte Weibchen; von Juli bis in den Herbst kommen, besonders an Schmetterlingsblüthen, junge Thiere beiderlei Geschlechts zum Vorscheine. Der genannte Berichterstatter fing zu wiederholten Malen Männchen, bei denen an der platten und glatten Jnnenseite der Hinterschenkel und deren Hüften Blüthenstaub angeklebt war. Merk- würdigerweise ist (1856) ein einzelues Exemplar dieser Holzbiene in England gefangen worden, und Newman meint, daß vielleicht die starke Einfuhr von Orangebäumen bei Gelegenheit der Jndustrie-Ausstellung die Veranlassung dazu gegeben habe, was mir nicht einleuchten will.
Mit kräftigem Gesumme fliegt das überwinterte und befruchtete Weibchen an Latten, Bretter- wänden, Pfosten umher, läßt sich von der Sonne bescheinen und summt wieder davon. Diese Bewegungen dürften zuerst die Gefühle der Freude sein, daß der Winter, der es bisher gefangen hielt, nun vorüber ist, allein bald sind damit ernstere Betrachtungen verbunden: die Auswahl eines geeigneten Ortes, wohin es seine Nachkommenschaft bette, da das noch kurze Leben nicht ihm, sondern dieser angehört. Altes Holz, eine morsche Pfoste, ein mürber Baumstamm, dem fetzenweise die Borke schon fehlt, eignet sich dazu am besten und ermöglicht die schwere Arbeit. Mit Eifer nagt die Biene ein Loch von dem Umfange ihres Körpers, dringt einige Linien in das Jnnere ein und wendet sich nun nach unten. Hierzu bedarf sie eines Meisels, jede Kinnbacken- hälste dient ihr dazu, und einer Zange, als solche wirken beide in Gemeinschaft. Jede Hälfte verläuft von vorn bis hinten fast in gleicher Breite, stutzt sich dort schräg oder zahnartig ab und höhlt die Jnnenfläche aus. Die Späne werden herausgeschafft und tiefer und tiefer gearbeitet, bis eine gleichmäßige Röhre entsteht, welche einen Fuß lang sein kann und sich am Ende wieder etwas nach außen biegt. Die sorgsame Mutter gönnt sich nur so viel Ruhe bei dieser Beschäf- tigung, als zu einem und dem andern Ausfluge nach Blumen nöthig ist, wo sie durch Aufnahme von Honig neue Kräfte sammelt. Der Mai ist noch nicht zu Ende, sie aber fertig mit ihrer Röhre. Jn den untern Theil wird nun Honig mit Blüthenstaub vermischt in einer ganz bestimmten Menge eingetragen, ein Ei darauf gelegt und etwa in der Höhe, welche der Dicke des Rohres gleichkommt, ein Deckel aus concentrischen Ringen von gekneteten Sägespänen auf- gesetzt. Die erste Zelle ist geschlossen und damit der Boden für die zweite, höher liegende, gewonnen. Diese bekommt eine gleiche Portion und wieder ein Ei. Jn solcher Weise geht es fort ohne Unterbrechung, wenn nicht unsreundliches Wetter dieselbe gebietet, bis der Raum mit einer Zellen- säule erfüllt ist. Mir sind darüber keine bestimmten Beobachtungen bekannt, ich möchte aber glauben, daß nach solchen Anstrengungen die Lebenskräfte erschöpft wären, und daß der Mutter nicht das Glück zu Theil wird, auch nur eines ihrer Kinder zu sehen, für die sie sich hinopferte. Nach wenig Tagen schlüpft die junge Made aus, die sich im äußern Ansehen in nichts von den Maden unterscheidet, wie sie in der allgemeinen Uebersicht zu dieser Familie beschrieben wurden. Sie liegt gekrümmt und füllt, wenn sie nach ungefähr drei Wochen erwachsen ist, die Höhlung der Zelle ziemlich aus, in welcher man schwarze Körnchen, ihre Excremente, neben ihr finden kann. Jetzt spinnt sie ein Cocon und verpuppt sich. Da die unterste die älteste ist, muß sie natürlich auch zuerst zur Entwickelung gelangen, die zweite zunächst, die oberste zuletzt. Wird sie nun wohl so lange warten, bis die letzte ihrer Schwestern bereit ist, den Weg aus dem Kerker zu bahnen? Andere Bienen besitzen die Selbstverleugnung, beinahe ein halbes Jahr ohne Nahrung und ohne Gebrauch der Werkzeuge, die sie zum Leben in der Freiheit befähigen, gefangen zu sitzen, unsere Holzbiene aber nicht, weil sie eben von der Natur nicht zu dieser Quälerei verurtheilt ist. Es wurde ihr darum auch der kürzeste Weg gezeigt, auf dem sie sich aus dem Kerker befreien kann. Sie steht auf dem Kopfe, braucht also nur etwas beweglich zu werden und nach vorn zu drängen, so wird sie finden, daß der Raum sich nachgiebig zeigt. Sie gelangt so an das Ende der Biegung, welches mit Spänen lose gefüllt ist; indem sie ihre Zangen instinktmäßig kennt, prüft sie dieselben zum ersten Male und nagt die dünne Schicht zwischen sich und der warmen Sommerluft durch.
