Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Nonne.
Gesellschaft einen Spiegel, und die Methode, durch das Tödten derselben ihrem Fraße vorzu-
beugen, das Spiegeln. Jm Juni oder Juli sind die Raupen (a) erwachsen, auf graugrünlichem,
weißgrau und schwarz gemischtem Grunde blau und roth bewarzt und haben vorn einen weiß
umsäumten, sammetschwarzen Spiegelfleck. Hinter wenigen Seidenfäden werden sie an einem
Stamme zur schönen bronzeglänzenden, büschelig weiß behaarten Puppe. Da die Laubhölzer die
verlorenen Blätter wieder ersetzen können, so leiden sie durch den Nonnenfraß weniger, als die
Kiefern und besonders die Fichten. Bis zum Jahre 1828 galt die Nonne nur für eine Feindin
der Kiefer, als etwa 1852 beginnend, eine Nonnenverheerung über die ostpreußischen, lithauischen,
masurischen und polnischen Forsten hereinbrach, welche lehrte, daß die Fichte weit mehr noch von
ihr zu leiden habe, als die Kiefer. Professor Willkomm wurde 1863, nachdem das furchtbare
Ereigniß bereits vorüber war, von der königl. sächsischen Regierung in jene so entsetzlich heimge-
suchten Waldquartiere entsendet, und hat einen gründlichen Bericht darüber erstattet, welcher
theils auf eigne Anschauung, theils auf Einsicht der dortigen Revier-Akten und auf Mittheilungen
der Forstbeamten gegründet ist. Da derselbe die furchtbare Macht des "viribus unitis" erweist,
wenn auch die unitae nur schwache Thiere sind, und bisher dergleichen großartige Erscheinungen
hier unberücksichtigt blieben, so lasse ich jenen Bericht nach Roßmäßler's "die Thiere des Waldes"
(S. 91 ff.) jetzt folgen. Willkomm sagt: "Es war am 29. Juli 1858, als am Schwalzer
Schutzbezirke, dem südlichsten des Rothebuder Forstes, der Nonnenschmetterling auf einmal in
unzähliger Menge erschien, indem derselbe in wolkenartigen Massen, vom Südwind getrieben,
herbeizog. Binnen wenigen Stunden verbreitete sich der Schmetterling auch über die angrenzenden
Schutzbezirke, und zwar in solcher Menge, daß z. B. die Gebäude der Försterei Ragonnen von
Faltern förmlich incrustirt und die Oberfläche des Pillwungsees von darin ertrunkenen Schmetter-
lingen wie mit weißem Schaum bedeckt erschien. Glaubwürdige Augenzeugen, die ich gesprochen,
versichern, daß es im Walde gewesen wäre, wie beim ärgsten Schneegestöber, und daß die Bäume
wie beschneit ausgesehen hätten, in solcher Masse wäre der Schmetterling überall niedergefallen.
Nachforschungen Schimmelpfennig's ergaben, daß die Nonne bereits seit mehreren Jahren in
den südlich von der Bodschwingkenschen Haide gelegenen Privatforsten, besonders aber in den
polnischen Grenzwaldungen gefressen und sich dort, wo nichts für ihre Vertilgung geschehen war,
so ungeheuer vermehrt hatte, daß manche Waldbesitzer in ihrer Verzweiflung im Jahre 1852 ganze
Wälder niederbrennen ließen, um das Jnsekt los zu werden. Jn welcher Massenhaftigkeit 1853
der Nonnenfalter aufgetreten sein mag, erhellt aus der Thatsache, daß die Menge der vom
