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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Hautflügler. Grabwespen.
wie bei tausend und aber tausend anderen Jnsekten betrieben werden, ihnen zur Erhaltung, uns
theilweise zum Segen!

Zahlreiche Arten von Mordwespen, kleiner und unansehnlicher im Körper, aber gleich that-
kräftig und besorgt um ihre Nachkommen, bevölkern das reich mit Blattläusen besetzte Gebüsch
und siedeln sich im Sandboden, altem Mauer- oder Holzwerke an, sei es, daß sie selbst bauen, sei
es, daß sie die Anstrengung Anderen überlassen und nur auf List sinnen, um ihr Kukuksei fremden
Nestern im Verstohlenen einzuverleiben. Jn Folge ihres verschiedenartigen Flügelgeäders wurden
sie von den Systematikern verschiedenen Sippen zuertheilt. So bilden die Töpferwespen
(Trypoxylon) durch ihre zwei Unterrandzellen, welche in der Anlage vorhanden, deren zweite aber
von so blasser Ader begrenzt wird, daß man sie leicht übersieht, den Uebergang zu allen denen,
wo überhaupt nur eine vorkommt. Die am Jnnenrande tief ausgeschnittenen Augen, der gestreckte
keulenförmige Hinterleib, welcher beim kleinen Männchen stumpf, beim Weibchen spitz endet, machen
die Gattung leicht kenntlich. Die gemeine Töpferwespe (T. figulus), ein durchaus schwarzes,
schlankes Thierchen, welches in der Größe zwischen zwei und fünf Linien schwankt, macht sich
während des ganzen Sommers durch sein geschäftiges Aus- und Einfliegen an alten Pfosten, der
Rinde beraubten, absterbenden Baumstämmen bemerklich. Vielfach die Bohrlöcher anderer Jnsekten
benutzend, tragen die Weibchen Blattläuse oder kleine Spinnen für die Brut ein, theilen die
Röhren durch Lehmwände in Zellen und verstreichen zuletzt den Eingang in gleicher Weise.
Darum gab man ihnen den deutschen Namen. Die Made entwickelt sich rasch, spinnt sich dann
ein, wird aber erst im nächsten Frühjahre zur Puppe. -- Südamerika ernährt größere Arten,
welche wieder in anderer Weise bauen. Die 3/4 Zoll lange weißfüßige Töpferwespe (T. albitarse)
legt unter starkem Gesumm röhrenförmige, fast drei Zoll lange Nester in die Ecken oder an die
Pfosten menschlicher Wohnungen an und trägt Spinnen ein. Der flüchtige Töpfer (T. fugax)
Brasiliens benutzt verlassene Nester einer Polistes und verschließt die Zellen mit rother Erde, eine
andere, nordamerikanische Art baut entweder selbst in ähnlicher Weise wie ein Pelopoeus, jedoch
kürzere Zellen, oder sie benutzt dessen verlassene Nester, theilt aber jede Zelle durch eine Querwand
in zwei, weil sie dann immer noch groß genug sind für ihre Zwecke. Die Zellen der gold-
stirnigen Töpferwespe
(T. aurifrons) in Amazonien nehmen sich ungemein zierlich aus. Jn
Form einer stark gerundeten, sehr kurzhalsigen Steinkruke werden sie unter einander an verschiedene
Gegenstände angeklebt und mit Raupen gefüllt.

Eine der artenreichsten Gattungen bilden die Silbermund- oder Siebwespen (Crabro),
kenntlich an nur einer Unterrandzelle des Vorderflügels, welche von der darunter liegenden Mittel-
zelle getrennt ist. Die Randzelle setzt sich in einen kurzen Anhang fort, welcher sich so ziemlich
parallel mit dem Flügelrande hinzieht. Von oben erscheint der Kopf beinahe quadratisch, von vorn
gesehen, am Kopfschilde mit silberner oder goldiger Behaarung verziert, welcher Umstand, obschon
auch anderswo zu beobachten, den ersten Namen veranlaßte. Jn der Regel ist der glänzend
schwarze, nach beiden Seiten verschmälerte Hinterleib gelb gezeichnet, nur die kleineren, theilweise
sehr schwer zu unterscheidenden Arten machen eine Ausnahme. Die Männchen sind schlanker und
kleiner als ihre Weibchen, haben eine halbmondförmige, meist etwas gewölbte obere Afterklappe,
und bei manchen Arten unregelmäßig gebildete Fühler oder Beine. Diese sind bei den Weibchen
einfach, die Hinterschienen aber häufig sägeartig bedornt und die obere Afterklappe der Dreiecks-
form genähert. Jene Auszeichnungen der Männchen bestehen entweder in breitgedrückter Geisel-
mitte, oder Aushöhlung an einigen Gliedern, welche dann wie ausgefressen erscheinen. Bei anderen
wieder erweitert sich die Vorderschiene muschelartig, wie wir (S. 231) bei der auf der Brombeerblüthe

Die Hautflügler. Grabwespen.
wie bei tauſend und aber tauſend anderen Jnſekten betrieben werden, ihnen zur Erhaltung, uns
theilweiſe zum Segen!