Die Hautflügler. Blumenwespen. Schenkelſammler.
Theil der Fühlergeiſel auf der Unterſeite und die beiden vorletzten Glieder ringsum gelb gefärbt. Nach Schenck fliegen im erſten Frühlinge überwinterte Weibchen; von Juli bis in den Herbſt kommen, beſonders an Schmetterlingsblüthen, junge Thiere beiderlei Geſchlechts zum Vorſcheine. Der genannte Berichterſtatter fing zu wiederholten Malen Männchen, bei denen an der platten und glatten Jnnenſeite der Hinterſchenkel und deren Hüften Blüthenſtaub angeklebt war. Merk- würdigerweiſe iſt (1856) ein einzelues Exemplar dieſer Holzbiene in England gefangen worden, und Newman meint, daß vielleicht die ſtarke Einfuhr von Orangebäumen bei Gelegenheit der Jnduſtrie-Ausſtellung die Veranlaſſung dazu gegeben habe, was mir nicht einleuchten will.
Mit kräftigem Geſumme fliegt das überwinterte und befruchtete Weibchen an Latten, Bretter- wänden, Pfoſten umher, läßt ſich von der Sonne beſcheinen und ſummt wieder davon. Dieſe Bewegungen dürften zuerſt die Gefühle der Freude ſein, daß der Winter, der es bisher gefangen hielt, nun vorüber iſt, allein bald ſind damit ernſtere Betrachtungen verbunden: die Auswahl eines geeigneten Ortes, wohin es ſeine Nachkommenſchaft bette, da das noch kurze Leben nicht ihm, ſondern dieſer angehört. Altes Holz, eine morſche Pfoſte, ein mürber Baumſtamm, dem fetzenweiſe die Borke ſchon fehlt, eignet ſich dazu am beſten und ermöglicht die ſchwere Arbeit. Mit Eifer nagt die Biene ein Loch von dem Umfange ihres Körpers, dringt einige Linien in das Jnnere ein und wendet ſich nun nach unten. Hierzu bedarf ſie eines Meiſels, jede Kinnbacken- hälſte dient ihr dazu, und einer Zange, als ſolche wirken beide in Gemeinſchaft. Jede Hälfte verläuft von vorn bis hinten faſt in gleicher Breite, ſtutzt ſich dort ſchräg oder zahnartig ab und höhlt die Jnnenfläche aus. Die Späne werden herausgeſchafft und tiefer und tiefer gearbeitet, bis eine gleichmäßige Röhre entſteht, welche einen Fuß lang ſein kann und ſich am Ende wieder etwas nach außen biegt. Die ſorgſame Mutter gönnt ſich nur ſo viel Ruhe bei dieſer Beſchäf- tigung, als zu einem und dem andern Ausfluge nach Blumen nöthig iſt, wo ſie durch Aufnahme von Honig neue Kräfte ſammelt. Der Mai iſt noch nicht zu Ende, ſie aber fertig mit ihrer Röhre. Jn den untern Theil wird nun Honig mit Blüthenſtaub vermiſcht in einer ganz beſtimmten Menge eingetragen, ein Ei darauf gelegt und etwa in der Höhe, welche der Dicke des Rohres gleichkommt, ein Deckel aus concentriſchen Ringen von gekneteten Sägeſpänen auf- geſetzt. Die erſte Zelle iſt geſchloſſen und damit der Boden für die zweite, höher liegende, gewonnen. Dieſe bekommt eine gleiche Portion und wieder ein Ei. Jn ſolcher Weiſe geht es fort ohne Unterbrechung, wenn nicht unſreundliches Wetter dieſelbe gebietet, bis der Raum mit einer Zellen- ſäule erfüllt iſt. Mir ſind darüber keine beſtimmten Beobachtungen bekannt, ich möchte aber glauben, daß nach ſolchen Anſtrengungen die Lebenskräfte erſchöpft wären, und daß der Mutter nicht