8. August bis zum 8. Mai des folgendes Jahres auf Nothebuder Revier gesammelten Eier circa
300 Pfund betrug, oder, da auf 1 Loth mindestens 15,000 Stück gehen, c. 150,000,000 Stück!
Außerdem wurden während der Flugzeit, welche in der Hauptsache nur bis zum 3. August währte,
drittehalb preuß. Scheffel weiblicher Falter (etwa 1,500,000 Stück) gesammelt. Trotz dieser energischen
Maßregeln zeigte sich im folgenden Frühjahre wieder eine solche Menge von Raupenspiegeln, selbst in
den drei- bis viermal abgesuchten Beständen, daß man sich überzeugen mußte, man habe kaum die
Hälfte der abgelegten Eier gesammelt. Und das war allerdings nicht wunderbar, da die Nonne
ihre Eier, allen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen Hohn sprechend, sogar an die Wurzeln
und zwischen das Moos der Bodenstren, desgleichen bei den Fichten in der Krone bis zum höchsten
Wipfel hinauf abgelegt hatte, was das Sammeln natürlich sehr erschweren mußte. Nichts desto-
weniger waren in fast allen Jagen, wo der Schmetterling sich in Menge gezeigt hatte, im Ganzen
auf eine Fläche von 14,500 Morgen, die Bäume Stamm für Stamm abgesucht worden, und zwar
bis zu fünf Fuß Höhe mit den Händen, weiter hinauf auf Leitern. Nicht unerwähnt darf bleiben,
daß in den mit Kiefern gemischten Fichtenbeständen, auch in den ältesten, die Eier fast immer nur
an den Fichten abgelegt erschienen, selten an Kiefern, denn bisher ist in so gemischten Beständen
das Gegentheil beobachtet worden. Die meisten Eier fand man immer an alten starken Fichten
(bis 2 Loth an einem Stamme!), sowie längs der Wurzeln und im Moose. Unter den Fichten

22*

Die Nonne.
Geſellſchaft einen Spiegel, und die Methode, durch das Tödten derſelben ihrem Fraße vorzu-
beugen, das Spiegeln. Jm Juni oder Juli ſind die Raupen (a) erwachſen, auf graugrünlichem,
weißgrau und ſchwarz gemiſchtem Grunde blau und roth bewarzt und haben vorn einen weiß
umſäumten, ſammetſchwarzen Spiegelfleck. Hinter wenigen Seidenfäden werden ſie an einem
Stamme zur ſchönen bronzeglänzenden, büſchelig weiß behaarten Puppe. Da die Laubhölzer die
verlorenen Blätter wieder erſetzen können, ſo leiden ſie durch den Nonnenfraß weniger, als die
Kiefern und beſonders die Fichten. Bis zum Jahre 1828 galt die Nonne nur für eine Feindin
der Kiefer, als etwa 1852 beginnend, eine Nonnenverheerung über die oſtpreußiſchen, lithauiſchen,
maſuriſchen und polniſchen Forſten hereinbrach, welche lehrte, daß die Fichte weit mehr noch von
ihr zu leiden habe, als die Kiefer. Profeſſor Willkomm wurde 1863, nachdem das furchtbare
Ereigniß bereits vorüber war, von der königl. ſächſiſchen Regierung in jene ſo entſetzlich heimge-
ſuchten Waldquartiere entſendet, und hat einen gründlichen Bericht darüber erſtattet, welcher
theils auf eigne Anſchauung, theils auf Einſicht der dortigen Revier-Akten und auf Mittheilungen
der Forſtbeamten gegründet iſt. Da derſelbe die furchtbare Macht des „viribus unitis“ erweiſt,
wenn auch die unitae nur ſchwache Thiere ſind, und bisher dergleichen großartige Erſcheinungen
hier unberückſichtigt blieben, ſo laſſe ich jenen Bericht nach Roßmäßler’s „die Thiere des Waldes“
(S. 91 ff.) jetzt folgen. Willkomm ſagt: „Es war am 29. Juli 1858, als am Schwalzer
Schutzbezirke, dem ſüdlichſten des Rothebuder Forſtes, der Nonnenſchmetterling auf einmal in
unzähliger Menge erſchien, indem derſelbe in wolkenartigen Maſſen, vom Südwind getrieben,
herbeizog. Binnen wenigen Stunden verbreitete ſich der Schmetterling auch über die angrenzenden
Schutzbezirke, und zwar in ſolcher Menge, daß z. B. die Gebäude der Förſterei Ragonnen von
Faltern förmlich incruſtirt und die Oberfläche des Pillwungſees von darin ertrunkenen Schmetter-
lingen wie mit weißem Schaum bedeckt erſchien. Glaubwürdige Augenzeugen, die ich geſprochen,
verſichern, daß es im Walde geweſen wäre, wie beim ärgſten Schneegeſtöber, und daß die Bäume
wie beſchneit ausgeſehen hätten, in ſolcher Maſſe wäre der Schmetterling überall niedergefallen.