Zahlreiche Arten von Mordwespen, kleiner und unanſehnlicher im Körper, aber gleich that-
kräftig und beſorgt um ihre Nachkommen, bevölkern das reich mit Blattläuſen beſetzte Gebüſch
und ſiedeln ſich im Sandboden, altem Mauer- oder Holzwerke an, ſei es, daß ſie ſelbſt bauen, ſei
es, daß ſie die Anſtrengung Anderen überlaſſen und nur auf Liſt ſinnen, um ihr Kukuksei fremden
Neſtern im Verſtohlenen einzuverleiben. Jn Folge ihres verſchiedenartigen Flügelgeäders wurden
ſie von den Syſtematikern verſchiedenen Sippen zuertheilt. So bilden die Töpferwespen
(Trypoxylon) durch ihre zwei Unterrandzellen, welche in der Anlage vorhanden, deren zweite aber
von ſo blaſſer Ader begrenzt wird, daß man ſie leicht überſieht, den Uebergang zu allen denen,
wo überhaupt nur eine vorkommt. Die am Jnnenrande tief ausgeſchnittenen Augen, der geſtreckte
keulenförmige Hinterleib, welcher beim kleinen Männchen ſtumpf, beim Weibchen ſpitz endet, machen
die Gattung leicht kenntlich. Die gemeine Töpferwespe (T. figulus), ein durchaus ſchwarzes,
ſchlankes Thierchen, welches in der Größe zwiſchen zwei und fünf Linien ſchwankt, macht ſich
während des ganzen Sommers durch ſein geſchäftiges Aus- und Einfliegen an alten Pfoſten, der
Rinde beraubten, abſterbenden Baumſtämmen bemerklich. Vielfach die Bohrlöcher anderer Jnſekten
benutzend, tragen die Weibchen Blattläuſe oder kleine Spinnen für die Brut ein, theilen die
Röhren durch Lehmwände in Zellen und verſtreichen zuletzt den Eingang in gleicher Weiſe.
Darum gab man ihnen den deutſchen Namen. Die Made entwickelt ſich raſch, ſpinnt ſich dann
ein, wird aber erſt im nächſten Frühjahre zur Puppe. — Südamerika ernährt größere Arten,
welche wieder in anderer Weiſe bauen. Die ¾ Zoll lange weißfüßige Töpferwespe (T. albitarse)
legt unter ſtarkem Geſumm röhrenförmige, faſt drei Zoll lange Neſter in die Ecken oder an die
Pfoſten menſchlicher Wohnungen an und trägt Spinnen ein. Der flüchtige Töpfer (T. fugax)
Braſiliens benutzt verlaſſene Neſter einer Polistes und verſchließt die Zellen mit rother Erde, eine
andere, nordamerikaniſche Art baut entweder ſelbſt in ähnlicher Weiſe wie ein Pelopoeus, jedoch
kürzere Zellen, oder ſie benutzt deſſen verlaſſene Neſter, theilt aber jede Zelle durch eine Querwand
in zwei, weil ſie dann immer noch groß genug ſind für ihre Zwecke. Die Zellen der gold-
ſtirnigen Töpferwespe
(T. aurifrons) in Amazonien nehmen ſich ungemein zierlich aus. Jn
Form einer ſtark gerundeten, ſehr kurzhalſigen Steinkruke werden ſie unter einander an verſchiedene
Gegenſtände angeklebt und mit Raupen gefüllt.