das Glück zu Theil wird, auch nur eines ihrer Kinder zu ſehen, für die ſie ſich hinopferte. Nach wenig Tagen ſchlüpft die junge Made aus, die ſich im äußern Anſehen in nichts von den Maden unterſcheidet, wie ſie in der allgemeinen Ueberſicht zu dieſer Familie beſchrieben wurden. Sie liegt gekrümmt und füllt, wenn ſie nach ungefähr drei Wochen erwachſen iſt, die Höhlung der Zelle ziemlich aus, in welcher man ſchwarze Körnchen, ihre Excremente, neben ihr finden kann. Jetzt ſpinnt ſie ein Cocon und verpuppt ſich. Da die unterſte die älteſte iſt, muß ſie natürlich auch zuerſt zur Entwickelung gelangen, die zweite zunächſt, die oberſte zuletzt. Wird ſie nun wohl ſo lange warten, bis die letzte ihrer Schweſtern bereit iſt, den Weg aus dem Kerker zu bahnen? Andere Bienen beſitzen die Selbſtverleugnung, beinahe ein halbes Jahr ohne Nahrung und ohne Gebrauch der Werkzeuge, die ſie zum Leben in der Freiheit befähigen, gefangen zu ſitzen, unſere Holzbiene aber nicht, weil ſie eben von der Natur nicht zu dieſer Quälerei verurtheilt iſt. Es wurde ihr darum auch der kürzeſte Weg gezeigt, auf dem ſie ſich aus dem Kerker befreien kann. Sie ſteht auf dem Kopfe, braucht alſo nur etwas beweglich zu werden und nach vorn zu drängen, ſo wird ſie finden, daß der Raum ſich nachgiebig zeigt. Sie gelangt ſo an das Ende der Biegung, welches mit Spänen loſe gefüllt iſt; indem ſie ihre Zangen inſtinktmäßig kennt, prüft ſie dieſelben zum erſten Male und nagt die dünne Schicht zwiſchen ſich und der warmen Sommerluft durch.
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[188/0208]
Die Hautflügler. Blumenwespen. Schenkelſammler.
Theil der Fühlergeiſel auf der Unterſeite und die beiden vorletzten Glieder ringsum gelb gefärbt.
Nach Schenck fliegen im erſten Frühlinge überwinterte Weibchen; von Juli bis in den Herbſt
kommen, beſonders an Schmetterlingsblüthen, junge Thiere beiderlei Geſchlechts zum Vorſcheine.
Der genannte Berichterſtatter fing zu wiederholten Malen Männchen, bei denen an der platten
und glatten Jnnenſeite der Hinterſchenkel und deren Hüften Blüthenſtaub angeklebt war. Merk-
würdigerweiſe iſt (1856) ein einzelues Exemplar dieſer Holzbiene in England gefangen worden,
und Newman meint, daß vielleicht die ſtarke Einfuhr von Orangebäumen bei Gelegenheit der
Jnduſtrie-Ausſtellung die Veranlaſſung dazu gegeben habe, was mir nicht einleuchten will.
Mit kräftigem Geſumme fliegt das überwinterte und befruchtete Weibchen an Latten, Bretter-
wänden, Pfoſten umher, läßt ſich von der Sonne beſcheinen und ſummt wieder davon. Dieſe
Bewegungen dürften zuerſt die Gefühle der Freude ſein, daß der Winter, der es bisher gefangen
hielt, nun vorüber iſt, allein bald ſind damit ernſtere Betrachtungen verbunden: die Auswahl
eines geeigneten Ortes, wohin es ſeine Nachkommenſchaft bette, da das noch kurze Leben nicht
ihm, ſondern dieſer angehört. Altes Holz, eine morſche Pfoſte, ein mürber Baumſtamm, dem
fetzenweiſe die Borke ſchon fehlt, eignet ſich dazu am beſten und ermöglicht die ſchwere Arbeit.