Nachforſchungen Schimmelpfennig’s ergaben, daß die Nonne bereits ſeit mehreren Jahren in
den ſüdlich von der Bodſchwingkenſchen Haide gelegenen Privatforſten, beſonders aber in den
polniſchen Grenzwaldungen gefreſſen und ſich dort, wo nichts für ihre Vertilgung geſchehen war,
ſo ungeheuer vermehrt hatte, daß manche Waldbeſitzer in ihrer Verzweiflung im Jahre 1852 ganze
Wälder niederbrennen ließen, um das Jnſekt los zu werden. Jn welcher Maſſenhaftigkeit 1853
der Nonnenfalter aufgetreten ſein mag, erhellt aus der Thatſache, daß die Menge der vom
8. Auguſt bis zum 8. Mai des folgendes Jahres auf Nothebuder Revier geſammelten Eier circa
300 Pfund betrug, oder, da auf 1 Loth mindeſtens 15,000 Stück gehen, c. 150,000,000 Stück!
Außerdem wurden während der Flugzeit, welche in der Hauptſache nur bis zum 3. Auguſt währte,
drittehalb preuß. Scheffel weiblicher Falter (etwa 1,500,000 Stück) geſammelt. Trotz dieſer energiſchen
Maßregeln zeigte ſich im folgenden Frühjahre wieder eine ſolche Menge von Raupenſpiegeln, ſelbſt in
den drei- bis viermal abgeſuchten Beſtänden, daß man ſich überzeugen mußte, man habe kaum die
Hälfte der abgelegten Eier geſammelt. Und das war allerdings nicht wunderbar, da die Nonne
ihre Eier, allen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen Hohn ſprechend, ſogar an die Wurzeln
und zwiſchen das Moos der Bodenſtren, desgleichen bei den Fichten in der Krone bis zum höchſten
Wipfel hinauf abgelegt hatte, was das Sammeln natürlich ſehr erſchweren mußte. Nichts deſto-
weniger waren in faſt allen Jagen, wo der Schmetterling ſich in Menge gezeigt hatte, im Ganzen
auf eine Fläche von 14,500 Morgen, die Bäume Stamm für Stamm abgeſucht worden, und zwar
bis zu fünf Fuß Höhe mit den Händen, weiter hinauf auf Leitern. Nicht unerwähnt darf bleiben,
daß in den mit Kiefern gemiſchten Fichtenbeſtänden, auch in den älteſten, die Eier faſt immer nur
an den Fichten abgelegt erſchienen, ſelten an Kiefern, denn bisher iſt in ſo gemiſchten Beſtänden
das Gegentheil beobachtet worden. Die meiſten Eier fand man immer an alten ſtarken Fichten
(bis 2 Loth an einem Stamme!), ſowie längs der Wurzeln und im Mooſe. Unter den Fichten

22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0363" n="339"/><fw place="top" type="header">Die Nonne.</fw><lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft einen <hi rendition="#g">Spiegel,</hi> und die Methode, durch das Tödten der&#x017F;elben ihrem Fraße vorzu-<lb/>
beugen, das <hi rendition="#g">Spiegeln.</hi> Jm Juni oder Juli &#x017F;ind die Raupen (<hi rendition="#aq">a</hi>) erwach&#x017F;en, auf graugrünlichem,<lb/>
weißgrau und &#x017F;chwarz gemi&#x017F;chtem Grunde blau und roth bewarzt und haben vorn einen weiß<lb/>
um&#x017F;äumten, &#x017F;ammet&#x017F;chwarzen Spiegelfleck. Hinter wenigen Seidenfäden werden &#x017F;ie an einem<lb/>
Stamme zur &#x017F;chönen bronzeglänzenden, bü&#x017F;chelig weiß behaarten Puppe. Da die Laubhölzer die<lb/>
verlorenen Blätter wieder er&#x017F;etzen können, &#x017F;o leiden &#x017F;ie durch den Nonnenfraß weniger, als die<lb/>
Kiefern und be&#x017F;onders die Fichten. Bis zum Jahre 1828 galt die Nonne nur für eine Feindin<lb/>
der Kiefer, als etwa 1852 beginnend, eine Nonnenverheerung über die o&#x017F;tpreußi&#x017F;chen, lithaui&#x017F;chen,<lb/>