Eine der artenreichſten Gattungen bilden die Silbermund- oder Siebwespen (Crabro),
kenntlich an nur einer Unterrandzelle des Vorderflügels, welche von der darunter liegenden Mittel-
zelle getrennt iſt. Die Randzelle ſetzt ſich in einen kurzen Anhang fort, welcher ſich ſo ziemlich
parallel mit dem Flügelrande hinzieht. Von oben erſcheint der Kopf beinahe quadratiſch, von vorn
geſehen, am Kopfſchilde mit ſilberner oder goldiger Behaarung verziert, welcher Umſtand, obſchon
auch anderswo zu beobachten, den erſten Namen veranlaßte. Jn der Regel iſt der glänzend
ſchwarze, nach beiden Seiten verſchmälerte Hinterleib gelb gezeichnet, nur die kleineren, theilweiſe
ſehr ſchwer zu unterſcheidenden Arten machen eine Ausnahme. Die Männchen ſind ſchlanker und
kleiner als ihre Weibchen, haben eine halbmondförmige, meiſt etwas gewölbte obere Afterklappe,
und bei manchen Arten unregelmäßig gebildete Fühler oder Beine. Dieſe ſind bei den Weibchen
einfach, die Hinterſchienen aber häufig ſägeartig bedornt und die obere Afterklappe der Dreiecks-
form genähert. Jene Auszeichnungen der Männchen beſtehen entweder in breitgedrückter Geiſel-
mitte, oder Aushöhlung an einigen Gliedern, welche dann wie ausgefreſſen erſcheinen. Bei anderen
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[236/0258] Die Hautflügler. Grabwespen. wie bei tauſend und aber tauſend anderen Jnſekten betrieben werden, ihnen zur Erhaltung, uns theilweiſe zum Segen! Zahlreiche Arten von Mordwespen, kleiner und unanſehnlicher im Körper, aber gleich that- kräftig und beſorgt um ihre Nachkommen, bevölkern das reich mit Blattläuſen beſetzte Gebüſch und ſiedeln ſich im Sandboden, altem Mauer- oder Holzwerke an, ſei es, daß ſie ſelbſt bauen, ſei es, daß ſie die Anſtrengung Anderen überlaſſen und nur auf Liſt ſinnen, um ihr Kukuksei fremden Neſtern im Verſtohlenen einzuverleiben. Jn Folge ihres verſchiedenartigen Flügelgeäders wurden ſie von den Syſtematikern verſchiedenen Sippen zuertheilt. So bilden die Töpferwespen (Trypoxylon) durch ihre zwei Unterrandzellen, welche in der Anlage vorhanden, deren zweite aber von ſo blaſſer Ader begrenzt wird, daß man ſie leicht überſieht, den Uebergang zu allen denen, wo überhaupt nur eine vorkommt. Die am Jnnenrande tief ausgeſchnittenen Augen, der geſtreckte keulenförmige Hinterleib, welcher beim kleinen Männchen ſtumpf, beim Weibchen ſpitz endet, machen die Gattung leicht kenntlich. Die gemeine Töpferwespe (T. figulus), ein durchaus ſchwarzes, ſchlankes Thierchen, welches in der Größe zwiſchen zwei und fünf Linien ſchwankt, macht ſich während des ganzen Sommers durch ſein geſchäftiges Aus- und Einfliegen an alten Pfoſten, der Rinde beraubten, abſterbenden Baumſtämmen bemerklich. Vielfach die Bohrlöcher anderer Jnſekten benutzend, tragen die Weibchen Blattläuſe oder kleine Spinnen für die Brut ein, theilen die Röhren durch Lehmwände in Zellen und verſtreichen zuletzt den Eingang in gleicher Weiſe. Darum gab man ihnen den deutſchen Namen. Die Made entwickelt ſich raſch, ſpinnt ſich dann ein, wird aber erſt im nächſten Frühjahre zur Puppe. — Südamerika ernährt größere Arten, welche wieder in anderer Weiſe bauen. Die ¾ Zoll lange weißfüßige Töpferwespe (T. albitarse) legt unter ſtarkem Geſumm röhrenförmige, faſt drei Zoll lange Neſter in die Ecken oder an die Pfoſten menſchlicher Wohnungen an und trägt Spinnen ein. Der flüchtige Töpfer (T. fugax) Braſiliens benutzt verlaſſene Neſter einer Polistes und verſchließt die Zellen mit rother Erde, eine andere, nordamerikaniſche Art baut entweder ſelbſt in ähnlicher Weiſe wie ein Pelopoeus, jedoch kürzere Zellen, oder ſie benutzt deſſen verlaſſene Neſter, theilt aber jede Zelle durch eine Querwand in zwei, weil ſie dann immer noch groß genug ſind für ihre Zwecke. Die Zellen der gold- ſtirnigen Töpferwespe (T. aurifrons) in Amazonien nehmen ſich ungemein zierlich aus. Jn Form einer ſtark gerundeten, ſehr kurzhalſigen Steinkruke werden ſie unter einander an verſchiedene Gegenſtände angeklebt und mit Raupen gefüllt. Eine der artenreichſten Gattungen bilden die Silbermund- oder Siebwespen (Crabro), kenntlich an nur einer Unterrandzelle des Vorderflügels, welche von der darunter liegenden Mittel- zelle getrennt iſt. Die Randzelle ſetzt ſich in einen kurzen Anhang fort, welcher ſich ſo ziemlich parallel mit dem Flügelrande hinzieht. Von oben erſcheint der Kopf beinahe quadratiſch, von vorn geſehen, am Kopfſchilde mit ſilberner oder goldiger Behaarung verziert, welcher Umſtand, obſchon auch anderswo zu beobachten, den erſten Namen veranlaßte. Jn der Regel iſt der glänzend ſchwarze, nach beiden Seiten verſchmälerte Hinterleib gelb gezeichnet, nur die kleineren, theilweiſe ſehr ſchwer zu unterſcheidenden Arten machen eine Ausnahme. Die Männchen ſind ſchlanker und kleiner als ihre Weibchen, haben eine halbmondförmige, meiſt etwas gewölbte obere Afterklappe, und bei manchen Arten unregelmäßig gebildete Fühler oder Beine. Dieſe ſind bei den Weibchen einfach, die Hinterſchienen aber häufig ſägeartig bedornt und die obere Afterklappe der Dreiecks- form genähert. Jene Auszeichnungen der Männchen beſtehen entweder in breitgedrückter Geiſel- mitte, oder Aushöhlung an einigen Gliedern, welche dann wie ausgefreſſen erſcheinen. Bei anderen wieder erweitert ſich die Vorderſchiene muſchelartig, wie wir (S. 231) bei der auf der Brombeerblüthe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/258>, abgerufen am 23.11.2024.