Mit Eifer nagt die Biene ein Loch von dem Umfange ihres Körpers, dringt einige Linien in das
Jnnere ein und wendet ſich nun nach unten. Hierzu bedarf ſie eines Meiſels, jede Kinnbacken-
hälſte dient ihr dazu, und einer Zange, als ſolche wirken beide in Gemeinſchaft. Jede Hälfte
verläuft von vorn bis hinten faſt in gleicher Breite, ſtutzt ſich dort ſchräg oder zahnartig ab und
höhlt die Jnnenfläche aus. Die Späne werden herausgeſchafft und tiefer und tiefer gearbeitet,
bis eine gleichmäßige Röhre entſteht, welche einen Fuß lang ſein kann und ſich am Ende wieder
etwas nach außen biegt. Die ſorgſame Mutter gönnt ſich nur ſo viel Ruhe bei dieſer Beſchäf-
tigung, als zu einem und dem andern Ausfluge nach Blumen nöthig iſt, wo ſie durch Aufnahme
von Honig neue Kräfte ſammelt. Der Mai iſt noch nicht zu Ende, ſie aber fertig mit ihrer
Röhre. Jn den untern Theil wird nun Honig mit Blüthenſtaub vermiſcht in einer ganz
beſtimmten Menge eingetragen, ein Ei darauf gelegt und etwa in der Höhe, welche der Dicke
des Rohres gleichkommt, ein Deckel aus concentriſchen Ringen von gekneteten Sägeſpänen auf-
geſetzt. Die erſte Zelle iſt geſchloſſen und damit der Boden für die zweite, höher liegende, gewonnen.
Dieſe bekommt eine gleiche Portion und wieder ein Ei. Jn ſolcher Weiſe geht es fort ohne
Unterbrechung, wenn nicht unſreundliches Wetter dieſelbe gebietet, bis der Raum mit einer Zellen-
ſäule erfüllt iſt. Mir ſind darüber keine beſtimmten Beobachtungen bekannt, ich möchte aber
glauben, daß nach ſolchen Anſtrengungen die Lebenskräfte erſchöpft wären, und daß der Mutter
nicht das Glück zu Theil wird, auch nur eines ihrer Kinder zu ſehen, für die ſie ſich hinopferte.
Nach wenig Tagen ſchlüpft die junge Made aus, die ſich im äußern Anſehen in nichts von den
Maden unterſcheidet, wie ſie in der allgemeinen Ueberſicht zu dieſer Familie beſchrieben wurden.
Sie liegt gekrümmt und füllt, wenn ſie nach ungefähr drei Wochen erwachſen iſt, die Höhlung
der Zelle ziemlich aus, in welcher man ſchwarze Körnchen, ihre Excremente, neben ihr finden kann.
Jetzt ſpinnt ſie ein Cocon und verpuppt ſich. Da die unterſte die älteſte iſt, muß ſie natürlich
auch zuerſt zur Entwickelung gelangen, die zweite zunächſt, die oberſte zuletzt. Wird ſie nun
wohl ſo lange warten, bis die letzte ihrer Schweſtern bereit iſt, den Weg aus dem Kerker zu bahnen?
Andere Bienen beſitzen die Selbſtverleugnung, beinahe ein halbes Jahr ohne Nahrung und ohne
Gebrauch der Werkzeuge, die ſie zum Leben in der Freiheit befähigen, gefangen zu ſitzen, unſere
Holzbiene aber nicht, weil ſie eben von der Natur nicht zu dieſer Quälerei verurtheilt iſt. Es
wurde ihr darum auch der kürzeſte Weg gezeigt, auf dem ſie ſich aus dem Kerker befreien kann.
Sie ſteht auf dem Kopfe, braucht alſo nur etwas beweglich zu werden und nach vorn zu drängen,
ſo wird ſie finden, daß der Raum ſich nachgiebig zeigt. Sie gelangt ſo an das Ende der Biegung,
welches mit Spänen loſe gefüllt iſt; indem ſie ihre Zangen inſtinktmäßig kennt, prüft ſie dieſelben
zum erſten Male und nagt die dünne Schicht zwiſchen ſich und der warmen Sommerluft durch.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/208>, abgerufen am 24.11.2024.
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