ma&#x017F;uri&#x017F;chen und polni&#x017F;chen For&#x017F;ten hereinbrach, welche lehrte, daß die Fichte weit mehr noch von<lb/>
ihr zu leiden habe, als die Kiefer. Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Willkomm</hi> wurde 1863, nachdem das furchtbare<lb/>
Ereigniß bereits vorüber war, von der königl. &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Regierung in jene &#x017F;o ent&#x017F;etzlich heimge-<lb/>
&#x017F;uchten Waldquartiere ent&#x017F;endet, und hat einen gründlichen Bericht darüber er&#x017F;tattet, welcher<lb/>
theils auf eigne An&#x017F;chauung, theils auf Ein&#x017F;icht der dortigen Revier-Akten und auf Mittheilungen<lb/>
der For&#x017F;tbeamten gegründet i&#x017F;t. Da der&#x017F;elbe die furchtbare Macht des <hi rendition="#aq">&#x201E;viribus unitis&#x201C;</hi> erwei&#x017F;t,<lb/>
wenn auch die <hi rendition="#aq">unitae</hi> nur &#x017F;chwache Thiere &#x017F;ind, und bisher dergleichen großartige Er&#x017F;cheinungen<lb/>
hier unberück&#x017F;ichtigt blieben, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e ich jenen Bericht nach <hi rendition="#g">Roßmäßler&#x2019;s</hi> &#x201E;die Thiere des Waldes&#x201C;<lb/>
(S. 91 ff.) jetzt folgen. <hi rendition="#g">Willkomm</hi> &#x017F;agt: &#x201E;Es war am 29. Juli 1858, als am Schwalzer<lb/>
Schutzbezirke, dem &#x017F;üdlich&#x017F;ten des Rothebuder For&#x017F;tes, der Nonnen&#x017F;chmetterling auf einmal in<lb/>
unzähliger Menge er&#x017F;chien, indem der&#x017F;elbe in wolkenartigen Ma&#x017F;&#x017F;en, vom Südwind getrieben,<lb/>
herbeizog. Binnen wenigen Stunden verbreitete &#x017F;ich der Schmetterling auch über die angrenzenden<lb/>
Schutzbezirke, und zwar in &#x017F;olcher Menge, daß z. B. die Gebäude der För&#x017F;terei Ragonnen von<lb/>
Faltern förmlich incru&#x017F;tirt und die Oberfläche des Pillwung&#x017F;ees von darin ertrunkenen Schmetter-<lb/>
lingen wie mit weißem Schaum bedeckt er&#x017F;chien. Glaubwürdige Augenzeugen, die ich ge&#x017F;prochen,<lb/>
ver&#x017F;ichern, daß es im Walde gewe&#x017F;en wäre, wie beim ärg&#x017F;ten Schneege&#x017F;töber, und daß die Bäume<lb/>
wie be&#x017F;chneit ausge&#x017F;ehen hätten, in &#x017F;olcher Ma&#x017F;&#x017F;e wäre der Schmetterling überall niedergefallen.<lb/>
Nachfor&#x017F;chungen <hi rendition="#g">Schimmelpfennig&#x2019;s</hi> ergaben, daß die Nonne bereits &#x017F;eit mehreren Jahren in<lb/>
den &#x017F;üdlich von der Bod&#x017F;chwingken&#x017F;chen Haide gelegenen Privatfor&#x017F;ten, be&#x017F;onders aber in den<lb/>
polni&#x017F;chen Grenzwaldungen gefre&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich dort, wo nichts für ihre Vertilgung ge&#x017F;chehen war,<lb/>
&#x017F;o ungeheuer vermehrt hatte, daß manche Waldbe&#x017F;itzer in ihrer Verzweiflung im Jahre 1852 ganze<lb/>
Wälder niederbrennen ließen, um das Jn&#x017F;ekt los zu werden. Jn welcher Ma&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit 1853<lb/>
der Nonnenfalter aufgetreten &#x017F;ein mag, erhellt aus der That&#x017F;ache, daß die Menge der vom<lb/>
8. Augu&#x017F;t bis zum 8. Mai des folgendes Jahres auf Nothebuder Revier ge&#x017F;ammelten Eier circa<lb/>
300 Pfund betrug, oder, da auf 1 Loth minde&#x017F;tens 15,000 Stück gehen, c. 150,000,000 Stück!<lb/>
Außerdem wurden während der Flugzeit, welche in der Haupt&#x017F;ache nur bis zum 3. Augu&#x017F;t währte,<lb/>
drittehalb preuß. Scheffel weiblicher Falter (etwa 1,500,000 Stück) ge&#x017F;ammelt. Trotz die&#x017F;er energi&#x017F;chen<lb/>
Maßregeln zeigte &#x017F;ich im folgenden Frühjahre wieder eine &#x017F;olche Menge von Raupen&#x017F;piegeln, &#x017F;elb&#x017F;t in<lb/>
den drei- bis viermal abge&#x017F;uchten Be&#x017F;tänden, daß man &#x017F;ich überzeugen mußte, man habe kaum die<lb/>
Hälfte der abgelegten Eier ge&#x017F;ammelt. Und das war allerdings nicht wunderbar, da die Nonne<lb/>
ihre Eier, allen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen Hohn &#x017F;prechend, &#x017F;ogar an die Wurzeln<lb/>
und zwi&#x017F;chen das Moos der Boden&#x017F;tren, desgleichen bei den Fichten in der Krone bis zum höch&#x017F;ten<lb/>
Wipfel hinauf abgelegt hatte, was das Sammeln natürlich &#x017F;ehr er&#x017F;chweren mußte. Nichts de&#x017F;to-<lb/>
weniger waren in fa&#x017F;t allen Jagen, wo der Schmetterling &#x017F;ich in Menge gezeigt hatte, im Ganzen<lb/>
auf eine Fläche von 14,500 Morgen, die Bäume Stamm für Stamm abge&#x017F;ucht worden, und zwar<lb/>
bis zu fünf Fuß Höhe mit den Händen, weiter hinauf auf Leitern. Nicht unerwähnt darf bleiben,<lb/>
daß in den mit Kiefern gemi&#x017F;chten Fichtenbe&#x017F;tänden, auch in den älte&#x017F;ten, die Eier fa&#x017F;t immer nur<lb/>
an den Fichten abgelegt er&#x017F;chienen, &#x017F;elten an Kiefern, denn bisher i&#x017F;t in &#x017F;o gemi&#x017F;chten Be&#x017F;tänden<lb/>
das Gegentheil beobachtet worden. Die mei&#x017F;ten Eier fand man immer an alten &#x017F;tarken Fichten<lb/>
(bis 2 Loth an einem Stamme!), &#x017F;owie längs der Wurzeln und im Moo&#x017F;e. Unter den Fichten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0363] Die Nonne. Geſellſchaft einen Spiegel, und die Methode, durch das Tödten derſelben ihrem Fraße vorzu- beugen, das Spiegeln. Jm Juni oder Juli ſind die Raupen (a) erwachſen, auf graugrünlichem, weißgrau und ſchwarz gemiſchtem Grunde blau und roth bewarzt und haben vorn einen weiß umſäumten, ſammetſchwarzen Spiegelfleck. Hinter wenigen Seidenfäden werden ſie an einem Stamme zur ſchönen bronzeglänzenden, büſchelig weiß behaarten Puppe. Da die Laubhölzer die verlorenen Blätter wieder erſetzen können, ſo leiden ſie durch den Nonnenfraß weniger, als die Kiefern und beſonders die Fichten. Bis zum Jahre 1828 galt die Nonne nur für eine Feindin der Kiefer, als etwa 1852 beginnend, eine Nonnenverheerung über die oſtpreußiſchen, lithauiſchen, maſuriſchen und polniſchen Forſten hereinbrach, welche lehrte, daß die Fichte weit mehr noch von ihr zu leiden habe, als die Kiefer. Profeſſor Willkomm wurde 1863, nachdem das furchtbare Ereigniß bereits vorüber war, von der königl. ſächſiſchen Regierung in jene ſo entſetzlich heimge- ſuchten Waldquartiere entſendet, und hat einen gründlichen Bericht darüber erſtattet, welcher theils auf eigne Anſchauung, theils auf Einſicht der dortigen Revier-Akten und auf Mittheilungen der Forſtbeamten gegründet iſt. Da derſelbe die furchtbare Macht des „viribus unitis“ erweiſt, wenn auch die unitae nur ſchwache Thiere ſind, und bisher dergleichen großartige Erſcheinungen hier unberückſichtigt blieben, ſo laſſe ich jenen Bericht nach Roßmäßler’s „die Thiere des Waldes“ (S. 91 ff.) jetzt folgen. Willkomm ſagt: „Es war am 29. Juli 1858, als am Schwalzer Schutzbezirke, dem ſüdlichſten des Rothebuder Forſtes, der Nonnenſchmetterling auf einmal in unzähliger Menge erſchien, indem derſelbe in wolkenartigen Maſſen, vom Südwind getrieben, herbeizog. Binnen wenigen Stunden verbreitete ſich der Schmetterling auch über die angrenzenden Schutzbezirke, und zwar in ſolcher Menge, daß z. B. die Gebäude der Förſterei Ragonnen von Faltern förmlich incruſtirt und die Oberfläche des Pillwungſees von darin ertrunkenen Schmetter- lingen wie mit weißem Schaum bedeckt erſchien. Glaubwürdige Augenzeugen, die ich geſprochen, verſichern, daß es im Walde geweſen wäre, wie beim ärgſten Schneegeſtöber, und daß die Bäume wie beſchneit ausgeſehen hätten, in ſolcher Maſſe wäre der Schmetterling überall niedergefallen. Nachforſchungen Schimmelpfennig’s ergaben, daß die Nonne bereits ſeit mehreren Jahren in den ſüdlich von der Bodſchwingkenſchen Haide gelegenen Privatforſten, beſonders aber in den polniſchen Grenzwaldungen gefreſſen und ſich dort, wo nichts für ihre Vertilgung geſchehen war, ſo ungeheuer vermehrt hatte, daß manche Waldbeſitzer in ihrer Verzweiflung im Jahre 1852 ganze Wälder niederbrennen ließen, um das Jnſekt los zu werden. Jn welcher Maſſenhaftigkeit 1853 der Nonnenfalter aufgetreten ſein mag, erhellt aus der Thatſache, daß die Menge der vom 8. Auguſt bis zum 8. Mai des folgendes Jahres auf Nothebuder Revier geſammelten Eier circa 300 Pfund betrug, oder, da auf 1 Loth mindeſtens 15,000 Stück gehen, c. 150,000,000 Stück! Außerdem wurden während der Flugzeit, welche in der Hauptſache nur bis zum 3. Auguſt währte, drittehalb preuß. Scheffel weiblicher Falter (etwa 1,500,000 Stück) geſammelt. Trotz dieſer energiſchen Maßregeln zeigte ſich im folgenden Frühjahre wieder eine ſolche Menge von Raupenſpiegeln, ſelbſt in den drei- bis viermal abgeſuchten Beſtänden, daß man ſich überzeugen mußte, man habe kaum die Hälfte der abgelegten Eier geſammelt. Und das war allerdings nicht wunderbar, da die Nonne ihre Eier, allen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen Hohn ſprechend, ſogar an die Wurzeln und zwiſchen das Moos der Bodenſtren, desgleichen bei den Fichten in der Krone bis zum höchſten Wipfel hinauf abgelegt hatte, was das Sammeln natürlich ſehr erſchweren mußte. Nichts deſto- weniger waren in faſt allen Jagen, wo der Schmetterling ſich in Menge gezeigt hatte, im Ganzen auf eine Fläche von 14,500 Morgen, die Bäume Stamm für Stamm abgeſucht worden, und zwar bis zu fünf Fuß Höhe mit den Händen, weiter hinauf auf Leitern. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß in den mit Kiefern gemiſchten Fichtenbeſtänden, auch in den älteſten, die Eier faſt immer nur an den Fichten abgelegt erſchienen, ſelten an Kiefern, denn bisher iſt in ſo gemiſchten Beſtänden das Gegentheil beobachtet worden. Die meiſten Eier fand man immer an alten ſtarken Fichten (bis 2 Loth an einem Stamme!), ſowie längs der Wurzeln und im Mooſe. Unter den Fichten 22*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/363
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/363>, abgerufen am 23.11.2024.